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Nachhilfe

von

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Ich wurde wach und streckte mich genüsslich. Ein flüchtiger Blick auf den Digitalwecker neben dem Bett verriet mir, dass es bereits acht Uhr war. Normalerweise stand ich um sechs auf. Connor ließ mich zu einer Schlafmütze mutieren! Ich machte die Augen wieder zu und sank wohlig seufzend ins Kissen zurück. Meine Gedanken kreisten um den gestrigen Tag, vor allem den Abend. Mein erstes Mal mit einem Mann war zwar nicht mit Nicky gewesen aber doch wunderschön. Connor hatte ab einem gewissen Punkt so glücklich gewirkt. Ich hörte ihn immer wieder meinen Namen stöhnen und das jagte mir einen Schauer über den Rücken. Sophia hatte sich ganz anders verhalten. Das war auch schön gewesen, zwar ein wenig unbeholfen, aber schön, nur nicht zu vergleichen mit dem von gestern. Wie Connor wohl reagiert hätte, wenn nicht ich, sondern diese eine Person, in die er verliebt war, mit ihm geschlafen hätte? Apropos Connor: Wo war der eigentlich abgeblieben? Ich tastete auf der anderen Bettseite nach ihm – Fehlanzeige. Verschlafen rieb ich mir die Augen und setzte mich auf. Ich war alleine. Was war jetzt los? War es gestern Abend doch nicht so gut gewesen? Hatte mich Connor angelogen um mich nicht zu verletzen? Schämte er sich? Die Antwort kam als die Schlafzimmertür aufgedrückt wurde. Mein bester Freund stand auf der Schwelle zwischen Schlafzimmer und Küche, ein Tablett auf den Händen. Er strahlte förmlich.
 

„Guten Morgen, Danny“
 

„Guten Morgen!“, strahlte ich zurück.
 

„Habe ich dich geweckt?“
 

Connor setzte sich zu mir. Auf seinen Knien balancierte er das vollbeladene Tablett: Pfannkuchen türmten sich auf einem großen Teller auf, dazu konnte ich mir als Belag wohl Zucker und Zimt, sowie Nutella und Ahornsirup aussuchen. In einer großen Tasse schwappte eindeutig Kakao mit einem Sahnehäubchen. Messer und Gabel lagen ebenfalls griffbereit, sogar mit Serviette!
 

„Nein, hast du nicht“, schüttelte ich den Kopf.
 

„Fein. Ich habe versucht extra leise aufzustehen. Du magst doch Pfannkuchen, oder? Ich weiß nämlich so wenig über deine Frühstücksgewohnheiten, wie mir heute aufgefallen ist. Marmelade habe ich leider nicht da.“
 

„Natürlich!“
 

Ich schnappte mir das Tablett und streckte die Beine aus. Frühstück ans Bett, das war so richtig kitschig, aber auch total lieb. Was das anging war er wirklich ein Engel. Ich war mir sicher, wenn ich Marmelade gewollt hätte, hätte er mir welche besorgt. Caleb brachte mir nie Frühstück ans Bett. Gut, warum sollte er auch? Ich bestreute den ersten Pfannkuchen mit dem Zucker-Zimt Gemisch, rollte ihn zusammen und biss davon ab. Hätte ich das Besteck verwenden sollen? Connors neugierigem Blick nach zu urteilen eher nicht.
 

„Was ist?“, fragte ich kauend als er mich beobachtete.
 

„Schmecken sie?“
 

Ich tat so als würde ich angestrengt überlegen müssen, um dann grinsend zu nicken. Ja, sie waren gut: fluffig, weich, die Ränder nicht zu hart, genauso wie Caleb sie machte. Ich fragte mich an der Stelle ob sich Connor und mein Bruder vielleicht gut ergänzen würden. Natürlich war da die grundlegende Abneigung Calebs gegenüber meines besten Freundes, aber ansonsten. Connor war brav, fürsorglich, liebevoll und bemüht es einem recht zu machen, zumindest mir gegenüber. Das wäre die Lösung! Caleb und Connor!
 

„Worüber denkst du nach?“, erkundigte er sich und rollte den nächsten Pfannkuchen auf.
 

„Ob du und Caleb wohl gut zusammenpassen würdet.“
 

„Wohl kaum“, gluckste Connor.
 

