Oneshot
Eine regnerische Nacht
Stark prasselte der kalte Herbstregen, der wie aus
dem Nichts erschien, auf die Windschutzscheibe des weißen
Sportwagens, der mitten am Waldrand an der Straßenseite stand.
So undurchdringlich, dass die beiden ungleichen Insassen von der
Welt um sich herum nichts mehr sahen.
Der brummende Motor und die Scheibenwischer, die chancenlos
gegen die Massen an Wasser ankämpften, hinterließen ein stetig
monotones Geräusch in dem engen Raum. Die Atmosphäre in dem
kleinen Wagen war erdrückend. Die junge Frau, die auf dem
Beifahrersitz saß, konnte nicht sagen, wie es zu dieser Situation
kam. Heute Abend waren sie gemeinsam ausgegangen, hatten das
Dinner genossen und nun saß sie vor einem Scherbenhaufen, den
sie ihr Leben nannte.
Das betäubende Geräusch füllte ihren Kopf mit immer dicker
werdender Watte, schloss sie von der Außenwelt ab. Nichts weiter
als das schmerzende Gefühl in ihrer kleinen Brust wuchs
erbarmungslos an. Hatte Angst den Mann zu verlieren, den sie über
alles liebte. Mit tränenverschwommenen Blick sah sie leicht zu dem
Wesen, das regungslos am Lenkrad saß und emotionslos nach vorn
sah.
Als würde er etwas draußen erkennen ...
Das könnte er, das wusste sie mit Sicherheit!
Sein Blick war kalt und seine Haltung ihr gegenüber ablehnend. Er
blieb weiterhin stumm, schaute sie nicht an, während sie leise
weinte.
Ein heller Blitz durchzog den wolkenbedeckten Himmel, erhellte
den edlen Innenraum, der nach seinem würzigen Aftershave und
seinem unvergleichlichen eigenem Duft roch. Unweigerlich gab sie zu,
dass sie seinen Geruch immer schon liebte. Ihn immer zweifelsohne
lieben würde. Er gab ihr ein Gefühl von Sicherheit, Natur und
grenzenloser Freiheit.
Der stolze Mann zu ihrer Linken, war ein Freigeist, ein Lord, ein
Wesen mit unendlicher Kraft und er nahm sich das, was auch immer
er wollte. Tat das, wonach ihm lieb war. Keiner hatte jemals eine
Chance gegen den erhaben Mann gehabt. Niemals ließ er jemand
anderes in sein Leben, geschweige in seine Gefühlswelt. Bis auf die
kleine schwarzhaarige Miko, die er vor einem knappen Jahr zufällig
wiedergetroffen hatte. Hatte sich nach Jahrhunderten seiner
Abstinenz in sein Leben geschmuggelt.
Niemals hätte sie daran gedacht, sich in dieses Wesen zu verlieben,
dass sie das erste Mal vor 500 Jahren unfreiwillig kennengelernt
hatte. Damals wollte er ihr Leben beenden und heute teilten sie das
Bett. Es klang grotesk, aber es war nun einmal ein Fakt, den keiner
bestreiten konnte. Die rehbraunen Augen lagen auf dem Daiyoukai,
sahen ihn wehmütig an. Es hatte sich nicht allzu viel an seinem
Erscheinungsbild geändert. Seine silberweißen Haare waren kurz
geschnitten und nach hinten gekämmt, ließen ihn somit viel
erwachsener wirken und unterstützten bewusst sein erhabenes
Gesamtbild. Der Lord der ehemaligen Ländereien war schon immer ein
Phänomen, dass sich die kleine Miko nie erklären konnte.
Er war viel zu schön, wobei sie dagegen aussah wie eine
Vogelscheuche. Nie hatte sie verstanden, wie sie zu einander gefunden
hatten. Mit Sicherheit wusste sie, dass ein großer Teil an der
gemeinsamen Vergangenheit dazu geführt hatte. Kagome kannte ihn
mittlerweile gut und er war ein Mann, der die Menschen nach seinen
Leistungen beurteilte.
Haben sie in ihrem Leben etwas erreicht, waren sie es Wert sich in
seiner Nähe aufhalten zu dürfen. Beim gemeinsamen Kampf gegen den
Spinnenhanyou hatte die junge Frau ihr Nutzen unter Beweis stellen
können. Ja, sie hatte sich seiner erwiesen, konnte seinen Respekt
dadurch erlangen.
Dennoch war sie nur ein unbedeutender Mensch.
Einer von vielen …
Traurig gestand sie sich ein, dass sie Welten von einander entfernt
waren. Die Lücke zu einander immer mehr aufklaffte, somit keine
Chance hatte jemals in eine gemeinsame Zukunft zu blicken.
Sie hatten unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft. Ihre
zierlichen Hände verkrampften sich in den teuren Stoff des schwarzen
Kleides, das sie nur für ihn trug. Stunden hatte sie damit verbracht, sich
für ihn hübsch zu machen.
