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Spiel ohne Limit

von

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Rin hatte gerade eine zweite Kanne ihres Spezialkaffees angesetzt, den sogar Morgenmuffel wie Lumina aus dem Bett trieben, als es an der Tür klingelte. Beide Frauen blickten gleichzeitig in den Flur, während im Hintergrund das schlurfende Geräusch der Kaffeemaschine ertönte.

"Ich gehe", meinte die junge Frau, die auf den kleinen Wecker am Fensterbrett starrte, nur um sich zu vergewissern, nicht spät dran zu sein. Die Dreharbeiten für die Werbeaufnahmen standen heute an, Mokuba hatte sie daran erinnert, um elf Uhr ausgehbereit zu sein - man würde sie abholen. Sie öffnete die Wohnungstür, an der innen ein Foto von ihr und Lumina zu sehen war. Es war ein Portrait, das vor etwa fünf Jahren in ihrer Schule geschossen wurde. Sie trugen die klassische Schuluniform der westlichen Domino-City-Oberstufe - hellblauer Faltenrock, dazu der passende Blazer, mit grauer Bluse und lilafarbener Krawatte. Leicht verlegen lächelten beide in die Kamera, Rin konnte sich nicht erinnern, was an diesem Tag passiert war, dass beide Mädchen so geschafft aussahen. Sowohl sie als auch Lumina wussten nicht, warum ausgerechnet dieses Foto zum Aushängen ausgewählt worden war - es gab so viele ungezwungene und witzige Bilder der beiden, dass dieses verkrampfte Foto in eine der Boxen hätte verschlossen werden können.

Kaum verschwand das Bild der beiden als Rin die Tür weit genug aufgerissen hatte, da starrte sie in zwei dunkle Brillengläser.

"Isono", blinzelte Rin den unerwarteten Gast an. Dieser blickte ernst zu ihr herunter (wenn er sie denn wirklich ansah) und begrüßte sie mit einem stummen Nicken.

"Wurde der Termin nach vorne geschoben?", fragte sie stattdessen und wusste nicht, wie sehr sie diese Tatsache begeistern sollte. Der große Mann mit den dunkelgrünen Haaren schüttelte den Kopf und fing zu Rins Erleichterung an sich zu erklären: "Entschuldigen Sie mein frühzeitiges Erscheinen, Frau Yamamori. Ich komme noch in einer weiteren Angelegenheit zu Ihnen." Damit zückte er aus seinem Jackett einen Stick hervor.

"Bevor ich Sie in die Hauptarena nach Kaiba-Land fahre, wurde ich beauftragt, die Auswertungen Ihrer VR-Ergebnisse zu kopieren."

"Oh...okay", damit trat Rin ein Stück beiseite, "dann kommen Sie doch herein."

"Vielen Dank", er tat eine tiefe Verbeugung, bevor er Rin in die Wohnung folgte.

"Ich bringe den Laptop nach vorne. Wollen Sie solange einen Kaffee?" Trotz Sonnenbrille erkannte sie, dass er stutzte und die Situation abwägte, woraufhin sie lächeln musste: "Es ist genug für alle da."

"Dann nehme ich dankend an", er verbeugte sich erneut, dass Verlegenheit in ihr aufkam. Vor der Kaffeemaschine zog Lumina eine Augenbraue in die Höhe, bevor sie drei Tassen aus dem daneben stehenden Schrank nahm und allen einschenkte.

"Geht schon in Ordnung", flüsterte sie ihrer Freundin beim Vorbeigehen zu, "das ist Isono, er war bisher immer nett." Ein breites Grinsen entfuhr der Schwarzhaarigen: "Du wirst von Kaibas rechter Hand chauffiert?" Rin ignorierte den säuselnden Unterton und machte sich daran, den Rechner aus dem silbernen Koffer hervorzuholen. Sie stellte ihn auf den Tisch, vor Isono, der nach einem kräftigen Schluck die Tasse vor sich abgestellt hatte und sich erneut bei der jungen Frau bedankte. Normalerweise mochte sie keine übetriebene Höflichkeit, aber dieser Mann schien noch von der alten Schule zu sein - zumindest wirkte seine Art nicht aufgesetzt.

"Jetzt haben Sie mich neugierig gemacht", Rin setzte sich zwischen den Unternehmensberater und ihrer besten Freundin, die ihre Tasse direkt vor ihr Gesicht platzierte. Ihre lilafarbenen Augen sahen über den Rand der Tasse, aus dem dampfender Rauch herausschoss.

