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Das Schlachthaus in der Minton Street

von

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Chapter 1 - 1

Hätte Eddie gewusst, dass er in weniger als zwanzig Minuten würde rennen müssen, so schnell er konnte, so hätte er sich nach der letzten Schulstunde wohl dagegen entschieden, den schweren Bildband über viktorianische Gebäudekunst in seinen Rucksack zu packen. Er hätte ihn in seinem Spint gelassen, so wie er es zunächst geplant hatte, bevor sich der Gedanke in seinem Kopf festgesetzt hatte, dass er den heutigen Nachmittag gerne damit verbringen würde, ein paar Hintergründe für sein aktuelles Zeichenprojekt zu skizzieren, wofür eben dieser Bildband unabdingbar war. Andererseits - hätte er gewusst, auf wen er in kurzer Zeit an der Ecke zur Main Street treffen würde, so hätte er wohl einfach einen anderen Weg nach Hause gewählt, und hätte diese Konfrontation somit komplett vermieden. Doch war es müßig, darüber nachzudenken, was hätte sein können, denn hinterher war man bekanntlich immer schlauer.

So drückte sich die untere Ecke des Buches bei jedem Schritt in seinen Rücken, und allgemein hinderte das Gewicht ihn daran, so schnell zu rennen wie er gerne würde. Was wiederum zur Folge hatte, dass seine Verfolger bereits bedenklich nah an ihn herangekommen waren.

Eddie hatte das starke Bedürfnis, sich umzudrehen um sie sehen, wie nah sie bereits waren, doch kämpfte er gegen dieses Bedürfnis an, denn erstens hätte dieses Wissen ihm nicht wirklich etwas gebracht, und zweitens stürzten Leute, die sich umdrehten, in Filmen meist, oder sie liefen gegen eine Straßenlaterne oder was auch immer. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Straße vor sich, die menschenleer war als wären er und seine Verfolger an diesem Tag vollkommen alleine in der Stadt. Das mochte daran liegen, dass es halb zwölf Uhr morgens war, oder auch daran dass es schüttete wie aus Eimern, zumindest war es absolut typisch in Situationen wie diesen. Wieso auch sollte irgendjemand da sein, der ihm helfen könnte?

„Bleib endlich stehen!“, hörte er hinter sich jemanden brüllen - er war sich nicht ganz sicher, tippte jedoch darauf, dass es Neil war. Die Stimme klang wirklich nah, zu nah, fast erwartete er den Atem seiner Verfolger im Nacken spüren zu können…

Im nächsten Augenblick wäre er beinahe weggerutscht als er mit dem rechten Fuß in eine Pfütze trat, grade so gelang es ihm das Gleichgewicht zu halten und weiterzurennen, so schnell es ihm mit dem Gewicht seiner Schultasche eben möglich war.

Wohin er lief wusste er nicht wirklich, der Regen auf seiner Brille hatte seine Sicht schon lange verschleiert - einfach weiter, hoffen, dass sie nicht zu ihm aufschlossen, dass er doch irgendjemandem begegnen würde, der ihm helfen konnte…

Im nächsten Augenblick hörte er hinter sich ein seltsames, dumpfes Geräusch, gefolgt von einem Aufschrei und dann einer Tirade von Flüchen. „Verfickte Scheiße, mein Knie! Drecks-Kack-Pfütze…“

Nun war Eddie sich ganz sicher, dass es sich bei dieser Person um Neil handelte, und jetzt riskierte er doch einen Blick über die Schulter.

Soweit er es durch die Regentropfen auf seiner Brille erkennen konnte, lag Neil auf dem Boden, ausgerutscht in derselben Pfütze, in der er selbst einige Sekunden zuvor beinahe das Gleichgewicht verloren hatte.

Dan und Jay, die ein gutes Stück hinter Neil zurückgeblieben waren, blieben neben ihrem Kumpel stehen, offensichtlich unsicher, wie sie reagieren, ob sie ihm helfen sollten…

Eddie wandte seinen Blick wieder nach vorne, während er hinter sich erneut Neil brüllen hörte: „Jetzt glotzt nicht so dämlich, ihr Deppen, schnappt euch dieses Arschloch!“

Einer unbestimmten Eingebung folgend wandte Eddie seinen Weg nach links, rannte schräg über die Straße, dabei versuchend zu erahnen wo er in eine der Seitenstraßen abbiegen könnte um zumindest kurz aus dem Sichtfeld seiner Verfolger zu verschwinden und sie so vielleicht zu verwirren… im Laufen nahm er seine Brille ab und wischte sie notdürftig mit dem Ärmel seiner Jacke ab. Das würde nicht allzu viel bringen, vielleicht alles bloß noch mehr verschmieren, doch schien es ihm in diesem Augenblick sinnvoll zu sein…

Endlich tauchten vor ihm zwei Straßenecken auf, dicht hintereinander. Das war gut, bei dem Abstand, den Dan und Jay hoffentlich noch immer zu ihm hatten, und durch den heftigen Regen, würden sie vielleicht nicht genau wissen in welche dieser beiden Straßen er abgebogen war, was ihm hoffentlich zusätzliche Zeit verschaffen würde…

Die Schmerzen in seiner Lunge ignorierend hastete er an der ersten Abzweigung vorbei, bremste ein wenig ab um nicht doch noch auf dem nassen Boden wegzurutschen, und hechtete dann nach links in die zweite Seitenstraße, sich dabei wieder seine Brille aufsetzend. Ein kurzer, eher automatischer Blick zurück, dann blickte er wieder nach vorne… und wäre beinahe wie erstarrt stehengeblieben.