Hatte sich auf diesen Abend gefreut, da sie ihn durch seine Arbeit nur
selten zu Gesicht bekam. Einzig allein die Nächte konnten sie miteinander
genießen. Aber sie war nur ein Mensch, ihr Körper demnach schwach
und sie musste irgendwann dem Drang zu ruhen nachgeben. Er hingegen
benötigte nur sehr selten schlaf. Dennoch blieb er an ihrer Seite, hielt
die kleine Frau, während sie schlief.
Noch immer spürte sie seine makellose Haut unter ihren Fingerspitzen.
Doch eines Tages würde sie das Gefühl vergessen, die gemeinsamen
Stunden verblassen, bis nur noch eine graue Masse zurückblieb.
Kläglich scheiterte sie daran, den heran bahnenden Laut der ihre Kehle
verließ, zu unterdrücken. Die Gedanken an das kommende zerriss ihr
naives Herz, dass immer an die wahre Liebe glaubte. Doch selbst die
größte Liebe kann nicht immer die größten Hürden überwinden.
Das wusste sie nun ...
Das hatte er ihr zweifelsohne unter Beweis gestellt.
Zittrig fuhr ihre Hand zu ihm, während ihre Augen flehend auf ihn
gerichtet waren. Noch ein letztes Mal würde sie versuchen, mit ihm zu
reden, versuchen ihn zu überzeugen bei ihr zu bleiben. Das Herz der Miko
schlug ihr bis zum Hals, hatte Angst davor wieder von ihm abgewiesen
zu werden. Sowie so viele Male heute Nacht.
»Sesshomaru ...«,
ihre zarte Stimme war so leise, dass es vom tobenden Unwetter außerhalb
verschluckt wurde. Doch der große Mann an ihrer Seite hörte jede Silbe,
ihr Flehen nach seiner Aufmerksamkeit. Hatte von Geburt an ein
übermenschliches Gehör.
Vorsichtig legte sich ihre kleine Hand über seine, die sich seit einiger Zeit
in das Lenkrad verkrampft hatte. Er spürte, wie sie zitterte. Roch ihre
Verzweiflung und Angst. Doch konnte er nicht anders, als sich unweigerlich
ein warnendes Knurren aus seiner Kehle löste. Sein Zeichen war mehr als
eindeutig. Keuchend wich sie zurück, versuchte etwas Abstand zu schaffen,
doch wurde sie von der Beifahrertür in ihrem Rücken aufgehalten.
»Bitte ...«,
dass zittern ihrer hellen Stimme, ließ seine Wut ins unermessliche ansteigen.
»Sei endlich still!«,
der laute Ton der seinen Mund verließ, war verzerrt, hatte keinen
menschlichen Ursprung mehr. Sein Youki stieg unweigerlich an, richtete sich
gegen die Miko, die vor entsetzen wie gelähmt auf dem Beifahrersitz kauerte.
Ihre zu Schock geweiteten Augen, lagen voller Angst auf dem Mann, der
seine ganze Aufmerksamkeit nun der zierlichen Frau schenkte.
Eine Hand hatte sie sich vor dem Mund gehalten, versuchte den stummen
Schrei, der ihre Kehle verließ zu dämpfen. Kalt sah er in ihre glasigen Augen,
die bereits vom Weinen rot gefärbt waren. Die Furcht, die von ihr ausging,
brannte in seiner Nase. Verkrampft schloss er seine Augen, wand sich von
dem zitternden Bündel ab und versuchte seinen inneren Sturm zu beruhigen,
der mit brachialer Wut auszubrechen drohte.
Nie hätte er ihr etwas antun können, doch in diesem Moment konnte der
Daiyoukai für nichts mehr garantieren. Viel zu hoch war die Chance die
schwache Frau zu verletzten und er konnte es in ihren Augen lesen, dass sie
es genauso wusste. Beide wussten, wie gefährlich er war, aber dennoch
musste Kagome den erbarmungslosen Mann bis aufs äußerste reizen.
Ätzende Säure bahnte sich den Weg nach oben, konnte nur knapp
verhindern, dass Galle ihren Mund verließ. Schmerzlich legte sie sich eine
Hand auf ihren Unterbauch, von dem ein unangenehmes Ziehen ausging.
Genau das war das Problem. Wie durch ein Wunder war die Miko von dem
Mann schwanger geworden. Erwartete ein Kind von einem Wesen, das solch
eine Verbindung verabscheute.
Die Wahrscheinlichkeit von so einem Geschöpf schwanger zu werden, war
im verschwindenden Bereich und dennoch gab es immer wieder Niederkünfte,
die aus dieser Art Bindung entstanden. Selbst sein Vater hatte vor 700 Jahren
diese Erfahrung mit der Mutter von Inu Yasha gemacht und nun war
Sesshomaru der nächste in seiner Ahnenreihe.
Kagome wusste, wie er zu diesem Thema stand, dennoch konnte sie ihm diese
Sache nicht weiterhin verschweigen. Irgendwann hätte er sein Kind in ihr
gerochen. Traurig richteten sich ihre Augen zu ihrer Hand, die sich schützend
um ihren noch flachen Bauch gelegt hatte. Der kleine goldene Ring, der um
ihrem Ringfinger lag, erhielt nun ihre volle Aufmerksamkeit.
