Zum Inhalt der Seite

Vom Fuchs und Raben (NEU!)

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 6: Fordere keinen Fuchs heraus

Kapitel 6:

Fordere keinen Fuchs heraus
 

„Nein, ich meine es Ernst, Uta. Ich habe ihn angefasst und er wollte eigentlich gar nicht. Aber ich hab ihn nicht gelassen. Wieso hab ich das getan? Ugh.“ Mit einem von sich selbst genervten Stöhnen warf die Ghula den Kopf in den Nacken, verschränkte die Arme über ihrem Gesicht. Uta saß an seinem Arbeitsplatz und kaute schmunzelnd auf einem Augapfel. „Das ist überhaupt nicht lustig!“, beschwerte sie sich. Doch das überzeugte den anderen Ghul nicht. Er richtete sich von seinem Drehhocker auf und marschierte zu Kisuna. Die war bereits einige Male den Laden auf und ab geschlendert. „Nervosität steht dir nicht.“ Uta erntete dafür einen Todesblick ihrerseits. Erneut seufzte sie tief. „Ich weiß, das ist vollkommen untypisch für mich.“ „Das ist es“, bestätigte der tätowierte Ghul sie. „Aus irgendeinem Grund fühle ich mich in Yomos Gegenwart so seltsam. Verstehst du?“ Uta nickte bloß während er weiter kaute. „Wie fühlst du dich denn?“, hakte er nach. Eigentlich wusste er die Antwort bereits, doch er wollte es aus ihrem Mund hören. Kurz überlegte die Ghula. „Ich fühle mich sicher, aber irgendwie verunsichert.“ Sie hielt kurz inne. „Das macht überhaupt keinen Sinn.“ Dieses Mal konnte sich Uta ein Kichern nicht verkneifen. „Hör auf zu lachen!“, rief Kisuna und boxte ihn in die Seite. Er nahm es gelassen. „Uta, ich weiß nicht warum ich mich in letzter Zeit so seltsam verhalte und fühle und warum es immer“ Wieder hielt sie inne. „Immer mit Yomo zu tun hatte“, seufzte sie, ein Muster dahinter erkennend. Genervt verschränkte sie die Arme vor der Brust, sie fand trotzdem keinen Sinn in der Sache. „Verletzlichkeit.“ Uta drehte sie zu sich und packte sie an ihren Schultern. „Du bist verletzlich, weil du nicht weißt, ob diese Sicherheit, die Yomo dir gibt, bleiben wird.“ Langsam wiederholte sie den Satz in ihren Gedanken und ein wenig Erleichterung war in ihrem Ausdruck zu erkennen. Das musste es sein. Eine andere Option konnte es nicht geben. „Ich weiß, du hattest es nicht immer einfach“, fuhr Uta fort. „Du bist wie ein kleiner Hamster, der in der Tierhandlung unter vielen anderen die ganze Zeit von den Mitarbeitern angefasst wurdest. Und jetzt hast du einen riesen Käfig und mehr Leute, die sich um dich kümmern.“ Verstört sah Kisuna ihr Gegenüber an. „Manchmal werde ich zu philosophisch.“ „Das glaube ich auch.