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Vom Fuchs und Raben (NEU!)

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Kapitel 8: Der Fuchs, fleißig doch geheimnisvoll

Kapitel 8:
 

Der Fuchs, fleißig doch geheimnisvoll
 

Samstagnachmittag, es war ausnahmsweise geschlossen. Eigentlich eine tolle Gelegenheit für Unternehmungen, doch Kisuna saß im Antik und schlürfte ihren vierten, fünften, wievielten Kaffee? Sie hatte aufgehört zu zählen. Herr Yoshimura wollte mit Yomo etwas Wichtiges besprechen. Da sie nicht alleine in der Wohnung bleiben und sich langweilen wollte, war sie also mitgekommen. Leider stellte sich heraus, dass dieses Gespräch unter vier Augen stattfinden sollte, wodurch sie nun mutterseelenallein darauf wartete, dass Yomo wieder zurückkam. Sie rührte den Löffel herum und fragte sich, was für eine geheime Sache die beiden anderen Ghule wohl zu bereden hatten. Ging es etwa um sie? Und wenn ja, um was genau? War sie schon paranoid von dem vielen Kaffee oder sprachen der Chef und Yomo vielleicht wirklich über sie? Lustlos seufzte Kisuna, legte ihre Arme auf dem Tresen ab und vergrub ihren Kopf darin. Was sollte diese Heimlichtuerei bloß? Die Ghula schloss für einen kurzen Moment ihre Augen. Gestern hatte sie Yomo darum gebeten, an seiner Brust einschlafen zu dürfen. Sie wusste nicht genau wieso sie das so dringend wollte, doch das war ja auch nicht wirklich wichtig, oder? Irgendwie hatte sie auch immer noch das Bedürfnis ihn zu verführen. Nicht aber gestern Abend, nein. Zu ihrer Überraschung hatte er sogar zugestimmt und sie musste gestehen, dass sie schon lange nicht mehr so gut geschlafen hatte. Sie fühlte sich tatsächlich entspannter denn je. Umso mehr schreckte sie somit auf, als plötzlich die Tür in den Gang, wie auch die Eingangstür des Antiks aufschwangen. Yomo kam allein zurück und wer betrat den Laden? Es war doch geschlossen... Kisuna wandte sich gespannt um. Als sie den Besucher erfasste, verzog sie genervt das Gesicht Der Ghul, der gerade eingetreten war atmete tief ein, hielt für einen kurzen Moment die Luft an, stieß seinen Atemzug dann mit einem zufriedenen Seufzer aus. „Incroyable! (franz.: Unglaublich!) Er wanderte galant auf die beiden zu. „Shuu Tsukiyama, was willst du denn hier?", fragte Kisuna sichtlich gereizt. Yomo schien ebenfalls nicht erfreut zu sein, den Gourmet zu erblicken. Dieser fuchtelte wild mit seinen Händen herum, versuchte er wieder dramatisch zu wirken? „Kisuna, wie kannst du nur so abweisend zu mir sein?", beschwerte er sich. „Ihr kennt euch?", mischte sich Yomo in das Gespräch ein. Es war, als ob der in Anzug gekleidete Ghul nur auf diese Frage gewartet hatte. „Selbstverständlich!" Shuu grinste ihr mit seinem dämonischen Lächeln zu. „Oder kannst du dich nicht mehr an unsere leidenschaftliche Beziehung zueinander erinnern, hm Kisuna?", fuhr er fort. „Das nennt sich One-Night-Stand, hm Shuu?" Aufgebracht sprang sie von ihrem Platz auf, wollte sich aus dem Staub machen. Doch das hielt den Gourmet nicht davon ab, sie weiterhin zu necken. „Ich bin extra wegen dir gekommen, Chérie." Sie stoppte, warf ihm einen erbitterten Blick zu. „Ach?" „Nein wirkich, ich habe erst jetzt erfahren, dass du