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Spiel ohne Limit

von

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Seto Kaiba hatte gar nicht gemerkt, wie die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war und sämtliches Tageslicht mit sich genommen hatte. Erst spät am Abend fiel ihm auf, dass der Bildschirm seine einzige Lichtquelle geworden war, während sein restliches Büro in völlige Dunkelheit getaucht wurde. Die letzten Zahlen und Bilanzen hatten ihn mehr Zeit gekostet als er zunächst beabsichtigt hatte, dass er erst am frühen Abend mit seinem eigentlichen Projekt - nämlich der Weiterentwicklung eines neuen holographischen Systems - beginnen konnte. Er fasste sich an die Schläfe. Seine Augen begannen zu brennen, was nichts Ungewöhnliches war, jedoch einiges an Nerven kostete, wenn er sich bemühte, hundertprozentige Konzentration aufzubringen. Seit Tagen versuchte er schon, die aktuelle Technologie mit der neuen zu verbinden. Erste Versuche hatte es schon vor Monaten gegeben, seit einigen Wochen hatte er auch die Testgelände und Trainingsmodule dementsprechend angepasst. Indem er seine Duellanten langsam an die neue Technologie heranführte, erhoffte er sich, die Verträglichkeit der neuen Änderungen auszustesten. Keiner seiner Probanten wusste etwas davon, die meisten hielten es für eine verbesserte Version der hiesigen Fassung. Der junge Firmenchef sah auch nicht die Notwendigkeit, irgendjemandem davon zu erzählen. Bisher war sein neuestes Projekt unter strenger Geheimhaltung. Nur Mokuba wusste etwas von Setos neuartiger Idee, seine virtuelle Technologie auf ein neues Level zu bringen, dass alles Bekannte in den Schatten stellen sollte. In dem Tempo, in dem er zurzeit daran arbeitete, würde die neue Technologie Ende nächsten Jahres an den Start gehen - vorausgesetzt, alle nötigen Vorkehrungen wurden durchlaufen und etwaige Mängel beseitigt. Er wusste, dass die Neuschaffung der virtuellen Realität Extremen überschritt, für welche die Menschheit womöglich noch gar nicht bereit war. Es gab viele, die ein Problem mit dieser Art von Technik hatten, sie sogar verteufelten, weil es eine Beleidigung an Gottes Werk war. Der mächtige CEO konnte zwar nicht verstehen, wie es im einundzwanzigsten Jahrhundert noch Leute geben konnte, die an Religion und Aberglauben festhielten, wo sie doch von allen Seiten eines besseren belehrt wurden. Doch die Vergangenheit hatte ihn gelehrt, diese Menschen nicht einfach zu ignorieren - dafür waren es zu viele. Sein Blick schweifte vom Bildschirm ab, dass er sich in seinem Sessel zurücklehnte und zur Decke starrte. Die Stille ließ ihn das Ticken der Uhr im Flur wahrnehmen. Seine Augen wurden träge. Viel würde er heute nicht mehr zustande bringen. Er entschied sich, die letzten Daten durchzugehen, bevor er sich schließlich nach Hause machen würde. Selbst Mokuba - der aktive Nachtwandler - lag bestimmt schon im Bett und bereitete sich auf seine Standpauke vor, die er ihm unter die Nase binden würde. Sein Blick wanderte zurück auf den Bildschirm, während seine Finger auf der Tastatur zu hämmern begannen. Er öffnete innerhalb seines Programmes ein neues Fenster und ließ die Ergebnisse über den Bildschirm rasen. Mit der rechten Hand ließ er die Maus den gesamten Durchlauf aus Zahlen und Codes durchlaufen, bis er innehielt und den vorletzten Absatz näher betrachtete.

Was zum Henker ist das?

Sein System zeigte eine Veränderung, die Seto Kaiba nicht vorgenommen hatte. Niemand hatte Zugriff auf das Programm, geschweige denn wäre in der Lage, daran rum zu pfuschen. Sein Blick verdunkelte sich, dass die Finsternis tiefe Schatten in sein Gesicht zeichnete. Er sprang vom seinen Sessel auf und schritt in Richtung seines Privatfahrstuhls. Seinen Mantel ließ er auf seinem Platz, er hatte jetzt keine Zeit sich um Details zu kümmern. Am Fahrstuhl angelangt, ließ er sich in das letzte Untergeschoss seines Gebäudes befördern. Seine Schritte hallten bedrohlich über dem Parkett. In den geheimen Anlagen der Kaiba Corporation angekommen, startete er das virtuelle System, dass sich die Halle in Licht eintauchte und sämtliche Programme hochfuhren.