Tatsächlich hatten sie vor irgendwann sich an einander zu binden, doch nun
waren sie in ihrer Beziehung an einen Punkt angekommen, an dem man sich
für oder gegen einander entschied.
Gedankenverloren strich sie über das nutzlose Stück Metall, dass keinen Wert
mehr für ihre zerbrochene Zukunft hatte.
Was sollte sie noch tun?
Der Mann hatte sich unabdingbar gegen sie und das Kind entschieden. Das
Lösen der Zentralverriegelung war zu hören, als Kagome die Beifahrertür
öffnete. Kalte Luft strömte in den Wagen, zerrte an der Kleidung der Insassen.
Für einen kurzen Moment hielt sie inne, doch dann wandte sie sich vom Inu ab
und stieg aus dem Wagen, trat in die regnerische Nacht hinaus. Mit leichter
Gewalt schloss sie seine Tür, während der kalte Regen sich erbarmungslos auf
ihren geschundenen Körper niederließ. Entschlossen lief sie in die Richtung,
aus der sie vor einiger Zeit gekommen waren.
Das Klicken der Tür holte das kalte Wesen zurück aus seinen Gedanken.
Seine goldenen Augen schauten auf den lehren Platz, in dem bis vor einem
Augenblick noch die kleine Miko gesessen hatte. Ihre Wärme, sowie ihr Geruch
hatte den Wagen verlassen. Stumm fuhr er mit seinen emotionslosen Augen
den Sitz ab, als etwas Glänzendes seine Aufmerksamkeit weckte. Neugierig
griff er nach dem Gegenstand, dass auf dem dunklen Armaturenbrett lag.
Als er seine Hand öffnete, sah er den kleinen Brillanten, der in einer
filigranen Galerie gebettet war. Der schmale Ring, den er Kagome geschenkt
hatte, lag zurückgelassen in seiner großen Hand und er wusste, dass er mit
seinem Verhalten die Beziehung zu der kleinen Frau beendet hatte.
Unterdessen war Kagome bereits ein gutes Stück vorangekommen. Bibbernd
rieb sie sich ihre kalten Gliedmaßen. Sie trug keine Jacke bei sich, da sie nicht
davon ausgegangen war, inmitten einer Pampa verlassen zu werden. Der
Regen peitschte ihr ins Gesicht und sie gestand sich ein, dass sie eine
Närrin war.
Wie konnte sie nur glauben, dass er sich eventuell über ein Kind freuen würde?
Die Tränen brannten mittlerweile in ihren Augen, versuchte diese verräterische
Flüssigkeit aus ihrem geröteten Gesicht zu streichen. Das half ihr auch nicht weiter.
Plötzlich griff etwas nach ihrer Hand, riss sie herum und sie landete mit einem
keuchen an einer harten Männerbrust. Zärtlich legte sich eine große warme Hand
auf ihren nassen Schopf, drückte die kleine Frau fester an sich, während sich der
andere Arm um ihren zitternden Rücken legte. Der Geruch, der ihr entgegentrat,
trieb ihr die Tränen in die Augen.
Sie erkannte das Aftershave wieder, dass sie ihm vor einiger Zeit selbst
geschenkt hatte. Verkrampft hielt sie sich wie eine Ertrinkende an seinem Hemd
fest, konnte nicht fassen, dass er zu ihr zurückgekommen war. Nach kurzer Zeit
ließ er von ihr ab, zog sein dunkelblaues Jackett aus und legte diese schützend
über die frierende Frau vor sich. Zärtlich wischte er mit seinen Daumen die Tränen
von ihrem Gesicht, sah sie dabei ernst an.
»Kleine Miko, ich wäre ein Narr, wenn ich es dabei belassen hätte!«,
seine Stimme klang aufrichtig. Ohne Umschweife griff er nach ihrer Hand, brachte
das Kleinod wieder an die ursprüngliche Stelle zurück.
Als er damit fertig war, zog er die kleine zitternde Frau wieder an sich, drückte
ihr Gesicht an seine Brust und spendete ihr Trost. Er hörte ihr Herz schlagen, war
glücklich darüber, dass sie ihn nach der Aktion nicht von sich wies.
Eine Weile standen sie fest umschlungen im Regen.
»Lass uns nach Hause gehen!«,
kam die Aufforderung von dem großen Mann. Er bemerkte wie sie an seiner Brust
gebettet ihren Kopf nickte, nochmals schniefte und ein kleines glückliches
Glucksen von sich gab. Erleichtert hob er die schwarzhaarige Frau hoch, brachte
ihr erstauntes Gesicht auf Augenhöhe, bevor er sich einen kleinen zärtlichen Kuss
von der Miko stahl.
Egal was in Zukunft auf die beiden zukommen würde, sie werden es gemeinsam
bewältigen. Glücklich umschlang sie seinen Hals, genoss seine Nähe, während er
mit seiner zukünftigen Frau zurück zum Wagen lief.