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Epos

One Shots
von

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Black Panther

„Und wer ist das?“

Aphrodite wandte sich herum, versuchte herauszufinden wem die junge Göttin ihre Aufmerksamkeit schenkte.

„Oh… das ist Hades.“ Sie nippte an ihrem Drink und wandte sich ab. Den Herrn der Unterwelt würde sie für ihre Freundin eher nicht auswählen.

„Er ist heiß.“

Ach herrje, Aphrodite musste dringend intervenieren. „Das mag sein, aber wie wäre es mit…“ Sie sah sich gerade um und fand einen ebenfalls gutaussehenden Gott. Als sie gerade ihrer jungen Begleitung besagten Mann zeigen wollte, war der Platz neben ihr auch schon leer. Bei den Sternen, wo war sie hin?

Die Göttin schlängelte sich durch die Gruppe von Leuten, doch Hades war mit seiner hochgewachsenen Gestalt immer gut zu sehen.

„Verzeihung?“

Hades blickte auf die Stelle, wo man ihn gerade angetippt hatte. Sein ernster Ausdruck bekam einen verwunderten Touch als er die Frau vor sich musterte. Er hatte nicht wirklich Interesse an einem Gespräch, schon gar nicht mit einer jungen, unbekannten Göttin, die scheinbar nicht wusste mit wem sie sich anlegte. Er wollte sich gerade abwenden, da machte die Frau erneut den Mund auf.

„Ich habe Euch schon eine Weile beobachtet. Wie kommt es, dass Ihr alleine hier seid?“

Hades überlegte gerade, wie er sie am besten loswurde, doch ein wenig Spaß konnte sicherlich nicht schaden. „Und wenn es so wäre?“ Einer seiner Mundwinkel zog sich nach oben.

„Nun, ich könnte Euch Gesellschaft leisten.“ Die Göttin aktivierte ihre Kräfte, die anziehend auf ihn wirken würden und kam einen Schritt näher, um ihm einen koketten Augenaufschlag zu schenken als sie den Kopf in den Nacken legte. Er war wirklich groß. Und diese Schultern. Sie war gespannt was sich unter dem Anzug noch alles verbarg.

„Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr ein SO großes Kaliber händeln könnt?“ Hades ging in die Vollen. Mal sehen, ob das reichte, um sie zu vertreiben. Scheinbar nicht, denn ihr weicher Körper kam noch näher.

„Wir können es herausfinden.“ Um die Sache noch zu unterstreichen griff sie nach dem Glas, welches er hielt und bisher keinen einzigen Schluck davon genommen hatte. Hades betrachtete sie weiterhin mit seinem Bad Boy Blick, doch dann ging ein Zucken durch seine Iris und er brachte das Getränk außerhalb ihrer Reichweite.

„Nicht, kleine Göttin, Ihr werdet Euch verbrennen.“ Er ließ offen ob er damit den Alkohol oder sich selbst meinte und wandte sich ab. Geschickt ging er durch die Ansammlung von Göttern, die sich allesamt zu dieser Party eingefunden hatten und verschwand durch den Rundbogen.

Die Göttin, nicht bereit so vorschnell aufzugeben, eilte ihm hinterher. Womöglich war das ihre Gelegenheit und die würde sie unter keinen Umständen verpassen. Sie hatte es ungleich schwerer, für Hades teilte sich die Masse regelrecht und sie musste entweder auf sich aufmerksam machen oder einen Umweg nehmen, weil die Schneise sich hinter ihm direkt wieder schloss. Als sie ebenfalls den überfüllten Raum hinter sich gelassen hatte blickte sie den Gang rauf und runter. Ein Geräusch zu ihrer Rechten lockte sie in diese Richtung. Die Räumlichkeiten des Zeus waren allesamt gut geschmückt. Teure Teppiche und Bilder, Vasen und Skulpturen säumten ihren Weg. Teure Vorhänge umrahmten den Blick auf die nächtliche Stadt unter ihnen. Schnell hastete sie um die Ecke, wo sich gerade die zweite Tür von rechts schloss. Mit einem Schmunzeln machte sie sich daran endlich ihre Beute zu erreichen, DAS war eindeutig ein Zeichen für sie.

Drinnen war es komplett dunkel. Wo war er? Ein Geräusch ließ sie innehalten. War das Hades? Plötzlich glühten blaue Flammen in zwei hübschen Augenpaaren. Durch das Feuer wurde der Raum ein wenig erhellt und die Göttin sah, dass der Blick über breite Schultern geworfen wurde. Das Martiniglas schimmerte über der Anderen. Langsam wandte sich ein weiterer Kopf zu ihr herum, es war Hades. Jetzt war der Bad Boy Blick nicht mehr so sexy. Dabei war er nicht mal böse wegen der Unterbrechung, so sah er eben manchmal aus, wenn seine Frau ihn verführte und das Animalische aus ihm herauskitzelte.

„I-ich…“ krächzte die junge Göttin, versuchte mit überhasteten Griffen die Klinke zu finden. Schwitzig fand sie das Metall endlich, rutschte ab und drehte sich so schnell herum, dass sie praktisch gegen die Tür prallte, als sie es endlich schaffte sie aufzubekommen.

„Amüsant“, schnurrte seine Frau nachdem sie dem Schauspiel zugesehen hatten. „Ach ja, ich habe dich einfach auf der Party stehen lassen.“

Hades Bewegungen waren langsam als er ihr das Gesicht zuwandte und nach ihrem Bein griff, um es weiter als nötig hochzuheben.

„Niemand lässt einen König einfach stehen. Du weißt, was das bedeutet.“ Er drängte sie bereits zum Bett. Auf dem Weg dorthin nahm er ihr das Glas ab, trank es in einem Zug leer.

„Bestrafung? Die Königin bittet darum.“

Sein gebrummtes Lachen war alles, was sie noch als Antwort von ihm bekam.

Besuch

Manchmal stellte sich die Frage, wie sie es anstellte. Wie es kam, dass Shawn Mendes Lied „Nervous“ durch den Palast der Unterwelt schallte, gefolgt von ihren Schritten. Wie es kam, dass ihre Füße über den Stein flogen, ungeniert, völlig unfähig Scham zu empfinden. Es war ihr völlig egal, wer sie dabei sah, als wäre sie auf der Bühne.

Persephone klatschte in die Hände, umkreiste Thanatos, der eigentlich aus wichtigem Grund hier war, aber stocksteif stehen blieb während seine Königin, um ihn herumtanzte, nur, um ihn dann doch wieder stehen zu lassen. Verwirrt sah er ihr hinterher. Die Präsenz seines Königs ließ ihn sich wieder herumdrehen. Hades lehnte mit verschränkten Armen an einer Säule und sah ihr hinterher. Kurz sah er zum Gott des Todes hin und zuckte mit den Schultern. Es war ja nicht so, dass es wirklich eine Möglichkeit gab diesen kleinen Wirbelwind irgendwie aufzuhalten. Der Weißhaarige ging auf ihn zu, um ihm schnell mitzuteilen warum er hier war.

Die Rothaarige wiederum kreiste in ihrem kurzen, beigen und grünen Kleid weiter zwischen den Säulen entlang, teilweise mit geschlossenen Augen und genoss den Moment der Ruhe, den sie ihrer Meinung nach so effizient wie möglich ausnutze. Sie kam zwischen zwei Säulen hervor, ließ die Hüften kreisen und sah schließlich zur Tür hin. Mitten in der Bewegung hielt sie an. Die Musik lief weiter. Stocksteif blickte sie zwei Augenpaaren entgegen, die sie ziemlich irritiert musterten. Das… war die Königin der Unterwelt, oder?

Persephone grinste schief, aktivierte die Flammen, die von ihren Füßen an begannen schnell an ihrem Körper hochzuschießen. Sie waren gerade einmal bei der Hälfte, als sie sich unten auch schon wieder auflösten. Bei der Geschwindigkeit wurden ihre Haare aus dem Nacken gen Decke gehoben, ehe sie wieder herunterfielen, die junge Göttin nun in der traditionellen Tracht gekleidet.

