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Restzeit

SasuSaku
von

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Die Zeit

Die Abenddämmerung ist längst angebrochen und der tagsüber noch azurblaue Himmel, ist nun beinahe blutig rot, während die Sonne immer weiter hinter dem Horizont verschwindet. Der vergangene Tag endet. Er stirbt, denn keine der Minuten wird sich jemals wiederholen. Welch Ironie, wenn er bedenkt, in welcher Situation er in diesem Moment steckt. Seine persönliche Sonne senkt sich auch dem Horizont entgegen.

 

Es ist still in der Wohnung. Einzig und allein die gedämpft erklingenden Laute von der Straße sind zu hören. Ein reges Treiben vor der Tür ist ein deutlicher Beweis dafür, dass die Zeit unerbittlich weiterläuft. Die Zeit nimmt auf nichts und niemanden Rücksicht, ganz egal wer dabei auf der Strecke bleibt und auch innerhalb dieser Wände verkündet das Ticken der Wanduhr das unerbittliche Fortschreiten. Das immer monoton erklingende Geräusch kann eine beruhigende Wirkung auf einen aufgebrachten Geist haben oder Unruhe auslösen. Für jeden spielt die Zeit eine mehr oder weniger wichtige Rolle. Sie ist ständiger Bestandteil des Lebens und alles wird entsprechend daran ausgerichtet, denn wenn die Zeit eines ist, dann ist sie unbarmherzig.

Sasuke sitzt seit einer gefühlten Ewigkeit an dem Esstisch und lässt jede Sekunde unverrichteter Dinge an sich vorbeiziehen. Eine Sünde, wenn er bedenkt, dass seine Lebenszeit sich radikal verkürzt hat. Eine Handhabung, welche er ein paar Stunden zuvor nie praktiziert hätte. Immer war er unterwegs, basierend darauf, Informationen zu sammeln und schlüssig zusammenzufügen. Zwanzig Jahre lang hat er nichts anderes getan, als das und verweilte nie lange an einem Ort, doch seit er das Behandlungszimmer von Tsunade verlassen hat, verspürt er nicht mehr den Drang, wieder in die Welt hinaus zu ziehen. Ihm ist bewusst, dass diese latente Bedrohung durch den Ootsutsuki Clan weiterhin über ihnen schweben wird, wie eine unheilverkündende Sturmfront, doch verspürt er bei dem Gedanken daran eine Art Gleichgültigkeit. Wieviel Zeit genau ihm noch zur Verfügung steht, weiß mit Bestimmtheit niemand zu sagen, doch die Spanne wird nicht ausreichend sein, um eine solche Gefahr dem Erdboden gleichzumachen. Bekümmert streicht sich Sasuke durch die Haare. Er wird mit Naruto noch das Gespräch suchen müssen.

 

Seit seiner Heimkehr hat er sich seiner Reisekleidung entledigt und trägt nun nichts weiter, als ein simples schwarzes Shirt und eine langbeinige Sporthose. Freizeitkleidung, von der längst annahm keine zu besitzen, doch sogar in diesem Punkt sorgt Sakura für ihren Mann. Trotz seiner fast permanenten Abwesenheit, vergisst sie ihn nicht für einen einzigen Moment. Sie hat wohl die letzten Jahre sehr viel mehr an ihn gedacht, als er an sie.

Mit einem beschämenden Empfinden in seiner Brust blickt Sasuke auf seinen linken Arm oder besser, auf die nun angebrachte Prothese, welche er nach dem Krieg abgelehnt hatte. Er hat sie vor dem Verlassen des Krankenhauses anbringen lassen und damit einer spontanen Eingebung nachgegeben. Wieso hatte er damals eigentlich einen Ersatz für seinen geopferten Arm abgelehnt? Als eine Art Mahnmal für sein idiotisches Verhalten? Als eine Erinnerung daran, dass sein bester Freund ihn wortwörtlich zu Verstand geprügelt hat? Vor zwanzig Jahren hätte er diese Frage vielleicht beantworten können, doch heute weiß er darauf keine Antwort mehr. Jetzt blickt er seinen künstlichen Arm zum wiederholten Mal an, ballt eine Faust oder streckt die Finger durch, also müsse er sich der Funktionalität vergewissern.  Wieder einen kompletten Körper zu haben, erweist sich entgegen seiner Vermutung, als sehr viel ungewohnter. Nach zwanzig Jahren nun wieder zwei Arme zu besitzen ist fast schon befremdlich, doch er wird sich wohl wieder an diesen Zustand gewöhnen.

Mit einem schwachen und kaum wahrnehmbaren Lächeln, legt der einstige Nuke-Nin eine Hand auf die Prothese und hebt seinen Blick schließlich an, bis er die Fotos auf der Kommode an der gegenüberliegenden Wand erblickt. So minimal wie sein Lächeln auch gewesen sein mag, jetzt verblasst es wieder und tiefes Bedauern tritt zurück in seine Augen.  So hat er sich die Zukunft nicht vorgestellt.