nun wohl im 20. Bezirk heimst." Er sah zu Yomo. „Mit diesem Ghul hier." Dieser sah Shuu ebenso erbost an. „Warum genau bist du hier?" „Das frage ich mich auch", unterstützte Kisuna ihn. Der Angeklagte räusperte sich. „Ich fühle mich nicht ganz willkommen", klagte er. „Vielleicht weil du es auch nicht bist", knurrte sie zurück. Dann ging sie flotten Schrittes auf ihn zu, packte ihn an seiner Krawatte und zog ihn näher zu sich. Ihre Stirn berührte dabei fast die seine. Shuu schien zuerst erschrocken, lachte dann aber, wahrscheinlich um das Ganze zu verharmlosen. Doch Kisuna war es ernst. Denn Shuu wusste etwas, dass Yomo und der Chef um keinen Preis erfahren durften. Jedenfalls nicht von ihm. Es wunderte sie sowieso, dass er ihr noch nicht damit gedroht hatte. „Was zum Teufel planst du?", raunte sie. Bevor sie ihn weiter strangulieren konnte, griff Yomo jedoch ein, legte eine Hand auf die ihre, die andere auf ihre Schulter. Kisuna meinte spüren zu können, wie etwas von seiner Ruhe auf sie überging. Trotz allem ließ sie nur widerwillig von Shuu ab, der sie darauf von oben herab beäugte. „Sei vorsichtig." Er fuhr sich durchs Haar. „Tu ne veux pas que je dis la vérité, non? (Du willst nicht, dass ich die Wahrheit sage, oder?)" Kisuna wusste, dass Yomo ihn nicht verstand, aber sie tat es nur allzu gut. Sie schloss kurz die Augen, schüttelte jedoch dann geschlagen den Kopf. Yomo stand nur da, hielt sie noch an den Schultern, sie konnte seine Angespanntheit fühlen. Er wollte es wissen, aber sie würde es ihm nicht übersetzten. Definitiv nicht. Sie wollte nicht, dass er wieder alles anzweifelte, was sie tat, nicht wieder nach ihrer Vergangenheit fragte. Shuu klopfte währenddessen seine Kleidung ab, richtete seine Krawatte zurecht. „Um nun zu dem Punkt zu gelangen, warum ich hier bin." Er verzog die Lippen zu einem kühlen Lächeln. „Kisuna, ich wollte dich gerne um eine Auftragsarbeit bitten." Ihre Anspannung wich nach diesem Satz etwas von ihr. Er war also nicht gekommen, um Probleme zu schaffen? Wie ungewöhnlich. Sie sah sich zu Yomo um, der ihren Blick sofort erwiderte. Er senkte den Kopf etwas, war wohl ebenso überrascht. „Na gut, dann folge mir in mein" Sie musste schmunzeln. „In mein Atelier."
 

Kisuna staunte nicht schlecht, als sie Shuus Anwesen betrat. Sie wusste, dass die Familie Tsukiyama vermögen war, doch trotzdem überraschte sie das Ausmaß der Villa. Shuu hatte sie um ein Selbstportrait von ihm gebeten, als Kulisse wollte er selbstverständlich seine eigenen Häuslichkeiten verwenden. Ihre Unterlagen und Materialien stellte sie sorgfältig in dem von ihm gewählten Zimmer ab, dennoch hatte sie Angst, aus Versehen etwas Wertvolles zu zerstören. Als sie alles aufgebaut und Shuu sich in Pose geworfen hatte, begann sie ihre ersten Skizzen zu machen. Der Gourmet platzierte sich stolz auf einem mit Samt überzogenen Sofa, es hatte schnörkelige Verzierungen an den Seiten und als Beine, alles aus echtem Gold. Für Kisuna sah es aus, wie ein Herrscherportrait aus den alten Zeiten, doch sie malte nur und urteilte nicht. Alles was sie tat, war ihm Anweisungen zu geben, wie er sich am besten positionierte aufgrund der gegebenen Lichtverhältnisse und ihn ermahnen, dass