„Weil du ihn nicht magst?“
 

„Ich habe nichts gegen deinen Bruder. Caleb wirkt zwar verschlossen, aber er hat wohl seine Gründe. Er wäre jetzt niemand mit dem ich um die Häuser ziehen wollen würde. Dafür wirkt er zu vernünftig. Ich kann mir deinen Bruder kaum betrunken vorstellen.“ Connor hielt inne, zerriss den Pfannkuchen und hielt mir dann ein Stück vor den offenen Mund, in den er es hineinfallen ließ. „Es ist ehrlich gesagt schade, dass er so grob rüberkommt. Am meisten stört mich, dass ich mit meiner Anwesenheit für Probleme sorge bei euch.“
 

„Das tust du doch gar nicht!“, protestierte ich und wurde gleich wieder mit etwas Pfannkuchen zum Verstummen gebracht.
 

„Doch, das tue ich. Er und Olivia verstehen sich recht gut, zumal ich Augen im Kopf habe, Danny. Es ist zwar lieb, dass du lügst, aber nicht nötig.“
 

Connor fütterte mich mit dem letzten Rest von Pfannkuchen Nummer zwei, um Nummer drei vorzubereiten und auch Nummer vier, den er aber selbst aß. Schweigend kauend beobachtete ich ihn dabei. Mich erinnerte das alles ein wenig an Nicky. Caleb hatte ihn zu Beginn auch nicht gemocht und jetzt waren sie zusammen. Oder hatte er ihn schon von Anfang an gemocht und nur was vorgespielt? Keine Ahnung. Ich jedenfalls mampfte Pfannkuchen Nummer drei und nippte dann am Kakao.
 

„Dabei sind wir gar nicht so verschieden“, fuhr Connor fort und wischte sich die Finger an der Serviette ab.
 

„Wie meinst du das?“
 

„Was ich so mitbekommen habe ist er vernünftig und besitzt einen guten Kern. Hinter dieser stoischen Art verbirgt sich wahrscheinlich ein ganz verletzlicher Mensch. Ich kann mich zwar täuschen, aber Caleb belastet irgendetwas. Bei dieser Dreiecksbeziehung zwischen deinem Bruder, Magnus und Nicky blicke ich auch nicht so ganz durch.“
 

„Nicht nur du nicht“, murmelte ich bedrückt und schnappte mir den nächsten Pfannkuchen.
 

„Es geht mich auch nichts an. Ich kann mir nur vorstellen, dass es für dich anstrengend ist.“
 

Das war es auch. In mir keimte noch immer die Hoffnung, dass sich Nicky von Caleb lösen würde und dann zu mir käme. Das würde die Situation zwar noch weiter verkomplizieren, aber ich machte mir darüber mal keine Gedanken.
 

„Danny? Könntest du dir eigentlich vorstellen dich in jemand anderen zu verlieben? So wie in Nicky, oder wird das nie passieren?“ Connor klang dabei sehr nebensächlich.
 

„Ich weiß nicht? Ich meine, ich habe Nicky so gern, dass es fast schon weh tut. Bei Sophia war das nicht so.“
 

„War Sophia deine erste Freundin?“
 

Ich beantwortete die Frage mit einem Nicken.
 

„Das heißt also, dir gefallen Mädchen auch?“
 

Ich überlegte und verputzte den nächsten Pfannkuchen, um ihn mit einem Schluck Kakao hinunterzuspülen. Das war eine gute Frage. Seitdem ich auf Nicky stand, hatte ich mir darüber ehrlich gesagt keine Gedanken gemacht.
 

„Keine Ahnung?“, zuckte ich mit den Schultern. „Warum willst du das überhaupt wissen?“
 

„Reine Neugierde. Ich empfinde es als recht früh, mit 15 Jahren schon seine ersten sexuellen Erfahrungen zu sammeln, zumindest mit anderen Personen.“
 

„Wieso? Nicky hat einmal erzählt, er hatte sein erstes Mal mit 13.“
 

„Ich wäre mit 13 noch nicht so reif gewesen zu begreifen, was das bedeutet.“
 

„Hm?“
 

Ich verstand nur Bahnhof. Das war doch nur Sex? Gut, also die Nummer mit dem Türsteher im Club war vielleicht nichts gewesen, das ich hätte wiederholen wollen, aber mit Nicky und mit Connor schon. Mit Sophia vielleicht auch. Ich hatte aber auch zugegebenermaßen wenig Vergleichswerte.
 

„Ich weiß, das mag sich jetzt ein wenig komisch anhören, aber mir hat es gestern weh getan, als du gesagt hast, du seist keine Jungfrau mehr.“
 

„Warum?“ Ich schrägte den Kopf ein wenig und beobachtete Connor, wie er sich einen Pfannkuchen mit Nutella beschmierte.
 