 

Ein Geräusch aus dem Flur lässt den Familienvater aufhorchen. Die Tür schiebt sich mit einem charakteristischen Geräusch zurück in das Schloss und dumpfe Schritte verraten ihm deutlich hörbar, dass sich jemand nährt.  Nur einen kurzen Augenblick später, betritt auch schon seine Frau den Raum, die über seine Anwesenheit verwundert das Gesicht verzieht. Sie hält eine weiße Plastiktüte in der rechten Hand und bliebt einen Augenblick in dem Türrahmen zwischen Flur und Küche stehen. Seinen Blick scheint sie jedoch nicht entsprechend deuten zu können oder dieser Anblick wirkt ihr einfach nicht fremdartig genug. Es war noch nie möglich viel in seinem Gesicht ablesen zu können.

Ihr grünes Augenpaar wandert seinen Oberkörper hinab und bleibt schließlich auf seinem linken Arm haften, wodurch ein gewisses Erstaunen in ihr Gesicht tritt. Sie lächelt. „Wie hat Tsunade-sama dich denn dazu überredet?“ Er folgt ihrem Blick und zuckt schließlich leicht mit den Schultern. „Ich dachte mir: Warum eigentlich nicht? Gefällt es dir nicht?“

„Ich werde mich schon dran gewöhnen.“ Sie zuckt ihrerseits amüsiert mit den Schultern und verschwindet mit der vollgepackten weißen Plastiktüte an die Küchenzeile, gefolgt von seinem Blick, den sie scheinbar nicht auf sich haften spürt.

 

Seit Stunden überlegt er nun schon, wie er ihr die Neuigkeiten mitteilen soll. Wie soll er ihr sagen, dass er die Untersuchungsergebnisse bekommen hat und in absehbarer Zukunft nicht mehr Teil ihres Lebens sein wird? Es ist eine Frage, auf die er, trotz all seiner Bemühungen, einfach keine Antwort hat. Es gibt keinen sanften Weg, jemandem mitzuteilen, dass ein geliebter Mensch sterben wird. Es gibt ihn einfach nicht. Eine direkte Äußerung der Umstände ist der einzige Weg, denn alles andere wäre einfach nur eine Verzögerungstaktik.

„Wie ist es denn für dich? Kommst du zurecht mit der Prothese?“ Ihre Worte reißen ihn abrupt aus seinen Gedanken und er blickt kurz auf seinen Arm zurück, ehe er wieder ihren Rücken fixiert. „Ich werde mich daran gewöhnen.“ Dieselben Worte, die sie zuvor verwendet hat und die ihr nun ein leises Lachen entlocken.

Sasuke spürt wie sich seine Brust zusammenzieht. Ihr Lächeln ist das schönste Bild, welches er in seinen Gedanken produzieren kann und ihr Lachen die liebste Melodie, die er vernehmen kann. Ihm ist bis zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ihren Anblick und ihre Stimme genießt.  Die Spannung in seiner Brust scheint noch ein Stück intensiver zu werden, bis er mit einem harten Schlucken schließlich vom Tisch aufsteht, um ebenfalls in Richtung Küchenzeile zu gehen.

Längst ist Sakura mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt und doch hat er starke Zweifel daran, dass sie in wenigen Momenten noch Motivation zum Kochen verspüren wird. Bedauerlich, wo Sakura doch eine sehr hervorragende Köchin ist. Sie kann mit ihren Kochkünsten regelrecht verwöhnen und wahre Meisterwerke auftischen, allerdings kann Sasuke nicht gerade behaupten, dass er besonders großen Appetit verspürt. Er will es ihr sagen. Die unschöne Wahrheit aussprechen und doch schafft er es in diesem Moment einfach nicht. Die Wörter wollen ihm nicht über die Lippen gleiten, so dass er sich tonlos an die Ablage lehnt und immer noch auf ihren Rücken schaut. Er blickt das Familienwappen der Uchiha auf ihrem Kleidungsstück an und hat abermals an diesem Tag das Gefühl, nicht mehr denken zu können.

„Hast du eigentlich heute die Ergebnisse von deiner Untersuchung bekommen?“ Ihre Frage trifft ihn wie ein harter Schlag direkt in den Magen, dass er für einen kurzen Moment das Gefühl hat, nicht mehr atmen zu können und doch scheint es eben jene Frage zu sein, die einen Ruck durch sein innerstet gehen lassen und er nach einen tiefen Luftholen, den Satz ausspricht, der trotz gedanklicher Wiederholungen noch immer falsch klingt.

„Ich werde sterben.“ Sakura hält in ihren Handlungen inne und für einen Augenblick scheint die Zeit eingefroren zu sein, bis sie diese Worte mit einem etwas seltsam klingenden Lachen abtut und im Schneiden des Gemüses schließlich fortfährt. „Was erzählst du denn da? Mach doch nicht so dumme Witze.“

Verdrängung gehört mit zu den ersten Dingen, auf die Menschen zurückgreifen, wenn sie sich unangenehmen Fakten gegenüberstehen sehen. Die dargelegten Beweise einfach abstreiten und das in einer sich wiederholenden Weise, bis die Person den eigenen Verstand davon überzeugt hat. Sakura befindet sich jedoch nicht in einer Verdrängung, sondern eher in dem Wunsch, dass er sich einen makabren Scherz mit ihr erlaubt und das eigentlich mit dem Wissen, dass er nie solche Scherze tätigt. Er tätigt nie irgendwelche Witze, ob makaber oder nicht.