er sich still halten sollte. Doch das schien ihm ein wenig schwer zu fallen. „Also, du und Yomo, hm?" Kisuna schenkte ihm keine Aufmerksamkeit. Sie war nicht zum Plaudern hier, sondern zum Arbeiten. „Kisuna, willst du mir nicht antworten?", hakte er ungeduldig nach. „Wieso? Du redest sowieso nur Unsinn." Empört hob er seine Augenbrauen, doch dann lächelte er wieder. „Ich weiß, dass du Ihnen nicht deinen richtigen Namen verraten hast. Wieso das?" Ein brechendes Geräusch war zu hören, sie hatte die Miene ihres Bleistifts zerdrückt. Kisuna wollte nicht darüber reden, doch Shuu schien das nicht abzuschrecken. „Findest du das lustig?", schnaubte sie. „Keines Wegs, ma Chérie. Aber ich möchte eine Antwort von dir. Warum bist du in den 20. Bezirk gekommen, nachdem er" „Das reicht." Sie sah ihn durchdringenden Blickes an. Ein tiefer Atemzug, sie versuchte, sich wieder zu entspannen. „Halt dich jetzt bitte still." Shuus Blick wich ab, dann schüttelte er den Kopf und sah wieder zu ihr. „Du kannst es ihnen nicht verheimlichen. Nicht auf Dauer." Seine Worte hallten schwer in ihrem Innersten nach. Das wusste sie selbst genauso gut, doch es war noch nicht möglich. Konzentriert ließ sich ihren Blick auf der Leinwand ruhen, die restliche Zeit hielt Shuu sich darauf zurück. Kisuna hatte nach einer Weile einige Entwürfe angefertigt. Als Shuu sich schlussendlich entschied, begann sie auch schon mit dem finalen Bild. Das Malen ließ sie wieder zur Ruhe kommen, denn auch wenn sie wusste, dass Shuu Recht hatte, wollte sie trotzdem nicht mehr über ihre Vergangenheit nachdenken. Sie fühlte sich dabei nur schwach und Schwäche wurde einem in der Welt der Ghule nicht verziehen. Noch schlimmer war es, dass Yomo sie höchstwahrscheinlich ebenfalls nochmal darauf ansprechen würde. Und so gut sie Shuu auch zurückweisen konnte, bei Yomo fiel es ihr mittlerweile deutlich schwerer. „So, das war's für heute. Das Licht ist nicht mehr gut und unter künstlichem Licht fallen die Schatten anders." Sie legte ihren Pinsel vorsichtig zur Seite. „Lass uns morgen wieder daran weiterarbeiten." Kisuna winkte den Gourmet zu sich. Er sollte sich das bisherige Geschaffene ansehen, ob es ihm auch gefiel. Ansonsten wäre alles umsonst gewesen und sie hätte von Neuem beginnen müssen. „Wundervoll, das wird brilliant." Shuu betrachtete das unvollständige Werk, dann sie. Seine Augen verengten sich dabei. „Stimmt etwas nicht?", erkundigte sie sich. Dann, er trat einen Schritt näher, beugte sich zu ihr vor. Sollte das etwa ein Versuch werden, sie zu küssen? Kisuna wandte den Kopf von ihm weg. „Was wird das?" Er wich wieder zurück, wurde mit einem skeptischen Blick ihrerseits bestraft. „Ist es wegen Renji?" „Was soll wegen ihm sein?" Shuu lachte heiser auf. „Amüsant, du hast dich bereits verändert, Kisuna." Er rückte wieder seine Krawatte zurecht, musterte sie amüsant. Die Ghula seufzte daraufhin angestrengt. „Was soll das heißen?" Sie konnte ihren Unmut nicht verbergen. „Du bist nicht mehr so aufbrausend, wo ist deine Leidenschaft?" „Nicht für dich verfügbar", entgegnete sie ihm mit einem frechen Grinsen. Auch er lächelte darauf. „Deine schnippische Art zu Antworten hat sich allerdings nicht verabschiedet."
 

Als sie spät abends, der Himmel war bereits in ein tiefes Blau getaucht, endlich heimkam, erwartete Yomo sie bereits. Er lag auf der Couch, in einer Hand ein Buch haltend, die andere hielt er hinter den Kopf um diesen darauf abzulegen. Seinen Blick hatte er sofort auf sie gerichtet, als sie zur Tür hereingekommen war. „Du hast gewartet?", fragte sie erstaunt. Er richtete sich auf, ging einmal um das Sofa und platzierte sich vor ihr. Yomo gähnte leicht und streckte sich, wobei sich sein trainierter Bauch sichtbar machte. Kisuna blieb dies natürlich nicht unbemerkt, wie hätte sie da schon wegsehen können? „Wie war es?" Überrascht zuckte sie auf, fühlte sich ertappt. Sie wuschelte sich verlegen durch ihr welliges Haar. „Gut, aber anstrengend." „Die Arbeit oder Shuu?" Er wagte ein kleines Lächeln, worauf Kisuna ihm zurückgrinste. „Beides." Vorsichtig schlängelte sie sich an ihm vorbei ins Schlafzimmer, zog ihren Rock und ihr Oberteil aus und schlenderte zu Yomos Kleiderschrank. Er hatte sich inzwischen im Türrahmen positioniert, beobachtete sie genauestens. „Was machst du?", erkundigte er sich. Sein Blick ruhte wie immer auf ihr, die damit beschäftig war sich durch seine Kleidung zu wühlen. Mit einem Schlag zog Kisuna eines seiner weißen Shirts heraus und hielt es triumphierend in die Luft. „Die sind echt bequem!" Sie zwinkerte ihm scherzhaft zu, zog es sich dann bis über den Hals und begann ihren BH zu lösen. „Zu ungemütlich", murmelte sie und versuchte das Stück Stoff loszuwerden. Yomo behielt sie gekonnt im Auge, Ihr Körper hatte die Form einer Sanduhr, wobei ihre Schultern nicht zu breit waren, nur muskulös. Sie strich sich eine Strähne hinters Ohr, doch da sie den Kopf gesenkt hielt, fiel sie ihr wieder ins Gesicht. An dem Versuch, ihren BH allein aufzubekommen schien sie heute wohl zu scheitern, wahrscheinlich weil ihre Hände vom Malen erschöpft waren. Yomo ging auf sie zu, hob sein Shirt, das sie trug etwas hoch und half ihr. Sobald er ihn von ihr gelöst hatte, sah er zur Seite. Er wollte nicht, dass sie sich unwohl fühlte und... vielleicht genierte er sich auch etwas? Verschämt zog die Ghula das Shirt komplett über sich, wandte sich zu ihm und beäugte ihn gespannt. „Danke." Sie hob ihren BH auf und legte ihn zu den restlichen Sachen. Dann spazierte sie zum Fenster. Der kleine Balkon, auf dem maximal zwei Personen Platz hatten, kam ihr nun gerade ideal vor. Yomo zog ebenfalls sein T-Shirt aus. Dabei fragte er sich, warum sie ein Frisches aus dem Kleiderschrank genommen hatte, wenn sie genauso auch seines hätte haben können. Seine Jogginghose ließ er an, heute war es bereits deutlich kühler und er wollte auch nicht in Unterhosen draußen stehen. Als er sich zu ihr gesellte, ihre Schultern berührten sich, ließ sie einen angestrengten Seufzer von sich. „Was hat Shuu heute im Antik zu dir gesagt?" Erschrocken fuhr sie auf. Yomo hatte es also doch nicht vergessen. Das hätte ihr eigentlich klar sein müssen. „Hör mal, Yomo", begann sie, wobei sie erneut die Strähne hinter ihr Ohr schob. Diesmal blieb sie auch dort. „Es gibt ein paar Dinge, die ich dir einfach noch nicht erzählen kann." Ihr Blick ging in die Ferne des Nachthimmels, der in den dunkelsten Tönen ertrank. „Verstehe." Seine Antwort erstaunte sie, hatte sie doch damit gerechnet, dass er nachhaken würde. Doch Yomo stand nur gegen das Geländer gelehnt, schaute ebenso in die tiefblaue Nacht hinaus. Kisuna wandte sich zu ihm hin, worauf er das Gleiche tat. Sein Blick zerriss sie. Seine kühlen Augen, die nun silbern strahlten, durchdrangen sie, bargen definitiv Enttäuschung in sich. Es war das erste Mal, dass sie einen solchen Ausdruck in seinem Gesicht erblickte und es schmerzte. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf seine Wange, er reagierte natürlich etwas verwundert. „Sieh mich bitte nicht so an", flüsterte sie leise. Dann küsste sie ihn zärtlich und bedacht. Yomo stieß sie nicht weg, er ging überraschend schnell auf den Kuss ein, presste seine Lippen sanft auf die ihren. Als der Kuss intensiver wurde, schlang sie ihre Arme um seinen Hals und schob sich an seine Brust. Yomo zog sei näher zu sich und umfasste sie ebenso. Kisuna kam es vor, als ob er darauf gewartet hätte, was natürlich nicht der Fall sein konnte. Warum er sich also auf all dies einließ, wusste sie nicht. Aber das musste sie auch gar nicht, denn konnte sie nicht abstreiten, dass es ihr genauso gefiel. Ungestüm