"Wofür brauchen Sie die Auswertung?"

Isono verband den Stick mit dem Rechner und entgegnete: "Ich habe lediglich die Anweisung erhalten, Ihre Daten aufzunehmen. Über die Intension bin ich nicht unterrichtet worden."

"Verstehe", murmelte Rin, die es nur zu gern interessiert hätte, ob die Übungen mit dem VR-Helm mehr bezwecken sollten als dem üblichen Training. In den letzten paar Tagen hatte sie die freien Minuten dazu genutzt, sich näher mit dem Gerät auseinanderzusetzen, von dem Kaiba darauf bestanden hatte, es zusammen mit ihrem eigenen erhaltenen Stick anzuwenden. Schnell hatte Rin die Choreographie verstanden. Eine Reihe von Drachen, gekrönt von ihrem weißen Nachtdrachen, erschienen auf einer virtuellen Bühne, traten an ihre Seite, wenn sie dem angewiesenen Pfad folgte, bewegten sich rhythmisch zu ihren Schritten, schlugen mit den Flügeln und reckten ihre Hälse, sobald ihr Blick zu den erhabenen Kreaturen hinaufging. Nachdem sie sich die Schrittfolge eingeprägt hatte, war sie mutiger geworden und hatte ein paar Änderungen vorgenommen. Es machte ihr Spaß zuzusehen, wie die virtuelle Realität mit ihren Handlungen harmonierte, sobald sie sich darauf eingestellt hatte. Rin fragte sich, ob ihr Boss noch weitere Experimente mit ihnen durchnahm. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass die neue DuelDisc, die bald auf dem Markt erscheinen sollte, wirklich schon alles ausgeschöpft hatte, woran der junge Firmenchef arbeitete. So viel stand jedoch fest: Isono würde ihr keine Informationen liefern, ob er nun darin im Bilde war oder nicht. Stattdessen beobachtete sie, wie er geschickt am Rechner hantierte. Er öffnete den Link zu dem Programm, das direkt in die Zugangsdaten des virtuellen Systems zugriff, nur ohne den Helm vollkommen sinnlos war. Mit zwei weiteren Klicks und einer Tastenkombination, der Rin nicht folgen konnte, öffnete sich ein schwarzes Fenster mit tausenden von Zahlen, Strichen und Punkten in den unterschiedlichsten Reihenfolgen.

Codes

Manchmal bereute sie es, nicht die nötigen Fähigkeiten in Informatik zu besitzen. Sie hatte zwar gute Noten in Mathe und dem schulischen Informatik-Unterricht gehabt, jedoch hätten sie nie für ein derartiges Studium ausgereicht. Dafür verschwammen zu schnell die Zahlen vor ihrem Auge, dass sie das Gefühl hatte, einen Hypnosekreis anzustarren. Stumm nippte sie an ihrem Kaffee, während sie ihren Blick zwischen Rechner und der DuelDisc um ihren Arm hin und her wandern ließ. Immer mehr hatte sie sich mit dem Linkshändermodell angefreundet. Selbst Lumina empfand es als nette Geste, auch wenn sie sich dagegen sträubte zu glauben, dass sich Seto Kaiba dazu herabgelassen hätte

Vermutlich hat ihm sein Bruder gut zugeredet. Mir kann es nur recht sein

"Fertig", Isono klappte den Rechner zu. Rin war erstaunt, wie schnell schnell der Stick die Daten heruntergeladen hatte.

Was auch immer das für Daten gewesen sind

Dass der treueste Mitarbeiter von Kaiba Corp. so zügig seine Tasse leerte, zwang sich auch Rin dazu, sich zu beeilen. Glücklicherweise war sie heute früh auf den Beinen gewesen. Ihren Wecker hatte sie zwei Stunden früher gestellt, falls ihr derselbe Fehler wie beim letzten Mal unterlaufen sollte und sie ihn einfach ignorierte. Danach hatte sie sich fertig gemacht, war unter die Dusche gesprungen, hatte ihre DuelDisc poliert und das Armband mit einem speziellen Tuch gereinigt, dass man sich darin betrachten konnte. Ihre Haare waren schnell auf die richtige Höhe gelegt worden, dass sie nur noch ihre Augen etwas betonen musste und schon fertig für den Rest des Tages war.

