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Die Entführung

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Und nochmals hallo. Hier nun das zweite und letzte Kapitel. Komplett anzeigen

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Ich hasse das Geräusch der sich öffnenden Tür.
 

Es kann nichts Gutes bedeuten. Nicht, wenn ich seit mehreren Stunden nichts erhalte, was dazu dienen könnte, meinen Hunger oder Durst zu stillen. Beides nagt fürchterlich an mir und ergänzt die Angst, dass der Verrückte mich einfach umbringt. Weil er nicht weiß, dass ich der bin, den er aus welchen Gründen auch immer rächen möchte.
 

Die näherkommenden Schritte sind wie kleine Todesurteile und als ich wieder gepackt und hochgezogen werde, versuche ich mich dem Griff zu entziehen, nur weg von ihm. Das zweite Paar Hände kommt überraschend und hält mich eisern fest, während sich Hände an dem Stück Stoff zu schaffen machen, das mir die Luft zum Atmen und die Möglichkeit zum Sprechen nimmt. Wieder wird es gelöst und wieder schnappe ich nach dringend benötigtem Sauerstoff, auch wenn ich bei jedem Atemzug das Gefühl, mich übergeben zu müssen.
 

Was neu ist, ist, dass mir nun auch die Augenbinde abgenommen wird, die mich die letzten Stunden im Dunkeln gehalten hat. Kaum, dass mir die Dunkelheit genommen wird, zwinge ich sie mir selbst wieder auf, denn das Neonlicht des Raumes brennt sich in meine Retinae. Meine Augen tränen vor plötzlicher Überreizung und nur mit Mühe blinzle ich gegen das viel zu grelle Licht an.
 

Ich will sehen, wer vor mir steht und kann doch nur verschwommen den Mann erkennen, der mir Dinge gesagt hat, die jetzt noch an meinen Nerven kratzen. Er starrt mich an, das erkenne ich, aber meine Augen schalten sich nur nach und nach auf scharf. Schlussendlich sehe ich das Gesicht meines Gegenübers, das mich mit schweigender Wut mustert. Er ist Asiate, aber kein Japaner. Ich tippe auf Chinese, wer er ist, weiß ich dadurch aber noch lange nicht. Auch die Männer, die mich festhalten, kommen mir ganz und gar nicht bekannt vor.
 

Sie werden mich umbringen, jetzt, da ich sie gesehen habe, dessen bin ich mir sicher. Vermutlich ist es so ein verquerer Ehrenkodex, dass man seinem Mörder noch einmal in die Augen sehen sollte.

Der Mann vor mir hebt die Hand und ich zucke vor der kommenden Berührung zurück. Ich versuche, ihr zu entkommen, doch er lässt mich nicht. Beinahe schon suchend betastet er mein Gesicht, als hätte er das Recht dazu. Er runzelt die Stirn und ich wage es nicht, etwas zu sagen, aus Angst, dass sich sein Verhalten schlagartig wieder in Gewalt umschlägt.
 

Er wendet mein Gesicht, wie er es braucht und ich lasse ihn. Meine Haut prickelt unter seinen Berührungen und seiner Musterung und ich frage mich, ob sich mir gleich aufzwingen wird. Es scheint so und das macht mir brachiale Angst.
 

„Du bist Akihito.“ Es ist nicht ganz Frage, aber auch nicht ganz eine Aussage. Er ist sich nicht sicher und ich bin froh darum, dass er es nicht ist. Ich habe anscheinend immer noch die Möglichkeit, ihn anzulügen und mit den Konsequenzen zu leben.

„Du bist wirklich Akihito?“ Dieses Mal ist es eine ganz eindeutige Frage und ich schlucke. Er klingt beinahe kindlich und das irritiert mich am Meisten.
 

Vermutlich auch, weil meine verblassten Erinnerungen mich anschreien, dass mir etwas bekannt vorkommt. Ich kann nicht genau beziffern was.

„Du hast seine Augen.“ Natürlich habe ich seine Augen, es sind ja auch meine. Was soll das hier?

„Wer sind Sie?“, flüstere ich und es kommt nur Gekrächze aus meinem Mund.

„Hast du dein Gedächtnis verloren? Du…bist es doch, oder? Sie haben gesagt, dass du es bist.“
 

Bevor ich etwas sagen kann, bricht die Hölle los. Es wird laut und Männer poltern in den gekachelten Raum, die anscheinend nicht zu dem Mann gehören, der vor mir steht. Sie alle haben Waffen und sie alle zielen sowohl auf diejenigen, die mich festhalten als auch auf mein Gegenüber. Eine merkwürdige, absolute Stille trifft ein, die von Bewegungslosigkeit geprägt ist. Ich selbst habe Mühe zu begreifen, was geschehen ist, als ich einen Blick auf den grau-blonden Hünen werfe, der hinter den Neuankömmlingen den Raum betritt. Noch nie in meinem Leben war ich so froh, Suoh zu sehen, der sein Handy hervorzieht und eine Nummer wählt.
 

„Wir haben beide“, sagt er kurz angebunden und legt wieder auf. Mit einem Kopfnicken deutet er zu mir.

„Losmachen.“

Es dauert keine zwei Sekunden, da sind zwei seiner Männer bei mir und befreien mich von den Kabelbindern. Sie meinen es gut, als sie meine Arme nach vorne ziehen, doch ich kann ein schmerzvolles Zusammenkrümmen nicht unterdrücken. Ich weiß nicht, wie lange ich in dieser Position verharren musste, aber es war lang genug, dass die Nervenenden gepeinigt aufkreischen und ich instinktiv vor jeder Quelle der Misshandlung zurückweiche.
 

