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REQUIEM - 6. Akt: Am Scheideweg

von

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Verteidigung gegen die Dunklen Künste

Die Zeit bis zu Beginn des neuen Schuljahres verging für Severus wie im Fluge. Kein Wunder, hatte er nebenbei doch noch genug anderes um die Ohren.
 

Am Abend des großen Festessens saß Severus mit Dumbledore im Hinterzimmer der Halle. Eine Art Aufenthaltsraum für die Lehrkräfte. Er schnitt Albus die Bandagen ab. Sein schnelles Eingreifen und etwas alchemistische Fachexpertise hatten dieses Etwas in seiner Hand zumindest vorübergehend gestoppt. Er wollte sich besser gar nicht ausmalen wie Dumbledores Zustand in einem Jahr wäre. Die Hand war jedoch immer noch schwarz. Dieses Zeug, was immer es war, kroch unter seiner Haut entlang und befiel ihn wie ein Parasit aus irgendeinem Horrorfilm. So etwas hatte Severus noch nie gesehen. Unvorstellbar dass das in diesem Horcrux gefangen war.
 

„Ich denke, Sie sollten die Hand trotzdem so wenig wie möglich bewegen.“, sagte Severus. „Muskelkontraktionen scheinen es zu reizen.“
 

Er hatte ihm vorgeschlagen die Hand zu amputieren, doch Albus lehnte dankend ab. Severus konnte es ihm nicht verübeln. Die Chance das sie damit dieses Ding loswurden schätzte er nicht höher als fifty-fifty ein.
 

Gerade als Severus fertig war brach ein Patronus durch die Wand des Zimmers. Es war ein vierbeiniges Etwas ohne Form.
 

„Ich habe Harry gefunden. Bitte schicken Sie jemanden, um ihn abzuholen.“, sprach die Stimme von Nymphandora Tonks.
 

„Severus, würden Sie sich darum kümmern?“, fragte Albus.
 

„Natürlich.“, sagte Severus und ging davon.
 

Er hatte sich schon gefragt wo Potter blieb. In seinem Kopf hatte er sich schon ausgemalt wie der Junge zu irgendeinem übereifrigen Abenteuer aufgebrochen war oder irgendwo von Todessern in die Enge getrieben wurde. Severus hatte Albus vor Beginn des Schuljahrs schon öfter gesagt, dass er den Hogwarts-Express für nicht sicher genug hielt. Das Ministerium hatte nach dem, was in der Mysteriumsabteilung passiert war, die Sicherheitsmaßnahmen überall erhöht. Aber nein, Harry Potter musste mit dem Zug nach Hogwarts kommen, weil es so ja am natürlichsten sei. Das war wieder eine Angelegenheit bei der er Albus gern gewürgt hätte.
 

Als er am unteren Tor des Schlosses, das nach Hogsmead führte, ankam wartete Potter mit Tonks auf ihm. Der Junge war völlig blutverschmiert. Wie schaffte er das nur immer?
 

„Was ist denn mit Ihnen passiert, Potter?“, fragte er und öffnete das Tor.
 

Harry schwieg und funkelte ihn nur böse an, fast so als sei er es persönlich gewesen, der ihm die Nase gebrochen hatte.
 

„Danke, Severus.“, sagte Tonks.
 

Severus nickte nur schweigend und führte Potter nach oben. Der Junge warf ihm von der Seite immer wieder Blicke zu. So langsam ging Severus das auf die Nerven.
 

„Also schön, Potter, was habe ich Ihrer Meinung nach verbrochen?“, fragte Severus.
 

„Sie? Gar nichts.“, antwortete der Junge schnippisch.
 

„He, nicht in diesem Ton!“, ermahnte ihn Severus.
 

Potter blieb unvermittelt stehen.
 

„Sie haben gar nichts getan!“, spie Harry aus. „Nichts außer Sirius Black zu reizen und dafür zu sorgen, dass ihre Freunde ihn umbringen, aber sonst haben Sie gar nichts getan!“
 

Potter stampfte wutentbrannt an ihm vorbei. Severus brauchte einen Augenblick um diese Anschuldigung zu verdauen. Sie traf ihn bis ins Mark. Darauf fiel ihm nicht einmal ein zynischer Spruch ein, um Potter zu kontern – und das ärgerte ihn wiederum wahnsinnig.
 