Mit einem Fingerschnipp endete die Musik, sie beugte würdevoll das Haupt vor den Gästen.

„Willkommen, wir hatten gar keinen Besuch erwartet.“

Die Beiden sahen sich gegenseitig an. Was antworten sie jetzt am besten bei einem solchen Empfang?

„Ungebetene Gäste sind nicht willkommen, Persephone.“ Hades Auftreten und Tonfall stand im perfekten Kontrast zu der rothaarigen Tänzerin. Es stellte sich die Frage, wie die Zwei sich lieben konnten, wenn sie so verschieden waren. Zumindest hatten sie Gerüchte über deren Zuneigung füreinander gehört. Der breitschultrige Hades befand sich nur Millimeter hinter ihr und zwang die Zwei vor ihm sich seinem kalten Blick zu unterziehen.

„Ungebeten?“ Persephones Stimme klang glockenhell. „Wenn ich das gewusst hätte…“ Doch dann wurde sie düster. Ihre Augen begannen zu glühen. Plötzlich bildeten sich Flammen an ihren Armen, die Säulen schienen in Flammen zu stehen. „Ich zähle bis Drei, dann seid ihr weg.“

„M-Moment…“

„Eins…“ Der Eine rannte schon.

„W-Wir…“

„Zwei…“ Der Andere nahm die Beine in die Hand. „Drei.“ Die Flammen gingen aus, die Götter erreichten die Tore und machten sich aus dem Staub. „Was für Spielverderber. Alles Weicheier diese neuen Götter.“

Hades lehnte sich zu ihr herunter und küsste sie zwischen Stirn und Ohr. Seine Frau konnte wirklich furchteinflößend sein.

The other Half

„Aidoneus, versteck dich! Schnell.“ Der kleine Hades sah von seinem Spiel auf. Er musste weit hinaufschauen, denn die Titanin war viel größer als jeder Baum, um ihn herum. Rhea klang nie so aufgeregt, außer es ging um seinen Vater. Hastig rappelte sich der kleine Junge hoch, ignorierte den Dreck an seiner Kleidung, den Knien und Händen und rannte zwischen die Bäume. Er lief und lief. Immer weiter. Ihm brannte die Lunge, doch er wusste, wenn er zu früh stehen blieb, dann würde sein Vater ihn holen kommen. Er hatte Angst und die beflügelte seine Schritte.

Völlig erschöpft lehnte er nach einer Weile an einem Baumstamm und versuchte sein Herz zu beruhigen, damit er nicht mehr nur das wilde Klopfen hören konnte. Wenn sein Vater hinter ihm war, dann musste er aufmerksam sein. Vielleicht rief Mutter auch schon nach ihm, was wäre, wenn er sie überhörte? Japsend versuchte er sich zu beruhigen, wagte es aber nicht sich hinzusetzen.

Nichts war zu hören, außer den Geräuschen des Waldes. Hatte er es ein weiteres Mal geschafft zu entkommen?

„Wer bist du?“ Hades wirbelte herum. Doch es war niemand zu sehen. „Hey, Junge. Wer bist du?“ Die Stimme kam von einer anderen Seite, er wandte sich erneut um. Dort stand ein Mädchen, ein Kind in seinem Alter, in einem weißen Kleid, die Hände hinter dem Rücken zusammengelegt. „Sprichst du nicht?“

Er blinzelte. Bildete er sich das alles ein? Sie hatte er noch nie gesehen und auf ihn wirkte sie seltsam vertraut. War sie eine Göttin? Aphrodite vielleicht? Hekate war es definitiv nicht, die war älter. Oder hatte sie sich vielleicht verzaubert? Das Mädchen machte ein merkwürdiges Gesicht als würde sie darüber nachdenken, ob sie es vielleicht mit einem Verrückten zu tun hatte.

„Aidoneus. Mein Name ist Aidoneus.“

„Aidoneus“, wiederholte das Mädchen und legte den Kopf fragend schief. Hades nickte. „Lügst du mich auch nicht an?“

„N-Nein. Wie kommst du darauf“, fragte er, langsam wütend werdend.

„Hm, ich nenn dich Hades.“

Er öffnete den Mund, um zu protestieren. Doch welchen Sinn hatte das? „Mach was du willst!“ Hades drehte sich halb herum. Er musste zurück zu seiner Mutter. Oder sollte er hier warten? Er hatte keine Zeit sich mit einem dummen Mädchen abzugeben. Die weiße Gestalt schritt plötzlich an ihm vorbei und riss ihn aus den Gedanken.

„In Ordnung.“ Eine Armlänge vor ihm blieb sie stehen und drehte sich auf den Zehenspitzen herum. „Wollen wir spielen?“

Hades schüttelte den Kopf. „Ich habe jetzt keine Zeit.“

„Warum?“

„Ich bin weggelaufen.“

„Warum?“

„Wegen meinem Vater.“

„Warum?“

„Weil es so ist!“

„Warum?“

„Fragst du immer so viel? Du gehst mir gehörig auf die Nerven.“ Es folgte kein weiteres Warum. Sie sah ihn traurig an. „Was ist jetzt?!“

Langsam streckte sie ihren Arm nach ihm aus. Er wich zurück, wollte nicht berührt werden. Ungeachtet der Zurückweisung hielt das Mädchen ihre Hand nach ihm ausgestreckt. Hinter ihr knackte es plötzlich so laut, dass es sicherlich Baumstämme waren, die brachen. Und er wusste, dass es nur einen gab, der so durch die Gegend wanderte, auf der Suche nach jemand ganz Bestimmten. Nach ihm.

Hades packte ihre Hand und zog das Mädchen hinter sich her, die nicht einmal das Geräusch bemerkt zu haben schien. Sein Herz hämmerte in seiner Brust. Die Angst war wieder da und sie war übermächtig aufgrund des viel zu nahen Geräusches. Er durfte sie beide nicht erwischen, niemals.

„Na, sieh einer an, wenn das nicht mein Sohn ist. Endlich habe ich dich.“

Hades stolperte als er einen Blick zurückwarf. Eine übergroße Hand streckte sich nach ihm aus. Vor Panik hörte sein Herz einen Moment auf zu schlagen. Er wollte das nicht, er wollte nicht hier sein und er wollte diesen Vater nicht. Nur am Rande bemerkte er, dass das Mädchen verschwunden war.
 

Hades erwachte schweißgebadet. Sein Herz donnerte in seiner Brust. Den Blick in die Dunkelheit gerichtet versuchte er die Hand erneut zu erblicken, doch sein Schlafzimmer war leer. Seine Tätowierungen leuchteten schwach mit einem pulsierenden Licht. Erst als er sicher war auch wirklich allein zu sein legte er eine Hand über das Gesicht. Diese Albträume, sie machten ihn fertig.

Neben ihm regte sich etwas. Erschrocken japsend wandte er sich weit genug herum. Doch es war nur eine Nymphe, eine nackte noch dazu. Langsam dämmerte es ihm, er hatte sie im Styx aufgegabelt und für ein bisschen Spaß mit nach Hause genommen. Deshalb war sie hier. Sein Blick gleitet über ihr Gesicht, anschließend über ihren freien Rücken und den Rest ihre Konturen unter der Decke entlang.

Der Traum war anders gewesen, bevor es wirklich brutal geworden war, war er aufgewacht. Ungewöhnlich, aber würde sich nicht beschweren. So konnte er sich nach kurzer Zeit beruhigen und wieder hinlegen. Seine Hände streckten sich nach der Nymphe aus, doch sie hielten nur Zentimeter vor ihr an. Da war ein Mädchen in seinem Traum gewesen. Er verengte die Augen zu Schlitzen als er sich zurückerinnerte, auf die Gefahr hin wieder in Panik zu verfallen. Noch nie in seinem Leben hatte er sie gesehen, oder? Was suchte sie also in seinen Träumen? Und warum in alles in der Welt hatte er sie retten wollen? Es war doch rein um ihn gegangen.