Weg von allen gerade.
 

„Takaba-sama?“, fragt Suoh mit einem Stirnrunzeln und ich grunze. So schnell hat der Mann mir gegenüber also seine Bestätigung bekommen. Ohne mein Zutun.

„Was ist hier los?“

Es ist nicht Suoh der mir antwortet, sondern der Mann, der mich entführt hat. „Akihito! Ich bin es, Tao!“, platzt es aus ihm heraus und mein Kopf ruckt so schnell zu ihm, dass ich die Befürchtung hege, mir mit der Bewegung etwas gezerrt zu haben.

„Tao?“, echoe ich langsam, bevor ich begreife, was das zu bedeuten hat. Dass der Mann, der gut einen halben Kopf größer ist als ich, der kleine Rotzbengel von damals ist, der Fei Long so sehr verehrt hat.

„Ja! Akihito, ich wollte nicht…“, beginnt er, die Augen weit aufgerissen, panisch gar und es ist so ein diametral anderes Bild zu dem, was ich die letzten Stunden durchgemacht habe, dass irgendwo tief in mir meine Selbstbeherrschung zerreißt.
 

Noch bevor Suoh oder jemand anderes mich zurückhalten kann, bin ich bei ihm und treibe ihm meine Faust ins Gesicht. Ich habe gelernt, wie man zuschlägt, ebenso wie ich die Grundzüge der Selbstverteidigung gelernt habe. Dass mein Schlag nicht so stark ist, wie ich es gerne hätte – dank meiner steifen Muskeln – ist geschenkt, weil es ausreicht. Befriedigt sehe ich, wie sein Kopf nach hinten kippt und er die Arme hochreißt, um seine Nase zu schützen. Ich nutze die Gelegenheit und treibe ihm meine Faust in den Magen.
 

Ich bin so wütend, dass ich durch das Rauschen in meinen Ohren nichts von meiner Umgebung wahrnehme. Ich spüre eine so tiefen Zorn auf den Mann, der vor mir zu Boden geht, dass es mir meine Fähigkeit zu Atmen nimmt. Das unschuldige, unwissende Kind damals… dem konnte ich vergeben. Tao wusste nichts von dem, was sein ach so geliebter Fei Long getan hat. Dieser Mann ist hier ist keinen Deut besser als sein Herr. Keinen. Einzigen.
 

„Für wen hältst du dich?“, frage ich und huste. Ich habe keinen Speichel mehr übrig um meinen Gaumen zu befeuchten dank dieses Mannes. Es muss jetzt auch so gehen, beschließe ich, denn ich fange gerade erst an. „Du entführst einen dir fremden Mann, weil du was gemacht hast? Asami geschworen hast, dass du sein Leben zerstörst?“

„Weil er deins zerstört hat!“, begehrt Tao nasal auf und hält sich die Nase. Er blutet, ganz zur Unruhe seiner Männer, die es allerdings besser wissen, als Suohs Leuten Widerstand zu leisten. „Ich habe bis eben geglaubt, dass du dich umgebracht hast wegen ihm!“

Ich lache raspelnd, es ist kein schönes Geräusch, ganz und gar nicht. „Jetzt lass mal deinen geliebten Fei Long nicht aus der Rechnung. Soll ich dir sagen, was er getan hat während meiner Zeit bei ihm? Jede Nacht? Er war nicht unschuldig daran, dass ich weggegangen bin, ganz und gar nicht.“
 

„Ich weiß!“ Er versucht die Hand nach mir auszustrecken, doch ich schlage sie weg. „Ich verfluche sie beide dafür! Und Asami habe ich geschworen, dass er nie wieder Frieden finden wird, wenn er denkt, dich ersetzen zu können, wo er dich doch schon in den Selbstmord getrieben hat…“

Diese Logik ist so brachial verrückt, dass es mir für einen Augenblick lang die Sprache verschlägt. Wütend starre ich ihn an, dann suche ich in der Menge der Anwesenden nach Asami. Er hält sich zurück, sein Gesicht ein steinernes Zeugnis seiner eigenen Wut, die bodenlos ist, wie ich nun erkenne.
 

„Stimmt das?“, frage ich kaum laut genug um über all die Menschen hinwegsprechen zu können, doch er nickt schlicht.

„Du hättest mir das Gesicht aufgeschlitzt, wenn dir nicht irgendjemand gesteckt hätte, wer ich bin. Du hättest mich, wie sagtest du es, für Asami unattraktiv gemacht.“

Tao starrt mich an und knirscht mit dem Kiefer. Eigentlich muss ich nicht weiter fortführen, worauf ich hinaus will. Eigentlich weiß er schon, was kommt. Ich weiß, dass er es weiß, doch ich muss die Worte aussprechen. Für mich.
 

„Du bist nicht besser als Fei Long und auch nicht besser als der damalige Asami. Du vergreifst dich an Unbeteiligten und entscheidest dich für Gewalt als Mittel deiner Wahl. Bleib mir vom Leib. Lass mich in Ruhe. Ich habe keinen Bedarf mehr Teil dieses Spiels zu sein. Ich habe ebenso keinen Bedarf, entführt und misshandelt zu werden.“

Es ist befreiend, das zu äußern und doch ist es mir in diesem Moment nicht genug, insbesondere, da ich in seinem Gesicht sehe wie sehr er von meinen Worten verletzt ist. Er hat kein Recht dazu, nicht nachdem, was er getan hat.
 