Er machte Severus für den Tod von Sirius Black verantwortlich? Fein, das taten ja ohnehin seit Wochen alle möglichen Menschen. Warum also nicht einer mehr? Das fiel auf seiner Liste der unmöglichen Anschuldigungen ja gar nicht mehr auf.
 

Severus stiefelte Potter hinterher. Sein innerer Lehrer hätte ihm am Liebsten wegen irgendwelcher Trivialitäten Punkte abgezogen, aber Severus hatte gar nicht die Lust dazu. Schön, sollte Potter halt glauben er sei an allem, was letztes Jahr passiert war, schuld. Das machte jetzt auch nichts mehr.
 

Severus rauschte an Potter am großen Eichenportal vorbei zurück in die große Halle. Das Fest hatte bereits begonnen und Dumbledore hielt seine übliche Eröffnungsrede. Severus ließ sich auf seinem angestammten Platz nieder und knurrte in sich hinein.
 

„Kommen wir zu den diesjährigen Veränderungen im Kollegium. So bin ich hocherfreut dieses Jahr für das Fach Zaubertränke Professor Slughorn begrüßen zu dürfen!“, sagte Dumbledore.
 

Slughorn, der neben Albus saß erhob sich und verbeugte sich feierlich so weit es sein Bauch zuließ. Severus hatte ihn deutlich jünger in Erinnerung. Mit deutlich mehr Haaren auf dem Kopf und auch deutlich weniger Bauch.
 

Die Schüler klatschten verhalten und steckten die Köpfe zusammen. Severus wusste auch genau warum. Wenn Slughorn Zaubertränke gab, wer gab dann wohl den Unterricht für Verteidigung gegen die Dunklen Künste? Einige dürften schon schlimmes ahnen.
 

„Das Fach für Verteidigung gegen die Dunklen Künste besetzt dieses Jahr Professor Snape.“, eröffnete Dumbledore den anwesenden Schülern.
 

Auf drei Tischen nahezu entsetzte Gesichtsausdrücke und vorsichtiges Klatschen bei den Slytherins. Severus machte sich nicht die Mühe extra aufzustehen. Er kannte ja seinen Stand unter der Schülerschaft selbst nur zu gut.
 

„Ähm ja.“, machte Dumbledore als sei er selbst etwas verunsichert. „Wie ihr sicher alle gehört habt sind Lord Voldemort und seine Todesser auf freiem Fuß. Ich muss euch ermahnen diese Situation äußerst ernst zu nehmen. Das Ministerium hat derweil die Sicherheitsmaßnahmen in Hogwarts verstärkt und Auroren zu unserem Schutz abgestellt. Das bedeutet jedoch auch, dass niemand mehr ohne Begleitung Hogwarts betreten oder verlassen darf. Besuche von außen benötigen nun eine mehrtägige Anmeldung. Das wäre erst einmal alles.“
 

Dumbledore setzte sich und wirkte sichtbar müde. Severus hatte keinen Hunger nach alldem. Er hätte niemals geglaubt, dass die Beschimpfung des pubertierenden Teenagers ihn je so treffen könnte. Immerhin war er das ja gewöhnt. Das ihn das so nahe ging zeigte nur, dass er eben doch mehr für den Jungen empfand als nur den üblichen Potter-Groll. Natürlich hätte er das niemals offen zugegeben.
 

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Severus' erste Unterrichtsstunde in Verteidigung gegen die Dunklen Künste hatte er ausgerechnet bei den Sechstklässlern. Potters Klasse. Er war nicht nervös in dem Sinne, aber das war was anderes als in seinem miefigen Keller zu hocken und den explodierenden Kesseln unfähiger Schüler auszuweichen.
 

Der Raum für Verteidigung gegen die Dunklen Künste lag im Zweiten Stock. Ebenso wie Severus neues Büro. Er hatten sich so an die beengten Verhältnisse in den Kerkern gewöhnt, dass ihm seine jetzigen Räumlichkeiten fast schon zu groß erschienen.
 

Nachdem Dumbledore ihm eröffnet hatte, dass er diese neue Stelle bekam war Severus zunächst ungläubig. Hatte der alte Mann doch selbst jahrelang verhindert, dass Severus auch nur in die Nähe der Unterrichtsräume kam. Er hatte einmal zu ihm gesagt, dass er nicht wolle, dass Severus in alte Gewohnheiten zurückfalle. Natürlich war das nichts als eine Ausrede von Albus. Er wusste genauso gut wie Severus, dass er seine jugendliche Faszination für das Thema schon längst beiseite geschafft hatte. Allerdings hatte Severus schon immer einen eher einzigartigen Blick auf die Magie. Etwa unterschied er grundsätzlich nicht in helle und dunkle Kunst. Alles war Magie. Selbst mit einem harmlosen Kitzelfluch hätte man jemanden töten können, wenn man das gewollt hätte. Es lag wie so oft im Auge des Betrachters.
 