Hades seufzte und zog die Arme wieder an. Dann drehte er sich auf die andere Seite und schloss die Augen. Es fühlte sich so an als würde etwas fehlen. Doch wie konnte er etwas vermissen, was er nicht kannte? Bis er einschlief dauerte es sehr lange und das Gefühl blieb plötzlich nur noch Halb zu existieren.

Georges Gericht

George betrachtete Persephone, wie sie sich neben ihn in der Schlange platzierte. Er sah kurz zurück, doch es beschwerte sich niemand. Sie hielt die Arme hinter dem Rücken und umfasste mit einer Hand ihr anderes Handgelenk.

„Hat es dich auch erwischt“, fragte er.

„Nein.“ Sie hatte nur nach vorn gesehen, jetzt sah sie ihn an, lächelte ein kleines Lächeln. Er kannte es irgendwoher, doch er hätte es nicht wirklich mit Hades in Verbindung bringen können. Seinen Boss angeschmachtet hatte er schon lange nicht mehr, demnach fehlte ihm die Routine.

„Ok, gut.“ Er schwieg eine Weile. „Wie geht`s dir?“

„Gut, danke.“ Die Schlange ging ein ganzes Stück vorwärts.

George betrachtete sie wieder als er sich neu platziert hatte. Sie kam ihm hier nicht komisch vor. Tatsächlich war ihm irgendwann ein Verdacht gekommen.
 

Thanatos hielt in der Bewegung an, ganz nah bei Hades Schreibtisch.

„Was macht Persephone da?“, fragte Thanatos seinen Boss. Hades sah nur kurz auf. Er behielt sie eigentlich die ganze Zeit im Blick falls sie ihn brauchte. „Ist das erlaubt?“

„Es ist jedenfalls nicht explizit verboten, wenn du das meinst“, erwiderte Hades nachdem er etwas auf dem Papier vor sich aufgeschrieben und der Person vor sich in die Hand gedrückt hatte. Dann kam der Nächste.

„Ich sag nichts. Nicht, dass noch die Hölle durch ihre Wut einstürzt. Ich glaube, dazu ist sie in der Lage.“ Der sonst so stille Thanatos hatte ein Bedürfnis sich seiner Gedanken zu entledigen. Hades nickt und macht ein Gesicht, als ob er sehr wohl wüsste was passierte, wenn man sich ihren Zorn zugezogen hatte.
 

„Es ist nur eine Vermutung, aber ich habe sie schon länger“, beginnt George. „Du warst das mit den Aufträgen, mit der Spende, oder? Mit so einigem.“

Persephone zuckt mit halber Schulter. Es spielte für sie keine Rolle was sie gewesen war und was nicht.

„Danke.“

„Nichts zu danken.“ Sie lächelte ihn an. Ihr Blick verriet, dass sie ganz genau wusste was geschehen war und was geschehen würde. „Mach dir keine Sorgen, ich habe gespickt.“

George atmete erleichtert aus. „Gut zu wissen.“ Wieder schwieg er. So viele Dinge hatten an Bedeutung verloren, da machte man sich auch jetzt keine Gedanken mehr darum.

„Erinnerst du dich noch an den Tag, als wir uns kennen lernten? Du hast mich auf dem Stuhl erwischt und ich dachte ich werde sofort gefeuert.“

„Oh ja, dein Blick war göttlich. Ich hatte mir den Spaß nicht nehmen können.“

„Ja, genau.“ Persephone lachte und sah wieder nach vorn. „Weißt du auch noch, damals, als du deinen Mann kennen gelernt hattest und ich zum Essen gekommen bin, weil du meine Meinung über ihn hören wolltest? Du warst so schrecklich nervös, genau wie ich damals auf dem Stuhl.“

„Erinnere mich nicht dran, es ist mir jetzt noch peinlich.“

„Es ist nicht schlimm.“ Persephones Ton hatte sich verändert. „Ich komme dich ab und zu besuchen. Du wirst gar nicht merken, dass ich weg bin. Die Zeit vergeht manchmal anders.“

Die Aussicht Persephone wiedersehen zu können war beruhigend. Dann war er dran und blickte auf Hades Haar hinunter, weil der die Papiere vor sich studierte.

„Nun…“ Hades legte den Stift hin und die Fingerkuppen aufeinander, ehe er sich zurücklehnte. „Dann mal nach rechts mit dir, auch wenn Persephone es nicht erwarten konnte dir zu erzählen.“

Vieles spielte jetzt keine Rolle mehr, es war bedeutungslos. Er sah nicht zurück, lächelte Persephone nicht einmal mehr zu. Sie sah ihm nach bis er nicht mehr zu sehen war. Dann wollte sie sich abwenden und gehen. Hades war aufgesprungen und packte ihr Handgelenk. Sie sackte zusammen und er fing sie gerade noch rechtzeitig auf.

Die Liste vor ihm, er hatte sie vor seiner Frau hingelegt und mit dem Finger auf einen Namen gezeigt. Die Information brauchte nicht lange, um anzukommen. Persephone hatte George und seine Familie im Blick, wusste um den Zustand. Trotzdem war da dieser bodenlose Kummer. Allein die Tatsache noch ein letztes Mal mit ihm zu sprechen hatte sie beflügelt. Jetzt war da nichts mehr, was sie halten konnte. Außer seine Arme, die sie an ihn drückten. Es war hart, auch wenn er nur erahnen konnte was sie tatsächlich fühlte. Und es würde noch so oft geschehen. Die Rothaarige hatte sich nie von ihrem sterblichen Leben gänzlich lösen können, würde es auch in nächster Zeit nicht tun. Egal wie viele von ihnen starben.

Die Wartenden sahen sie monoton an, sie fühlten wenig. Doch Persephone war es egal, ob sie die Königin der Unterwelt in ihrer Trauer sahen. Den im Herzen war sie stark. Es brauchte nur seine Zeit. Und sie hatte eine ganze Ewigkeit davon.

Wedding Bells

Dort saß sie nun, in einem Hinterzimmer irgendeiner Kirche, zwischen Tüll… und Tränen. Doch egal wie sehr sie sich bemühte, ihre Augen schienen ausgetrocknet. Vermutlich hatte sie für dieses Leben bereits alles aufgebraucht. Langsam sah sie auf, sah sich um. Es gab kein Entkommen. Die Fenster waren weit oben, vor der Tür hörte sie den Lärm der letzten Vorbereitungen. Pure Verzweiflung herrschte in ihrem Kopf. Zumindest bis die Tür geöffnet und die Visagistin hereinkam.

Während sie fertig gemacht wurde dachte sie über die Vergangenheit nach. Darüber, dass sie ihm nie würde sagen können, dass sie ihn liebte. Er, der heute nicht vor dem Altar auf sie warten würde. Um sie herum schnatterten sie gemütlich, bis auf ihre Mutter, die nicht wirklich glücklich mit der Wahl von Zeus war, doch was sollte sie machen? Sie konnte sich ihm nicht widersetzen und die Absprache war klar getroffen worden.

Die Geräusche um Persephone herum lullten sie irgendwie ein und als sie die Augen schloss konnte sie es vor sich sehen, den Frühling von vor knapp einem halben Jahr…
 

Er war wegen einem Auftrag für Demeter gekommen. Einfach so stand er da, schien ein wenig verloren in seiner dunklen Kluft. In dem Versuch ihr nicht zu nahe zu treten und doch irgendwie Bestimmtheit durchscheinen zu lassen, bat er um Ambrosia. Persephone kam gerade herein als ihre Mutter ihn ein wenig dämmlich aussehen ließ. Nun, so war sie eben – wusste einiges besser und war von sich gern überzeugt.

Der Mann ließ es mit sich machen und zog sich einen Schritt zurück während Demeter den Krug vorbereitete. Persephone lehnte sich neben ihm gegen den Tresen und sah schließlich lächelnd zu ihm hoch. Er mied irgendwie ihren Blick und sie war sich nicht sicher, ob er nervös war.