“ Sie konnte natürlich nicht abstreiten, dass Uta mit diesem Vergleich gar nicht so unrecht hatte. Doch sie wollte nicht, dass sich ihr Gedächtnis einschaltete und diese Bilder in ihrem Kopf wieder abspielten. Also wollte sie vom Thema ablenken. Der andere Ghul kam ihr allerdings zuvor. „Und du findest Yomo ziemlich attraktiv“, fügte er hinzu. Als sie dies hörte, errötete ihr Gesicht sich in Sekundenschnelle. „Dein Körper streitet es nicht ab“, meinte Uta während er zurück zu seinem Drehstuhl spazierte. Verlegen strich sich die langhaarige Schönheit sich eine Strähne hinters Ohr. „Klar sieht er gut aus, das habe ich nie abgestritten.“ Sie machte einen Schritt auf ihren guten Freund zu, der bereits den nächsten Augapfel verschlang. „Ich meine, sieh‘ ihn dir an, sein Körper ist durchtrainiert, seine Gesichtszüge eben und sein Ding ist-„ „Uta?“, ertönte eine Stimme von oben, die Kisuna wieder zum Erröten brachte und Uta zum Schmunzeln. „Ich hasse dich.“ „Ich hab dich auch lieb. Willst du deinen Satz beenden, wenn er die Treppe runter ist?“ Mit aggressiven Handgesten verdeutlichte sie Uta, dass sie ihn in diesem Moment gern zerfetzt hätte. Dann betrat das Zielobjekt die Bühne. „Hallo Yomo“, begrüßte der Künstler seinen Freund. Dieser hatte Kisunas Anwesenheit bereits festgestellt, ließ sich davon aber nicht beirren. Leicht genervt hatte diese sich auf eine Ledercouch geworfen. Womit sie jedoch nicht gerechnet hatte, war dass ihr Mitbewohner sich zu ihr setzen würde. Etwas vorsichtig machte sie ihm Platz und sah dann zu Uta. Der kaute bereits an seinem nächsten Apfel und schmunzelte wieder, worauf sie nur mit den Augen rollte. „Was führt dich heute in mein kleines aber bescheidenes Studio?“, fragte Uta um die Stimmung zu heben. Oder die Stille zu brechen. „Ich brauche eine Maske für Hitori.“ „Das kleine Mädchen? Klar, nimm sie das nächste Mal einfach mit.“ „Danke.“ Die Konversation der beiden männlichen Ghule war binnen Sekunden vorüber und Yomo erhob sich wieder aus der Couch. „Warum hatte er sich überhaupt hingesetzt?“, wunderte sich Kisuna, doch darauf sollte sie sofort eine Antwort bekommen. Ehe der silberhaarige Ghul sich komplett aufgerichtet hatte, warf er ihr einen prüfenden Blick zu. Er wollte sich nach ihr erkundigen, wollte wissen wo sie war und was sie tat. Vertraute er ihr etwa nicht mehr? Hatte er sich nur zu ihr gesellt, um sie zu verwirren? Er war dabei zu gehen, doch Kisunas Reflexe reagierten schneller. „Warte Yomo.“ Sie hielt ihm an Handgelenk fest. Dieses Mal durchdrang sie ihn mit ihrem Blick. Sie war entschlossen dazu, die ganze Sache nicht einfach so auf sich sitzen zu lassen. Und schon gar nicht wollte sie, dass fortan eine merkwürdige oder unangenehme Stimmung zwischen den beiden herrschte. „Wohin gehst du?“ „Antik.“ „Ich komme mit. Bei etwas kann ich bestimmt helfen.“ Ihr gegenüber zögerte kurz, antwortete ihr dann aber mit dem gewohnten Yomo-Nicken. Sie hätte nicht gedacht, dass dies sie einmal beruhigen könnte.