„Verdammt…“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Keuchen und machte ihm bewusst, wie fertig er nach dem Sprint eigentlich war, doch konnte er sich darum nun nicht weiter kümmern… vor sich, am Ende der Straße, erblickte er eine Mauer, schätzungsweise zweieinhalb Meter hoch und damit unmöglich zu überqueren.

Er war in eine Sackgasse gelaufen.

Nun blieb er doch stehen.

Starrte fassungslos gegen die Wand, die sich da vor ihm auftat und ihm den Weg versperrte, während er hinter sich Dans Stimme vernahm: „Hast du ne Ahnung, wo er hin ist?“, gefolgt von der von Jay, der erwiderte: “Ne… in irgendeine der Straßen hier!“

Panisch blickte Eddie sich um. Wenn die beiden klug waren, dann würden sie sich aufteilen und jeweils in einer der Straßen laufen - oder viel mehr müssten sie nur um diese Ecke schauen und würden ihn bereits sehen, und dann war er erledigt! Es war nicht das erste Mal, dass er vor diesen Idioten weggelaufen war, und jedes Mal, wenn sie ihn erwischt hatten, war das ausgesprochen schmerzhaft für ihn gewesen… er hatte nie gewusst, weshalb sie es ausgerechnet auf ihn so sehr abgesehen hatten, doch irgendwie schien es ihnen schlichtweg Freude zu bereiten, ihn zu bedrohen und zu quälen. Es war ein wenig besser geworden, seit er nicht mehr immer alleine war, doch hier und jetzt war er es eben, und es gab niemanden, der ihm helfen konnte, selbst wenn er schrie, so war die Chance, dass um diese Uhrzeit jemand zu Hause war der ihm helfen würde ausgesprochen gering…

Dann fiel sein Blick auf ein Fenster, knapp über den Boden des Bürgersteiges. Es war verdreckt von Staub, leicht zu übersehen, und relativ schmal… doch, was das wichtigste war, es war in der Mitte zerbrochen.

Unter normalen Umständen hätte Eddie es keinesfalls in Betracht gezogen einfach so durch ein Fenster zu klettern, das zu einem Gebäude zu gehören schien, in dem schon lange niemand mehr gewesen war - diesen Eindruck zumindest vermittelten die anderen zugehörigen Fenster, die ebenso verstaubt waren sowie der Müll der vor der Fassade herumlag. Doch das hier waren eben keine normalen Umstände. Das hier war, ohne übertreiben zu wollen, ein Notfall.

Also ließ Eddie sich auf die Knie fallen, nahm dabei seine Schultasche ab und schob sie durch das zersplitterte Glas, wobei er nach wenigen Zentimetern merkte, wie die Tasche auf einer Oberfläche zu stehen kam.

Ein letzter, hektischer Blick, dann wandte er sich um und streckte das rechte Bein durch das Fenster, darauf bedacht, nicht an die scharfkantigen Ecken hängenzubleiben… letzteres gelang ihm beinahe bis zuletzt, doch als er als letztes seinen Arm durch das Fenster zog, dabei Zittern vor Adrenalin und Anspannung, spürte er einen scharfen Schmerz an der Seite. Etwas warmes, klebriges lief über seine Haut, und er konnte fühlen, dass der Ärmel seiner Jacke zerfetzt war… doch das war egal, zumindest für den Augenblick. Vorsichtig, ganz vorsichtig tastete Eddie in der Dunkelheit des Raumes, in dem er sich nun befand, mit dem Fuß in der Luft herum nach dem Boden, um von dem Objekt, auf dem er sich befand (ein Tisch, so vermutete er) Herunterzuklettern und sich irgendwo vor den Blicken von Dan und Jay zu verstecken. Immerhin war es nicht unwahrscheinlich, dass ihnen bei ihrer Suche dieses Fenster ebenfalls auffallen würde, und Eddie konnte nur hoffen dass sie keine Lust haben würden es sich genauer anzusehen…



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Drachenprinz
2020-03-15T20:26:55+00:00 15.03.2020 21:26
Also, erst mal: Ich finde das Cover irgendwie supercool und stimmungsvoll. :D Ich mag ja eh diese schwarzweißen Cover zu deinen Geschichten sehr gerne, die vermitteln immer direkt sowas Düsteres - was ja auch in der Regel sehr zutreffend ist. xD
Jetzt zum Inhalt: Bisher ist ja noch nicht so viel passiert, wobei... für nur drei Seiten war es ja eigentlich doch schon eine ganze Menge! Soso, um Eddie geht's also unter Anderem. ^^ Sowas in der Art, wie er hier erlebt, träum ich ja manchmal - ich will vor irgendwas wegrennen, aber bin irgendwie zu schwer und komm nicht voran... x'D Find ich aber direkt sehr sympathisch mit diesem Bildband, und dass er von irgendwelchen Mobbern verfolgt wird, tut mir auch direkt voll leid. :c Arschgeigen, ey! Soll der doch in der Pfütze ertrinken, Mann!!
Das mit dem Fenster, in das er einfach einsteigt, find ich aber schon mal sehr interessant. Ob da wirklich niemand in dem Haus ist? Bietet ja schon mal Potenzial für verschiedene Dinge, die da noch passieren könnten. :D Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt, wie es weitergeht, und hoffe, Eddie muss nicht zu sehr leiden. Hm, oder doch. Leid ist ja immer gut. Keine Ahnung! X'D
Antwort von:  ReptarCrane
15.03.2020 21:37
Dankeschön, ich finds ja selber auch ganz cool! Ach waaaas, meine Storys und düster? xD
Ach na ja, so viel passiert ist ja echt noch nicht xD aber ja solche Träume kenne ich sehr gut •-•


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