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Der Heimkehrer

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Der Heimkehrer

Das Reiseshuttle von General Mathias Jörgner landete auf dem Mars. Schlurfend schritt er die Stufen hinab. Immer wieder stolperte er leicht oder sprang gleich mehrere Stufen auf einmal hinab. Die Touristen um ihn herum hatten dasselbe Problem. Auf Proxima hatte er die Schwerkraft als stärker empfunden, obwohl sie identisch mit der des Mars war. Proxima. Der Gedanke ließ ihn nicht los. Mal wieder driftete sein Geist zu diesem Krieg hin ab. Wie hatten diese Körperparasiten es geschafft gegen eine halbautonome Armee zu gewinnen? Der Kaiser hatte ihn in sein Quartier eingeladen, um den Bericht zu hören. Bisher hatte er darauf aber noch keine Antwort. Sie hatten von den Fähigkeiten der Proximaler gewusst (diese verfluchten Weißblüter!) und deshalb nur Roboter und einen kleinen Stab an Generälen geschickt. Irgendwie hatten sie die Menschen aber trotzdem überlistet. Der Grund für das Durchsickern der Pläne war auch nach dem Abzug noch nicht geklärt. Sicher hatten sie es geschafft einen der Generäle zu übernehmen. Genau. So musste es gewesen sein. Irgendeinen von seinen Kollegen würde er ans Messer liefern können. Er nickte selbstbewusster. So würde er es dem Kaiser berichten. Ein Schwebetaxi landete vor ihm auf der Landeplattform. Kurz darauf flogen sie hinab in die Marshauptstadt Aris.
 

Während des Flugs blickte Mathias trübsinnig auf den Werbebildschirm im Inneren. Das Taxi hatte bereits nach wenigen Sekunden seine Daten abgerufen und sendete ihm nun alle Klatschmeldungen, die er in den letzten zwölf Monaten verpasst hatte.

Lesley Merkel: "Warum ich weder Pazifisten noch Patrioten unterstütze!"

Die neuen Geliebten des Kaisers: Er erklärt uns im Interview warum dieses Mal nur eine Zwölfjährige in seinem Harem ist!

Oberbefehlshaberin Embers und ihr proximianischer Geliebter!

Mathias schaltete ab. Die allgemeine Stimmung hatte sich also nicht geändert. Alle waren noch genau so kriegsmüde und egozentrisch wie vor seinem Abflug. Und er war immer noch so fett und kahl wie seit mehreren Marsjahren. Wenigstens die Fettabsaugung während des Kryoschlafes hätte funktionieren sollen. Dann hätte der ganze Krieg wenigstens einem genützt. Warum ziehen wir überhaupt noch gegen alle möglichen Systeme in den Krieg? Der Mars hatte alle Rohstoffe, die er brauchte. Neue Angriffsarmeen waren nur Verschwendung in einem eigentlich perfekt ausgeglichenem Wirtschaftssystem.

"Vielleicht hat der Kaiser den Krieg ja nur angezettelt, um von seinen merkwürdigen Vorlieben abzulenken." mutmaßte er bei sich.

"Wenn sich niemand hier für den Krieg interessiert wird ihm das nicht viel nützen.", äußerte sich plötzlich der Taxipilot. Mathias fuhr erschrocken zusammen. War hier allen Ernstes ein menschlicher Pilot? Wo gab es denn noch so etwas? Er beugte sich vor, um durch die Scheibe in den Steuerbereich zu blicken. Da saß tatsächlich ein Mann mittleren Alters, schätzungsweise Anfang zwanzig, schwarze Haare struppiger Vollbart. Seine trüben Augen musterten zurück.

"Warum... Fliegen sie dieses… Taxi?" brachte er mühsam hervor.

"Das Amt meine es wäre nur ein Übergangsjob." erklärte er trocken "Ist gar nicht so leicht einem Roboter den Job zu klauen. Aber trotzdem schön mal auf diese Art zurückzuschlagen." Er lache ausgelassen. Mathias lächelte ebenfalls. Er schien zumindest normal zu sein.

"Was haben sie vorher gearbeitet?"

"Ich war Major in der Armee." Ein Kollege also.

"Und man hat sich einfach entlassen?" Befehlshabende waren in der fast vollständig autonomen Armee die einzige Personalie, die es noch zu halten galt.

"Ja. Das war nach der Reform. Man wurde nur behalten, wenn man mindestens General ist. Die militärischen Richtlinien zur Menge der zu befehlenden Soldaten sind extrem schlecht in die Roboterarmee eingebunden worden, das sieht man daran, dass jetzt drei Generäle eine ganze Invasion leiten müssen." verächtlich blickte er auf ein Rekrutierungsplakat am Rand der Flugbahn. "Was arbeiten sie denn so?" Mathias errötete leicht.