Touka hatte heute frei, der Chef war außerhalb tätig und so kam es, dass Yomo und Kisuna gemeinsam hinter dem Tresen des Antiks landeten. Der Zufall wollte anscheinend ebenso, dass die beiden sich wieder vertrugen. Oder wenigstens dass diese seltsame Stimmung, die über den beiden lag, verschwand. Die Aufgaben waren klar aufgeteilt: Sie nahm Bestellungen auf und bediente, er bereitete alles zu. Zudem zeigte er ihr auch, wie man Kaffe richtig zubereitete. Nie hätte die Ghula gedacht, dass man dabei tatsächlich so vieles falsch machen konnte. Sie war interessiert und aufmerksam, gehorchte ihm heute besonders. Natürlich plagte sie das schlechte Gewissen, aber immer mehr fand sie Gefallen an dem geregelten Ablauf und der entspannten, ruhigen Atmosphäre. Ruhig, so etwas hatte sie davor nicht gekannt. Es war immer jetzt oder nie, verteidigen oder angreifen gewesen. Ein dazwischen hatte es nicht gegeben und wer den Regeln nicht folgte, war ganz schnell Teil der unzähligen Leichen. „Kisuna.“ Er hatte sie aus ihrem Tagtraum (eher Tagalptraum) gerissen. Verschreckten Blickes sah sie ihn an, er schob ihr zwei Tassen Kaffee zu. „Tisch 5.“ Sie nickte etwas stockend und brachte dann die Bestellung zu den Gästen. Heute war nicht viel los, es war unter der Woche und die meisten hatten dann keine Zeit sich gemütlich in ein Café zu setzten. Erst zum Abend hin würden es mehr Leute werden. Schichtende, Schulende oder einfach nach einem entspannten Spaziergang noch einen Kaffee im Laden genießen. Man nahm sich die Zeit, kam runter. Riskant für Mensch als auch Ghul, noch dazu da sie im Antik ständig aufeinandertrafen. Kisuna war fasziniert, dass dieses Konzept so gut funktionierte und es war wohl auch das Geheimnis dieses Straßencafés. Das und der enorm leckere Kaffee. Die Bestellung abgegeben wandte sich die Ghula wieder um, marschierte zurück zu ihrem Platz neben Yomo. Vor diesem direkt an der Theke hatte eine junge Frau Platz genommen. Kisuna schätzte sie ungefähr auf 25 Jahre alt. Ihr Haar war blond, unordentlich zu einem tiefen Dutt im Nacken zusammengebunden. Ein paar Strähnen hatten sich gelöst und hingen ihr in ihr porzelanfarbenes Gesicht, dazu schmälere Lippen auf denen ein rosiger Glanz lag. Ihre hellblauen, großen Augen schenkten Kisuna keine Aufmerksamkeit. Sie waren damit beschäftigt, Yomo zu betrachten. „Wenn sie ihn weiterhin so ansieht, fallen ihr die Augen noch aus“, dachte sie für sich. Dabei hatte sie Yomos Kommando zum Kaffee ausschenken verpasst, was mit einem strengen Blick seinerseits bestraft wurde. Nichts, was die Ghula noch nicht gekannt hatte. Zügig übte sie ihre Aufgabe aus und übergab ihrem Kollegen die Tasse. Ihre Finger streiften indes die seinen minimal, was sie innerlich erzittern ließ. Die Szene von gestern Nacht spielte sich in ihrem Kopf wieder ab und sie war sich sicher, etwas rot geworden zu sein. Kisuna hatte sich noch nicht einmal bei ihm entschuldigt. Zu groß war der Graus vor der Enttäuschung Yomos, die er mit einem üblichen Nicken und seinem ausgeglichenen Ausdruck überspielen würde. Es gefiel ihr in ihrer Vorstellung nicht, also würde es ihr in Realität noch viel weniger gefallen. Ein anderer Weg musste her, um ihm zu zeigen, dass sie sich ihrer Taten schuldig bekannte und wusste, dass es falsch war. Reue war eigentlich nicht ihr Ding, aber sie fühlte sich immer so, als ob sie ihm etwas schuldig wäre. Und sie mochte dieses Gefühlt ganz und gar nicht. Es verschlang zu leicht ihren Verstand und hatte sie bereits verändert. Das war ihr bewusst und es störte sie auch etwas. „Kisuna.“ Yomo ermahnte die Ghula erneut. „Wo bist du mit deinen Gedanken“, flüsterte er ihr zu, als er sich an ihr vorbeiwandte. Sie erschrak etwas. Dass er diese Frage überhaupt stelle, er kannte sehr wohl die Antwort darauf. Dann widmete sie sich, wie befohlen, wieder der Arbeit. Immer wieder trug sie Kaffee, Kuchen und anderes zwischen den Tischen hin und her. Doch nicht nur der Duft der Getränke und Speisen mischten sich hierbei, nein, auch der Geruch von Ghul und Mensch. Etwas, dass sie bei weitem nicht als unangenehm empfand. Was unangenehm seltsam war, war das Verhalten der Ghula, die gegenüber von Yomo saß. Sie blieb Ewigkeiten sitzen, bestellte immer wieder eine Kleinigkeit. Jedes Mal, wenn Yomo alleine dort stand, blickte sie von ihrem Buch, das sie mitgebracht hatte, hoch, beobachtete ihn, lächelte für sich. Jedes Mal, wenn jedoch Kisuna ihrem Mitbewohner hinter der Theke Gesellschaft leistete, verschwanden ihre hellblauen Augen, die außerdem enorm lange Wimpern fassten, wieder in den bedruckten Seiten. Ebenso verschwand ihr Lächeln. Doch sie war ohne Zweifel auch eine Ghula.