„Sie tut nur so. Keine Sorge, es liegt nicht an Euch.“

Er sah sie an, mit den schönsten Augen, die sie je gesehen hatte. Ihr Grinsten wurde leicht schief und ihre Knie weich als er lächelte.

„Demeter war schon immer so“, antwortete er, ganz und gar nicht nervös.

Persephone versank in seinem Blick, ihr Herz machte seltsame Dinge. Setzte manchmal aus, schlug überschnell und kraftvoller als sonst weiter. Gerade als sie den Mut fand, um erneut etwas zu sagen, kam ihre Mutter zurück, drückte dem Mann den Krug in die Hand und scheuchte ihn regelrecht hinaus.

Er war… der Wahnsinn.
 

Einen Monat später war er wieder da, bat erneut um Ambrosia und sah sich verstohlen im Raum um. Die junge Frau, die er neulich hier getroffen hatte, war nicht da, stellte er enttäuscht fest.

„Hades, suchst du etwas?“ Demeter tauchte in seinem Blickfeld auf, die Hände in die Seiten gestemmt und eindeutig nicht bereit ihn weiter hier herumspionieren zu lassen.

„Äh… nein… Danke für das Ambrosia.“

„Ja ja“, winkte sie ab und ihn damit gleichzeitig hinaus.

Draußen seufzte er. Die Enttäuschung lag ihm schwer auf dem Herzen, obwohl er es nie zugegeben hätte. Mit dem frisch befüllten Krug trat er den Weg zurück in die Unterwelt an. Der Wald lag schnell hinter ihm, warum er nicht den Äther benutzte, fragte er sich da gerade. Da kam ihm jemand entgegen und er erkannte den roten Schopf sofort. Beinahe wäre ihm der Krug aus der Hand gefallen. Gerade noch rechtzeitig verbarg er seine Erleichterung, stellte sich so gerade wie möglich hin… oder sollte er das besser nicht tun? Seine Größe könnte sie verängstigen. Oh, also nicht. Er beugte die Schultern. Aber das sieht nach nichts aus.

Hin- und hergerissen erreichte ihn Persephone, die in höflichem Abstand zu ihm stehen blieb und ihn anlächelte. Bei den Sternen, dieses Lächeln. Diese Lippen.

„Guten Tag.“

„Hallo“, antwortete sie gut gelaunt und sah ihn aufmerksam an. Los, Junge, sag etwas. Irgendetwas. Aber was soll ich sagen? Persephone kam ihm zuvor. Oder wusste sie etwa von seiner Misere??? Oh, bitte nicht! „Nachschub?“

„Ja.“ Er hob den Krug als bedurfte es dieser Geste. Ja? Ist das alles? Hades, komm schon. Wie viele Frauen hast du schon angeflirtet? Du kriegst doch wohl was Besseres hin als nur ein ‚Ja‘. Er räusperte sich. „Ich… brauchte Nachschub.“ Innerlich schlug er sich vors Gesicht.

„Gut.“ Sie wusste wohl auch nicht was sie damit anfangen sollte. Da ging es der Schönheit wie ihm. „Nun, ich will Euch nicht aufhalten.“

„Tut Ihr nicht!“ Hatte er das gerade wirklich gesagt? Hatte er verzweifelt geklungen??? „Nächste Woche komme ich wieder, für einen Auftrag. Ich gehe dann wieder hier entlang.“

Sie antwortete erst nicht, sah ihn nur verdutzt an. Dann begann sie zu strahlen und er war sich sicher, spätestens jetzt hatte ihn ein Liebespfeil getroffen. Sie schien genau auf solche Worte gewartet zu haben.

„Ich verstehe. Dann werde ich in einer Woche hier sein.“
 

Persephone, so hieß sie. Sie war Demeters Tochter und das wohl unglaublichste Geschöpf, welches er je gesehen hatte. Egal was sie tat, bei ihr sah alles schön und anders aus. Ihre Nähe war beruhigend und quirlig zugleich. Ihre ganze Art strahlte eine positive Aura aus, die ihn bei jedem Treffen einlullte und von seiner Vergangenheit ablenkte.

Er trug diese nicht offen mit sich herum, redete nicht darüber. Doch wenn er bei ihr war, dann kamen manche Erinnerungen in ihm hoch, schienen von ihr wie ein Fisch an Land gezogen und dann von ihrem Lachen eingepackt zu werden, woraufhin alles in weite Ferne rückte. So oft er es einrichten konnte kam er aus der Unterwelt herauf, suchte Demeter oder die Umgebung unter irgendwelchen Vorwänden auf und traf sich mit ihr. Sie stellte keine Fragen, zumindest nicht über ihn oder seine Herkunft.

Persephone wusste nicht, dass er der Bruder ihrer Mutter war und damit auch der Bruder von Zeus. Sie wusste weder, dass er wesentlich älter war als sie noch, dass er der König der Unterwelt war. Nichts davon schien sie zu interessieren. Alles, was sie wissen wollte, hing mit seinem Charakter und seinen Neigungen zusammen.
 

Sie hatten sich verabredet, immer öfter. Waren sich immer nähergekommen bis zu jenem Tag am See. Sie hatte dort auf einem Baumstumpf gesessen, traurig, weil das Schicksal sie nicht erhörte und dann war er einfach aufgetaucht. Genau heute hatten sie nicht geplant sich zu sehen. Als würde er davon wissen raschelte es im Gebüsch und mit einem warmen Lächeln kam er auf sie zu. Doch als er sah, dass sie Kummer hatte, sanken seine Mundwinkel herab und er eilte zu ihr.

„Persephone, Liebes, was ist geschehen?“

Wieder fiel ihr auf, dass sie seinen Namen nicht kannte, doch auch jetzt war keine Zeit dafür. In zehn Minuten musste sie zurück bei ihrer Mutter sein, andernfalls würde man sie suchen und sie wollte nicht, dass er am Ende noch Ärger bekam, weil sie sich trafen. Also schilderte sie ihm in Kürze das Problem. Zeus hatte das Recht über seine Tochter nun eingesetzt und wollte sie verheiraten. Bald. Er würde keine Dekade mehr warten, nicht einmal mehr ein Jahr. Just in diesem Moment suchte er womöglich einen Mann für sie aus.

Hades Gesicht war wie aus Stein gemeißelt. Hinter ihren Tränen sah sie es erst nicht, doch dann war sie erschrocken. Er stand auf, hielt zwar noch ihre Hand, doch sein Blick war eindeutig.

„Das tut mir leid. Ich muss jetzt gehen.“

Persephone nickte nur, sie wusste nicht warum. In ihrem Herzen brach etwas entzwei. Sie wollte ihn aufhalten. Doch er wollte genau das wohl nicht, denn das, was sie in seinem Blick gelesen hatte, war Abneigung und Distanz. Dann war er fort.
 

Und jetzt saß sie hier. Eine letzte Haarsträhne wurde drapiert, ein letzter Blick und dann legten sie den Schleier um. Das war gut, fand sie. So würde ihr Mann nicht den geschockten Ausdruck sehen, wenn sie um die Ecke in die Kirche trat und ihn das erste Mal erblickte. Allein bei der Vorstellung krampfte sich ihr Herz zusammen.

Sie führten sie hinaus und in einen Gang, durch einen Torbogen war Orgelmusik zu hören, zu ihren Füßen ein dunkel blauer Teppich mit goldenen Ornamenten. Persephone sah darauf ohne ihn wirklich zu betrachten. Konnte sie jetzt vielleicht noch weglaufen? Oder nein sagen? Sie könnte es wie Artemis machen, das Gelübde ablegen und für immer ihre Jungfräulichkeit bewahren. Ja, das müsste doch möglich sein, oder?

Jemand ergriff ihren Arm und führte sie zum Torbogen. Dort ließ sie die Person los und scheinbar erwartete die gesamte Welt, dass sie freiwillig von selbst in ihr Verderben ging. Vielleicht war es gar nicht so schlimm, flüsterte eine Stimme der Hoffnung ihr zu. Vielleicht war er ganz nett. Klar, nett. Der zweite Vorname der olympischen Götter. Sah man ja an Zeus, der seiner Lust kein Einhalt gebieten konnte und ständig Hera verletzte. Das würde sie nicht ertragen.