"Ich, ähm...naja." stammelte er. Der Taxipilot lachte.

"Sie tragen ihre Uniform! Meine Güte." rief er glucksend" Glauben sich wirklich ich erkenne nicht die Generalsscherpe?"

"Ja...he he. Das war...wirklich durchschaubar." seufzte er. Hatte er gerade richtig reagiert?

"Möchten sie mit mir über die aktuelle Kriegslage plaudern oder sind sie bereits so kriegsmüde wie Lesley Merkel?", fragte er nach einer Weile.

"Nein. Ich rede gerne mit jemandem der etwas vom Krieg versteht. KI sind in diesem Punkt zu nichts zu gebrauchen"

"Wie viele befehlshabende Menschen gibt es momentan eigentlich noch?"

"Knapp ein Dutzend. Die Hälfte davon ist allerdings auf Terra zu Friedensverhandlungen abkommandiert. Und die Oberbefehlshaberin…" er brach ab.

"Treibt sie sich immer noch in den Luna-Bordellen rum?", fragte der Taxifahrer. Mathias seufzte resigniert. "Das Militär ist wirklich verkommen. Angefangen damit, dass sie als General ein normales Taxi nehmen müssen." fuhr er fort. Der General nickte. Hätte ihm etwa eine Limousine zur Verfügung gestanden?

"Wohin soll ich sie eigentlich fliegen?"

"Habe ich das noch nicht eingegeben?", fragte Mathias verwirrt.

"Nein. Bei menschlichen Piloten gibt es kein Eingabefeld. Sie müssen es mir leider direkt sagen."

"Verstehe. Das ist für sie manchmal bestimmt nicht einfach." sagte er verdattert.

"Allerdings. Aber die sinnlos geflogenen Meilen sind ein willkommenes Trinkgeld." wieder dieses schallende Lachen.

"Dann bitte zum Kaiserpalast." Der Taxipilot nickte und wendete.

"Erzählen sie mir doch jetzt vom letzten Krieg auf Proxima.", bat er nach einer Weile.

"Nun ja." begann er nachdenklich "Gegen diese Körperfresser waren wir eigentlich perfekt vorbereitet. Aber sie haben unsere Schwachstelle gefunden." Es war eine gute Möglichkeit das Vorsprechen beim Kaiser zu üben.

"Welche Schwachstelle?"

"Menschliche Generäle."

"Das ist wirklich bedauerlich."

"Das ist es, allerdings." stimmte er verbittert zu. Das Schwebetaxi hielt nach einer Weile vor einer pompösen Säule, die als Eingang in den unterirdischen Kaiserpalast diente.

"Wir sind da." Die Tür öffnete sich General Mathias Jörgner stieg aus.

"Hoffentlich sehen wir uns bald wieder."

"Das hoffe ich auch." der Taxipilot blickte nachdenklich durch die Frontscheibe "Sie sind ein wirklich guter Konversationspartner." Mathias runzelte die Stirn. War das mittlerweile die bevorzugte Sprechweise? Ein Jahr war wirklich zu lange. Er wandte sich von ihm ab und schritt die Stufen zum Palast hinauf. Die Säule hatte unbedingt edel aussehen müssen. Dreißig Meter hoch, komplett aus Edelmetallen und eine riesige Mosaik Abbildung des Kaisers aus denselben Metallen. Obwohl sie damit der größte Sicherheitsmangel des Palastes war. Jeder terranische Angriffstrupp versuchte als allererstes diese Säule abzuschießen. Kopfschüttelnd ging er die Treppen hinauf.
 

Noch bevor er an der ersten Sicherheitsschranke ankam, fing ihn ein Anzugträger, flankiert von zwei Palastwachen, ab.

"General Jörgner. Sie sind mit einem persönlichen Auftrag des Kaisers beauftragt." rief er feierlich. Seine Stimme klang hohl.

"Worum geht es?", fragte er salutierend.

"Sie müssen sich sofort in die Kommandozentrale begeben und Oberbefehlshaberin Embers liquidieren.", befahl er kalt und tonlos. Was sollte, dass den plötzlich?

"Warum dass den?", fragte er bestürzt.

"Wir haben Hinweise darauf, dass Frau Embers in Wahrheit eine Proximianerin ist." Mathias schwankte übertrieben. Proximaler? Hier! Das konnte nicht wahr sein. Die Geschwindigkeiten sie benötigt hätten, um ihnen zu folgen…

"Ich verlange mit dem Kaiser persönlich darüber zu sprechen." donnerte er dann und schob sich zwischen den Wachen durch. Das konnte doch nur ein Fehler sein. Embers konnte gar nicht von den Proximianern übernommen worden sein.

