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Ausflug Widerwillen

Schreib-Challenge
von

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Was für ein Geburtstag!

Die Leute gehen vorüber und schauen merkwürdig - das tun sie immer. Lisa schmunzelt über den Rand der Kaffeetasse. Sie sieht zum Miss Snyder und schneidet eine Grimasse.

Die alte Dame lacht herzlich und ausgelassen.

Lisa beginnt ebenfalls zu lachen. Zur Sicherheit stellt sie die Tasse ab und stützt mit der freigewordenen Hand ihren Kopf ab. Miss Snyders Lachen ist fürchterlich ansteckend. Es ist wie das eines Kindes - echt und unbekümmert.

Wahrscheinlich ist das im Alter so, denkt Lisa. Wenn man irgendwann alt genug ist, kümmern einen manche Dinge nicht mehr, man konzentriert sich einfach auf das Schöne und blendet den Rest aus.

Miss Snyder atmet tief durch, kichert noch einmal und sieht schließlich zu Lisa. „Weißt du, früher wäre es mir fürchterlich unangenehm gewesen.“

„Früher?“, amüsiert sich die junge Frau. „Du meinst damals, zu Kaisers Zeiten?“

Gespielt entrüstet sieht die alte Dame zu Lisa. „Wie kannst du nur?“, es chauffiert sie sich und kichert wieder. „In aller Öffentlichkeit so zu lachen, wäre mir furchtbar unangenehm gewesen, damals“, erklärt sie schließlich.

Die junge Frau lächelt milde. Sie ist sich sicher, dass Miss Snyder das nicht gemeint hat. Lisa ist sich bewusst, dass man ihr genau ansieht wo sie lebt. Ihre Kleidung ist alt, verschmutzt und stellenweise kaputt. Der Einkaufswagen zu ihrer Linken enthält alles was sie besitzt. Ja, sie ist Obdachlos, aber ihr selbst macht das nichts aus.

Irgendein Trottel hatte die alte Dame vor gut zwei Jahren überfallen und ihr die Handtasche gestohlen. Lisa war zufällig dort gewesen und hatte dem Typen die Tasche wieder abgenommen und Miss Snyder wiedergegeben. So haben sie sich damals kennen gelernt.

Inzwischen sind ... Freunde. Es gibt kein anderes Wort dafür. So ungewöhnlich es für Außenstehende sein mag, es ist eine Tatsache. Miss Snyder erzählte von ihrem Leben und Lisa von ihrem. Die Geschichte der alten Dame war natürlich viel länger, 70 Jahre kann man nicht so schnell Revue passieren lassen wie 22.

„Hast du eigentlich einen Wunsch?“

Perplex sieht Lisa aus der Tasse auf. „Was?“

Miss Snyder lacht erneut. „Dein Geburtstag, Liebes.“

Stimmt, nächste Woche hat sie Geburtstag. Lisa winkt ab. „Pff. Ich brauche nichts, ich habe doch alles.“

Die beiden Frauen lachen herzlich und ziehen erneut die Blicke der Umliegenden auf sich.
 

„Das ... Das ist keine gute Idee“, stammelt Lisa und krampft die Hände um das Lenkrad.

„Liebes, ich bin 72 und habe grauen Star.“ Miss Snyder tätschelt der jungen Frau die Schulter. „Ich würde uns direkt gegen die nächste Wand fahren.“

Heiser lacht Lisa auf. „Ich bin noch nie Auto gefahren, wie kommst du auf die Idee, dass ich uns bis zum Ziel bringe?“

Was eine blöde Idee. Die alte Dame möchte mit Lisa einen Ausflug machen, weil sie ja heute Geburtstag hat. Sie möchte Lisa eine besondere Stelle an einem See zeigen. Ein See, außerhalb der Stadt - weit außerhalb der Stadt.

„Taxi?“, fragt Lisa hoffnungsvoll und sieht die alte Dame mit großen Kulleraugen an.

Miss Snyder lacht. „Sehe ich aus, als könnte ich mir das leisten?“

Deprimiert lässt die junge Frau den Kopf hängen.

Erneut lacht es herzlich von der Beifahrerseite. „Es ist ein Automatikgetriebe, also ist das 'fahren' an sich nicht so schwer.“

„Und die Verkehrsregeln?“

„Papperlapapp. Das bekommen wir schon hin.“

Lisa gibt sich geschlagen. Sie umfasst den Schlüssel und dreht ihn. Stotternd und protestierend springt der Wagen an. Die junge Frau atmet tief durch und stellt den Schalthebel auf D. Langsam setzt sich das alte Auto in Bewegung.
 

„Läuft doch ganz gut“, amüsiert sich Miss Snyder.

Lisa steht der Schweiß auf der Stirn ... und unter den Armen ... und läuft ihr den Rücken runter ... „Hm“, antwortet sie zittrig.