„Die steht auf dich“, nuschelte Kisuna nach Schichtende durch ihre Hände hindurch. Ihren Kopf hatte sie darauf gestützt, ihre Ellbogen dabei auf den Tisch. Yomo putze gerade die übrigen Tische und beachtete ihre Aussage erst gar nicht. Die Ghula trat also von der Theke vor, nahm sich einen weiteren Lappen und marschierte zu ihm. „Wer?“, fragte Yomo, während er Kisuna per Handzeichen mitteilte welchen Tisch sie übernehmen sollte. „Na diese Ghula, die die ganze Zeit vor dir gesessen hat.“ Er sah Richtung Theke, wahrscheinlich um sich zu erinnern. Dann blickte er wieder zu Kisuna. „Hm.“ Schon wischte er weiter. Sie wollte gerade noch meckern, da klingelte das Glöckchen der Eingangstür und beide Ghule richteten ihr Augenmerk darauf. Es war bereits geschlossen, also wer sollte jetzt noch kommen? „Wenn man vom Teufel spricht“, dachte sich Kisuna, denn die blonde Schönheit trat zur Tür herein. Sie verbeugte sich tief, entschuldigte sich dafür, noch einmal hereingekommen zu sein, da sie ja eigentlich wusste, dass bereits geschlossen war. Kisuna fand es schrecklich anzusehen, wie die andere Ghula sich anstellte. „Ich war mir nicht sicher, ob es eine gute Idee sei, aber jetzt bin ich ja hier“, stotterte diese verlegen. „Schon gut.“ Yomo legte den Lappen ab und näherte sich ihr. Kisuna entschied sich bewusst dazu, erst einmal Abstand zu halten, stütze ihre Arme in die Hüften und lehnte sich gegen den Tisch. Sie war ja nur allzu gespannt, was das werden sollte. „Also ich weiß gar nicht, wie ich anfangen soll.“ Leicht errötet faltete die Blondine ihre Hände zusammen. Dann verbeugte sie sich wieder, dieses Mal weniger tief. „Mein Name ist Ito Nozomi. Ich wollte Sie fragen, ob Sie vielleicht Lust hätten, mit mir einmal auszugehen?“ Als sie sich wieder erhob stand in ihrem Gesicht ganz groß geschrieben: „Geschafft!“. Kisuna musste sich ein Lachen wirklich verkneifen. Am meisten war sie aber auf Yomos Antwort gespannt. Er war nicht der Typ für Dates, er war insgesamt kein Typ für Romanzen. „Renji Yomo. Danke, aber ich muss ablehnen.“ Jetzt tat ihr diese Nozomi schon fast Leid. Es hatte nicht einmal fünf Minuten für den Ghul gebraucht, einer Frau das Herz zu brechen. Doch diese wollte nicht gleich aufgeben. „Wenn ich fragen darf, wieso nicht?“ Nun fand Kisuna sie schon fast etwas aufdringlich. Doch sie wusste mittlerweile wohl, dass Yomo nicht wirklich für solche Themen zu gebrauchen war. „Weil er schon seiner Freundin den Abend heute versprochen hat“, mischte sich Kisuna in das Gespräch ein und ging zu den beiden anderen Ghulen. „Kuromori Kisuna, freut mich.“ Der Ausdruck in Yomos Gesicht fragte deutlich „Was hast du vor?“, doch davon wollte sie sich nicht ablenken lassen. Sie packte einen seiner muskulösen Arme, verhakte sich darin und schmiegte sich mit dem Kopf an ihn. „Richtig, Schatz?“, fragte sie weiter und zwickte ihn dabei leicht. Er sollte einfach mitspielen. Ein Nicken kam von ihm, womit sie auch schon zufrieden war. „Achso, in Ordnung. Trotzdem Danke, Renji-san.