„Wo sind meine Sachen?“, kehre ich auf etwas Handfesteres zurück. Ich benötige es, um mich zu erden und um zu meiner Normalität zurück zu finden. Anscheinend ist diese Frage aber nicht so normal, wie sie für mich den Anschein hat, denn ich werde angestarrt, als hätte ich nach den Kronjuwelen ihrer Majestät gefragt.

Ich wiederhole meine Frage und Tao schluckt.

„Sie befinden sich noch im Krankenwagen.“

Alleine die Antwort lässt mich schon wieder wütend werden, denn sie erinnert mich an den Moment der schrecklichen Gewissheit, dass ich tatsächlich entführt werde. Ich balle meine Hand zur Faust und mache einen Schritt auf Tao zu, der mit großen Augen zu mir hochstarrt. Mit großen, erwachsenen Augen. Die neun Jahre sind auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen und ich hätte ihn niemals erkannt, wären wir uns so über den Weg gelaufen. Er mich auch nicht, also eint uns das.
 

Ich beherrsche mich. „Wo ist der?“

Tao deutet hinter sich. „In der Vorhalle.“

Ich sehe zum Ausgang und mein Blick fängt sich in Asamis. Er wartet ab, was geschieht. Er ist wütend, aber er hat diese Wut an die Leine gelegt zu meinen Gunsten. Die Entscheidung, was hier passiert, ist die Meine, begreife ich und erkenne, wie sehr er sich auch in diesem Punkt von einem früheren Ich entfernt hat. Wie sehr wir uns doch alle weiterentwickelt haben.
 

Ich wünschte, ich könnte mir einen besseren Abgang aus diesem Raum gönnen, doch ich strauchele mehr als dass ich gehe. Meine Glieder und mein Rücken sind steif und der Nahrungs- und Trinkwasserentzug der letzten Stunden macht meinem Kreislauf stärker zu schaffen, nun, da ich mich bewege.

Ich bin aber zu stur um aufzugeben und so setze ich einen Fuß vor den anderen, bis ich besagte Vorhalle erreiche. Kirishima ist an meiner Seite, als ich die hintere Tür des elenden Krankenwagens öffne.

„Falls Sie Hilfe benötigen, Takaba-sama“, bietet Kirishima eben jene ruhig an und ich nehme ihn stumm zur Kenntnis. Ich brauche zwei Anläufe um mich in den Wagen zu hieven und zu meinen Sachen zu gehen. Alles ist da, bis auf das Telefon.
 

Ich atme bewusst aus um nicht zu schreien.
 

„Ich will mein Telefon zurück“, sage ich mit mühevoller Ruhe und Kirishima hält sein Versprechen. Ich muss nicht lange warten, dann habe ich es. Ich sehe, dass von dort aus Nachrichten an Asami verschickt wurden. Ich sehe auch welche und es macht mich wütend. Mein Leben ist kompromittiert. Sicherlich verfügt Tao nun über all meine Kontakte und ebenfalls auch über Informationen über meine berufliche Tätigkeit. Meine Agentur, meine Chefin.
 

Der Weg ist weit, doch ich humpele ihn zurück. Ich will Antworten. Tao ist mittlerweile aufgestanden und ich bemerke, dass er größer ist als ich. Er wird noch von Asamis Männern in Schach gehalten, die mit ihren Waffen auf ihn zielen.

„Was hast du mit meinen Daten gemacht?“, frage ich und halte ihm mein Handy unter die Nase. Er sieht auf das schwarze Display, als könnte es ihm eine Antwort geben.

„Ich habe dein Handy durchsucht und die Nummern überprüfen lassen.“

„Was wirst du mit den Daten machen?“

„Nichts. Akihito, ich möchte dir wirklich nicht schaden.“
 

„Mir nicht, aber Julian McEvans“, erwidere ich mit eisiger Klarheit und Tao schluckt. „Ich sage dir jetzt eine Sache. Du lässt mich – und ihn – in Ruhe. Ich will von dir und Fei Long nichts mehr hören und sehen. Mir ging es die letzten Jahre gut ohne euch. Also lass mich in Ruhe.“
 

Meine Worte passen ihm ganz und gar nicht. Jeder Muskel seiner Mimik ist auf Widerstand programmiert und das macht mich noch mehr wütend. „Aber Asami war auch nie gut zu dir und trotzdem bist du bei ihm“, hat er tatsächlich den Schneid, mir ins Gesicht zu sagen und für einen Augenblick erkenne ich den Jungen in ihm, der er vor so vielen Jahren noch war.
 

Den Jungen…das sture Balg, das Fei Long vergöttert hat. Der Junge, der nie begriffen hatte, was um ihn herum passierte.
 

„Und das liegt nicht in deiner Bewertung.“ Ich habe keine Lust, hier und jetzt vor all diesen fremden Männern, die nur hier sind, weil sie den Befehlen ihrer Bosse folgen, auszubreiten, warum ich mich dazu entschlossen habe, Asami eine zweite Chance zu geben und warum ich es bei Tao und vor allen Dingen Fei Long nicht tun werde. Schon gar nicht nach den letzten Stunden.
 

Ich lächle grimmig. Eine Sache werde ich ihm noch mit auf den Weg geben. Den Welpenschutz von damals genießt er nun nicht mehr und ich bin nicht gewillt, ihn zu schonen. Ganz und gar nicht. „Bei allem, was Asami mir jemals angetan hat, hat er mich nie hungern oder dursten lassen.“

Ich lasse die Worte einsinken und drehe mich dann weg.

„Akihito! Es tut mir leid! Akihito!“, ruft Tao und will mir anscheinend nachkommen, wenn ich den Lärm in meinem Rücken richtig interpretiere. Ich drehe mich nicht um, ich will nur raus hier und mich meinen widerstreitenden Emotionen stellen. Wohin…ich weiß es nicht und gerade jetzt lautet eine der Antworten „zurück nach Europa“. Weg aus Japan und den alten Erinnerungen, die so mühelos aufgeworfen worden sind.
 

Ich bin mir bewusst, dass ich noch nur funktioniere. Mein Körper befindet sich noch im Kompensationsmodus, doch der wird in spätestens zwei Tagen enden. Dann wird mein Geist Zeit finden, sich mit meiner Angst, meiner Hoffnungslosigkeit und den Erinnerungen an die letzten Entführungen zu beschäftigen. Was freue ich mich jetzt schon darauf. Nicht. So gar nicht.
 

Jetzt, in diesem Moment konzentriere ich mich bewusst auf meine körperlichen Befindlichkeiten. Hunger. Durst. Kälte. Müdigkeit. Schmerzen. Die Bedürfnisse kann ich abstellen und das sogar recht einfach. Eine gute Portion Ramen, viel Wasser, ein heißes Bad und viel Schlaf…vielleicht noch gewürzt mit Schmerzmitteln gegen die Messer in meinem Rücken und meiner Hüfte.
 

Klingt gut.
 

Ich humple aus der einzigen Tür, die dieser Raum zu bieten hat und wieder zurück in Richtung Krankenwagen, meine Sachen eng an meiner Seite. Dort, wo der Krankenwagen steht, gibt es doch sicherlich einen Ausgang, den ich nehmen kann um wieder ins Freie zu kommen.

Es gibt nicht nur einen, stelle ich fest und bin für einen Moment lang überfordert mit der Auswahl, die sich mir bietet.

Mein Instinkt rät mir nach rechts zu gehen und ich bin dabei, meinen Plan in die Tat umzusetzen, als Kirishima wie ein Geist an meiner Seite auftaucht.
 

„Takaba-sama?“, fragt er und im ersten Moment frage ich mich, was er von mir möchte. „Der Wagen steht auf der linken Seite des Gebäudes.“

Stimmt, ich habe eine Mitfahrgelegenheit. Ich folge Kirishimas Fingerzeig, bis mir etwas einfällt. Ich drehe mich zurück und werde mit aufmerksamen Augen konfrontiert.

„Ich möchte nicht, dass Tao stirbt.“ Ich habe den Anblick von Blut auf Taos Gesicht genossen, das bedeutet aber nicht, dass der dumme, junge Mann als Fischfutter enden soll.

„Sehr wohl, Takaba-sama.“ Einer seiner Männer läuft zurück und ich ahne, dass mein Wort etwas an Taos Schicksal geändert haben muss. Gerade jetzt ist mir das fast egal, so humple ich weiter in Richtung Auto und grunze unerfreut über die Sonne, die mir erbarmungslos in die Augen sticht.
 

Es ist Nachmittag. Wie lange war ich in dem Raum?
 

Es stehen mehrere Fahrzeuge vor der Halle und ich wende mich mit fragendem Blick an Kirishima. Er deutet auf das mittlere und ich folge ihm. Er öffnet mir eine der beiden hinteren Türen und ich runzle missbilligend die Stirn.

„Ich sitze nicht hinten“, sage ich und er hebt entschuldigend die Schultern. „Suoh wird sich gleich zu uns begeben, ebenso wie Asami-sama. Ich würde Sie bitten, Ihren Wunsch noch einmal zu überdenken.“
 

So sehr mich die Vorstellung, dass in meiner Statt Suoh hinten sitzt, auch erfreut, so viel Gnade habe ich mit Kirishima und auch Suoh. Seufzend lasse ich mich auf den Rücksitz fallen und schließe die Augen bis Asami und Suoh eintreffen.
 

~~**~~
 

Akihito ist zu gelassen.
 

Wobei gelassen nicht das richtige Wort ist. Abwesend. Abgeklärt. Pragmatisch. Eine tickende Zeitbombe, deren Explosion unmittelbar bevorsteht.
 

Gerade das verschafft mir die nötige Ruhe und lässt die Wut zurücktreten, die mich seit gestern fest in ihrem Griff hält. Wäre Akihito nicht gewesen, wäre der dumme Junge tot, der gemeint hat, in mein Leben eingreifen zu können. Protektion durch Fei Long hin oder her, diesen Krieg hätte ich in Kauf genommen, wenn er Akihito wie angedroht Schaden zugefügt hätte.

Doch er hat es nicht, rechtzeitig vorgewarnt durch Fei Long, dieser durch mich auf Akihitos Spur gebracht. Das ist ein unerwünschter Nebeneffekt, denn Fei Long wird nicht von Akihito ablassen, jetzt, da er seine Fährte wieder aufgenommen hat.
 

Akihito ahnt davon noch nichts und ich werde es ihm zu diesem Zeitpunkt auch nicht sagen. Ich werde ihm vieles nicht sagen, was mir auf der Zunge liegt. Dass ich große Lust dazu habe, ihn in meinem Penthouse einzusperren und nie wieder herauszulassen, damit er nicht entführt werden kann. Dass ich bereit bin, die ganze Unterwelt zu vernichten, nur um zu verhindern, dass er entführt wird. Dass ich rasend war vor Sorge und es immer noch bin.
 

„Möchtest du in die Wohnung zurück, zum Penthouse oder soll Kirishima dich in ein Hotel bringen?“, frage ich ruhig. In keiner der drei Optionen wird er unbewacht bleiben, was auch zu den Dingen gehört, die ich ihm nicht sage. Ich lasse ihn nicht alleine und riskiere eine weitere Entführung, die nicht so glimpflich ausgeht wie diese.
 