"Sie werden zu gegebener Zeit zum Kaiser geführt werden. Doch nun befolgen sie ihre aktuelle Mission Oberbefehlshaberin Embers zu töten." wiedersprach der Mann. Seine Sprechweise war dermaßen hohl… Der Kaiser würde so einen Clown niemals einstellen. Dieser Anzugträger war ganz sicher kein Mensch. Aber...wenn er wirklich ein Proximaler war, wieso spielte er dieser Rolle?

"Ich glaube, nicht dass sie berechtigt sind mir einen Befehl von solcher Tragweite zu erteilen." Er wandte sich zum Gehen um.

"Wenn sie jetzt verschwinden werden sie ohne Prozess liquidiert werden." Mathias überlegte kurz. Einen Versuch war es wert.

"Wie lautet das Invasionspasswort?"

"Klatsch.", antwortete der Anzugträger. Sofort drehte sich Mathias um die eigene Achse und schoss mit seiner Laserpistole aus der Hüfte. Der Schuss traf. Eine weiße glibberartige Flüssigkeit spritzte dem Mann aus der Brust. Mit einem Seufzen ging er zu Boden. Die beiden Soldaten zückten ihre Waffen, doch Mathias war schneller. Ein Hagel von Schüssen erleuchtete die Pforten zum Kaiserpalast.
 

Der Taxipilot schreckte aus seinen Gedanken hoch, als Mathias seinen massigen Körper gegen die Beifahrerscheibe warf. Er entriegelte die Tür. Nur Sekunden später plumpste der General auf den Beifahrersitz.

"Haben sie etwas vergessen?", fragte er ihn verwundert.

"Fahren sie! Sofort!" rief er, während er seine Pistole aus dem Fenster hinaus auf die anrennenden Soldaten richtete. Erstaunlicherweise reagierte der Pilot auf seine Anweisung und startete sofort den Motor. Wenig später schwebten sie sicher im Berufsverkehr.

"Das ist eine verdammte Invasion!" keuchte Mathias nach einigen Minuten "Die Proximaler greifen an. Sie sind überall."

"Ernsthaft?" der Taxipilot blinzelte. Nach einer Weile sagte er: "Ich glaube ihnen."

"Wir müssen sofort zur Kommandozentrale!" ,plapperte er, dankbar für seinen Verbündeten. "Solange sie noch nicht alle Krater eingenommen haben, gibt es noch Hoffnung." Sein Blick blieb an dem Taxipiloten hängen. "Sind sie noch als Kommandierender zu gebrauchen?"

"Selbstverständlich.", sagte er knapp und beschleunigte auf das Doppelte.
 

Nach ein paar Schusswechseln mit verschiedenen Wachen, die sich nicht alle als Menschen hatten ausweisen können (nur etwa siebzig Prozent hatten den Schnitttest bestanden und waren nicht weiß ausgelaufen) stürmten sie systematisch die Flure der Kommandozentrale. Dank der Autorität des Generals hatte es kaum Überzeugungskraft gebraucht die Soldaten dazu zu bringen. Nun hatten sie eine rein menschliche Truppe. Es wurden bereits an manchen Stellen die Sicherheitstüren geschlossen, um ihren Vorstoß zu bremsen. Wie weit war die Invasion schon vorangegangen?

"Mit lebenden Soldaten sind wir völlig hilflos." knurrte Mathias und erschoss einen ihnen entgegenkommenden Soldaten. Rotes Blut spritzte an die Wand. Schade. Schon wieder ein Mensch. Kurz darauf kamen sie vor der Kommandobrücke an. Der General befahl den Soldaten die restlichen Flure zu sichern. Nur drei von ihnen begleiteten sie. Nach einen Netzhautscan öffnete sich die Tür. Die Kommandozentrale war übersät mit den toten Körpern zahlloser Soldaten. Aus manchen sicherte weißes Blut, aus anderen rotes. Die junge blonde Oberbefehlshaberin Katharina Embers saß in einem grauen Kommandosessel am Ende des Raumes zwischen den verschiedenen Schalttischen. Ihre Pistole hielt sie konsequent auf die Eindringlinge gerichtet. Sofort erschoss sie zwei der Soldaten, noch ehe einer der Fünf reagieren konnte. Gräuliche Masse spritzte.

"Scheiße! Ich dachte das waren alles Menschen?" rief der Taxipilot bestürzt. Er überprüfte kurz den Schnitt an den Händen der Toten "Wir haben die uns hereingelegt?"