Die Orgel wiederholte das Intro, weil die Braut sich nicht bewegte. Wieder fasste sie jemand am Arm, schob sie vorwärts. Ihr Blick war noch immer zu Boden gesunken, auf das schöne Blau und das Gold. Persephone legte den Kopf schief. Wenn sie genauer hinsah, waren das dann Figuren? Die Hand wurde jetzt energisch und sie stolperte, doch ihr Kopf wandte sich herum, betrachtete den golden eingestickten Zerberus. Unfreiwillig sah sie nach vorn, weil sie fast gestolpert wäre und blickte zum Altar.

Dort stand er. Hades. Seine Brust hob und senkte sich selbst für sie sichtbar und um seine Mundwinkel zuckte ein Lächeln und Besorgnis, weil sie nicht zu ihm kam. Persephone kam es so vor als hätte jemand ihre Füße in Zement gegossen, sie bewegten sich keinen Zentimeter. Während sie hinauf starrte musste der Orgelspieler schon wieder wiederholen, der Enthusiasmus ließ ein wenig zu wünschen übrig. In all seinen Details nahm sie das Bild von ihm auf. Der schwarze Anzug verlieh ihm etwas Bedrohliches. Und sie liebte es. Immer, wenn er zu ihnen gekommen war, hatte er geschlossene Roben getragen, nicht mehr als nötige nackte Haut. Berührt hatten sie sich so gut wie gar nicht, doch nun konnte sie sehen, dass er sehr stattlich war. Demeter stand auf und schob sich dazwischen. Ihre Hand machte eine ruckartige Bewegung.

Endlich wurde ihr bewusst, dass sie sich für eine Hochzeit total seltsam verhielt. Sie sollte sich zusammenreißen, aufrichten und nach vorne gehen. Gut, das würde sie tun!

Persephone ließ den Strauß fallen, ergriff den Schleier und warf ihn zurück. Keine Sekunde später griff sie die Seiten ihres Kleides und rannte, so schnell das mit all den Lagen ging, nach vorn. Von Hades Schultern schien ein Felsbrocken zu fallen. Er atmete erleichtert auf und sein Lächeln gewann. Der Orgelspieler kam aus dem Takt, ratterte plötzlich die Noten nur so herunter.

Es war ihr egal, völlig egal. Die Blicke auch. Demeters heruntergeklappter Unterkiefer. Dass sie die Stufen hinaufrannte und Hades überrascht die Augen weitete, weil sie nicht langsamer wurde und sie plötzlich die Arme um seinen Hals warf, um ihn zu küssen.

„Tausendmal Ja.“

Er lachte brummend. „Ich glaube, dieser Teil kommt erst noch.“ Er legte seine Stirn auf ihre, genoss ihre Nähe. „Für einen Moment dachte ich, du willst mich nicht.“

„Natürlich will ich das“, bestätigte sie energisch und voller Freude in der Stimme. „Aber ich weiß nicht einmal wen ich will.“

„Hades. Gott der Unterwelt und des Reichtums. König und Bräutigam.“

Persephones Überraschung währte nicht lang. Dann lachte sie und küsste ihn erneut.

Mutter Tanz

Aus dem kleinen Proberaum ertönte das Rumpeln eines zu Boden fallenden Körpers, der sich nicht mehr rechtzeitig abfedern konnte. Kurz darauf folgte Persephones Stimme, die in einem Knurren mit den Fäusten dem Parkett einen Schlag versetzte. Dann stoppte die schnelle Musik, Stille kehrte ein in der die Rothaarige im Zimmer auf- und abging. Ihr Blick glitt aus dem Fenster, auf den Garten und zur Stadt hin, zu den Hochhäusern, all den Sterblichen. Und zu ihrer Mutter. Sie wusste, warum es ihr gerade so schwer fiel Freude in ihren Tänzen zu empfinden. Denn ihr Herz schmerzte zu sehr.

Dann änderte sich die Musik. Persephone stellte sich auf. Ruhige, melancholische Klänge erfüllten den Raum. Sie wollte, dass ihre Mutter sie sah. Demeter sollte sehen, wer Persephone wirklich war, wie sehr sie das Tanzen liebte, wie sehr sie zu Hades gehörte. Wie sie aus sich herausging, wenn sie im Einklang mit sich war. Und das war sie hier. Bei all den Göttern wäre jede andere Wahl schlechter ausgegangen. Es gab nur Einen, der sie vervollständigte, mit dem sie durch jedes wilde Meer des Schicksals segeln konnte. Er war nicht so, wie Demeter manch anderen beschrieb. Genauso wenig war ihre Tochter nur das, was sie sich einredete all die Jahre gesehen zu haben.

Langsame, fließende Bewegungen, so ganz anders wie sonst. Sie gab ihre Seele hinein, ihr gesamtes Herz, hielt die Augen geschlossen und spürte allein die Bewegungen ihres Körpers, der regelrecht über das Parkett schwebte. Vor ihrem inneren Auge sah sie sie ihre Mutter im Laden, am Abend, wenn sie sich nach einem arbeitsreichen Tag erholte. Sie sah ihr wie polierte Kastanien schimmerndes Haar in der Sonne eines goldenen Herbsttages. Die Bilder, wie ihre Mutter sie zum Lernen anleitete, ihr zeigte, wie man pflanzte und Sträuße band. Und sie sah ihr Lächeln, als sie mit dem roten, alten Pick Up durch den Regen fuhren.

Sie hatte sie so einiges gelehrt, nur so war die Persephone von jetzt zustande gekommen. Ohne ihre Aufopferung, Liebe und Zeit hatte sich ihre Seele entwickeln können, um zu einer starken, selbstbewussten Schönheit heranzuwachsen, die nun, zum Schluss des Liedes, sich hinkniete, die Arme lang nach vorn ausgestreckt, wie in einer Yogaübung, und dort sitzen blieb.

Persephone wollte, dass sie es sah.

Ungesehen

Die Sonne kündigte sich gerade mal am Horizont an. Hades sah durch die bodentiefen Fenster hinaus, eine Hand auf der Scheibe. Er hatte beschissen geschlafen, das tat er so gut wie immer. Ein neuer Tag auf den eine neue, vermutlich genauso schlechte Nacht folgen würde. Er wandte sich ab, es half nichts darüber zu jammern oder hier herumzustehen. Davon wurde es auch nicht besser. Als die helle Scheibe endlich zu sehen war stand er bereits im Anzug erneut dort, knöpfte sich die Ärmel zu, warf nochmal einen Blick nach draußen, dann ging er nach unten.
 

„Persephone, aufstehen. Wir müssen los.“ Die Rothaarige drückte das Gesicht tiefer in die Kissen, versuchte ihre Mutter zu ignorieren indem sie so tat, als würde sie tief und fest schlafen. Unerbittlich wurde ihr die Decke weggezogen. Sie rollte sich zusammen, um die Wärme nicht zu verlieren. „Los jetzt, wir kommen zu spät. Hopp hopp.“

„Zu früh“, murmelte ihre Tochter und versuchte einfach wieder einzuschlafen. Da zog man ihr das Kissen weg. Ihr Kopf fiel unsanft auf die Matratze. Ok, sie würde ja aufstehen.
 

Hades fuhr in seinem Porsche zum Styx. Es war viel zu früh, auf der anderen Seite konnte er sich um diesen einen Drogenboss kümmern, der angeblich erst spät in der Nacht seine Leute losschickte, um sie in diesen frühen Morgenstunden das dreifache von armen Seelen verlangen zu lassen.