"Wenn Sie soweit wären, Frau Yamamori", damit erhob sich Isono von seinem Stuhl, bedankte sich bei Lumina für den Kaffee und sah schließlich zu Rin, die ihm zunickte.

"Viel Glück", umarmte sie ihre beste Freundin, "bei all den verrückten Intriganten wirst du das sicherlich brauchen", sie zwinkerte ihr zu, dass Rin lächeln musste, obwohl ihr Magen vor Aufregung anfing zu rumoren.

"Und du denkst, ich kann so hingehen", sie sah auf ihr Outfit herunter, dass sie auch am Vortag in der Liveshow getragen hatte.

"Ich hab´es dir gestern schon gesagt", seufzte Lumina, "du siehst Spitze aus. Du weißt, ich liebe diesen Mantel und du hast damals selbst gesagt, dass du ihn zu deinem ersten großen Turnier tragen wirst. Lass`dir nichts von diesen kitschigen Modestilisten einreden, die hätten dich nur zu einem billigen Püppchen verwandelt, das du nicht bist."

"Du hast recht", Rin war froh, Lumina an ihrer Seite zu haben. Sie war eine der wenigen, die knallhart ehrlich waren, ohne Rücksicht zu nehmen. Wenn sie ihr versicherte, dass ihr Outfit passte, dann stimmte es auch.

"Bevor ich es vergesse", Lumina schwenkte ihr Telefon, dass ihr Display mit ihrem Lieblingsmusiker aufblitzte, "soll ich uns nun morgen einen Tisch im Mahados bestellen?" Rin lief bereits Richtung Tür als sie die Hand zur Bestätigung hochhob.

"Zwanzig Uhr sollte passen", entgegnete sie.

"Yamato und sein Kollege kommen auch mit?", Lumina setzte ihren speziellen Unterton ein, dass Rin versuchte ihn zu ignorieren.

"Ja. Und keine Sorge, es ist kein Verkuppelungsversuch."

"Das will ich dir auch raten", rief sie ihr hinterher, bevor die Tür ins Schloss fiel und Rin diejenige war, welche Isono folgte. Kaum waren sie draußen steuerte dieser einen himmelblauen Cadillac an, den selbst Rin als 79er Jahrgang identifizieren konnte, obwohl sie überhaupt kein Interesse für Autos hatte. Dieser jedoch war selbst für die junge Frau aufregend. Er war auf seine altmodische Art ziemlich protzig, geradezu dekadent. Sie stellte sich vor wie ein junger Elvisverschnitt aus dem Wagen stieg und vor ihr mit den Hüften wackelte. Diese Art von Kerlen gefiel ihr zwar nicht, doch sie hätte sich gerne ein buntes Tuch um den Kopf gebunden und sich von dem kalten Wind der Fahrt umwehen lassen. Als Roland ihr die Beifahrertür aufhielt, wäre sie gerne wieder Teenager gewesen, bei dem es nicht schlimm war, wenn er plötzlich anfing zu Quietschen. Sie hätte sich nicht träumen lassen, jemals in so einem Wagen chauffiert zu werden - noch dazu von der rechten Hand des mächtigsten Firmenchefs Domino-Citys. Wenn nicht sogar des gesamten Kontinents. Ihr Herz flatterte als der Motor startete, wie eine wilde Katze schnurrte das Gefährt, dass sie nicht umhin kam, es geil zu finden. Es fehlte nur noch der passende Fahrer und sie würde vollends die Fassung verlieren. Zügig lenkte Isono durch die Seitenstraße und fuhr eine Weile die Hauptstraße entlang, vorbei am Hafen Domino-Citys, bis sie den Tunnel erreichten, durch den sie nach Kaiba-Land gelangten.

Über das verlassene Gelände zu fahren, hatte etwas von einem billigen Horrorstreifen - nichts regte sich in Kaibaland, keine Attraktion bewegte sich, kein Kinderlachen hallte durch die Parks, nicht einmal die Security war an den einzelnen Abschnitten an ihren Posten. Sie wusste zwar, dass Zwecks der heutigen Dreharbeiten Kaibaland geschlossen hatte, aber gleich alles lahm zu legen, fand Rin etwas übertrieben. Als die Arena erschien und sich die Frage nach der fehlenden Security erübrigt hatte, hielt Isono direkt vor dem Haupteingang an.