"Guten Abend, Seto Kaiba", meldete sich die elektronische Frauenstimme, dass sich Kaiba breitbeinig und mit verschränkten Armen vor der Anlage platzierte und die Mitte der Halle fokussierte. Ein holographisches Bild eines undefinierbaren Frauenkopfes erschien und sah in seine Richtung: "Meine Gesichtsanalyse ergibt, dass Sie verärgert sind."

Warum nochmal hab ich ihr die Deutung von Emotionen gegeben?

"Ich habe Abweichungen in den graphischen Codes gefunden", entgegnete er kühl, "es scheint, als hätte jemand eine Änderung vorgenommen."

"Es wurden keine fremden Aktivitäten gemeldet", erwiderte sie so emotionslos wie ihr Schaffer, "der Zugriff auf ihr Virtuelles System ist allein Ihnen gestattet. Es ist unmöglich durch die Sicherheitsschlüssel zu kommen."

"Das weiß ich. Schließlich sind es meine Sicherheitscodes. Nenn`mir lieber eine logische Erklärung für die Abänderung."

"Einen Moment bitte. Ich lasse das System überprüfen." Ein leises Zischen erklang, die Datensätzen aus Kaibas Computer erschienen in sekundenschnelle, bevor der Frauenkopf zurückkehrte und Bericht erstattete: "Es scheint, dass sich das System weiterentwickelt hat."

Was hatte sie gesagt? Kaiba kniff die Augen zusammen.

"Unmöglich. Ich habe das System seit Wochen nicht mehr persönlich angwandt."

"Sie scheinen zu vergessen", sagte sie als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, Seto Kaiba an etwas erinnern zu müssen, "dass Ihre virtuelle Technik zum Teil in den Einheiten der Trainingsmodule eingearbeitet sind."

"Willst du mir etwa sagen", erwiderte er mit einem schiefen Grinsen, dass seine blauen Augen zu blitzen begannen, "dass meine Spieler für die Weiterentwicklung verantwortlich sind?" Hätte er einem seiner Angestellten gegenübergestanden, wäre die Antwort eine andere gewesen. Doch seine KI kannte keine Hemmungen und empfand schon gar nicht Angst gegenüber dem Mann, dessen eiskalter Blick für manche als tödlich eingestuft wurde.

"Meine Statistiken ergeben, dass dreiviertel der registrierten Duellanten lediglich ein drittel der virtuellen Technik ausschöpft. Es scheint in der Umsetzung noch Schwierigkeiten zu geben."

"Oder Faulheit", erwiderte Kaiba und konnte sich vorstellen, dass seine Duellanten nur unzureichend Zeit in die Trainingseinheiten steckten, geschweige denn die virtuelle Technik vollends ausschöpften.

"Und das restliche viertel?" Erneut wechselte der Bildschirm, dass eine neue Datei zum Vorschein kam. Als Hologramm erschienen die Stammdaten seiner Profispieler, inklusive der absolvierten Trainingseinheiten und deren Ergebnisse. Er brauchte nicht lange zu suchen, bis er wusste, worauf seine KI anspielte. Trotzdem fuhr die elektronische Frauenstimme fort: "Einer der neuen aufgelisteten Probanten zeigt fortschrittliche Ergebnisse."

"Rin Yamamori", murmelte Kaiba, welcher den Namen in letzter Zeit sehr häufig zu Ohren bekam. In den letzten Tagen hatte sie beachtlich an Punkten gewonnen, dass sie sich langsam den Top fünfzig näherte. Die ersten Werbeangebote hatte es ebenfalls schon gegeben. Wie es schien, hatte die junge Frau unter den Jugendlichen zwischen zwölf und sechzehn Jahren an Bekanntheit zugenommen. Dies zeigte sich auch an den positiven Anstieg verschiedenster Merchandise-Produkte, sowie einem leichten Anstieg der Beliebtheit von Kaiba Corporation in Bezug auf sein Team im Worldcup. Er wusste auch, dass sie regelmäßig Trainings absolvierte - ihre Arbeitszeit schien morgens in der Kaiba Corporation zu beginnen, so wie sie es ihm vor Wochen im Fahrstuhl erzählt hatte. Es wunderte ihn also nicht, dass gerade der Name Rin Yamamori gefallen war. Vielmehr die Tatsache, dass ihm seine KI weiszumachen versuchte, dass sie etwas mit der Veränderung seiner Datensätze zu tun hatte. Also näherte er sich dem Pult und veränderte die Lichtsequenz im Raum, dass Halbschatten an den Seiten entstanden und der Mittelpunkt noch verstärkt wurde.