Er stellte den Wagen auf seinem Parkplatz ab und ging drinnen nochmal nach dem Rechten sehen ehe Thanatos auftauchte und sie gemeinsam rüber ins Rotlichtviertel fahren konnten. Auf den Straßen war es noch leer, doch das würde sich in Kürze ändern, wenn die Ottonormalverbraucher zur Arbeit fuhren. Auch kein Streifenwagen war zu sehen, besser so, wie er fand.
 

Sie hatte sich einen Toast zwischen die Zähne geklemmt und nahm gerade neben ihrer Mutter im Auto Platz. Demeter entschied eine Abkürzung zu nehmen, um die Blumenauktion nicht noch unnötiger zu Verzögern. Sie brauchten ein paar Schnäppchen, sonst war es schwer den Laden noch am Laufen zu halten. Allerdings hatten beide Frauen keine große Ahnung von dem, was sie erwartete. Es war ihr erster Besuch und sie mussten jetzt so schnell wie möglich zum Umschlagsbahnhof.

„Mama, wäre es vielleicht nicht besser…?“

„Nicht jetzt, Persephone. Ich muss mich konzentrieren.“

„Da vorne Rechts.“

„Ich fahre.“

„Aber wenn du rechts… Oh man, jetzt sind wir vorbei. Nimm die nächste Rechts.“

„Persephone! Koste mir heute nicht noch den letzten Nerv. Wärst du früher aufgestanden müsste ich mich jetzt nicht hier zurechtfinden.“

„Hör doch einfach mal auf mich!“

„Auf dich?! Und deine verrückten Ideen? Das letzte Mal mussten wir nach dem Weg fragen, weil du dir sicher warst wo es lang geht. Nein, mein Fräulein, dieses Mal nicht. Ich will da rechtzeitig ankommen!“

„Aber das war doch… ARGH! Du verdrehst völlig die Tatsachen!“ Und schon ging es los, sie stritten sich wie zwei Waschweiber. Und verfuhren sich natürlich.
 

Für diese beschissene Nacht hatte er Lust sich bei irgendwem zu revanchieren. Während Thanatos sich um die kleineren Fische kümmerte, schnappte Hades nach dem Kragen des Drogenbosses und verpasste ihm einen heftigen Schlag schön mittig ins Gesicht.

„Nur, um ganz sicher zu gehen, du behauptest weiterhin kein Geld unterschlagen zu haben?“ Oh, bitte, sag nein, dachte Hades. Der Mann kam seinem unausgesprochenen Wunsch nach. Schon feuerte seine Faust erneut hinab. „Ich frage noch einmal, ganz höflich versteht sich. Wo. Ist. Mein. Geld?!“ Noch ein schöner Schlag hinterher, mehr wagte er nicht. Der Mann vor ihm hing schon sehr in den Seilen. Blut floss ihm aus Nase und Mund, Zähne waren abgebrochen und ein Auge schwoll schon Lila an, als er endlich damit herausrückte.

„Na, war doch gar nicht so schwer, oder?“ Er tätschelte dem Mann regelrecht sanft die Wange, aber doch fest genug, damit er zusammenzuckte. „Thanatos? Wir sind hier fertig.“
 

Eine Parallelstraße weiter fuhr Demeter völlig entnervt fast gegen ein parkendes Auto. Blöde Fahrerei, wenn sie könnte, würde sie sich anders fortbewegen, aber das ging nicht. Wegen Persephone. Und die wollte einfach nicht aufgeben ständig über das gleiche zu streiten. Nun sah ihre Tochter mit verschränkten Armen wütend aus dem Fenster und gab keinen Ton mehr von sich. Und Demeter hatte keinen blassen Schimmer, wo sie war. Sie umfuhren den Block, in dem sich Hades befand, ehe sie endlich etwas wiedererkannte.

Die Rothaarige auf dem Beifahrersitz erblickte einen schwarzen Porsche, der die Sicht auf die dahinterliegenden Opfer verdeckte. Oh, wie wäre es doch schön einfach selbst davonfahren zu können. Mit so einem Auto konnte Demeter sie nie einholen. Ehe ihre Mutter sich versehen würde, wäre sie meilenweit entfernt. Dann konnte sie Dinge tun, die sie wirklich tun wollte. Vielleicht hätte sie auch einen Blumenladen, endlich einen erfolgreichen mit vielen hochrangingen Kunden. Sie hatte Ideen, die ihre Mutter allesamt zerschlug als wären sie Teufelswerk.

Wehmütig sah Persephone noch immer auf die Stelle, obwohl das Auto bereits nicht mehr zu sehen war.
 

Hades krempelte seine Ärmel wieder hinunter und nestelte gerade an den Knöpfen, als er und Thanatos aus dem Gebäude herauskamen, Letzterer mit zwei schön großen Koffern voll mit Bargeld. Was ein erfolgreicher Tagesstart. Seine Laune hatte sich um ein Vielfaches erhöht. An seinem Porsche sah er gerade auf den zweiten Ärmel hinab als er etwa aus den Augenwinkeln sah. Er wandte sich halb herum. Dort, auf dem Gehsteig, nah an dem Hinterreifen, blühte eine einzelne Asphodel. Was machte die hier? Er sah sich aufmerksam um, Thanatos, der gerade wieder seinen Oberkörper aus dem Kofferraum zog, musterte seinen Boss und sah sich dann ebenfalls um. Doch es war kein Gott zu sehen oder zu spüren. Auch sonst gab es keine Anomalie.

Hm, Hades zuckte mit den Schultern und stieg dann auf der Fahrerseite ein. Vielleicht hatte er ein bisschen die Kontrolle verloren, auch wenn er eigentlich nichts mit Pflanzen am Hut hatte. Dafür waren andere zuständig.
 

So blieb sie allein dort stehen. Als der Wagen losfuhr wurde sie von den Abgasen zur Seite geschaukelt. Kaum war der Porsche um die nächste Ecke verschwunden vertrocknete die Asphodel im Bruchteil eines Moments und verschwand, als hätte es sie nie gegeben.

Bikerin

Das Gefühl all der wilden kleinen Pferdchen zwischen ihren Beinen gefiel ihr. Nur eine leichte Handbewegung und schon würden sie losgelassen und Persephone davontragen. Unter der Haube steckte so viel Kraft, wenn man nicht aufpasste hob es das Vorderrad, weil der Maschine der Grip fehlte. Die Frau selbst war eigentlich zu leicht für Maschine. Bei einem solchen Satz half nur die göttliche Kraft, um das Fahrwerk unter Kontrolle zu behalten. Dafür hatte die Maschine auch weniger Kilos zu bewegen und startete entsprechend schnell durch.

Das Licht der Straßenlaternen spiegelten sich in dem Schwarz und Gold und zischten in hellen, regelmäßigen Linien über die Verkleidung. Persephone beschloss eine Abkürzung zu nehmen und verließ den hübschen Teil der Stadt. Das Licht wurde weniger, hier gab es keine hübschen Läden und Restaurants, die die Straße mit erleuchteten.

Sie fuhr ohne weitere Probleme so vor sich hin, als sie weiter weg zwei Gestalten ausmachten, die nicht normal nebeneinander herliefen. Sie war schon eine Weile niemandem sonst mehr begegnet und das da vorne erweckte ihre Aufmerksamkeit. Unauffällig nahm sie das Gas raus und ließ sich rollen. Persephone wurde Zeuge eines Streits, der langsam eskalierte. Die Frau wollte von dem Mann weggehen, doch der hatte das Gegenteil im Sinn. Noch nichts Ungewöhnliches, jeder stritt sich mal auf offener Straße und machte sich zum Gespött der Leute.

Persephone griff das Gas wieder durch, als der Mann die Frau hinter sich in eine Gasse zerrte. Beruhige dich, sprach sie sich selbst zu. Die sind bestimmt nur betrunken und wenn die Koordination es noch zulässt schieben sie eine kleine Nummer. Götter mischten sich nicht in die Angelegenheiten von Sterblichen ein, sofern es nichts mit ihren Aufgaben zu tun hatte. Trotzdem fuhr Persephone heran, lies sich an der Gasse wieder ausrollen und blickte in das difuse Licht und die Schatten dahinter.