“ Nozomi verließ geknickt den Laden, Yomo sperrte daraufhin zu. Dann sah er wieder zu ihr. „Du hast wirklich keinen Plan von Frauen.“ Kisuna schlängelte sich hinter ihm vorbei und klopfe ihm währenddessen auf die Schulter. „Hoffen wir, dass es auch etwas gebracht hat.“ „Wie meinst du?“ Sie lehnte sich gegen den Tresen. „Naja, sie hat zwar traurig ausgesehen, aber es gibt solche und solche Frauen, Yomo.“ Er schaute nachdenklich zur Tür, dann, nach einem kurzen Augenblick, wieder zu seiner Mitbewohnerin. „Danke.“ Sie lächelte ihn sanft an. „Das war ich dir schuldig nach gestern Nacht.“ Leicht verlegen drehte sie sich um, kreuzte die Arme hinter dem Kopf zusammen. „Lass uns hochgehen.“ Er folgte ihr wortlos.

Yoshimura hatte den beiden Ghulen das Antik für die restliche Woche anvertraut und an sich hatte die dunkelhaarige Ghula auch nichts daran auszusetzten. Im Gegenteil, es machte ihr allmählich richtig Spaß mit Yomo im Café zusammenzuarbeiten. Wäre da nicht eine gewisse Ito Nozomi gewesen, die die folgenden Tage stets zur selben Zeit ins Antik kam, das Gleiche bestellte und Yomo fast schon stalkermäßig beobachtete. Kisuna sollte Recht behalten. Es war, als ob sie jeden seiner Bewegungen studierte und Kisuna war sich ganz sicher, dass sie das nicht tat, weil sie wissen wollte, wie man Kaffee richtig zubereitete. Doch der männliche Ghul ließ sich davon nicht beirren. Er erledigte seine Aufgaben getreu und war von seiner Helferin positiv überrascht. Es freute ihn auch, dass sie sich mittlerweile gut eingelebt hatte und ihm gerne half. Ihm war durchaus bewusst, dass dies ihre Art war, sich zu entschuldigen. Dagegen hatte er nichts. „Was meinst du?“, fragte sie nach Ladenschluss. Dieses Mal hatte sie ihn aus den Gedanken gerissen. „Hm?“ „Hey, du hast mir gar nicht zugehört!“, beschwerte die Ghula sich mit einem kecken Lächeln auf den Lippen. „Ich habe gefragt, was du davon hältst, dass diese Nozomi jeden Tag vorbei kommt. Sie sitzt sogar immer am selben Platz!“ Kisuna beschäftigte diese Sache wohl mehr, als ihren Kollegen. Er hatte immer ein wachsames Auge, wenn ihm etwas bizarr vorkam, doch er ließ es sich nicht derartig anerkennen. „Und?“ „Ich meine ja nur, ich finde das verdächtig.“ Kisuna wischte den letzten dreckigen Tisch sauber und begab sich dann an Yomos Seite. „Fertig?“ Yomo schüttelte den Kopf, nahm dann mehrere Müllbeutel zur Hand, von denen er ihr ebenso einen zudrückte. Die Ghula seufzte, fechelte dann mit ihrer freien Hand über ihre Nase. Es stank bereits, also war es höchste Zeit, das Zeug zu entsorgen. Yomo öffnete den beiden die Vordertür. Draußen angekommen, vernahm Kisuna einen seltsamen Geruch und der ging nicht von den stinkenden Müllsäcken aus. Er verschwand auch nicht, als sie sich dieser in die Gassen hinter dem Antik entledigten. Nein, er wurde viel mehr stärker und kam auf sie zu. Sie wusste, dass es sich um einen anderen Ghul handeln musste, doch er musste sie die Quelle des Duftstroms ausfindig machen um sinnvoll agieren zu können. Dann sah sie plötzlich etwas aus dem Dunkel der Gasse aufblitzen. „Yomo, pass auf!