"Was sind Sie bitte für Idioten? Eine winzige Blutkonserve unter einer falschen Haut ist der älteste Trick dieser Körperfresser." stöhnte Embers resigniert und schlug sich theatralisch mit der flachen Hand gegen die Stirn. Trotzdem senkte sie ihre Waffe keinen Millimeter. Die Spannung nahm immer mehr zu, niemand wusste, wer was war. Aber es wollte sich auch keiner zu unüberlegten Angriffen auf die Verbündeten verleiten lassen. Der Taxifahrer schoss dem anderen Soldaten ins Knie. Rotes Blut spritzte. Er ging wahnsinnig schreiend zu Boden.

"Was sollte, dass denn?", fragte Embers erbost und zielte auf den ehemaligen Major.

"Ich dachte...er wäre ein Replikant." stotterte er, aschfahl im Gesicht.

"Idiot!", schrie der Soldat. Irgendwer musste dringend sein Knie versorgen ehe er verblutete. Doch keiner der anderen Anwesenden schien sich im Moment darum kümmern zu wollen.

"Konzentrieren wir uns! Wir können nicht sicher sagen, wer von uns ein Proximaler ist. Wir werden also nach dem Ausschlussprinzip…" Embers unterbrach ihn schroff.

"Ihnen ist bewusst, dass es mehrere Rassen von Proximianern gibt." die drei Männer schauten sie dumm an. "Weiße und Graue. Ihre ach so treuen Soldaten waren Graue. Die Grauen können, im Gegensatz zu den Weißen, ihre Masse weit ins Innere ihres Wirtes zurückziehen und sind damit vor einem einfachen Bluttest sicher. Wie wollen sie unter diesen Umständen einen nachprüfbaren Beweis erzielen?"

Der Taxipilot schoss plötzlich auf die Oberbefehlshaberin. Sie ging weißen Schleim heraus würgend in die Knie. Sofort schoss sie zurück. Mathias rollte sich in Deckung, da er eine nur zu verlockende Zielscheibe war. Der Taxipilot stand starr im Raum.

"Sie sind...keine Graue?", bemerkte er. Doch die Erkenntnis kam zu spät. Ein Schuss durchschlug seine Brust. Er ging zu Boden. Eine weiße Schleimpfütze breitete sich unter ihm aus.

"Scheiße! Ist denn hier kein einziger Marsianer?" rief Mathias mit einer Mischung aus Entsetzten, Belustigung und der Erkenntnis über seiner eigene Dummheit.

"Was...ist hier eigentlich los?" röchelte Embers.

"Er ist ein Grauer. Diese Idioten... Haben zeitgleich mit uns eine… Invasion gestartet." hustete der Taxipilot. Laut ihrem Plan war es nicht vorgesehen Mathias Jörgner zu übernehmen. Er hätte in die Kommandozentrale gelotst werden sollen um die Roboter vor zu aktivieren. Sie hätten sie anschließend gegen die restlichen Marsianer eingesetzt. Aber er hatte im Flugtaxi diese kleinen Abweichungen entdeckt. Der Graue hatte wie auch er das menschliche Verhalten nicht vollends kopieren können. Die Reaktion beim Kaiservorhof war ebenfalls unnormal gewesen. Das hatte ihn sosehr verunsichert, dass er nun auf seine Verbündete geschossen hatte.

"Richtig." erklärte Mathias "Und mir untersteht nun die Roboterarmee der Marsianer." er lächelte hochmütig "Dieser Planet gehört so gut wie...uns." ein Klumpen grauen Schleimes rollte ihm aus dem Mund. Langsam verschwamm seine Sicht und er verlor das Gleichgewicht. Im Fall sah er noch das wutverzerrte Gesicht des verletzten roten. Mit ihm hatte er gar nicht mehr gerechnet.

"Den Mars...den... Menschen…" Mathias kam mit dem Kopf voran auf dem Metallboden auf. Es schepperte. Sein Blick sprang auf die zwei toten Weißen, rüber zu dem toten Roten. Was für ein Desaster. Er selbst hätte auch merken können, dass etwas mit dem Taxifahrer nicht stimmte, aber stattdessen war er mitten in die Falle der Weißen gestolpert. Die ganze Invasion würde unglaublich hohe Verlustquoten verursachen. Die Ressourcen, die sie dafür aufgewendet hatten, waren ebenfalls verloren. Der Blick des Sterbenden ruhte nun auf den Bildschirmen der Kommandozentrale. Von hier aus überblickte er die ganze Stadt. Draußen nahm die Zerstörung exponentiell zu. Abstürzende Drohnen und Shuttles zierten den Horizont. Es kam mancherorts bereits zu den ersten Schusswechseln. Wer da wohl gegen wen kämpfte?



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