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1oo1 Weihnacht

25. Türchen des Fanfiction-Adventskalenders 2o19
von

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1oo1 Weihnacht


 

1oo1 Weihnacht

Bis zum letzten Atemzug
 

Seine Augen wandten sich ab, von all dem Trubel.

Musik, Gelächter, Stimmen, so viele, dass er sie kaum zählen konnte.

Er hätte in dem kleinen Hotelzimmer bleiben sollen, sich verbarrikadieren, all dem entfliehen, so, wie er seit jeher tat.

Es schmerzte ihn, zerrte an ihm.

All die Reize, die seine Sinne vernebelten, all diese schlagenden Herzen, all das Blut, das den Menschen Leben verlieh.

Rasch schlug er den Kragen des Mantels hoch, suchte Schutz, musste dem Drängen entkommen, der Begierde, die mit jedem Pochen Aufwind bekam, das ihm entgegeneilte.

Pulsierend, brennend.

Die Versuchung, so verheißungsvoll, lauerte hinter jeder Tür, jedem Fenster, begegnete ihm auf offener Straße.

Es war nicht fair, ein Leben als dunkle Kreatur zu fristen.

Ständig der Verlockung ausgesetzt, immer auf der Hut, nirgends ein Ort, an dem es Wärme für ihn gab.
 

Einst war er ein Feldherr, hatte Ruhm erlangt, wurde von den schönsten Frauen umgarnt, doch sein Herz gehörte nur der Einen.

Ein Mädchen, so rein und voller Unschuld, dass es ihn zerriss, wenn er sich der Grausamkeiten entsann.

Männer, Fremde, Legionssoldaten waren es, die in die Stadt einfielen, Schätze und Frauen nahmen, mordeten, vernichteten.

Sie, das liebliche Kind, wurde ihm geraubt.

Er fand ihren leblosen, geschändeten Leib inmitten der Trümmer.

Die Rache war es, die ihn zur Jagd trieb, über die Grenzen des Landes hinweg, fort von dem Unheil, fort von dem Schmerz.

Sein Schwur, jene zu finden, ihnen den Verrat, den Verlust zu vergelten, bis auch den Letzten unter ihnen der Odem verließ, machte ihn mächtig, unbeugsam.

Er durchstreifte den Kontinent, bis hoch in den Norden.

Schnee und Eis nahmen ihm Mut und Sicht, doch sein Wille blieb ungebrochen.

Als sein Schwert den Leib des Flüchtigen durchbohrte, war ihm, als sei ihm eine Gnade zuteil.

Zu seinem Unbill blieb sein Tun nicht unbemerkt.

Die Schwester des Mörders sah jenen Akt, war erfüllt von Zorn und Trauer.

Jenes Weib war es, das sich der Zauberkunst erwies und ihm ein Schicksal angedachte, dessen Faden ihn an ein Leben aus Qual und Schuld band.

»Für das Grauen deiner Gewalt, sei dir ein Funken in all dem Elend beschert.« Die mächtige Frau erhob sich, sprach Worte, so fremd, dass ihm das Lauschen nicht nur die Sinne nahm. »Dein Leben sei lang und von Unglück erfüllt. Dein Dasein soll dir Last und Fluch sein. Dein Herz jedoch wird fortbestehen, bis sich dir deine Getreue zu erkennen gibt. Die Zeit soll dein Verderben sein, das Warten dir Leid. Ohne Rast, ohne Ruh'. Du sollst sie haben, so du ihr denn habhaft wirst.«
 

So strich er durch die Welt, sah Städte brennen, Länder von Karten schwinden, Kriege und Schlachten, Not und Elend, Sterben und Leben.

Hoffnungen, die Ketten sprengten, Ideen aufkeimen und im Sande vergehen.

Erlebte Kaiser und Könige, dunkle Jahrzehnte, Fortschritt und Verderben, Katastrophen und Seuchen.

Doch nichts vermochte ihm Einhalt gebieten.

So sehr er sich nach dem Ende sehnte, niemand half ihm, der Qual zu entrinnen.