"Bitte", erneut hatte er ihr die Tür aufgehalten und verabschiedete sich mit einer leichten Verbeugung von ihr, dass sie nicht anders konnte als ebenfalls ihr Haupt zu neigen. Dann stieg er wieder in den Wagen und fuhr los - wohin, wusste Rin nicht, es wirkte nicht so als würde er am Hintereingang nach einem Parkplatz suchen. Noch immer von der Tatsache verblüfft, von Isono persönlich mit einem Oldtimer chauffiert worden zu sein, lief sie die paar Schritte Richtung Eingang, wurde dort von zwei Security-Männern angehalten, die eine gründliche Taschenkontrolle vornahmen.

"Mantel anheben", meinte schließlich der eine, dass Rin ihm giftige Blicke zuwarf.

"Ich habe keine Taschen an meine Hose", knurrte sie und hob ihr Mantelkleid soweit an, dass der Bund ihrer Hose sichtbar wurde. Der andere Kerl nickte und winkte Rin weiter in die Arena, die heute mit einem Dach ausgestattet war. Sie staunte nicht schlecht als sie das Gebäude völlig verändert vorfand. Zunächst lief sie durch eine Art Flur, der sich in zwei Richtungen spaltete. In jeweils eine Richtung wartete eine Security.

"Die Damen nach links", murrte ein kahlköpfiger Riese. Rin folgte der Anweisung und lief bis zu einer Schiebetür, welche in eine Umkleidekabine führte. Plätscherndes Geräusch lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die dazugehörigen Badeanstalten, die Rin stark an die ihrer alten Schule erinnerten. Vor einem der Waschbecken stand eine Frau mit blonder Prachtmähne und wusch sich die Hände. Aus dem Augenwinkel sahen sie zwei herausfordernde Augenpaare an.

"Na sieh mal einer an." Rin hatte den zweiten Gast nicht gesehen, und drehte sich abrupt zur der bissigen Stimme um. Mit einem selbstgefälligen Lächeln fasste sich die Schwarzhaarige durch einen ihrer Dutts.

"Die Neue", Vivian Wongs Stimme war genau wie im Fernsehen - schrill und nervtötend. Rin hatte schon damals die Sorte Frau nicht leiden können, deren Mundwerk nicht zugehen wollte, obwohl sich die Stimme wie eine Bohrmaschine ins Hirn fraß. Zwei Schritte kam die Duellantin auf die junge Frau zu, die sich nicht anmerken ließ, dass sie nicht gerne von der Seite angesprochen wurde.

"Ich weiß", süffelte Wong und legte einen Finger auf ihr Kinn, "dass dein letztes Duell viel Aufmerksamkeit erregt hat. Aber bild' dir nicht so viel darauf ein - hörst du. Gegen Haga zu gewinnen, macht noch keinen richtigen Duellanten aus dir, und solltest du doch so viel Glück haben und in der nächsten Runde gegen mich spielen, wirst du schon sehen, wo dein wahrer Platz hingehört."

"Bist du fertig?", Rin verschränkte die Arme vor der Brust und sah zu der Schwarzhaarigen hinab, welche dank Rins Absätzen einen Kopf kleiner war als sie, "ich habe nicht die Nerven, mich mit deinem Geschnatter auseinanderzusetzen." Bissige Blicke, wie sie nur eine Frau auf eine andere Frau richten konnte, richtete die gebürtige Chinesin auf ihren Gegenüber, bevor sie sich abwandte und eine zweite Tür ansteuert, die wohl in die Arena führte.

"Du brauchst die Puppe nicht so ernst nehmen", Mai Kujaku war aus dem Bad getreten und lehnte lässig an der Wand. Zum ersten Mal fiel Rin auf, dass sie ihr Outfit geändert hatte. Sonst war ihre engsitzends Coursage der Blickfang ihres Auftritts. Diesmal hatte sie diese unter einer dunklen Bikerjacke verborgen, die sie stark an ehemalige Duellanten und Finalisten der vergangenen Worldcups erinnerte.

Dann müssen sie auch zu Paradius Inc's Team gehört haben

Bei dem Gedanken überkam ihr ein Schauder.

"In der Regel", entgegnete Rin und sah zur Tür aus der Wong getreten war, "nehme ich Frauen nicht ernst, die mit zwei Kissen auf dem Kopf durch die Gegend spazieren."