ließ sie ihre Zunge in seinen Mund eindringen, auch davon ließ er sich nicht abschrecken. Sie genoss es ihn zu küssen, gegen ihn gedrückt zu werden und dabei nichts als sein Shirt und eine Unterhose zu tragen. Natürlich machte sie das an, aber was sie viel mehr beschäftigte, war seine Reaktion. Ihre Küsse hatte er bis jetzt nie abgelehnt. Durfte sie sich darauf etwas einbilden? Funktionierte ihr Plan, ihn zu verführen? Oder war es gar nicht Kisuna, die ihn verführte, sondern Yomo, dem sie nicht mehr widerstehen konnte? Unwichtig, sie wollte ihn einfach weiter leidenschaftlich liebkosen. Was hätte sie nicht gern noch alles getan. Als sie sich aus dem Kuss löste, sah sie zu Boden. Sie fühlte sich hitzig und wollte nicht, dass Yomo ihre Verlegenheit erkannte. Doch der legte ihr Kinn zwischen Daumen-und Zeigefinger, hob ihren Kopf ein wenig an. Sie war gezwungen, ihm in die Augen zu sehen. Aber sie wollte nicht. Sie konnte ihm nicht mehr über sich erzählen, war gezwungen, ihn trotz allem im Dunkeln tappen zu lassen. Kisuna wandte sich von ihm, drehte sich um und steuerte das Bett an. Bevor sie jedoch auch nur mehr als einen Schritt gegangen war, umschlang der silberhaarige Ghul sie von hinten. Sie fiel mit dem Rücken gegen seine Brust, seinen Kopf legte er auf ihrer Schulter ab. Dann beugte er sich zu ihrem Ohr. „Sag so etwas nicht, wenn du mich selbst so schwermütig ansiehst." Sein Flüstern ließ sie erzittern, ihr war plötzlich heiß und kalt gleichzeitig. Verkrampft krallte Kisuna sich an seinen Unterarmen fest. Was hatte er da gerade von sich gegeben? Schwermütig? „Was weißt du schon?", schnaubte sie. Sie fühlte sich angegriffen. Doch bevor die Ghula noch etwas sagen konnte, hatte Yomo sie schwungvoll zu sich gedreht, seine Hände ruhten auf ihren Schulten. Er sah sie eindringlich an. „Du musst nichts sagen, Kisuna." Es war, glaubte sie, das erste Mal, dass er ihren Namen so gelassen aussprach. Sonst waren es meistens immer Ermahnungen gewesen. Betreten entgegnete sie seinen Blick. „Ich dachte, du willst es wissen." Nervös biss sie sich auf die Unterlippe. Yomo seufzte und sah zur Seite. Dann wieder in ihre Augen. „Lass dir Zeit." „Aber-„ Sie hielt Inne. Wieso tat er das? Wieso war er so gut zu ihr? Bedacht legte sie ihre Hände auf seine Brust, ließ sich in seine Arme fallen. Yomo schloss sie in seine Umarmung. Nach einer Weile löste sie sich daraus und saß sich auf die Bettkante, er tat es ihr gleich. „Weißt du ich...", begann sie. Sie hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt, ihr Blick richtete sich gen Fußboden. „Ich verstehe nicht, wieso du so gut zu mir bist. Das frage ich mich schon die ganze Zeit." Angespannt spielte sie mit ihren Händen. „Brauche ich einen Grund?" Bei seiner Antwort schreckte sie auf, richtete sich auf und sah zu ihm. Auch er erwiderte ihren Blick. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen. „Was?", stotterte sie ungläubig. Hatte sie ihn gerade richtig verstanden? „Ich brauche keinen Grund um nett zu sein", meinte er. „Außerdem, du bist ein Teil von uns, das weißt du doch, oder?" Sachte tippte er mit dem Zeigefinger gegen ihre Stirn. Das Grau seiner Augen schimmerte, es wirkte magisch. „Teil von euch...", sprach sie ihm langsam nach. Dann umgriff sie mit ihren Händen die seine, führte sie von ihrer Stirn weg und hielt sie fest gedrückt. Ihr Blick ruhte für eine Weile darauf. „Du hast wohl Recht, Yomo." Nun sah die Ghula ihn wieder an. „Ich war wohl nicht mehr daran gewohnt, andere um mich zu haben." Sie lächelte ihm erleichtert zu. Anscheinend machte sie sich zu viele Sorgen. Auch wenn sie mittlerweile schon einige Wochen Yomo und dem Antik beiwohnte, fiel es ihr schwer, vollends zu vertrauen. Vielleicht sollte sie ihre Sorgen öfter mit Yomo teilen? Kisuna ließ sich ins Bett fallen. Yomo legte sich neben sie, den Ellenbogen stützte er auf die Matratze, der Kopf ruhte in seiner Hand. Sie sahen sich beide an, schwiegen aber. Es war keine unangenehme Stille, nein. Viel mehr war es entspannt, ruhig und ausgeglichen. „Müde?", fragte Yomo ein wenig später. Die Ghula gähnte ausgiebig. „Ja, könnte man so sagen." Sie streckte sich und rollte sich dann zur Seite, um ihn besser im Blick haben zu können. Ein paar Strähnen fielen ihm ins Gesicht, sie strich sie sanft zur Seite. „Gute Nacht", flüsterte sie leise, bevor die Müdigkeit sie schlussendlich überfiel. Diese Nacht hatte sie keine Alpträume wie sonst.