“ Blitzschnell hatte sie ihre Kagune ausgefahren und die Kralle, die auf die beiden zugeschossen kam, aufgehalten. Doch sie konnte etwas ihre Wange hinab rinnen spüren. Die andere Kagune hatte sie noch gestreift. Eifrig wischte sie das Blut weg, leckte es von ihrem Finger. Yomo hatte sich hinter in Kampfposition begeben, gab ihr Rückendeckung. Kisunas Schuppenkralle glühte bereist in einem kräftigen orange-rot, sie war bereit zu kämpfen und wartete auf den nächsten Schritt des Angreifers. Konzentriert lauschte sie, konnte es dann aber nicht mehr abwarten. „Zeig dich!“, rief sie in die Dunkelheit hinein, worauf nur ein hohes Kichern zurückhallte. Schritte waren zu hören und blutrot leuchtende Pupillen stachen aus dem Dunklen hervor. Als das Gesicht der Gestalt, die sie angegriffen hatte, durch die Schatten der Nacht drang, war Kisuna nicht allzu überrascht um wen es sich handelte. Viel mehr war sie wütend. „Verdammt, ernsthaft jetzt?“ Die dunkelhaarige Ghula knirschte die Zähne zusammen. „Ito Nozomi.“ Doch ehe sie sich versah, hatte diese bereits ihren nächsten Angriff angesetzt. „Du bist Schuld, dass ich ihn nicht haben kann!“, rief sie dabei. Kisuna wich der in einem hellen grün schillernden Panzerkralle geschickt aus, schließlich wusste sie, dass diese Kagune der ihren unterlegen war. Anscheinend hatte die andere Ghula es nur auf sie abgesehen, denn Yomo wurde nicht angegriffen. Auch nicht, als er zur Unterstützung mit seiner Kralle auf den Gegner zielte. Kisuna sprang hoch, holte mit ihrer Kralle weit aus und zielte auf Nozomi. Doch die wich aus. „So einfach wird das wohl nicht.“ Also spaltete sie ihre Kagune, sodass sie drei pulsierende Krallen bereit zum Angriff hatte. „Warte.“ Yomos Augenmek lag konzentriert auf ihr. Er kannte diese Kralle, doch wollte er nicht glauben, was er dachte. Kisuna warf ihm einen selbstbewussten Blick zu. „Yomo, vertrau mir.“ Er zögerte. „Bitte.“ Sie wollte es als Chance wahrnehmen, es wieder gutzumachen und die dicke Luft zwischen ihnen zu klären. Schlussendlich nickte er, sie lächelte ihm erleichtert zu. Dann begab sie sich wieder in Kampfmodus. „Na komm!“, rief sie der anderen Ghula zu, diese ließ sich nicht zweimal herausfordern. Eine Weile konnte sie Kisunas dreischwänziger Kralle ganz gut abwehren, doch durch das Gewicht ihrer eigenen Kagune, verlangsamten sich allmählich ihre Bewegungen. Die Schuppenkrallenträgerin hingegen fühlte sich seit langem wieder eng verbunden mit ihrer Natur, dem Ghul-Dasein. Ihre Angriffe wurden immer schneller, präziser, wuchtiger. Sie hatte Nozomi bereits am Bein getroffen, doch das hielt diese nicht auf, weiter alles zu versuchen um sich zu verteidigen. Ihre Kraft schwand mit jeder Sekunde und dann geschah es. Sie hatte Kisuna aus den Augen verloren, ein Fehler, der tödlich enden könnte. „Komm raus!