"Also schön", raunte er, "dann lass`mich sehen, was sie mit meinen Codes zu schaffen hat." Das Bild änderte sich, dass neue Daten freigegeben und die Auswertungen sichtbar wurden. Das System legte ihm sämtliche Daten offen, die es bei virtuellen Duellen analysiert hatte. Schließlich dienten die Testversuche nicht nur dazu, die Verträglichkeit der neuen virtuellen Grafik herauszufinden, sondern auch Vergleiche innerhalb der Testpersonen zu schaffen, um so die einzelnen Anwendungen dementsprechend auswerten zu können. Die Analyse von Rin Yamamori konnte sich sehen lassen. Ihr regelmäßiges Training konnte ein gutes Bild über die junge Duellantin und ihre Fähigkeiten aufzeigen. Seine KI bestätigte ihn in seinen Überlegungen: "Die Analysen haben ergeben, dass Rin Yamamoris Intelligenz im oberen Durchnittsbereich liegt; Spracherwerb und logisches Denken sind ausgeprägt und werden besonders in der Anfangsphase von Duellen angewandt. Außergewöhnlich stark ausgeprägt ist jedoch die rechte Gehirnhälfte, die in sämtlichen Duellphasen dominiert und den Durchschnittswert übertrifft."

"Das heißt?"

"Das heißt, dass ihr Gebrauch von Irrationalität, Phantasie und Risikobereitschaft mit dem virtuellen Programm gekoppelt wurde."

"Zeig`mir, wie sie das System anwendet."

"Sofort", mit einem Flackern tauchte die Halle in ein bläuliches Licht, formte Lichtkugeln und Reflektionen bis die Aufzeichnungen sich wie eine eigene virtuelle Realität ausbreiteten und den gesamten Raum ausfüllten. In der Mitte der Halle tauchte Rin Yamamori auf. Sie stand aufrecht, die DuelDisc um ihr rechtes Handgelenk geschnürt startete sie die Trainingseinheiten. Ihre grünen Augen begannen aufzuleuchten, ihr Blick wandelte sich von Entspannung zu einem Lächeln, dass er so noch nicht bei ihr gesehen hatte. Es war eine Mischung aus Spannung und Vorfreude, vermischt mit einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein, dass sie bereits jetzt wie der neue Champion aussah. Was danach passiere, erklärte ihren Ausdruck: Die junge Frau ließ den Raum in gesprenkelten Farben erscheinen, die wie Seifenblasen aus dem Boden hinauf zur Decke traten. Dort angekommen platzten sie, dass Farbe hinaus schwabbte, sich miteinander verband und zu einer festen Masse wurde, die Gestalt annahm. Während der Hintergrund ein buntes Strahlen bildete, offenbarte die Gestalt sein endgültiges Aussehen - ein Regenbogendrache. Er flog direkt über der jungen Frau, die zu dem Wesen hinauf sah und noch breiter grinste. Das Geschöpft breitete seine Schwingen aus und reckte seinen Kopf zu ihr herunter, dass es schien als wollte es mit dem Maul ihr Gesicht streichen. Die Szene wirkte trotz der unnatürlichen Farbgebung so real, dass Kaiba glaubte, die Braunhaarige würde jeden Moment den Drachen mit den Fingern berühren.

"Gut", hörte er sie sagen, "dann machen wir weiter wo wir aufgehört haben." Daraufhin stürzte der Regenbogendrache in die Tiefe, sprengte den Boden unter ihren Füßen auf und verschwand darin. Die winzigen Details, die das Aufplatzen des Bodens verursachten, beeindruckte ihn doch ein wenig. Wusste er, dass jede Kleinigkeit von ihr gesteuert wurde. Von Beginn, in dem sie das System startete, oblag das virtuelle Kunstwerk ihrer eigenen Schöpfung.

Wie auch immer sie das abstellt.