Jetzt hier vor der Klasse zu stehen warf jedoch jede Theorie über den Haufen. Unterricht war in der Regel knallhartes improvisieren. Da half einem kein Buch dabei das zu lernen.
 

Die Schüler blickten ihn an. Keiner sagte etwas. Viel mehr lag ein „Oh je, wer weiß was er jetzt mit uns anstellt!?“ in ihren Augen. Das es die meisten seiner Schüler wegen ihm vor Zaubertränke grauste war ihm ja bekannt. Ihn jetzt auch noch hier erdulden zu müssen, wo er einen Zauberstab in der Hand hatte war für viele wohl der reinste Alptraum.
 

Severus räusperte sich.
 

„Ich sage Ihnen gleich, ich bin ebenso überrascht wie Sie mich hier zu sehen.“, sagte er, um sie Stille zu durchbrechen. Die Schüler sahen sich gegenseitig an als wüssten sie nicht, was er da redete.
 

„Das Fach Verteidigung gegen die Dunklen Künste an dieser Schule ist ja geprägt von einer recht unsteten Besetzungsliste und es ist wahrlich ein Wunder, dass Sie bei diesem Chaos überhaupt etwas gelernt haben. Ich kann Ihnen allerdings versprechen, dass ich mich überhaupt nicht verändert habe.“, sagte Severus.
 

Wieder blickten die Schüler sich gegenseitig an.
 

„Die Dunklen Künste, wenn man sie denn so nennen will, sind einem steten Wandel unterworfen. Mehr als jede andere Magieschule. Daher ist es natürlich unverzichtbar zu wissen wie man ihr möglichst effektiv begegnet. Dabei ist es egal, ob Sie Kreaturen oder Flüche abwehren. Das Prinzip verändert sich nicht.“, sagte Severus. „Longbottom, kommen Sie her.“
 

Neville Longbottom, der in seinem Zaubertrankunterricht vor allem für seine Unfähigkeit berühmt war, machte große Augen und brachte kein Wort heraus. Viel mehr sah er so aus als würde er gleich in Ohnmacht fallen. Die Schülerin neben ihn rempelte ihn mit den Ellenbogen an und er erhob sich langsam. Er kam so vorsichtig auf Severus, dass man glauben konnte er habe es mit einem ganz besonders gefährlichen Tier zu tun.
 

„Unser Freund Mister Longbottom hier, die größte, wandelnde Katastrophe, die ich je in Zaubertränke unterrichtet habe. Aber ich habe mir sagen lassen, er hat andere Talente.“, sagte Severus.
 

Longbottom atmete tief ein und schien die Luft anzuhalten.
 

„Nehmen wir mal an ich wäre ein böser, böser Mensch – was ich natürlich nicht bin – und ich würde sie in tiefster Nacht überfallen wollen, was würden Sie tun?“, fragte Severus.
 

„Ähm ...“, machte Longbottom. „Ähm … weglaufen?“
 

Einige in der Klasse lachten.
 

„Nicht nur das, habe ich gehört.“, entgegnete Severus. „Welchen Fluch würden Sie anwenden? Ich will Ihnen schließlich an die Gurgel gehen.“
 

„Ich würde Sie entwaffnen? Und dann vielleicht weglaufen?“, fragte Neville unsicher.
 

Tatsächlich wirkte er als würde er genau das jetzt am Liebsten gleich tun.
 

„Weglaufen ist natürlich immer eine Option, wenn der Kampf aussichtslos ist, aber was, wenn Sie keine Chance haben zu entkommen? Sie müssen mich unschädlich machen!“
 

Longbottom blickte hilfesuchend in die Klasse. Granger hob andeutungsweise die Hand, doch Severus ignorierte sie. Er stellte sich vor Longbottom und breitete die Arme aus.
 

„Machen Sie mich unschädlich!“, forderte Severus ihn auf.
 

Longbottom sah ihn an als sei er verrückt geworden.
 

„Nehmen Sie ihren Zauberstab und machen Sie mich unschädlich!“, sagte Severus.
 

Longbottom trat von einem Fuß auf den anderen und Severus konnte sehen wie er mit seinem Mund still das Wort „Scheiße“ formte.
 

„Ich verspreche Ihnen, dass ich Ihnen keine Punkte abziehe und Sie auch nicht nachsitzen müssen.“, sagte Severus.
 

Zögernd hob Longbottom seinen Zauberstab.
 

„Stupor!“, rief Longbottom.
 

Severus wehrte den Schockzauber mit einer Handbewegung ab und Longbottom warf sich auf den Boden wie ein Soldat im Kreuzfeuer. Der Fluch traf die Wand.
 

„So kann man's natürlich auch machen.“, kommentierte Severus. „Was ich mit dieser kleinen Demonstration sagen will ist, ihr müsst immer bereit sein. Einfacher ist das natürlich, wenn man den Fluch nicht erst aussprechen oder mit dem Zauberstab herumwedeln muss. Ungesagte Flüche sind schwieriger als die normalen Versionen, da sie mehr Konzentration erfordern. Longbottom, liegen Sie da nicht auf dem Boden herum, sondern setzen Sie sich!“
 

Longbottom kletterte vom Boden hinter seinen Tisch als habe er Angst noch einen Fluch um die Ohren gefeuert zu bekommen.
 

„Die Anwendung ungesagter Flüche erfordert ein ebenso ein hohes Maß an mentaler Stärke. Wie Sie vielleicht wissen ist Ihr Zauberstab nichts anderes als eine Fokussierungshilfe. Sie lenken dadurch und die zusätzlich aneinander gereihten Worte lediglich ihre magischen Kräfte in die Bahnen, die sie wollen. Bei einem ungesagten Zauber fällt diese Hilfe komplett weg. Sie müssen also lernen ihre Kräfte selbst zu steuern. Daher beginnen wir mit etwas einfachen, wie etwa einem Schwebezauber. Konzentrieren Sie sich auf einen Gegenstand und stellen Sie sich für das Erste die sonst von Ihnen gesprochenen Worte und Zauberstabbewegungen vor.“, erklärte Severus.
 

Die Schüler suchten sich alle einen Gegenstand von ihrer Bank aus wie Federn oder Stifte und versuchten sich darauf zu konzentrieren. Es wurde ungewöhnlich still, während sie das taten. Nur ab und zu war mal das entnervte Stöhnen einzelner Schüler zu hören, weil sich bei ihnen nichts rührte. Severus sah bei dem einen oder anderen wie sich ihre Gegenstände wenigstens minimal von ihren Bänken hoben. Für sie musste es so sein als seien sie wieder Erstklässler und würden in Zauberkunst wutscheln und wedeln. Granger konzentrierte sich so verbissen auf die Schreibfeder vor sich, dass Severus ihre Zähne knirschen hören konnte als er an ihr vorbei ging. Sie war sicher sauer, weil das etwas war, das ihr kein Buch beigebracht hatte.
 

Als die Stunde schließlich endete atmete die Klasse aus als wären sie froh von dieser unmöglichen Aufgabe erlöst zu sein. Sie packten ihre Sachen zusammen und verließen das Zimmer.
 

„Puh.“, machte Severus und lehnte sich gegen seinen Pult. „Das wird ein hartes Stück Arbeit.“
 

Es klopfte vorsichtig am Türrahmen. Als Severus hinsah entdeckte er Minerva.
 

„Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen.“, sagte sie.
 

„Wofür?“, fragte Severus.
 

„Wegen dem, was ich letztes Jahr zu Ihnen gesagt habe. Ich wusste nicht, ob ich Ihnen noch vertrauen kann.“, sagte Minerva leise.
 

Severus antwortete nichts darauf, sondern sah aus dem Fenster.
 

„Ich weiß natürlich, dass Sie nicht an Sirius' Tod schuld sind. Wir wissen das alle.“
 

Severus wandte seinen Blick ab und sah sie an.
 

„Wird ja auch mal Zeit, dass Sie das begreifen.“, sagte er.
 

„Sie haben Albus das Leben gerettet. Dafür danke ich Ihnen, Severus.“, antwortete Minerva.
 

„Hmm.“, machte Severus. Nur hatte er Dumbledore das Leben nicht gerettet, sondern es nur für einige Monate verlängert.
 

Minerva atmete tief und ging aus dem Raum. Severus sah ihr nach.



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