Die Blondine grinste.

"Ganz schön bissig. Aber wenn man zum Team Kaiba gehört, muss man wohl so einen Humor haben."

"Sagen wir Humor"

Kujaku kam näher auf die junge Frau zu, dass sie direkt an ihrem Ohr war: "Glaub' nur nicht, dass wir uns verstehen. Ich bin nur hier, um zu gewinnen. Ich will keine neuen Freunde finden."

"Alles andere hätte deinem Namen nicht alle Ehre gemacht," erwiderte Rin bissig und setzte ebenfalls ein fieses Lächeln auf, bevor sie zusammen mit ihrem Gegenüber nach draußen ging. Wie sie es dachte, führte sie die Tür direkt in das Herzstück der Arena, wo sie gar nicht so verändert wirkte, wie sie es erwartet hatte. Statt einem Publikum von knapp fünfzigtausend war der Bereich vor der Bühne relativ leer. Bis auf die Kameramänner und den Bühnentechnikern, Wachpersonal, das um die hundert Männer führte, sowie den übrig gebliebenen Duellanten des diesjährigen Vorrundenausscheids, wurde die Arena einzig von der Bühnenpräsenz dominiert: Hologramme erschienen auf der Bühne, änderten das Aussehen von einem Duellschauplatz zu individuellen Ortschaften. Rin beobachtete wie Ryota Kajiki sich auf die Bühne stellte. Er schaltete seine DuelDisc an, die türkisfarben aufleuchtete und die Bühne in eine finstere Untersee verwandelte. Seine Bewegungen waren fließend, als die Meeresungeheuer unter seinen Füßen zu schwimmen begannen - sein Blick entspannt und lässig als ein riesiger Hai über seinen Kopf sprang, sich formierte und zu dem Legendären Fischer wurde, als Kajiki direkt vor einem großen X stehen blieb und in die Kamera lächelte.

Dieselbe Choreo wie ich

Rin stemmte die Hände in die Hüften und beobachtete die Lichtershow, die sich einstellte als ein weiterer Duellant auf die Bühne trat. Ein weiterer Spieler von Industrial Illusions, der seit zwei Jahren im Rampenlicht stand und dessen Spezialgebiet Ungeheuer-Krieger waren. Das Wasser verschwand, als Kajiki sich von der Bühne entfernte und die DuelDisc ausschaltete. An dessen Stelle wurde die Bühne zu einem dicht belaubten Wald, dass Rin das Rascheln der Blätter hören konnte. Gänsehaut befiel die junge Frau - die realistischen Effekte der Hologramme waren einmalig.

Ihre Blicke wanderten hinüber zu den Monstern, den aufblitzenden Schwertern, deren Hiebe bis zu ihrem Ohr vordrangen. Sie konnte es kaum erwarten, selbst an der Reihe zu sein. Einer der Security-Männern hatte ihr ihre heutige Startnummer mitgeteilt. Sie war die Nummer zwanzig, kurz nach Katsuya Jonouchi, der einige Meter von ihr entfernt stand und ebenfalls begeistert auf die Bühne starrte. Auch wenn sie kein sonderlich großer Fan seiner Spielstrategie war, die sich hauptsächlich auf Zufalls- und Glückskarten spezialisierte, war sie doch froh gewesen, ihn nicht als ihren ersten Gegner vor sich zu haben. Seine Karten machten ihn unberechenbar, zudem unterschätzte sie seine langjährige Erfahrung als Spitzenduellant nicht, egal wie tollpatschig und verpeilt er sich gab.

Nun war Mai Kujaku an der Reihe, ihre ChaosduelDisc war ein völlig anderes Modell als das der anderen - sogar das Licht, das bei dessen Aktivierung heraustrat, erinnerte stark an die Beschwörung von Orichalcos. Sobald der Countdown runtergezählt wurde und Start auf einem der Bildschirme aufleuchten ließ, die normalerweise für die Punkteanzeige verantwortlich waren, lief Mai los. Ihr Auftreten war ihres Images würdig. Ihre blonde Mähne warf sie nach hinten, den Blick von oben nach unten gerichtet blickte sie in die Kamera, während um sie herum Harpyien vom Himmel stiegen, kreischen und sich um die Blondine versammelten als sei sie deren Königin. Dabei überschritt sie, wie bereits ihre Vorgänger, die jeweiligen Pfeile und Kreuze am Boden, wodurch sie perfekt mit ihren Monstern im Einklang war. So eindrucksvoll die Technologie war, irgendetwas war anders als bei den bisherigen Duellanten. Eine zweite Aufnahme wurde gemacht, diesmal musste Kujaku ihren Kopf noch etwas weiter nach links drehen, damit es den Anschein erweckte als erteilte sie Harpyie Nummer eins einen Befehl. Derweil drehte Rin ihren Kopf zur Seite und bewunderte das Ausmaß der Arena, ohne von lästigen Zuschauern behindert zu werden. Ohne das Publikum wirkte die Arena noch viel gewaltiger - wie musste es da auf der Bühne für sie aussehen. Ein Kribbeln drang aus ihrem Bauch, das perfekt zu dem Summen passte, das wie ein Propeller im Landeanflug klang und sie kurzerhand nach vorne schauen ließ. Ein Raketenkrieger wirbelte in Richtung der jungen Frau, nur knapp konnte sich Rin rechtzeitig ducken, dass er ihr nicht direkt ins Gesicht flog. Denn auch wenn es bloß ein Hologramm war, konnte ein direkter Angriff schon schmerzhaft sein. Ungläubig rappelte sich Rin auf und beobachtete wie Jonouchi die Kontrolle über seine Monster verlor.

"Das kann dauern", entgegnete eine vertraut stoische Stimme, dass Rin langsam ihren Kopf nach rechts drehte und Seto Kaiba direkt vor sich stehen hatte. Rin hatte sich schon gewundert, ihren Boss nicht vorher zu Gesicht bekommen zu haben, wo er doch führender Leiter der heutigen Drehs war. Sie hätte sich nicht vorstellen können, dass er jemand anderen die Kontrolle über die Überwachung seiner Systeme überließ.

"Es ist wirklich erstaunlich", sagte Rin kopfschüttelnd und wandte sich erneut dem Blonden zu, der noch immer nicht so recht wusste, wie er verhindern konnte, dass seine eigenen Monster auf ihn los gingen.

"Ich dachte immer, dass seine Art nur Image ist."

"Nein", Kaiba kam noch einen Schritt auf sie zu, dass sie nur noch eine Handbreite voneinander trennte und Rin seinen Duft zum erstens Mal bewusst wahrnahm, "er ist wirklich so ein Trottel. Daran hat sich in den letzten fünf Jahren nichts geändert."

Stimmt, Kaiba und Jonouchi gingen auf dieselbe Schule

"Kein Wunder, dass er so gut ankommt." Doch Kaiba sah sie an als wüsste er es nicht.

"Naja, ich schätze die Leute merken, dass er authentisch ist; kein geschaffenes Produkt." Tatsächlich stand Katsuya Jonouchi sehr weit oben auf der Beliebtheitsliste. Nicht umsonst gehörte er zu den wenigen Champions, die allein von Sponsoren und Gönnern leben konnten. So wurde der Blonde von der städtischen Pizzakette unterstützt und gefördert, worauf er im Gegenzug die Marke präsentierte und seinen Namen hinhielt. Nicht gerade die schlechteste Art sein Geld zu verdienen, zumal er sein Leben lang umsonst Pizza essen konnte.

"Wie auch immer", der junge Firmenchef ließ den Blick über die Bühne schweifen als der Rotäugige über das Parkett schwebte; das einzig wirklich erhabener Monster, das nicht sofort reißaus nahm. Seto Kaibas Augen durchbohrten den Blonden, der mit einem der Kameramänner zu streiten begann. Kurz hielt er inne und drehte seinen Kopf in Richtung der beiden. Seine Augen blitzten wütend auf, während die des mächtigen CEOs angriffslustig in dessen Richtung blickten: "Probleme mit der Technik?" seine Stimme war provokativ und sarkastisch, und Jonouchi sprang voll darauf an.

"Wie soll ich denn auch in zwei Minuten diesen Mist lernen?!"

"Jeder hat die Holo-Anweisungen nach den Battle-City-Turnieren erhalten."

Jonouchis Gesichtsfarbe wurde kirschrot.

"Was für Holo-Anweisungen? Ich hab überhaupt nichts erhalten."

"Ach wirklich nicht?", winkte Kaiba ab, "ich habe meinen Mitarbeitern angewiesen, jedem Profispieler die Anweisungen zukommen zu lassen."

"Na warte, Kaiba", schrie der Blonde aus sicherer Entfernung und brachte sich erneut in Position. Rin hatte aufgehört mitzuzählen, wie viele Versuche es bereits gegeben hatte. Irgendwie hatte die junge Frau Mitleid mit dem tollpatschigen Kerl, während sie gleichzeitig ihren Drang zu lachen unterdrückten musste.

"Yamamori", Kaibas Stimme änderte seinen Ton als er aus dem Augenwinkel zu ihr herunter sah. Weniger Sakrkasmus umso mehr Ernsthaftigkeit legte er in seine Stimme. Noch immer staunte sie über seine Körpergröße.

"Zeigen Sie diesem Anfänger wie man es richtig macht." Rin blinzelte ihn mit ihren Jade-Augen an: "In Ordnung", sie machte sich daran, auf die Bühne zuzusteuern.

"Jonouchi", rief Kaiba als sie bereits die Stufen hinaufstieg, "lass' es dir von einem Profi zeigen."

"Jaja", murmelte der Blonde als er Rin Platz machte, "als ob einer deiner Duellanten nicht schon tausend Jahre Vorsprung hat." Damit hatte er nicht einmal so unrecht. Seit sie an den Battle-City-Turnieren teilnahm, hatte Rin jede Gelegenheit genutzt um ihre Fähigkeiten mit der neuen Technik zu verbessern. Obwohl Rin ihren Kollegen Yoshi weniger eindrucksvoll fand. Er hatte weniger Selbstsicherheit mit der Technologie als sie erwartet hatte. Der Kerl brauchte ein paar Anläufe und dabei wirkten seine Versuche ziemlich steif und abgehakt. Rin dagegen war einfach nur gespannt auf ihre Umsetzung der Virtuellen PC-Variante. Ein rothaariger Security-Mann, von dem sie überzeugt war, ihn schon einmal bei Kaiba Corp. gesehen zu haben, überreichte ihr ein dünnes Plättchen, dass sie unter ihre DuelDisc zu schieben hatte. Überraschenderweise passte es perfekt in den Bereich direkt unter der Friedhofszone, dass sie mit einem Klick dort einrastete. Wenn sie es richtig verstanden hatte, würde sie nun fortan mit diesem Feature arbeiten. "Auf Position", rief ihr ein Kerl, der neben einem der Kameramänner stand, zu und winkte mit der linken Hand. Rin stellte sich auf das gelbe große Kreuz, dabei ging ihr Blick weiter zu den Pfeilen, die letztendlich zu dem letzten großen Kreuz führten. Darauf wollte sich die junge Frau einzig konzentrieren, die Pfeile waren ihr relativ egal, sie hatte ihre eigene Vorstellung von einem gelungenen Auftritt. "DuelDisc einschalten", wurde sie aufgefordert. Sie schaltete das System ein, ihr Arm begann zu kribbeln - dieses vertraute Gefühl, dass sie die Umgebung um sie herum vergessen ließ. Vergessen war der Countdown sowie das Startsymbol. Ihr Körper wurde mit Licht durchflutet, Wärme strahlte über ihre Haut, ging durch sämtliche Nervenzentren. Ihr Blick wandelte sich, ihr Geist manifestierte zu einem festen Willen. Sie lief los, ihre Schritte waren fest, waren sicher. Aus dem Boden drangen Wirbelstürme, die sich zu Schattenzaubern transformieren, Ketten streiften ihre Beine entlang und bahnten sich ihren Weg nach oben, von wo sie auf gleißendes Licht trafen. Reflektionen in den verschiedensten Farbspektren erhoben sich, eine Frau trat aus den bunten Diamanten - die Seelenerlöserin streckte ihren Arm aus als Rin den ihren zu ihr ausstreckte, dabei immer weiter marschierte, auch als die Seelenerlöserin zu Glitzerstaub zerfiel und dabei den gesamten Himmel in ein Lichtermeer verwandelte, dass sämtliche Dunkelheit von ihr wich. Ein Schrei ertönte, willig seine gesamte Kraft zu entfalten. Der Wind wurde stärker, aufbrausend und unnachgiebig bis ihr eigener Körper von der Mitte ausgehend ein weißes all umfassendes Leuchten entsandte und der weiße Nachtdrache sich aus ihr erhob, wild mit den Flügeln schlug und über ihren Kopf zum Stehen kam. Ein weiter Schrei ertönte, der Ruf der Bestie schallte durch die Halle bis Rin ihren Blick anhob, ihre grünen stechenden Augen zu einem stummen Befehl auf die erhabene Kreatur richtete, die ergeben ihren Kopf senkte und dabei auf Augenhöhe mit seiner Schafferin kam. Rins Lider senkten sich ganz leicht, bevor Selbstsicherheit, Überlegenheit und starker Stille zu einem bahnbrechenden Gesichtsausdruck verschmolzen. Erst jetzt sah sie die Kamera, die direkt vor ihr stand. Der Drache mitsamt der Spezialeffekte löste sich augenblicklich auf. Auf einmal hatte Rin das Gefühl, als wäre es ganz still in der Arena geworden. Sie spürte einen eindringlichen Blick auf sich. Es war Kaiba, der Rin von weitem betrachtete, dass ihr Herzschlag sich verdoppelte.