Weitere Bilder tauchten auf, mehrere Szenen aus Rin Yamamoris virtuellen Duellen. Aus den ersten war zu erkennen, dass sie zunächst vorsichtig damit umging. Wie die anderen wusste sie nicht, wozu sein System alles in der Lage war. Die letzten Aufzeichnungen zeigten, dass sie mit der virtuellen Technik harmonierte, geradezu selbstverständlich damit umging, dass ihr vielleicht nicht einmal klar war, was sie damit eigentlich konnte. Ihre Bewegungen wirkten leicht und unbeschwert, fast als wäre sie eins mit der virtuellen Realität, die sie selbst geschaffen hatte. Er musste seiner KI zustimmen - Rin Yamamori hatte eine sehr ausgeprägte Phantasie, manchmal ging es sogar ins Abstruse wie sie aus der Zauberkarte Kettenzauber ein Verließ erschuf, das bestens für einen Horrorstreifen geeigenet war. Die Ketten knallten mit einer Wucht aus den Boden, direkt vor ihr, dass ihr Pferdeschwanz zu wedeln begann. Die Ketten hatte sie etwas abgeändert, dass sie nicht mehr wie ein Kreuz aussahen, sondern ein dutzend herausragende Ketten, die als Gitterstäbe fungierten.

Das System hat sich also ihrer Phantasie bedient

Für Kaiba war es noch nicht greifbar, wie seine neueste Technologie mit Hilfe rechter Gehirnströmungen solche bahnbrechenden Veränderungen durchnehmen konnte und eigene Abänderungen vorgenommen hatte. Doch die Ergebnisse lügten nicht - die optischen Verbesserungen waren minimal, für Seto Kaiba jedoch mit jedem Detail sichtbar. Es musste während einer ihrer Trainingseinheiten passiert sein, irgendwo musste sich das System mit ihr verbunden haben, dass es ihre Informationen nutzte und abspeicherte - wie war so etwas überhaupt möglich?

"Wieso bedient sich das Programm ihrer visuellen Informationen und verarbeitet es zur Nutzung neuer Datensätze?", sprach Kaiba laut seine Gedanken aus.

"Sie haben das System geschaffen, Seto Kaiba. Sie sollten am besten wissen, dass Ihr virtuelles System direkt mit ihrem Gehirn verbunden wurde und sämtliche Informationen Ihrem Geist entspringen. Sie haben Ihre Technologie mit überdurchschnittlich rationalem Denken ausgestattet, dass vorwiegend dieser Teil dominiert. Ihre linke Gehirnhälfte entspricht dem Niveau, welches Rin Yamamoris rechte Gehirnhälfte aufweist. Das System hat sich Frau Yamamoris Informationen und Handlungsweisen zu eigen gemacht und damit einen Ausgleich geschaffen. Es hat eine logische Entscheidung getroffen." Kaiba hasste es, wenn die KI seinen Gedankengang beendete. Dass sie recht hatte, war ebenso störend für den jungen Firmenchef. Auch wenn sein gesamtes Handeln nicht ausschließlich von Rationalität bestimmt wurde, kam er doch oft an die Grenzen seiner Phantasien - wenn er die Anforderungen an sich selbst auch sehr hoch stellte. Natürlich waren seine bisherigen Schaffungen kreative Meisterleistungen gewesen. Niemand konnte die Verknüpfung von technologischer Neuerung und Vorstellungskraft besser zum Ausdruck bringen als er selbst. Wenn er jedoch sah, in welchem Tempo Rin Yamamori vorankam und ihrem Geist die verschiedensten Ideen entlockte, dass phantastischste Träume wie ein billiger Abklatsch wirkten, fühlte er Missmut in sich aufsteigen, die sich seltsamerweise mit etwas anderem vermischte. Zu sehen, wie jemand die Möglichkeiten seiner virtuellen Technologie nutzte und in der Lage war, dessen Potenzial richtig anzuwenden, bestätigte ihn in seiner Arbeit, eine neue bessere Realität schaffen zu wollen. Wenn sie in der Lage war, damit umzugehen, würden es auch andere können. Ihr Blick spiegelte sich in seinem wider. Diese Entschlossenheit.

Vielleicht sollte ich die Messlatte noch etwas höher schrauben

"Wir werden etwas Neues ausprobieren", seine Stimme hallte durch den Raum, dass die Aufzeichnungen zu Staub zerfielen und der Raum zu seiner ursprünglichen Leere zurückkehrte, "ich will, dass die Trainingseinheiten von Rin Yamamori stärker dem neuen virtuellen System angepasst werden."

"Um wie viel?"

"Momentan liegt die Anpassung bei fünfzehn Prozent. Probieren wir doch mal, was fünfzig Prozent bewirken."



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