Mit einem Ruck am Lenker und angezogener Vorderbremse versetzte sie der Maschine eine Drehung auf dem Vorderrad. Dann ließ sie es wieder zu, dass die PS nach vorn schossen, um ein Stück in die Gasse zu reichen. Erschrocken riss der Mann die Frau am Arm zurück. Sie weinte bitterlich.

„Verpiss dich! Scher dich um deine eigenen Angelegenheiten!“

Persephone hielt die Maschine an, klappte den Bügel aus und stieg ab. Sie ließ den Helm auf und war erst als Frau erkennbar, als sie vor den Scheinwerfer trat. In ihrer Ledersuite war es dann ganz eindeutig. Das ließ den Typen mutig werden. Er beschimpfte sie, fluchte, drohte, dass er der Frau etwas antun würde.

Gerade, als er kurz davor war etwas Dummes zu tun aktivierte Persephone ihre Macht und schoss vor, schneller, als es seine Sterblichen Augen erfassen konnten. Ihre Hand griff nach seinem Handgelenk, um ihm die Spritze mit dem Drogengemisch abzuluchsen. Die Frau neben ihr drückte sich panisch an die Wand. Persephone riss den Mann mit einer geschickten Bewegung ihres Knies zu Boden, kniete über ihm und ließ sein Handgelenk los. Eine Hand packte nun seine Schulter, drückte ihn herunter und die Andere donnerte zur Faust auf sein Gesicht.

Die Frau neben ihr begann hysterisch zu Schreien als die Bikerin mehrmals zuschlug.

Erst war da nichts, dann Blut. Mehr Blut, lockere Zähne. Gebrochene Nase, ausgeschlagene Zähne. Noch mehr Blut. Gebrochener Kiefer. Unter ihr gab es keine Regung mehr, der Mann war bewusstlos. Geschmeidig stand sie auf, suchte auf dem Boden nach der Spritze, um hinzugehen und drauf zu treten. Das Glas zersprang knirschend auf dem Asphalt.
 

Sie wartete nicht, klopfte nicht. Eine Hand durch das Visir ihres Helms gesteckt, die Andere davon abhaltend irgendetwas anzufassen, trat sie in Hades Büro und platzte mitten in eine Besprechung zwischen ihm und Hekate.

Das Adrenalin hatte sie zum Schwitzen gebracht und ihre Augen glühten leicht.

„Immer dasselbe, die Königin steckt in leichten Schwierigkeiten.“ Sie öffnet die behandschuhte Hand und offenbart noch mehr Blut. Sie weiß, was das bedeutet. Neben den Videos aus den Überwachungskameras musste man sich um die Leute kümmern, die sie und ihr Motorrad gesehen hatten. Dieser Aufwand wegen einer einfachen Bagatelle gefiel ihr nicht. Doch die Gründe gaben ihr Recht.

Deshalb war es Hades, den sie mit einer Mischung aus betrübt und bereuend, sowie auch Stolz und Bestätigung ansah.

Hades hat recht

Nun ja, es war ja nicht so, dass er sie nicht gewarnt hätte. Seine genauen Worte waren gewesen: „Persephone, das ist kein Prinz rettet Prinzessinnen Ding“. Da hatte er sogar ziemlich recht. Eine Prinzessin kletterte ja schließlich nicht freiwillig in ihren Turm, sie wurde dorthin verschleppt. In der Regel. Es war unnötig hier raufzusteigen, zumindest auf diese Art und Weise. Doch sie war unbelehrbar, es machte ihr schlichtweg Spaß Dinge wie eine Sterbliche zu erledigen. Und da hielt selbst Hades sie nicht auf.

Am liebsten wäre er weggegangen, dann würde sie wissen, was sie davon hatte. Genauso fürchtete er ihren Sturz. Wenn es ungünstig lief bekam sie es nicht rechtzeitig hin ihre Macht zu aktivieren, stieß sich irgendwo den Kopf. Also stand er mit verschränkten Armen unten und betrachtete die Umgebung. Es fehlte noch, dass er sie für ihre Kamikaze Aktion bewunderte. Sie hätten ganz einfach dort hingelangen können. Aber nein, Miss Persephone setzte ihren Dickkopf durch und schon war sie verschwunden.

„Hades, es ist im Nest“, rief es von oben und ihr Kopf tauchte zwischen den Blättern auf.

Toll, ganz toll, dachte Hades sarkastisch. Und du gehörst hier herunter. Sofort! Damit ich dir die Gurgel rumdrehen kann, wenigstens ein bisschen.

Über ihm raschelte es, gefolgt von einem plötzlichen Krachen. Persephone gab ein Geräusch von sich als hätte sie etwas hart getroffen. Hades atmete mit einem grimmigen Ausdruck ein. War ja klar, dass er recht behalten hatte. Seine Augen begannen in Flammen zu stehen, schon mit dem nächsten Blinzeln war er fort, zu schnell für menschliche Augen rannte er zum Stamm, sprang in die Äste hinauf. Dieses Weib war unmöglich, er hatte doch gesagt, dass sie es lassen sollte und nun war er es, der zwischen den Ästen hindurchpreschte, darauf achten musste, den Baum nicht zu sehr zu verletzen und gleichzeitig schnell genug sein. Wenn er sie hatte würde er nicht mehr so gnädig sein, darauf konnte sie wetten.

Sein Blick ging hinauf, er verbreiterte seinen Stand über zwei Äste, hielt die Arme auf und fing Persephone aus der Luft in einer halben Drehung damit sie sich nicht den Kopf stieß. Sie hatte Schrammen, das sah er auf den ersten Blick. Doch war sie schwerer verletzt? Hades konnte es nicht verhindern, es lag Angst in seinem Blick.

„Persephone?“ Warum öffnete sie nicht die Augen? Bei den Sternen, warum hatte er sie nicht aufgehalten? Da kräuselte sich ihre Stirn. Langsam hob sie die Lider, sie schien Schmerzen zu haben.

„Du liebst mich trotzdem, oder?“

Überrascht blickte er sie an, eine feine rote Linie breitete sich unter ihrem Haaransatz aus und floss über ihre Schläfe.

„Natürlich.“ Seine Stimme klang wie das Knacken von Knochen. Er war wütend. Warum konnte sie nicht einfach mal auf ihn hören? Jetzt hatten sie den Salat!

Persephone schloss wieder die Augen. Hades drückte sie fester an sich, sank an den Stamm zurück, die Stirn an ihre gelegt.

„Ich hasse dich“, hörte seine Frau noch, nicht mehr ganz so wütend. Er hasste es, wenn sie sich verletzte. Er machte sich Sorgen, ständig. Jetzt, da er etwas besaß, was er verlieren konnte aber gleichzeitig das Wichtigste für ihn auf der Welt geworden war, sah er sich mit Gefühlen konfrontiert, die mit Liebe einhergingen. Er wusste, warum sie nicht auf ihn hörte, aus dem gleichen Grund weshalb er sich für sie entschieden hatte. Sie war anders, keinesfalls einfach. Ihr Eigensinn war frustrierend und bewundernswert zugleich. Sie weigerte sich vehement den Gesetzen der Götter zu gehorchen.

Genauso wie sie keine Frau war, die nur existierte, um zu gehorchen. Wenn sie Dinge ausprobieren wollte, dann tat sie es, ohne Rücksicht auf Verluste. Er wusste, dass ihr misslungene Versuche leid taten. Sie hätte es gerne anders gehabt. Sie war ungeduldig und vorschnell.

Früher war er genauso gewesen. Wie sollte er ihr da einen Vorwurf machen. Persephone war noch so jung.

Und wenn er konnte, würde er sie immer auffangen. Weil sie es mit ihm genauso machte.

Tsunami

Charon kündigte sich mit einer nebelartigen Schwärze direkt vor dem Büro an. Normalerweise hatte er Zeit, doch jetzt wusste er nicht, ob er sie wirklich besaß. Wenigstens ans Klopfen dachte er noch. Als er eintrat blieb er mitten in der Tür stehen, er wartete nicht, bis man ihm zum Sprechen aufforderte.