„Das ist schwer zu erklären. Ich denke, ich war eifersüchtig auf Sophia, vorausgesetzt, sie war die, mit der du dein erstes Mal hattest.“
 

Was sollte das jetzt wieder bedeuten? Manchmal drückte sich Connor so kompliziert aus, dass ich am liebsten frustriert aufgebrummt hätte.
 

„Kindisch, ich weiß. Ich war ja schließlich gestern auch keine Jungfrau mehr, aber, wenn ich gewusst hätte, dass es dich gibt, ich hätte gewartet. Das erste Mal ist etwas Besonderes, etwas Einzigartiges, das man nur einmal in seinem Leben hat. Man kann seine Jungfräulichkeit nur einmal verschenken.“
 

„Soll das heißen, du hättest dein erstes Mal gerne mit mir gehabt?“ Ich nippte wieder an meinem Kakao. Das klang komisch.
 

„Ja, hätte ich. Ich wäre wirklich gerne dein Erster gewesen Danny, wie auch du meiner.“
 

„Das warst du ja auch, irgendwie.“
 

„Nicht ganz. Du hast außerdem erzählt, dass dich der eine Typ, der Türsteher, angefasst hat, als du ihm einen geblasen hast. Das heißt, ich war auch da nicht dein Erster. „
 

Stimmt, das mit Arvid war nicht unbedingt eine Erinnerung, die ich zurückholen wollte. Ich hatte sie tief irgendwo vergraben.
 

„Wann hattest du denn dein erstes Mal, Connor?“
 

„Mit 17 und ich bereue es.“ Connor senkte seinen Blick ein wenig und biss von seinem Pfannkuchen ab. „Ganz unromantisch. Wir waren beide betrunken und es war recht schnell vorbei.“
 

„War das mit einem Mädchen?“, hakte ich weiter nach.
 

„Ja. Mit einem Jungen dann zu meinem 18ten Geburtstag. Er war gutaussehend, aber ein Arsch. Im Nachhinein würde ich ihn nicht mehr ranlassen.“
 

„Und wie viele Freundinnen und Freunde hattest du bereits?“
 

„Nicht so viele. Außerdem war es mit Niemandem so schön wie mit dir.“
 

„Wie meinst du das?“ Ich blinzelte verwirrt.
 

„Du bist ganz anders.“ Connor sah auf und lächelte verlegen. „Mit dir zu schlafen war als würde etwas in meinem Kopf aussetzen. Dich zu berühren, dich zu küssen, das war schon hart an der Grenze gewesen, aber dich zu spüren, so, das hat mich beinahe wahnsinnig gemacht. Ich wollte nicht, dass es aufhört, dass du aufhörst.“
 

Nun war ich es, der verlegen dreinschaute. Connor klang so verträumt, dass ich nicht wusste wo ich hinschauen sollte. Sophia war nicht so nett gewesen. Ich meine, sie hatte auch nichts gesagt, aber wahrscheinlich war meine Unerfahrenheit einer der Gründe, warum sie sich von mir getrennt hatte.
 

„Connor?“, fragte ich nuschelnd.
 

„Hm?“
 

„Kannst du das nochmal sagen, aber so, dass ich es nicht verstehe? So komisch wie sonst?“
 

„Komisch?“ Mein bester Freund hob amüsiert die Brauen. „Du meinst romantisch?“
 

„Ja.“
 

Connor legte seinen Zeigefinger unter mein Kinn und schaute mir tief in die Augen. „Mit dir zu schlafen war, als würde ich das Elysium nicht nur ansehen, sondern betreten dürfen. Es war die süßeste Versuchung, der ich jemals erlegen bin. Es ist als hätte ich im Styx gebadet, der sämtliche Erinnerungen weggewaschen hat, nur um sie mit einem Bild von dir zu ersetzen. Ein Hauchen von dir hat die gleiche Wirkung auf mich wie das stärkste Aphrodisiakum. Die Wunde, die du geschlagen hast, hast du geheilt und gleichzeitig wiederaufgerissen. Wäre ich ein Gott, ich würde auf meine Unsterblichkeit verzichten, bedeute es, diesen einen Moment erleben zu dürfen. So wie Orpheus´ Stimme Steine erweichen ließ, so hat dein Keuchen mein Herz erweicht. Wärst du Aphrodite, so wäre ich dein Ares, eifersüchtig auf meine Nebenbuhler, obwohl ich selbst nur einer bin. Ich würde vom Himmel steigen und auf den Feldern Trojas für dich kämpfen, nur um deinen Wunsch zu erfüllen. Meine Hingabe ist grenzenlos und ich würde mich eher in mein eigenes Schwert stürzen, als dich verletzen zu wollen.“
 

Ich lächelte glücklich. Die Hälfte davon kapierte ich zwar wieder nicht, doch es klang so schön, wenn Connor mir so etwas sagte.
 