"Scheiße, war das krass", schüttelte nur ein Stück weit von ihr Jonouchi mit dem Kopf, "wie hast du das gemacht? Du bist gar nicht über die Markierung gelaufen."

"Das ist doch nur Hilfestellung - oder?", flüchtig sah sie zu ihrem Boss herüber, der sie noch immer mit einer Intensität betrachtete, dass Rin alle Mühe hatte, seinen Blicken zu begegnen. Kaiba war nicht der einzige, der sie ansah. Um sie herum hatten sich die Spitzenduellanten des diesjährigen Worldcups versammelt. Einige pflichteten Jonouchi bei, während andere nur mit den Schultern zuckten.

"Hab ich was falsch gemacht?", langsam wurde sie unsicher. Vielleicht war die Choreo nur in ihrem Kopf gelungen.

"Nein", entgegnete ihr Boss trocken ohne dabei seine Aufmerksamkeit von ihr abzuwenden.

"Pah", aus einer entgegengesetzten Ecke der Arena trat Hii aus dem Schatten hervor. Seine Augen drangen direkt durch die junge Frau hindurch, "das passiert, wenn man die Kontrolle über seinen eigenen Geist verliert." Er kam zu ihr auf die Bühne, genau ans andere Ende und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Noch mag es vielleicht amüsant aussehen. Aber was passiert, wenn dein Geist sich gegen dich stellt?"

"Was für ein Unsinn", Rin schwang ihren Pferdeschwanz nach hinten, "würde ich einfach nur den Richtlinien folgen, hätte ich das Prinzip des Fortschritts nicht verstanden."

"Ach ja?", Hii zeigte seine Zähne. Er hatte denselben Ausdruck im Gesicht wie an dem Tag als er sie herausgefordert hatte. Er breitete seinen linken Arm aus, dass seine ChaosduelDisc ausfuhr und sich im Orichalcos-Licht badete: "Dieser Fortschritt, von dem du da sprichst", das grüne Licht erlosch, an dessen Stelle trat eine türkisfarbene Feuerkugel die sich direkt vor seinem Gesicht ausbreitete, "er wird von gierigen Menschen geschaffen, dessen Egoismus und Wahn in dessen Maschinen reingesteckt wird. Es folgt Chaos und Zerstörung, die niemand mehr aufzuhalten vermag." Die Feuerkugel bewegte sich mit einem rasenden Tempo auf die junge Frau zu, die sich nicht von der Stelle bewegte. Ihre Augen fixierten den Feuerball. Direkt vor ihrem Gesicht explodierte er in abermillionen kleine Diamanten - so wie sie es sich in ihrem Kopf ausgemalt hatte.

"Ich denke", Rin sah hinauf an die Decke, dort wo rote und grüne Prismen hinabstrahlten, "Fortschritt ist nur etwas für Menschen, die über Technik herrschen können und nicht davor Angst haben sie zu nutzen. Niemand kann Macht ausüben, der sich davor fürchtet, sie entgegen zu nehmen." Damit hüllte sie ein Nebel ein, der sich in ihrer linken Hand sammelte. Aus Rauchschwaden wurden Blitze, die zu einer einzigen Kugel verschmolzen. Ihre Augen spiegelten die Aufregung der gelben Stacheln wider, ihre Mundwinkel zuckten - das virtuelle System war bereit auszubrechen.



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