„Hades? Auf den Philippinen wütet ein Tsunami. Unsere Kora ist dort, oder?“ Er nannte sie immer so im Scherz. Jetzt hoffte er, dass wirklich alles gut war.
 

Persephone hatte sich auf einem halb zerstörten Haus positioniert. Die Welle war schnell gekommen, nur einer Warnung durch sie hatten es einige der Leute noch rechtzeitig geschafft. Jetzt rissen die Wassermassen unter ihr alles, was sie finden konnten, mit sich fort. Einige Gebäude hielten dem Druck nicht stand und das Wasser stieg immer weiter. Dagegen konnte sie reichlich wenig tun. Sie musste zusehen, wie eine ganze Stadt zerstört und Menschen getötet wurden. Ihr Blick, der über das Unglück schweift, ist ruhig, auch wenn die Stränge der Linie, die ihr Mund bildet eindeutig klar macht, wie sie über die Sache denkt. Aber nicht ihr Gebiet und sie konnte sowieso nicht alle retten. Egal wie sehr sie sich auch bemühte. War es da nicht wichtiger, diejenigen, die hinter ihr saßen, zu beschützen, anstatt alle zu einem grausamen Schicksal zu verdammen?

Ein Ruf zu ihrer Rechten lässt ihren Kopf herumschnellen. Eine Frau mit Kind in den Armen wird immer wieder mit dem Kopf unter Wasser gedrückt. Von den Wellen wie ein Spielball hin und hergeworfen kommt sie nah genug an dem Dach vorbei. Persephone rennt zur Kante hin und streckt sich soweit wie möglich vor, um die Frau gerade noch rechtzeitig am Kragen zu packen. Die Fluten reißen an ihr, doch die Rothaarige behält die Kontrolle. Bis der Boden unter ihr nachgibt. Sie blickt hinab und fällt eine Entscheidung. Mit einem Fluch legt sie Kraft in ihren Arm, katapultiert die Frau regelrecht aus dem Wasser aufs Dach und stürzt selbst mit einem lauten Platschen in den Strom.

Kein Sterblicher konnte das Überleben. Sie hingegen schon. Persephone wird unter Wasser gedrückt und um sich selbst gekugelt. Anstatt sich dagegen zu wehren nimmt sie den Schwung auf und leitet ihn in eine Position über, die es ihr erlaubt an die Oberfläche zu tauchen. Angst hatte sie keine. Sie musste nur ein Dach erreichen und das Problem war geklärt. Vielleicht konnte sie sogar zu den Leuten zurück. Da vorne würde es gehen.

Ihr Blick war abgewandt, als ein Holzbalken von der Seite kam und sie plötzlich einkeilte. Klar, warum nicht? Haufenweise Wasser und Persephone gelangte zwischen Holz und Schutt. Sie beschloss gerade einfach ihre Macht einzusetzen und sich locker lässig direkt aus dem Wasser zu werfen, da erblickte sie das Auto, welches auf sie zu gerauscht kam. Sie verlor die Konzentration auf das Gesamte, stemmte die Hände von unten gegen den Balken und schob ihn gerade soweit genug, sodass sie darunter abtauchen konnte.

Die Karosse wurde von den Wassermassen erst gegen den Balken und dann auf sie zugetrieben. Nur die Flucht zurück durch ein ausgeschlagenes Fenster brachte sie in Sicherheit. Der Zugang wurde versperrt. Toll! Persephone trieb rückwärts in das Gebäude und war noch damit beschäftigt sich das neue Problem anzusehen als sie gegen etwas stieß.

Sie drehte sich herum und unterdrückte den panischen Schrei, um keine Luft zu verlieren. Ihr blickten die Toten Augen eines Ertrunkenen entgegen. Der ganze Raum war voll damit. Verflucht! Beruhige dich, Persephone, sprach sie sich innerlich selbst zu und blickte sich um. Da hinten gab es noch ein zerstörtes Fenster. Da konnte sie raus. Für die Leute konnte sie eh nichts mehr tun, auch wenn sie für wahr keinen angenehmen Tod gehabt hatten.

Noch immer war sie weder ängstlich noch beunruhigt. Der Vertrag würde sich aktivieren, wenn sich ihre Situation arg verschlimmerte. Im Moment war es nur ein ungewöhnlicher Tauchgang in einem übergroßen Pool. Nur, dass sie in diesem Planschbecken nicht alleine war.

Manchmal fragte sie sich, ob diese Sachen immer genau dann passierten, wenn Hades nicht da war und es an ihr lag. Persönliches, schlechtes Karma, oder so.

Sie hatte das Fenster schon erreicht und war halb hindurch, als sie einen stechenden Schmerz im Bein spürte und zurückgerissen wurde. Die Rothaarige blickte zurück, etwas hatte seine kleinen, spitzen Zähne in ihr Fleisch geschlagen. Sah aus wie eine Nyxe. Eine ziemlich böse, blutrünstige. Persephone trat nach ihr, doch die Unterwasserfrau wich aus. Aus den Augenwinkeln sah Persephone weitere Bewegungen, es waren insgesamt Drei und sie würden ihr garantiert nichts vorsingen.

Das war seltsam. Solche wie die hatte sie noch nie gesehen. Sie waren dunkler, hatten im Vergleich zu ihren Artgenossen, kantigere Flossen. Ihre Haut war dunkel und gräulich. Wie ein Schwarm Haie umkreisten sie Persephone, ehe sie gemeinsam auf sie zuschossen.

Persephone löste die Kontrolle ihrer Macht und entzündete blaues Feuer. Unter Wasser kostete es sie immense Anstrengung überhaupt eine Flamme zu entzünden. Der Bogen um sie herum ließ sie sofort die Konsequenzen spüren. Zwei hauten immerhin durch das Fenster ab. Die Dritte hatte wohl schon zu viel Blut geleckt und näherte sich erneut als das Blau verlosch.

Ok, der Vertrag konnte vielleicht jetzt so langsam mal Meldung geben. Tat er nicht. Denn, was keiner wusste, er war verschwunden. Als hätte er sich in Luft aufgelöst.

Die dunkle Nyxe öffnete ihr Fischmaul, um ihre Zähne in Persephones Arm zu schlagen. In einer Drehung entwischte sie dem Angriff, bekam aber die scharfen Flossen zu spüren, die über ihre Haut ritzten, als wäre sie aus weicher Butter. So langsam wurde der jungen Göttin klar, dass sie die erste Regel des Survivals übergangen hatte: Vermeide Kämpfe unter Wasser. Ihr ging langsam die Luft aus.

Doch sie blieb ruhig und wartete auf den nächsten Angriff, der alsbald folgte. Dieses Mal wich sie nicht aus. Ihre eine Hand zischte vor, um die Nyxe am Kopf zu packen. Die Finger in ihren spärlichen Haaren vergraben, holte sie mit dem anderen Arm aus und donnerte ihrem Gegner die Faust ins Gesicht. Persephone konnte das Geräusch nicht zuordnen, aber sehr wohl den Anblick, den die Nyxe ihr lieferte, als Knochen brachen, Fleisch zermalmt wurde und das Gehirn dahinter sich zusammendrückte.

Sobald sie sicher war, dass die Nyxe tot war lies sie los und wandte sich herum, um durch das Fenster zu schwimmen. Ihre Lunge brannte und ihr verschwamm der Blick, doch sie würde es schaffen, da war sie sich sicher.

Wären da nicht die Hände, die sie umschlangen und wieder hinabzogen. Die anderen Zwei waren wieder da und zogen sie in die Tiefe. Vor Schreck hatte sie den Mund geöffnet und alle Luft aus ihren Lungen gelassen. Ihre Hand streckte sich nach oben, doch sie wusste, dass sie zu weit weg war. Und sie sah auch den schwarzen Rand in ihrem Blickfeld, der sich beunruhigend schnell zusammenzog, bis sie das Bewusstsein verlor.

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