„War das romantisch genug?“, wollte er schmunzelnd wissen.
 

„War es“, bestätigte ich.
 

„Gut, dann lass ich dich einmal weiter frühstücken. Lass das Geschirr einfach stehen, ich räume nachher auf. Zum Mittagessen besorge ich uns was vom Italiener, sofern du magst. Ich habe dir sämtliche Spiele rausgelegt, die ich habe. Deine Sachen hängen über dem Heizkörper.“
 

Damit stand er auf und ließ mich alleine. Hier war ja wirklich das Paradies. Ich hatte keine Verpflichtungen und wurde von vorne bis hinten bedient. Wohlig seufzend ließ ich mich wieder ins Kissen zurücksinken.
 

Ich hatte den restlichen Tag bei Connor verbracht. Wir schauten ein paar Filme, ich durfte wieder Leute abknallen und aß eine der besten Pizzen die mir untergekommen war (Salami, genauso wie Connor, der auch keine andere Sorte mochte). Fast schon wehmütig stieg ich am Abend gemeinsam mit ihm ins Auto ein, damit er mich nach Hause brachte. Connors Wohnung befand sich in einem unscheinbaren Mietkomplex, der von außen total spießig wirkte: Grau-weiß gestrichene Fassade, sorgsam aneinandergereihte, akkurat abgemessen wirkende Fenster und die Grünfläche wurde wohl mit der Nagelschere bearbeitet, so sauber ausgemäht wie sie wirkte.
 

„Was soll ich denn Caleb sagen?“, fragte ich nachdem wir übereingekommen waren, dass Menschen, die Kakao ohne Karamellsirup süß genug fanden, Monster waren.
 

„Hm? Wegen deinem Wochenende?“ Connor trippelte unruhig auf dem Lenkrad herum und ich konnte sein Gesicht im Licht der vorbeiziehenden Straßenlaternen kaum erkennen.
 

„Ja.“
 

„Ich bin ehrlich gesagt überfragt. Keine Ahnung was Nicky und seine Freundin ihm für eine Lüge aufgetischt haben.“
 

„Das wird Ärger geben“, meinte ich bedrückt.
 

„Sag ihm doch die Wahrheit?“, schlug Connor vor.
 

„Dann ist er erst recht sauer.“
 

„Danny, du hast etwas sehr Schlimmes erlebt. Mir wäre es zwar lieber gewesen, wenn du dich heute schon mit meinem Vater unterhalten hättest, aber ich will dich zu nichts drängen. Er wird dir sowieso auf die Schliche kommen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er mit dir schimpft, oder auch mit Nicky und seiner Freundin, wenn er erfährt, was passiert ist.“
 

„Ich schäme mich aber“, gestand ich kleinlaut.
 

„Du hast nichts falsch gemacht, Danny. Gut, in den Club zu gehen war wirklich nicht das Schlauste, einfach weil du zu jung bist, aber ansonsten – verbuche es einfach als jugendlichen Leichtsinn.“
 

„Kann… kann ich dich anrufen, wenn ich es zuhause nicht mehr aushalte?“, fragte ich zögernd.
 

„Natürlich, immer. Tag und Nacht. Schiebe es aber nicht zu lange vor dir her, ja? Je länger dieses Erlebnis in dir schlummert, desto schwerer wird es zu verarbeiten. Papa meint, ich soll dich wirklich nicht drängen, aber es wäre wichtig.“ Connor pausierte für eine Weile, bevor er fortfuhr: „Schließ dich einfach mit Nicky kurz. Sonst kitzle aus Caleb heraus, was ihm Nicky für einen Bären aufgebunden hat, das kannst du gut. Mach dir keinen Kopf.“
 

„Du hast leicht reden.“
 

„Habe ich, ja. Ich bin aber für dich da, das weißt du.“
 

Ich umarmte Connor zum Abschied, stieg dann aus (meine Sachen rochen übrigens jetzt ein wenig nach ihm, oder besser gesagt nach seinem Waschmittel) und schlich mich in mein Zimmer. Es war schon spät und Caleb schlief. Nicht einmal Leo rührte sich, was mir heute sehr gelegen kam. Was sollte ich meinem Bruder morgen also erzählen? Bei der Wahrheit würde er ausrasten, aber ein guter Lügner war ich auch nicht. Seufzend schälte ich mich aus meinen Klamotten und fiel ins Bett. Das konnte ja ein heiterer Wochenstart werden.



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