Er überlegt lange – obwohl ich mir nicht sicher sein kann, dass meine Worte überhaupt Gehör gefunden haben. Ich nutze die Zeit und reiche ihm eine Flasche Wasser, die ich ihm öffne. So ruhig er auch ist, so sehr zittern seine Hände und kündigen den kommenden Schock an. Ich halte ihm die Flasche hin und mit Verspätung nimmt er sie an. Er führt sie sich an die Lippen und trinkt langsam Schluck für Schluck.
 

„Das Penthouse“, entscheidet Akihito und sieht mich an, die Augen ruhig. Zu ruhig, immer noch.

Ich nicke. „Hast du einen speziellen Essenswunsch?“

Akihito verneint und kehrt wieder zu seiner Musterung des Straßenverkehrs zurück, in dem wir uns gerade befinden. Mir juckt es in den Fingern, ihm seine Apathie auszutreiben und den zähen und humorvollen Widerstand wieder zurückkehren zu sehen. So habe ich es in der Vergangenheit gehändelt und es hat zu einer Katastrophe geführt.
 

Ich habe aus meinen Fehlern gelernt.
 

„Was ist passiert, Akihito?“, frage ich und er schnaubt. Er sieht auf die Flasche in seinen Händen hinunter und streicht hauchzart über seine Handgelenke. Sie sind gerötet und gereizt von den Fesseln. Kabelbinder. Wütend presse ich meine Zähne aufeinander.
 

„Er hat mich entführen lassen und dann bin ich in diesem Lagerhaus aufgewacht“, destilliert der Mann, der neben mir sitzt die letzten dreißig Stunden zu etwas zusammen, das sich harmlos anhört. Er macht es für mich harmlos und ich hebe eine Augenbraue.

„Hat er dich verletzt?“

„Die erzwungene Haltung bereitet mir Rücken-und Hüftschmerzen und meine Handgelenke tun weh. Ansonsten habe ich Kopfschmerzen, mir ist übel und ich habe Durst“, zählt er auf, was ihn ausmacht, doch auch das beantwortet mir nicht meine Frage. „Sonst hat er mir nur gedroht und mir erzählt, was für ein schlimmer Mensch du bist.“
 

Nahtlos hebe ich auch die andere Augenbraue. Diese kleine Stück Triadenscheiße. „Ist das so?“
 

„Er wollte dich mir madig machen.“

„Hat er es geschafft?“, frage ich nur halb schmunzelnd und Akihito schnaubt.

„Ich bin ein zäher und sturer alter Bock. Und auf andere habe ich noch nie gehört. Also nein.“ Mal sehen, ob diese Worte auch noch Bestand haben, wenn sein Schock ihn einholt. Ich gehe davon aus, dass dem nicht der Fall sein wird. Er wird zurückkehren wollen in sein belgisches Apartment, fernab von Japan. Ich kann es ihm nicht verdenken.

„Darüber hinaus hat er dir nichts getan, oder?“, frage ich und das Ende klingt eher wie eine Drohung. Wenn Fei Longs Thronfolger es gewagt haben sollte, Hand an Akihito zu legen, dann wird er Fei Longs Ankunft nicht überleben.
 

Akihito schüttelt den Kopf und ich lege meine Hand auf seine zitternde Rechte. Er lässt es geschehen, mehr aber auch nicht.
 

~~**~~
 

Etwas verloren und unschlüssig stehe ich hier in dem Penthouse über den Dächern der Stadt und folge Kirishimas und Suohs Geräuschen, mit denen sie auf Asamis Befehl hin in der Wohnung rumoren.

Asami selbst hat sich in die Küche begeben und seitdem stehe ich hier alleine am Eingang.
 

Ich beschließe, erst einmal die Schuhe auszuziehen, für den Anfang. Ein guter Plan, denn nun stehe auf Socken ratlos in der Wohnung. Was für ein Fortschritt. Langsam lasse ich meine Tasche zu Boden gleiten und komme zu Asami in die Küche, der zusammen mit Suoh Dinge auf den Tresen stellt, die anscheinend die nächste Mahlzeit darstellen. Mein Magen knurrt beim Anblick vernehmlich und es zuckt Asami in den Fingern. Suoh schiebt mir währenddessen eine der Schüsseln schlitternd über den Tisch. Eingelegtes Gemüse, erkenne ich, als ich sie reichlich ungeschickt daran hindere, an meiner Seite den Abflug zu proben.
 

„Danke“, krächze ich und führe einen der Möhrensticks zu meinem Mund. Sie schmecken gut, leicht scharf und säuerlich. Gut, in meinem momentanen Zustand würde vermutlich auch trockener, ungekochter Reis gut schmecken. Ich esse den Inhalt der Schale langsam und bedächtig, in dem Wissen, dass ich meinem Magen nicht allzu viel in allzu kurzer Zeit zumuten sollte.

Zwei Gemüsesticks braucht es, bis Suoh fertig ist und sich nach Asamis Nicken aus der Küche verabschiedet. Wohl auch aus der Wohnung, wie ich kurze Zeit später höre.
 

Kirishima verabschiedet sich kurze Zeit später ebenso und dann bin ich mit Asami alleine.
 

Als er sich mir zuwendet, kommt es zu einem kurzen Anflug von Angst. Ich erinnere mich an frühere Entführungen und an das, was er danach getan hat. Es ist eher ein Instinkt als eine wirkliche Befürchtung, doch ich bin vorsichtig.

„Akihito, möchtest du ein Bad nehmen?“, fragt er mich ruhig und ich lasse mir diese Möglichkeit durch den Kopf gehen. Ein heißes Bad würde die Verspannungen mildern, die Kälte vertreiben und den Muff, der mich umgibt. Nur Vorteile also. Den offensichtlichen Nachteil, dass ich dann längere Zeit nackt wäre in dieser Wohnung, sehe ich aber auch und so benötige ich einige Zeit um die Aspekte gegeneinander abzuwägen.
 

„Ja“, erwidere ich schließlich auf dem Höhepunkt meiner heutigen, geistigen Leistung und Asami nickt. Er tritt an mir vorbei und geht ins Bad. Ich esse währenddessen die Gemüsesticks leer und bin zur Hälfte auch mit den Hähnchenstücken fertig, als er zu mir kommt und mich aus meiner Esstrance löst.
 

„Es ist fertig“, sagt er und streicht mir über meine rechte Hand. Ich besehe mir sein Tun, nicke und nehme den Weg, den ich schon einmal gegangen bin, als ich hier geschlafen habe. Warme Feuchtigkeit schlägt mir entgegen und ich schließe die Tür hinter mir, drehe den Schlüssel im Schloss.

Ich brauche etwas, bis ich meine schmutzige und muffige Kleidung ablegen kann und steige in das Schaumbad, ganz rebellisch, ohne mich vorher abzuduschen. Das warme Wasser lässt mich schaudern, zieht aber, wie ich es erhofft hatte, in jede einzelne Muskelfaser meines Körpers. Der Duft des Badezusatzes vernichtet nach und nach den muffigen Geruch und ich lege den Kopf zurück auf das Handtuch.
 

Ich entspanne mich mit jeder Minute, die ich hier verbringe, etwas mehr.
 

Natürlich werde ich mich meinen Gefühlen noch stellen. Wut und Angst lassen sich nicht einfach so beiseite schieben, ohne dass man sich angemessen mit ihnen beschäftigt hat, das weiß ich. Das hat Zeit – bis morgen, nachdem ich ein Bad genommen, noch etwas gegessen, mich Asamis Fragen gestellt und geschlafen habe.
 

Ich weiß nicht, wieviel Zeit vergangen ist, bis ich wie das erste Amphibium vom Wasser an Land krieche und mich mit dem angewärmten großen und weichen Handtuch abtrockne. Asami hat mir Kleidung hingelegt, die mir passt und wieder einmal komme ich nicht umhin, seine Planung zu bewundern. Ich mag den Stoff und auch die Farben der legeren Hose und des bequemen Shirts. Die Socken sind weich und warm und so komme ich, nachdem ich mir meine Zähne geschrubbt habe, dann auch wieder aus dem Bad heraus.
 

Asami sitzt nicht wie erwartet in der Küche und hütet das Essen, sondern steht auf dem Balkon, mit den Händen auf dem Geländer abgestützt. Er hat sein Jackett ausgezogen und so ist das Bildnis des Mannes, dem all das gehört, was sich unter ihm befindet, leger gelockert durch das hochgekrempelte, weiße Hemd und die Haare, die im Wind wehen.
 

Ich plündere mit gegebener Sorgfalt weiter den Essenstisch und gehe schließlich getrockneten Fisch knabbernd zu Asami auf den Balkon. Die Wasserflasche in meiner Hand ist offen und ich spüle die letzten Reste des Fisches damit hinunter, bevor ich mich neben ihm stelle. Durch die Nähe sehe ich, dass seine Hände alles andere als entspannt sind. Im Gegenteil. Die Fingerknöchel sind weiß und ich muss kein Genie sein um zu wissen, dass es um die Entführung geht. Die Frage ist, was gerade in seinem Kopf vor sich geht.
 

Früher wäre die Antwort lebensnotwendig gewesen. Heute? Ich werde es wohl in den nächsten Minuten erfahren.
 

Ich schweige und lasse den Wind an meinen Haaren zerren. Er schweigt ebenfalls und starrt auf seine Stadt hinaus, die sein ist, ihm aber heute und gestern – wie ich es auf der Uhr im Badezimmer gesehen habe – einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Sie war ungehorsam und ich kann nur erahnen, wie er sie nun strafen wird.
 

„Das Bad hat gut getan“, lenke ich ihn und mich auf andere Themen um und er wendet sich mir zu, misst mich mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht. Ich lese keinen Hunger in seinen Augen, die Art, wie er mich taxiert, bringt jedoch ihre ganz eigene Unsicherheit mit sich.

„Wie geht es deinen Handgelenken?“

Ich strecke sie zwischen und aus und zucke mit den Schultern. „Gereizt, aber in Ordnung.“

Asami nimmt das zur Kenntnis und streicht mit seiner Hand federleicht über die geröteten Stellen, bevor seine Finger weiterwandern zu meinen geröteten Knöcheln.

„Du hast eine schlagkräftige Rechte.“

„Ein bisschen was habe ich auch gelernt.“

Kurz zuckt es um seine Mundwinkel herum.

„Wie geht es deinem Rücken und deiner Hüfte?“, fragt er dann und ich zucke mit den Schultern.

„Ein bisschen besser.“

Seine Augen folgen der Bewegung, als könnten sie durch die Kleidung und die Haut hindurch sehen, was mir noch wehtut.
 

„Darf ich?“, fragt er und ich brauche keine weiteren Erläuterungen um zu wissen, was er möchte. Ich wiederhole die Frage für mich stumm. Darf er? Möchte ich, dass er mich anfasst? Ich bin mir nicht sicher, aber gewillt, es herauszufinden, als nicke ich und drehe mich um, präsentiere ihm meinen Rücken. Er nimmt es als das, was es ist, eine Einladung, seine Hände auf meine bekleideten Schultern zu legen und die zu massieren, mit einer Kraft und Gabe, die mich beinahe in die Knie gehen lässt vor der wohltuenden Mischung aus Schmerz und dem Versprechen auf Besserung eben nach diesem Schmerz.
 

Asami ist ein Mann, der weiß, was er tut, und das in vielerlei Hinsicht. Er ist versiert, entschlossen und auch erbarmungslos, wenn er ein Ziel hat und meine verspannten Muskeln ergeben sich nach und nach dem Locken und Drohen seiner Finger. Knoten für Knoten löst sich und wenn das eine oder andere unerfreute Grollen meine Lippen verlässt, so lässt er sich nicht anmerken, dass er es wahrnimmt.

Als er mit meinem Rücken fertig ist, habe ich das Gefühl, dass er sich um jeden einzelnen Wirbel und die dort verankerten Muskelstränge persönlich gekümmert hat, ebenso wie um meine Schulterblätter, meinem Nacken und Schädelansatz. Seine Hände ruhen an meinen Seiten.

„Darf ich?“, fragt er erneut und ich weiß auch jetzt, was er möchte. Dieses Mal benötige ich länger, um eine Antwort zu finden, doch ich nicke schließlich und er gibt mir Raum, damit ich mich umdrehen kann. Ich tue ihm den Gefallen und sehe, dass er ruhiger geworden ist. Da ist weniger Hass in seinen Augen, weniger Wut, die seine eigenen Schultern anspannt.

„Welche Seite?“

„Links.“
 

Er sinkt vor mir auf ein Knie und dieses Mal ist es weniger erotisch, denn eher elegant, was er tut, wenn ich es so nennen mag. Seine Hände legen sich beide auf meine Hüfte und natürlich spüren seine Finger die Narbe.

„Stichwunde“, murmele ich, als er sanfter als vorher die Muskelstränge nachfährt. Er hält einen Moment inne und fährt dann weiter dort, die durch die Narbe ausgelösten Verspannungen zu minimieren, als hätte ich nichts gesagt. Es tut mir gut, was er macht, und es kribbelt auch meinen Rücken entlang nach oben unter meine Schädeldecke. Schweigend beobachte ich ihn dabei, wie er konzentriert arbeitet und es stiehlt sich sogar so etwas wie ein Lächeln auf meine Lippen.
 

Solange zumindest, bis er seine Hände sinken lässt und zu mir hochsieht. „Du solltest Japan verlassen“, sagt Asami ich brauche einen Moment lang um seinen Worten den Sinn zu geben, den sie verdienen.

Es geht schneller, als mir lieb ist und ich runzle die Stirn. „Nein.“

Asami atmet betont langsam auf und lässt sich auf seine Ferse nieder. Er legt die begabten Hände auf sein Knie und seine Stirn runzelt sich missbilligend über meine Sturheit.

„Akihito. Dieses Mal war es Tao und es ist knapp gut ausgegangen. Das nächste Mal wird es das vielleicht nicht und ich werde nur deinen Leichnam bergen können. Deine Verbindung zu mir wird dir immer wieder Schwierigkeiten bringen. Sie wird dich immer wieder in Gefahr bringen.“
 

Er hat Recht mit seinen Worten. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Aber ich bin nicht gewillt, dem jetzt, in diesem Moment klein beizugeben. Nicht, wo ich als Bezahlung für meinen verlängerten Aufenthalt hier in Japan einen langweiligen Auftrag ausführe. Ich bin stur und dabei bleibe ich jetzt auch. Und ich habe auch nicht vor, bei Rose klein beizugeben.
 

„Meine Verbindung zu dir hat mich schon vom Tag eins an in Schwierigkeiten gebracht. Das ist für mich nichts Neues. Meine Tätigkeit als Fotograf bringt mich in jedem Krisengebiet in Schwierigkeiten. Ich habe bis jetzt überlebt und ich nutze die Zeit, die mir bleibt, dafür, das Beste aus ihr zu machen. Ich lasse mich durch den Tod nicht einschüchtern, Asami. Ich habe Angst davor, ja, aber erst, wenn es soweit ist. Ich werde sicherlich nicht gehen, bevor die drei Monate vorbei sind.“
 

Ich sehe jeden Widerspruch, den er aufbringen kann, in seinen Augen, auf seinen Lippen, in seinem Gesicht. Ich nehme sie zur Kenntnis und schiebe sie beiseite, beuge mich zu ihm hinunter und umfasse sein Gesicht. Ich küsse ihn, um all das nicht sehen zu müssen. Um ihm für seine Rettung zu danken. Um ihn zu beruhigen. Und weil ich es selbst so will.

Er weiß, was ich tue und entsprechend zögerlich ist er im ersten Moment in seiner Reaktion darauf. Dann jedoch erwidert er meinen Kuss, überlässt aber mir die Führung.

Es kribbelt, wie die Male zuvor auch schon. Dieses Mal ist es jedoch mehr als das. Es liegt Versicherung in dem Kuss, aber auch ein Versprechen. Ich bin es, der diesen Kuss dominiert und Asami seine Gedanken austreibt, die sich damit beschäftigen, mich schneller aus diesem Land zu schaffen, als es mir lieb ist.
 

Ich löse unsere Verbindung und bette meine Stirn an seine.
 

„Asami, du wirst mich nicht aus diesem Land schaffen gegen meinen Willen. Du wirst mich auch nicht mit einer neuen Identität ausstatten. Ich bleibe hier, hast du das verstanden?“

Ich sehe ihm in die Augen und stelle fest, dass ich ihm anscheinend gerade eine seiner Möglichkeiten negiert habe.

Ich grolle. „Für welche Variante hattest du dich entschieden?“

Wenigstens lügt er mich nicht an, das sehe ich in seinen Augen. „Aus dem Land schaffen. Übermorgen in meiner Privatmaschine mit Zwischenstopp in Abu Dhabi.“
 

Vermutlich unter Einfluss von Schlafmitteln, so wie ich ihn kenne, wenn ich nicht freiwillig gegangen wäre. Ich seufze tief und sinke vor Asami langsam zu Boden, setze mich auf den kühlen Holzboden, der mich viel zu sehr an dieses Drecksloch einer Lagerhalle erinnert, als dass es angenehm wäre. Die Nachmittagssonne beschert mir jedoch etwas Wärme und so geht es.
 

„Nein“, sage ich bestimmt. „Meine Zeit auf dieser Erde ist begrenzt. Wie deine auch. Ich werde sie nicht damit verbringen, vor etwas Schattenhaftem wegzulaufen oder mich zu verstecken. Das habe ich aufgegeben, als ich beschlossen habe, nach Japan zurück zu kehren und mich dir zu stellen. Und wenn ich den Mut habe, so etwas auszuhalten, dann wirst du das auch, Asami.“
 

Sein Kiefer knirscht unter der Beanspruchung durch seine Zähne, die aufeinander malen. Er ist wütend, nicht auf mich, sondern auf meine absolute Sturheit, das sehe ich. Er ist ebenso wenig überzeugt von dem, was ich ihm sage.

„Die Gefahr ist zu groß, Akihito. Ich habe zu viele Feinde.“
 

„Ich bin kein kleiner Junge mehr, Asami. Ich treffe meine Entscheidungen eigenständig und nach reiflicher Überlegung. Ich bleibe hier und ich werde dich weiterhin sehen. Etwas Anderes akzeptiere ich nicht. Ich lasse mich nicht mehr herumschubsen oder in ein anderes Land verfrachten. Das ist auch nicht das, was du mir vor Wochen versprochen hast. Wir sind gleichberechtigt, also treffen wir auch gleichberechtigte Entscheidungen. Das ist doch so, oder?“
 

Asami verflucht mich, das sehe ich. Er verflucht jedes meiner Worte und jedes seiner Versprechen, die ihn an das binden, was er gesagt hat. Natürlich kann er sie jederzeit brechen, doch zu welchem Zweck? Um nach neun Jahren den Mann zu verlieren, den er nach eigenen Angaben liebt? Wir haben noch Monate zusammen, bevor ich nach Belgien zurückkehre. Die werden wir ebenfalls zusammen durchstehen können.
 

„Nichts Anderes habe ich dir versprochen“, grollt er und ich lächle knapp. „Wenn du hier bleibst, wirst du allerdings Schutz erhalten.“

Bodyguards. Ich rolle innerlich mit den Augen. Natürlich stellt er mir Personenschutz an die Seite. Es ist so logisch wie vorhersehbar und ich nicke ergeben.

„Wenn es sein muss.“ Ich bin nicht halb so dagegen, wie ich es noch vor Jahren gewesen wäre. Manche Gegenden der Welt sind eben nur mit Personenschutz zu bereisen. Es für zwei Monate und zwei Wochen zu ertragen, wird mir leichter fallen als gedacht.

„Bereite deine Männer und Frauen nur darauf vor, dass sie mit mir durch ganz Japan reisen werden, damit ich meinen Auftrag erfüllen kann“, schmunzle ich und er hebt die Augenbraue. Alleine der Gedanke, dass es Widerstand in den Reihen seiner Mitarbeiter geben könnte, ist ihm fremd.
 

„Asami, wir schaffen das“, sage ich und bin mir in diesem Moment nicht sicher, ob ich es nur darauf beziehe, dass ich für die nächsten Monate hierbleibe oder auf die weitere Zukunft. Ich war mir noch nicht einmal sicher, ob ich es überhaupt schaffen möchte, doch jetzt, hier, in diesem Moment weiß ich, was ich will.
 

Und wen.
 

~~~~~~~~

Das Ende?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und? :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Amy-Lee
2023-04-18T23:56:24+00:00 19.04.2023 01:56
Hi,

es macht immer wieder auf´s neue Spaß diese FF zu lesen,
um so mehr freue ich mich wenn es bald mit dieser weiter geht.

Bye

Von:  Onlyknow3
2020-09-29T10:42:13+00:00 29.09.2020 12:42
Was geschieht, wenn Fei Long in Tokio auftaucht? Wie wird Akihito dann darauf reagieren?
Was ist mit Eury, oder Michail? Werden die jetzt auch wieder mit mischen?
Aber die wichtigste Frage ist. Wie wird Fei long reagieren, nach all den Jahren der Ungewissheit.
Weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel zu den beiden.

LG
Onlyknow3
Antwort von:  Cocos
29.09.2020 13:35
Hey :)
Was geschieht, wenn Fei Long in Tokyo auftaucht, wird sicherlich in den nächsten Teilen auftauchen ;) Die Arbatovs werden allerdings nicht auftauchen, da spoilere ich dich lieber gleich schonmal. Sorry!

Jaa. Wie wird Fei Long reagieren... hmm. Wenn ich raten müsste. Nicht gut. Aber wir werden sehen. ;)

LG
Coco




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