 

Die nächsten Tage waren für Kisuna ohne Zweifel stressiger als für gewohnt. Vormittags arbeitete sie oft mit Yomo zusammen und beschaffte Nahrung für das Antik. Die Nachmittage verbrachte sie meistens bei Shuu und arbeitete an dessen Portrait. Immer wieder musste sie sich gegen seine unangebrachten Kommentare behaupten, doch nach einer Weile ließ er schließlich von ihr ab. Er hatte wohl keine Lust mehr, sie zu ärgern, nachdem sie ihn einfach nur noch ignorierte oder neutral antwortete. Kisuna hatte auch gar keine Lust, mit ihm zu diskutieren. Sie hegte keinen Groll gegen ihn, aber es war ihr deutlich lieber, wenn er nichts sagte und sie einfach ihre Leistung in Ruhe abliefern konnte. Die letzten Verbesserungen, für die es nicht nötig war, dass Shuu Modell saß, erledigte sie allein in ihrem Atelier im Antik. Ein paar frische Farbakzente, damit das fertige Werk auch lange in seinem vollen Glanz erstrahlen konnte, ein vollständiges Ausfüllen der Flächen, die sie nur angedeutete und vorgemerkt hatte und Voilà, fertig war ein geglücktes Selbstportrait des Gourmets! Shuu holte es sich darauf selbst im Antik ab, wobei er durchgehend von Yomos Blicken verfolgt wurde. Er bedankte sich löblich mit einem Handkuss bei Kisuna, die darauf nur ihre Augen spielerisch verdrehte. Nachdem er den Laden schlussendlich verlassen hatte, ließ sich die Künstlerin erschöpft gegen den Tresen fallen. „Das war vielleicht ein Aufwand. Aber schön, wenn er damit zufrieden ist." Sie lächelte Yomo erleichtert zu. Dieser trat zu ihr und stellte sich mit verschränkten Armen neben sie. Sein Blick ging konzentriert zu Boden. Was hatte er denn? War etwas nicht in Ordnung? Kisuna beobachtete ihn genau, dieser Ausdruck deutete normalerweise nichts Gutes an. „Yomo, alles gut bei dir?" Er wandte den Blick zu ihr, runzelte die Stirn. Das gefiel ihr gar nicht. Überhaupt nicht. Sie schluckte schwer. „Hat er dich fürs Malen bezahlt?", fragte Yomo dann plötzlich. Oh nein, bitte nicht. „Ja natürlich." Sie konnte spüren wie ihr Lächeln langsam einsank. Verdammt, warum interessierte ihn das auch? Konnte er es nicht einfach damit gut sein lassen? „Mit Geld?", hakte er nach. Kisuna musste den Kopf schütteln, ihre Befürchtungen wurden wahr. Yomos Blick verfinstere sich. Bitte nicht. Nach ihrem Gespräch vor ein paar Tagen im Schlafzimmer könnte sie ihn auch nicht anlügen. Sie wollte auch gar nicht, aber sie wollte auch nicht wieder einen schimpfenden Yomo. Sie wollte einen ruhigen Yomo, der ihr vertraute und der sie nicht mit Fragen bombardierte. „Mit Fleisch?" Eindringlich ruhte sein Augenmerk auf ihr, die Stimmung war eindeutig gekippt. „Ja." Für einen kurzen Moment schien er sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben. Dann, sie konnte seinen Gedankengang deutlich in seinem Gesichtsausdruck herauslesen, dämmerte es ihm. „Menschenfleisch?" Kisuna seuftze geschlagen. „Nein, Ghulfleisch."



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