 

Hörbar ausatmend verstaut Sasuke seine Hände in den Hosentaschen und blickt auf seine Füße hinunter. „Mein Körper ist krank, Sakura. Ich werde sterben.“ 

Ein seltsames Klirren sorgt dafür, dass der beste Freund des Hokage seinen Kopf wieder anhebt und abermals zu seiner Frau schaut, die sich während seines Satzes zu ihm herumgedreht haben muss. Das Messer, welches sie zuvor fest in der Hand hielt und das Gemüse zerkleinerte, liegt nun zu ihren Füßen auf dem kalten Fließenboden der Küche.

Sasuke weiß nicht einmal, wie er den Gesichtsausdruck seiner Frau definieren soll. In ihrer Mimik erkennt er dermaßen viele Gefühle und Regungen, dass er sich selbst davon nahezu erschlagen fühlt. Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Unglaube und Fassungslosigkeit, sind nur wenige Emotionen, von denen er glaubt sie aus ihrem Gesicht sehen zu können.

 

Keine von beiden dachte daran, dass wirklich etwas Ernstes hinter Sasukes Beschwerden stecken könnte. Er fühlte sich an manchen Tagen einfach nicht gut. Übelkeit, Rückenschmerzen und Magenkrämpfe tauchten immer mal wieder auf. An manchen Tagen war es auch einfach nur ein Bewegungsschmerz, von einer leichten Intensität, dass dieser auch für Muskelkater gehalten werden konnte. Sasuke und Sakura dachten einfach nur, dass er sich vielleicht irgendeinen Virus eingefangen hat. Einfach eine simple und ungefährliche Sache, die mit Medikamenten und der entsprechenden Behandlung bald wieder der Vergangenheit angehört, doch sie haben falsch gedacht.

Er war von den zahlreichen Untersuchungen schon genervt. Die ganzen Blutbilder, Schall-, und Röntgenuntersuchungen hielt er für reine Zeitverschwendung und seinen genervten Unterton quittierte Sakura immer nur mit einem Schmunzeln, schien sich über diesen Aufwand aber keine Sorgen zu machen. Ihre Einstellung war bis zum jetzigen Zeitpunkt, dass ihre Kollegen wohl wissen, was sie tun.  Hätte sie sich, mit ihrer Erfahrung und Ausbildung, mehr Gedanken über seinen Zustand machen sollen? Vielleicht. Diese Behauptung würde er jedoch nie tätigen.

Ob sie sich in diesem Moment bereits Vorwürfe macht, kann er nicht sagen, doch später werden diese Dinge garantiert in ihrem Kopf erscheinen. Fragen, ob sie hätte ahnen können oder ob sie früher hätte handeln müssen. Doch diese Dinge sind vollkommen nebensächlich. Sie ändern nichts an der jetzigen Situation und dem damit verbundenen Konsequenzen.

 

Sakura beginnt unkontrolliert zu zittern und tritt näher an ihn heran, bis sie ihren Kopf deutlich anheben muss, um in seine Augen schauen zu können.  Sie legt ihre Hände auf seine Brust und es dauert keinen Augenaufschlag, da hat sie ihre Finger in sein Shirt gekrallt. „Das kann nicht sein! Du warst immer gesund. Du hast nie etwas gehabt. Das muss ein Fehler sein! Die müssen sich vertan haben. Wir werden – ich werde – ich kann.“

Es ist Panik welche sie übermannt und ihren sonst so klaren und sachlichen Verstand vernebelt. Es sind nur noch Wortfetzen, die sie herausbringt und inzwischen bohren sich ihre Finger schon in seine Haut hinein. Sie atmet schnell, fast unkontrolliert. Die Situation droht völlig zu entgleiten und so packt der Uchihaerbe seine Frau an den Oberarmen, versucht in irgendeiner Weise mit ruhigen Worten und Lauten zu ihr durchzudringen, doch als sie zu schreien beginnt, ruckartig und abgehackt, ist ihm bewusst, mit Worten nichts erreichen zu können.

Erschrocken und am Rande der Verzweiflung, zieht Sasuke seine Frau an sich heran und schließt sie einfach nur in die Arme. Ihre Schreie werden von seinem Shirt verschluckt und gehen irgendwann in den zahlreichen Schluchzern einfach unter, während sie in seinen Armen förmlich zusammensackt und nur noch auf den Beinen steht, weil er sie hält.     



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kleines-Engelschen
2020-04-12T00:17:39+00:00 12.04.2020 02:17
ein tolles kapitel. ich finde es super wie du die einzelnen gefühle und gedanken rüberbringst. bin gespannt wie das nächste kapitel wird.

greetz


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