Kein Gift, keine Kugel, kein Schlag mit Waffen.

Die Menschheit kehrte stets dem Vergangenen den Rücken, lernte nicht und obschon sie nicht vergaß, pflügten Revolutionen, Maschinen, Angst, Furcht und Tod ihren Weg.

Heilige und Sünder, Gläubige und Fanatiker.

Diese Welt war kein reiner Ort – Wo sollte er suchen? Wo sollte er finden?
 

Jahre vergingen, wurden zu Jahrhunderten, denen Jahrtausende folgten.

Doch nie war er ihr begegnet.

Da man ihm die Entscheidung nahm, war es an ihm, still zu verharren und sich fügen.

Friss, oder du wurdest gefressen.

Überleben um des Lebenswillen?

Töten um zu retten, was nie hätte gerettet werden sollen?
 

Ihm zuckten die Finger beim Gedanken daran, wie zart und weich ihm der Quell unter den Lippen bebte.

Dieses räudige Weib verdarb ihm den Genuss nach Wärme und Geborgenheit.

Wimmernd und sehnend lag das Mädchen in seinen Armen, war seinem Charme verfallen, willig.

Dieses Biest hatte ihn verdammt, ihn mehr dem Tier statt des Menschen überlassen.

Wartend sahen die himmelblauen Augen des Kindes zu ihm auf.

Diese Hexe, noch immer schlich sie in seinen Gedanken umher, labte sich an jenem Elend, das sein Dasein beschrieb.

Er würde ewig sein.

Und allein.

Die Stimme seiner Gefährtin drang an sein Gehör.

Verführerisch, lieblich, schmeichelnd.

Sie bat und er würde ihr geben, sich nehmen, was sie bereitwillig darbot.

Sie würde vergessen.

Ihn, seinen Namen.

Er hatte gelernt Spuren zu verwischen, war schnell und wendig, raffiniert und talentiert mit Worten.

Er glich einem Dieb, dem es gelang, sich stets aus der Affäre zu ziehen.

Er machte sich die Oberflächlichkeit der Menschheit zu nutze.

Lernte, erfand, umging und beging.

Mit den Jahren war es ihm ein Leichtes, zu täuschen und zu gaunern.

Adrett war er in seiner Erscheinung, passte sich der Zeit, dem Leben dieser armen Geschöpfe an, die Seinesgleichen schmachtend und lechzend als Mystik abtaten und sich dennoch der Vorstellung erwogen, das, was er war, wäre ein Symbol für Reiz und Lust.

Wider dem Blutdurst, wohlklingend, erotisierend und schimmernd.

Er belächelte die Umschreibungen der Künstler, die die Feder des freien Wortes führten.

Bewundernswert war ihm jedoch die Fantasie, mit derer die Schreiber zu Werke gingen, um einen solchen wie ihn benennen zu können.

Vampir – Ein Wesen, voll Grauen, Gram und Grausamkeiten.

Er vertilgte mit Freuden das Blut jener, die sich ihm willenlos zeigten.

Sein Hunger, schier unermesslich, ließ ganze Landstriche erlöschen.

Er jagte, erlegte und verschwand.
 

Die letzten Tropfen des heißen Saftes rannen ihm die Kehle hinab.

In dem kleinen Pub gab es nicht viel, das ihn erfreute.

Der Wirt, ein mürrisch dreinblickender Mann, polierte die letzten Gläser, ehe er ihm auftrug, die Schänke zu verlassen.

Zu lang war er durch die Straßen gezogen, war versucht, den Massen, die sich zu dieser Jahreszeit dem Fest der Liebe und Familie ergaben, zu entkommen.

All diese Innigkeit, die nur dann aus allen Poren kroch, weil es Gebote und die Moderne verlangten. Herrschern und ihren Schergen war es einerlei, dass eine Festivität um Reue und Respekt bettelte. Doch die Menschen forderten. Das taten sie immer schon.

Wollten dem Schlechten entwischen, wenngleich auch nur für einen kurzen Moment in ihrem kümmerlichen Dasein. Sie brauchten Halt, suchten ihn bei anderen und behaupteten, dass die Tage der Versöhnung gekommen seien.

Er hatte zu viel gesehen, erfahren, als dass er diesen Behauptungen Beachtung schenkte. Schlimme Menschen, die einander ihre Gräueltaten zuschoben oder Religionen dafür als Sündenbock nutzten, um im Namen dieser zu morden und einen Willen aufzuzwingen, der nie bewiesen und belegt worden war.

So verließ er den Pub, aufrecht, nicht schwankend.

Er hatte sich genährt, von dem Kind mit den rosigen Wangen und war dann für einen Umtrunk in das einzige Wirtshaus eingekehrt.

Das Blut des Mädchens half ihm, zu bewahren, seiner Selbst zu erhalten. Es berauschte ihn mehr, als es der Fusel tat, den er orderte.

Er hatte gelernt, beherrscht zu sein, nicht zu viel zu nehmen, um diese kleinen Seelen nicht zu zerstören und so lang es Menschen gab, würde es auch ihn geben.

Er würde suchen, und nicht ruhen, um sich seiner Gefährtin zu offenbaren.

Zeit war ihm nicht mehr als ein lästiger Begleiter.

Sie trabte neben ihm her, schweigend.

Sie lachte nicht, weinte nicht, zeigte keinerlei Regung, ihm jene Schmach zu versüßen.

Er hatte alle Länder dieser Welt bereist, war in die entlegensten Winkel gekrochen, wollte Heilung und wenn nicht diese, dann den Tod.

Niemand nahm sich seiner an, und keines dieser Kreaturen vermochte er als die Seine erkennen.

Ihm war, als lache diese garstige Frau über ihn, belog ihn noch immer.

Er hatte versucht, ihrer habhaft zu werden, doch die Vergeltung blieb ihm versagt und keiner der alten Götter bot ihm Linderung.
 

Automobile jagten an ihm vorüber. Das Dröhnen der Hupen scheuchte ihn auf den Gehweg zurück.

Weit war sein Weg.

Ein Fremder, in einer ihm nicht fremden Stadt.

Bunte Lichter, schnelle, trällernde Worte, die London auf das Weihnachtsfest einstimmten.

Er schnaubte, verächtlich.

Diese Kleingeister, diese Unwissenden.

Es gab so viele Heiler, wie es Scharlatane gab.

So viele Wunder, wie Verderben.

Er hielt inne.

Etwas stach ihm in die Nase.

Der süßliche Duft des Todes hatte ihn zu oft umgarnt.

Etwas quoll über, floss den Rinnstein hinab.

Kreischende Frauen, Lärm und Wirren zeigten sich ihm.

Ein Traube an Menschen versammelte sich der kleinen Gasse, unweit der Covent Garden Station entfernt.

Er spürte den Tod, ehe es die anderen taten.

Sein Blick fiel auf etwas, das einst menschlich war.

Noch vernahm er das schlagende Herz, das alsbald sein Lied verlor.

»He, Sie!« Der Passant zeigte sich höchst unerfreut, als man ihn grob beiseite stieß.

Die großen Hände des Fremden langten nach der Gestalt, deren Leib beinahe nichts Warmes mehr in sich barg.

»Ruft einen Krankenwagen!«

»Nein, haltet den Typen fest!«

»Helft dem Mädchen! Sucht diesen Motorradfahrer!«

»Das Fahren ist hier verboten, wo ist dieser Mistkerl?!«

Wut und Hilflosigkeit zeigte sich in den Mienen der untätig bleibenden Masse.

»Wenn Sie kein Arzt sind, dann lassen Sie sie in Ruhe!«, empörte sich eine Frau.

Doch all diese Silben verschwammen, erloschen.

Nichts um ihn herum schien mehr von Bedeutung.

Nicht diese armen Seelen, die seiner Gunst nicht Wert waren.

Ihm kribbelten die Fingerspitzen und das, was einst sein Herz gewesen sein mochte, erklang mit den kümmerlichen Lauten, die jenes Kind am Leben hielten.

Blut sickerte dem Opfer aus der Wunde, mischte das helle Haar dunkler. Klebrig und heiß rann ihm das Leben der jungen Frau über die Hände.

»Bitte«, brüchig, kaum hörbar erfüllte ihre Stimme seine Ohren. »Bitte, helfen Sie mir oder lassen Sie mich sterben!«

Die Lippen rührten sich kaum, doch der Fremde vernahm den Hauch, so schwach er auch sein mochte.

Es würde schmerzlos sein, entschied er.

Sie solle Frieden finden, auch wenn ihr Ableben den Menschen, die ihr nahe waren, die Hölle auf Erden bescherte.

»Es geht schnell«, versprach er.

Seine Finger fanden die Kehle des Mädchens, fühlten den schwindenden Puls.

Erleichterung erfüllte den Mop, da schrille Töne den Rettungswagen ankündigten.

Ein letztes Mal noch würde er sich der Zustimmung des Kindes versichern, ehe er ihm Erlösung schenkte.

Die Knochen waren ihr gebrochen, zersplittert, ragten aus dem Fleisch heraus, durchbohrten den derben Stoff der Hose, tränkten ihn mit dem duftenden Saft des Seins.

Sein Blick fiel auf das geschundene, von Dreck und Blut verschmutzte Gesicht.

Er wäre ihr Retter, ihr Erlöser.

»Bitte.« Ihr bebten die Lippen, heiße Tränen nahmen all den Unrat mit sich und ließen eine Spur Reinheit zurück.

Hell schimmernd zeigte sich die blasse Haut.

Unbehagen überwältigte ihn.

Einem willigen Geschöpf gewogen sein, teilen und ziehen zu lassen, erschien ihm ein guter Weg.

Sie kamen aus freien Stücken, boten sich dar.

Doch einem unschuldigen Wesen das zu nehmen, was es ausmachte, ließ ihn zögern.

Gemurmel mischte sich unter die Hektik des Augenblicks.

Lichter, so bunt, Töne so betäubend und das Rauschen all des Blutes.

Er wandte sich ab.

Seine Finger ließen von ihr.

Der Geruch des Lebens umnebelte ihm den Verstand.

Sie würde nicht gehen, nicht, wenn es an ihm war, zu heilen.

Rasch, unbemerkt der Blicke, fuhren ihm die Fänge in die Daumenkuppe.

Sein eigen Blut drang aus der Wunder hervor.

Flink strich er dem Mädchen über die blassen Lippen.

»Nimm es, es ist noch nicht deine Zeit.« Sein Raunen war ihr Anlass genug, den fordernden Worten nachzukommen.

Er sah nicht mehr, wie ihre Zunge hervorblitzte, und den metallenen Saft mit sich nahm.

Sanitäter eilten herbei, Verwunderung wallte auf, da der Fremde nicht mehr zu erspähen war.

Sie sah das Licht, blinzelte und verlor sich dann in der vollkommenen Dunkelheit.
 

Ihr Duft klebte noch immer an ihm.

Er hatte sie verschont.

Ob er sie zu Seinesgleichen wandelte, war ihm mehr Gram, als er ertrug.

Noch nie war ihm jemand begegnet, dem ein ebensolches Schicksal zuteil geworden war.

Seine Schritte lenkten ihn über die Hauptverkehrsader hinweg.

Flink, lautlos.

Er würde diesen Kerl aufspüren, jagen.

Zu seiner Verblüffung gelang ihm das Vorhaben binnen kürzester Zeit.

Das Blut der Frau haftete an Reifen und Lack des zweirädrigen Gefährts.

Nachlässig lehnte das Motorrad an einer Hauswand.

Rote Lampen warfen ihren Schein auf den Gehweg hinaus, luden Gäste zum Verweilen ein.

Schweiß und Alkohol wiesen ihm die Richtung.

Dieses Etablissement begrüßte die willigen Kunden mit den harten Klängen einer kreischenden Gitarre.

Ein Berg von einem Mann verharrte vor dem tiefroten Vorhang, der den Eingang in die Räumlichkeiten beschrieb.

Der Türsteher musterte den Fremden, ließ ihn jedoch ohne Einwände passieren.

Stroboskope Lichter flimmerten und flackerten zu den Beats, die diese Kreaturen als Musik beschrieben.

Leichte Mädchen staksten auf hohen Hacken an ihm vorüber, boten Getränke und Gesellschaft an.

Widerlich war ihm der Geruch der parfümierten Damen, der staubige Nebel, der den Podest umhüllte, wann immer eines dieser Wesen seinen Leib zur Schau trug.

Alkohol, Schweiß und Lüsternheit drangen aus jeder Ritze, doch obschon die Versuchung groß und die Geschöpfe willig waren, marschierte er geradewegs auf den hinteren Bereich des Privatclubs zu.

Niemand hinderte ihn am Eintritt.

Krachend flog die Tür beinahe aus den Angeln.

Dort, auf dem dunklen Sofa, saß dieser Abschaum der Menschheit.

Lachend, trinkend, nach den Brüsten der Dame lechzend, die ihm eine aufreizende Show offerierte.

Weder der Täter noch die Tänzerin waren sich seines Erscheinens gewiss.

Erst der dunkle Schatten, der über dem Mädchen aufragte, ließ dieses den Kopf in seine Richtung wenden.

Erschrocken rang das drittklassige Abbild einer Kurtisane nach Atem, blickte zu ihm auf.

Hastig war das wenige Equipment zusammengerafft, ehe die Bedienstete den Raum verließ.

Der Protest des Mannes blieb ungehört, schwebte zwischen ihm und dem Eindringling.

Der Dunst aus Drogen, Verwirrung, Panik und Spirituosen schlug dem Fremden entgegen.

Er tat einen Schritt auf den Delinquenten zu, packte nach ihm.

Krächzend quollen der Brut der Niedertracht Töne des Flehens aus der Kehle hervor.

Bittend und bettelnd verlangte es ihm nach Worten, Furcht schlug ihm Kerben ins Gesicht.

»Du Abart dieser Rasse«, ließ sich der ungeladene Gast zu einer Erwiderung nieder. »Das Mädchen in der Gasse ...«

»Welche Gasse, Mann?«, gurgelte es von den Lippen des Flüchtigen, dann schien er sich zu entsinnen.

Der Rächer sah Erkenntnis in den Augen des Opfers blitzen.

Endlich war sich der Schurke seiner Tat bewusst.

»Dein Verbrechen wird nun Sühne erfahren.« Der Jäger ließ seinem Versprechen Taten folgen.

»Nein, nein, bitte nicht!« Das Rufen des Tieres wallte auf und verstummte.

Knochen brachen, Sehnen rissen, doch noch immer drang Luft aus den Lungen des Sünders.
 

Er kehrte dem Hause den Rücken, ließ die Beute wimmernd zurück.

Er hatte ihn zerstört, doch ließ er dem Schmutz Gnade zuteil werden.

Dieses Scheusal sollte Leben, mit der Schuld, dem Gewissen und Wissen darum, dass bloße Raserei verheerende Konsequenzen nach sich zog.

Die Tat bliebe nicht unbemerkt und würde erst Tage später, um den Menschen das Fest der Besinnlichkeit nicht zu verderben, in einem kleinen Artikel Erwähnung finden.

Es war ihm einerlei.

Die Schicksale dieser Monster waren ihm keinen weiteren Gedanken wert.

Mit Verwunderung erkannte er, dass es ihn zurück an den Schauplatz zog.

Die Traube an Menschen war längst der Routine der Weihnacht gewichen.

Es schien, als habe niemand je in dieser Gasse sein Dasein verloren.

Noch immer kitzelte ihr Blut seine Nase, doch der beißende Geruch von Arznei und Desinfektion nahmen den Hauch mit sich.
 

Die Sinne waren ihm geschärft.

Das überflüssige Läuten, das stetige Piepen der Gerätschaften blendete er aus.

Es kostete ihn, trotz langen Lebens und der Erfahrung, immense Beherrschung, Ruhe und Sitte aufzubieten.

Das St. Thomas' Hospital, im Bezirk Lembeth, hatte sich ihrer angenommen.

Der Herr am Empfang nahm keinerlei Notiz von ihm.

Frauen in Schwesterntrachten wuselten auf den Gängen umher, immer im Einsatz und bereit, den Leidenden Hilfe zu leisten.

Beinahe mühelos gelang es ihm in den Flügel vorzudringen.

Ihr Geruch zog ihn an, führte, lenkte und wies ihm den Weg.

Geschwind war er dem Flur entkommen.

Das Zimmer lag im Halbdunkel und nur das monotone Fiepen des Herzmonitors zeigte, dass das Mädchen noch unter den Lebenden weilte.

Das Gesicht geschunden, den Körper unter der Decke verborgen.

Niemand sonst war zu erblicken.

Ihr Atem erging ruhig und in geregelten Stößen.

Ein Knistern nahm von ihm Besitz.

Zu oft war er betrogen worden, hatte sich selbst zum Opfer gemacht auf der Suche nach ihr.

Vielleicht spielte ihm das Schicksal einen Streich – doch labte es sich zu lang schon an dem Leiden, das die Ewigkeit bedeutete.

Seine Gefährtin.

Er langte nach dem Klemmbrett, wappnete sich der Informationen, die das Blatt Papier für ihn bereit hielt.

Es war Wahnsinn, Tücke und Fügung zugleich.

Jahrtausende hatten sie entzweit.

Ein Leben für die Dauer der Unvergänglichkeit.

Und sein Herz lag nur wenige Zentimeter, an Schläuchen gebunden, in einem Bett und kämpfte um jede Sekunde.
 

Ein weiteres Jahr neigte sich dem Ende.

Mit Feuer und Krach waren dreihundertsechsundsechzig Tage begrüßt.

Gestalten stolperten die Straßen entlang, sangen, schwankten, tranken und grölten einander zu.

Er jedoch verharrte in der Dunkelheit, wartend, dass das Geschöpf, welches er in den letzten Tagen so eingehend betrachtet hatte, wieder zu Kräften kam.

An einem kalten Januartag sog es ihn von neuem in die Stadt.

Noch immer pulsierte ihm ihr Herz in den Ohren.

Er würde sie finden, sie beschützen.

Nur mit Widerwillen hatte er zugelassen, dass die Verwandten sie holten.

Die Tränen und Schluchzer der alten Frau, die seiner Gefährtin so ähnlich sah, säumten den Weg bis ins traute Heim.

Angst und Schrecken hatte das Paar beteuert, sich um das Wohlergehen des Kindes bemüht.

Und das Kind genas unter den Argus Augen der Familie, und des Fremden.
 

Tage wurden zu Wochen.

Der Drang, sich ihr zu offenbaren, war ihm von schmerzhafter Sehnsucht erfüllt.

Das Verlangen, sich ihrer zu vergewissern, trieb ihn abermals in den Trubel des neuen, jungen Jahres hinaus.

Wieder zog es ihn nach Covent Garden.

Das, was einst Markt für Lebensmittel gewesen war, erwies sich nun als Einkaufspassage im Herzen Londons.

Es war ihm Qual und Vergnügen zugleich, sich dem Treiben des Stroms zu ergeben.

Die Menschen, Einheimische, wie Touristen, sahen in ihm nicht mehr als einen von ihnen.

Der Weg führten ihn ans Ende der Straße und dort, an einer Ecke, hielt er inne.

Die Fassade des Hauses verschmolz mit den Backsteinen der angrenzenden Gebäude.

Beinahe wäre ihm jener Laden entgangen, so unscheinbar wirkte dieser in der großen Stadt.

Klein, kaum auszumachen, und doch so beständig, als stünde sein Bestehen außer Frage.

Er studierte die Glasfront der Schaufenster.

Dann erblickte er sie.

Ihr schmaler Rücken schob sich in sein Blickfeld.

Ihre zarten Finger haschten nach einem Buch im oberen Regal.

Seine Hand ruhte bereits auf der Klinke.

Ein Zögern setzte ein.

Sie war es.

Das Mädchen, das dem Tod entronnen war.

Der liebliche Duft ihres Blutes und eines leichten, blumigen Parfüms drang ihm in die Nase vor, obschon die alte Tür, mit der Aufschrift Boyle's Books, beide von einander trennte.

Das kleine Glöckchen begrüßte den Neukunden und sowie sich die junge Frau, mit einm Lächeln auf den Lippen, nach ihm umwandte, stockte ihr der Atem.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Hopey
2019-12-25T19:37:12+00:00 25.12.2019 20:37
Huhu meine Liebe :3 ♡

Awwwww ❤❤😍😍😍❤❤
Ich kriege eine Widmung :3 ♡♡♡♡
Ich war so gerührt davon <3

Ich weiß, das lesen von dieser Geschichte ging viel schneller, als das der anderen xD

So, kommen wir nun zur eigentlichen Geschichte,
ich bin mmir nicht ganz sicher, aber ich glaube der ein oder andere Vertippungsfehler war drin(?) z.B.:
° Nur mir Widerwillen hatte er [..]
-> Ich glaube das sollte: Nur "mit" Widerwillen .... Heißen, oder?:)
° Der Geruch des Lebens umnebelte ihm den Verstand.
-> Meinst du hier den Geruch des Todes oder doch des Lebens xD? (Aber wie kann der Geruch des Lebens einem dann den Verstand rauben xD? Oder bin ich grade nur auf der langen leitung? xD)
(Du weißt ja, ich bin selbst nicht die beste darin, deswegen bin ich mir da auch nicht ganz sicher xD, also ignoriere diese Anmerkung, sollte ich Falsch liegen xD)

Ansonsten, kennst du mich ja xD
Auch hier gab es wieder mal Wörter die ich in der Form nicht kannte xD (und bevor ich sie als Falsch ankreide, google ich ja jene mal nach xD)
Also, mal wieder was dazu gelernt ;)

Was mich anfangs immer wieder irretierte, war dass da die Rede von Mädchen oder Kind ist,
somit dachte ich anfangs, dass er entsprechend jene auch aussaugt ^^"
Im Nachhinein, wurde mir klar, dass er ja sooo Alt ist, dass für ihn die meisten Frauen wohl noch Kinder sind, oder?

Was einem natürlich auch Leid tut ist der Fakt, dass selbst sein Kind bei dem Überfall starb T_T
Das tut mir soooo leid für ihn, dass hat keiner Verdient.....
in Solchen Situationen, ist es immer so eine "Ich bin den Tränen Nahe"

Was ich toll fand, war der Fluch :D
Reimt er sich eigentlich?:D
Wenn ja, würde ich es persönlich toll finden, wenn er quasi mittig steht und entsprechend der Reimform steht -> wie ein typisches Gedicht eben xD (wenn du verstehst was ich meine xD)
-> Natürlich ist das nun meckern, auf einem hohen Niveau xD (und mein persönliches Empfinden xD)

Zusammenfassend hat mir die Geschichte sehr gut gefallen :D
Von der "Gefährtin" war wenig zu lesen, aber nicht schlimm :D
Ich fand auch, dass der Vampir seine Hauptrolle gut erfüllt und sie eine wichtige Nebenrolle in dem Punkt hatte
Wäre es dreist, sich eine Fortsetzung zu wünschen xD?

DasTitelbild fand ich ansprechend :D
Die Charabilder, nun es gab keine Darsteller in der Form, aber trotzdem fand ich jene gut :D
So hatte man quasi freien Lauf für die Fantasie, wie die Personen Aussahen, Statur und Co (bis auf die kleine Ausnahmen, die du erwähnt hattest, konnte man sich ansonsten selbst jemanden dazu dichten, meiner Meinug nach xD)

An sich bin ich ja neugierig wie es weiter geht :D
Mal sehen was aus ihm wird :D
(sollte es je eine Fortsetzung geben xD)

Alles Liebe ❤❤❤
und schöne Weihnachten 🎅

Hopey

P.S. ich bin wohl mal die erste XD


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