Es hupt laut. Erschrocken reißt die junge Frau am Lenkrad und hämmert über den Bordstein. Ein Wagen überholt. Der Fahrer flucht lautstark zum Fenster hinaus und braust davon.

„So ein Flegel!“ Miss Snyder ist sichtlich verärgert.

Die junge Frau ist mit den Nerven am Ende. Ständig scheint sie alles falsch zu machen. Geknickt schielt sie zu Miss Snyder. Die Dame scheint nichts aus der Ruhe zu bringen.

„Weiter?“ Freundlich strahlt die Rentnerin.

Eigentlich will Lisa nicht. Sie sind beschimpft worden, an gehupt, bepöbelt. Sie sind in eine Einbahnstraße reingefahren - falsch herum, über eine rote Ampel gebrettert und ... Lisa will gar nicht darüber nachdenken.

Sie lenkt das Auto widerwillig auf die Straße - weiter geht es.

„Du fährst ganz hervorragend, Liebes“, lobt die alte Dame.

Lisa lacht freudlos und zieht die Augenbraue hoch. „Wie eine ausgebildete Chauffeurin“, witzelt sie.

Rechts klingelt es plötzlich

„Gib gas, schnell!“, ruft Miss Snyder.

Das Auto prescht vorwärts, gerade noch rechtzeitig. Die Straßenbahn, die eben angefahren kommt, verpasst das Heck des Wagens nur um Haaresbreite.

Die alte Dame jubelt und klatscht in die Hände. „Wie in einem Agenten-Film!“

Lisa fährt das Auto kurz rechts raus, sie atmet durch und … lacht. Sie lacht wie eine Verrückte. „Agentin Snyder, Null Null Snyder.“

Die beiden Frauen Kichern und Lachen eine ganze Weile, dann geht es weiter.
 

„Ähm. Ein Dreieck, verkehrt herum, mit rotem Rand“, beschreibt Lisa das Verkehrsschild. Seit sie die Schilder ansagt läuft es besser. Miss Snyder sieht zwar nicht mehr gut, aber sie kennt die Verkehrsregeln. Also sagt die junge Frau an und die Rentnerin erklärt die Bedeutung.

Keine Antwort.

„Miss Snyder?“

Stille.

Lisa sieht zur Seite. Nicht wahr! Die alte Dame ist eingenickt. Die junge Frau rüttelt die Rentnerin an der Schulter. „Hey!“

Der Wagen fährt über die Kreuzung.

Rechts quietschen Reifen – es wird gehupt

Überfordert bremst Lisa und hält mitten auf der Straße an.

Miss Snyder schmatzt und öffnet die Augen. „Bitte?“

Erleichtert atmet Lisa aus.

Plötzlich leuchtet es blau.

Mit schreckgeweiteten Augen starrt die junge Frau in den Rückspiegel. „Scheiße.“

Hinter dem alten Auto steht ein Streifenwagen. Die beiden Beamten steigen gerade aus. Ihre Gesichter wirken finster und grimmig.

„Ich mach das schon“, flüstert Miss Snyder und tätschelt Lisa den Oberschenkel.

Es klopft an der Seitenscheibe.

Lisa kurbelt mit wild klopfendem Herzen das Fenster runter.

„Guten Tag, die Damen. Sie wissen schon, warum wir...“ Weiter kommt der Polizist nicht.

Miss Snyder schreit plötzlich auf und hält sich den Bauch. Die Dame keucht und japst nach Luft.

Schockiert starrt Lisa sie an. Es dauert einen Moment bis sie begreift. „Bitte, meine Oma hat Schmerzen, sie muss dringend zum Arzt.“ Angestrengt drückt sich die junge Frau eine Tränchen heraus und spricht so heiser und hektisch wie möglich.

Der Beamte runzelt die Stirn und mustert die alte Dame.

Miss Snyder verzieht schmerzerfüllt das Gesicht und keucht wieder.

„Fahren Sie lieber gleich ins Krankenhaus.“

Verwirrt sieht Lisa den Polizisten an.

„Na los! Aber passen Sie auf.“

Die alte Dame keucht. Lisa nickt überfordert und fährt los.

„Links, das Krankenhaus ist links“, flüstert Miss Snyder und lächelt verschmitzt.
 

„Was für ein Abenteuer!“, freut sich die alte Dame und klatscht in die Hände.

„Kann man so sagen“, lacht Lisa. „Was ein für Geburtstag.“

Mit strahlenden Augen sehen sie zur Frontscheibe hinaus. Der See glitzert mit der Sonne um die Wette.

„Hoffentlich wird die Heimfahrt ruhiger.“

Die Augen der jungen Frau weiten sich schockiert. „Was?!“



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