“, schrie sie, wobei ihre Stimme nicht mehr so selbstbewusst wie davor klang. Es glich eher einem Tier, das langsam aber sicher begriff, wie es um es stand: Gar nicht gut. „Gerne doch.“ Die Antwort kam aus der Finsternis. Schreckhaft blickte Nozomi hin und her, hinter sich und über sich. Da sah sie etwas über sich, es zog sie in die Luft, zog ihr den Boden unter den Füßen weg. Kisuna schwang sich rückwärts über sie und hielt sie mit zwei ihrer drei Krallen fest. Ihre Gegnerin hielt sie nun in etwa zwei Metern Höhe mit ihrer Kagune gegen die Wand gedrückt und gefesselt. „Hab dich“, kicherte Kisuna und setzte ein freches Grinsen auf. Nozomi konnte sich nicht aus diesem Griff befreien, schlimmer sogar, es bohrten sich die Enden der Kagune in ihr Fleisch. Ihre eigene Kralle wurde ebenso festgehalten, ein Fluchtversuch war sinnlos. „Was willst du, Ito-san?“, fragte Kisuna und drückte fester zu. Die andere Ghula zuckte vor Schmerzen auf. „Das reicht.“ Yomo begab sich zu den beiden Damen, seine Kagune hatte er bereits wieder eingefahren. Die dunkelhaarige Ghula sah ihn durchdringenden Blickes an, vermittelte ihm, dass sie sein Vertrauen immer noch benötigte. Yomo sah er sie, dann die andere Ghula an. „Ihn will ich“, keuchte diese. Kisuna sah ebenfalls zu ihrer Gegnerin. Wieder drückte sie fester zu, überließ der anderen die Schmerzen. „Kisuna.“ Yomo hatte seine Hand auf ihrer Schulter abgelegt, wollte sie besänftigen. Prüfend lag sein Blick wieder auf ihr, doch Kisuna ließ nicht locker. Sie wandte sich zu ihm. „Bitte, überlass das mir“, flüsterte sie ihm zu. „Ich werde ihr nichts Schlimmes antun, vertrau mir. Yomo, bitte.“ Er wusste nicht, was es am Ende war, das ihn überzeugt hatte. Etwas an der Art, wie sie seinen Namen aussprach, löste in ihm ein Gefühl der Vertrautheit aus. Ob es gut oder schlecht war, konnte er in diesem Moment nicht entscheiden. „Spiel einfach mit“, fuhr Kisuna fort, zwinkerte ihm dann zu. Yomo hatte keinerlei Ahnung, was auf ihn zukommen würde, doch er überließ ihr die Situation. Kisuna drückte erneut fester zu, was einen weiteren, abgehakten Schrei von Seiten Nozomis als Folge hatte. „Schau gut zu“, sprach sie zu dieser. Sie sah zu Yomo, sah ihm tief in die Augen. Dann legte sie ihre Hände auf seiner Brust ab und lehnte sich etwas zu ihm hoch. Sie hoffte, dass ihr Plan funktionieren würde, doch viel mehr hoffte sie, dass er einfach mitmachen würde und sich nicht dagegen sträubte. Es war skurril, doch vielleicht würde es eben genau deshalb gelingen. Langsam bewegte sie ihre Lippen auf die seinen zu, küsste ihn erst zärtlich, denn sie wollte seine Reaktion abwarten. Als er sich nicht dagegen wehrte (sie hätte es auch nicht gesehen, denn ihre Augen waren zu), küsste sie ihn leidenschaftlicher, brachte auch ihre Zunge zum Einsatz. Dass Yomo nicht daran gewöhnt war, konnte sie spüren, aber das störte sie nicht. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, konnte fühlen, wie er seine Hände auf ihrer Hüfte ablegte und sie näher zu sich zog. Spielte er nur so gut oder gefiel es ihm etwas auch? Nie hätte die Ghula gedacht, dass sie ihn so einfach küssen würde, schon gar nicht nach ihrer Aktion von vorheriger Nacht. Den Gedanken daran verwarf sie allerdings schleunig und widmete sich lieber wieder Yomo. Auch wenn er nicht geübt war, schaffte er es doch, ihrem Rhythmus zu folgen. So als ob sie es öfter täten. Da er sich nicht zu wehren schien, entschied Kisuna sich dazu, ihn noch impulsiver zu küssen. Anfangs leicht überrascht, folgte er ihr jedoch schnell, brachte sie sogar zum Stöhnen. Schauspielern musste sie dabei nichts, denn es gefiel ihr wirklich. Nun öffnete sie ihre Augen währenddessen und sah ihre Angreiferin aus dem Augenwinkel heraus an. Ihr Ausdruck dabei verstohlen, stechend, demonstrativ. Und es zeigte Wirkung, denn sie erntete einen, körperlich als auch emotional, schmerzlichen Ausdruck von der anderen Ghula. Als sich die beiden schließlich aus dem Kuss lösten, untersuchten sie gegenseitig die Reaktion des jeweils anderen. Ihre Blicke ruhten für eine kurze Weile aufeinander, dann erst sprach Kisuna zu ihm: „Geh schon voraus, ich komme gleich nach. Vertraust du mir?“ Nach ihrem Kuss hätte sie womöglich nicht mehr fragen müssen. Yomo drehte sich ohne zu zögern um und verschwand in der Dunkelheit. Dann sah Kisuna wieder zu Nozomi. Deren leidender Gesichtsausdruck war für sie mehr als nur ausreichend. Er war herrlich anzusehen. „Hast du es jetzt verstanden?“, fragte sie diese und drückte ein letzes Mal mit ihrer Kagune zu. Dann ließ sie die andere Ghula fallen. Ein dumpfer Ton erklang, als diese auf dem Boden aufkam. Kisuna ging einen Schritt auf sie zu. „Hast. Du. Jetzt. Verstanden?“ „J-ja, hab ich.“ Schniefend richtete sich Ito-san auf, fasste dann an eine der Wunden und verzog das Gesicht dabei. „Wer bist du wirklich, du bist viel zu stark für den 20. Bezirk.“ Kisuna musste auf diese Frage lächeln. „Nenn mir einen guten Grund, warum ich gerade dir das sagen sollte?“ Nozomi schwieg. „Siehst du. Aber ich will mal nicht so sein“, fuhr die langhaarige Schönheit fort, wobei sie ihr Kakugan verschwinden ließ. „Sagen wir mal so, zu tun was man will, gebührt nur den Starken.“ Sie begab sich, die Hände hatte sie in den Hosentaschen, einen Schritt auf Nozomi zu. Dann packte sie diese mit einer Hand am Hals und zog sie nach oben. Der Ausdruck in ihren Augen blieb eiskalt. „Reicht dir das als Antwort?“ Die andere Ghula biss die Zähne zusammen, gestand sich ihre Unterlegenheit ein. „J-ja, tut es“, japste sie. Kisuna ließ sie nach kurzer Zeit wieder runter, auf ihrem Gesicht ein Siegerlächeln. Sie drehte sich um und spazierte zufrieden davon. Kurz bevor sie in der Finsternis verschwunden war, ihr Gesicht wurde bereits zur Hälfte von den Schatten eingenommen, wandte sie sich noch einmal zu Nozomi um. „Schönen Abend noch.“ Ein leises Knacken hallte anschließend durch die wüsten Gassen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück