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Immobilie

DoflamingoXCrocodile (AU)
von

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Eine Villa in Downtown Los Angeles

"Niemand nimmt es dir übel, wenn du diesen Fall lieber einem Kollegen überlassen möchtest", sagte Robin, während sie ihm über den Schreibtisch hinweg die entsprechenden Unterlagen reichte. "Donquixote ist als ein sehr anspruchsvoller und wählerischer Kunde bekannt. Obwohl er äußerst wohlhabend ist, lebt er noch immer bei seinen Eltern; einfach aus dem Grund, weil ihm bisher keine einzige Immobilie zugesagt hat. Schon Dutzende Makler haben sich an ihm die Zähne ausgebissen."

Crocodile ließ sich nicht zu einer Erwiderung herab. Stattdessen sah er die entsprechenden Papiere durch: Donquixote Doflamingo, 25 Jahre alt, weiß, doppelte Staatsbürgerschaft. Geboren in Spanien, im Alter von acht Jahren mit der Familie nach Kalifornien gezogen, lebhaft bei den Eltern, ein jüngerer Bruder. Beruf: Geschäftsführer. Einkommen: unbekannt. Sucht eine Immobilie in Kalifornien als Hauptwohnsitz.

Crocodiles Augen weiteten sich, als er sah, welche Summe dieser Mann auszugeben bereit war. $30.000.000 . Anscheinend liefen die Unternehmen, die Donquixote leitete, außerordentlich gut.

"Ich weiß genau, was du denkst", hörte er Robin sagen. "Bei den $30.000.000 handelt es sich übrigens nur um einen Richtwert. Er ist durchaus dazu bereit mehr für seine Traumimmobilie zu bezahlen. Und genau da liegt das Problem: Die konnte ihm nämlich bisher niemand bieten. Jedes Angebot hat er abgelehnt. Das Objekt ist entweder zu klein oder zu groß, zu modern oder zu altmodisch, zu weit draußen auf dem Land oder zu weit drinnen in der Stadt. Vor ein paar Monaten erst schlug er eine wunderschöne Villa am Strand aus und zwar mit der Begründung, ihn würde beim Schlafen das Rauschen der Wellen stören. Wie gesagt, Crocodile: Niemand wird es dir übel nehmen, wenn du dich weigerst diesen Fall zu bearbeiten. Vor allem anbetracht deiner, ähm, derzeitigen Lebensumstände."

Crocodile unterdrückte ein Seufzen. Er bereute es bereits seiner Arbeitskollegin von seiner Trennung erzählt zu haben. Nach beinahe vier Jahren Beziehung hatte er sich von seinem (Ex)freund Akainu getrennt. Es war eine sehr hässliche Trennung gewesen: Sie hatten sich angeschrien und zum Schluss sogar geprügelt. Und auch wenn ihre Schlägerei nun schon eine Woche her war, trug Crocodile noch immer ausschließlich langärmlige Hemden und außerdem einen Schal um den Hals. Er wollte nicht, dass seine Kollegen und Freunde die dunklen Male sahen.

"Wenn du tatsächlich denkst, dass ich mir diese Chance entgehen lasse, dann kennst du mich verdammt schlecht", erwiderte Crocodile und blickte auf das Foto herab, das den Unterlagen beilag. Es zeigte einen Mann mit blondem Haar, sonnengebräunter Haut und makellos weißen Zähnen. Außerdem trug er eine Sonnenbrille mit violett getönten Gläsern auf der Nase.

"Wieso hat man kein Foto hinzugefügt, das ihn ohne Sonnenbrille zeigt?", fragte Crocodile verwundert nach.

"Weil es keins gibt", antwortete Robin zu seiner Überraschung. "Donquixote verlässt sein Zuhause unabhängig von der Wetterlage nie ohne Sonnenbrille. Er ist ein echt komischer Vogel. Niemand trifft sich gerne mit ihm."

"Das ist mir egal", meinte Crocodile kurzerhand. "Ich will diesen Mann nicht zu einem Date einladen, sondern ihm eine Immobilie verkaufen. Bei einem Wert von $30.000.000 oder mehr wird eine hübsche Provision für mich rausspringen. Zumindest sollte ich es versuchen."

Um ehrlich zu sein, könnte Crocodile dieses Geld gut gebrauchen. Derzeit lebte er bei seinem besten Freund Daz. Bei diesem handelte es sich um eine sehr hilfsbereite und rücksichtsvolle Person; trotzdem wollte Crocodile ihm nicht länger als nötig auf der Tasche liegen. Sobald er ein passendes Domizil für sich gefunden hatte, würde er ausziehen. Und sollte es ihm tatsächlich gelingen Donquixote eine Immobilie im Wert von $30.000.000 zu verkaufen, würde die Provision für sein Vorhaben sicherlich mehr als ausreichen.

"Du kannst es natürlich darauf ankommen lassen", lenkte Robin ein, "doch erhoff dir bitte nicht zu viel. Ich weiß, dass du eine echte Korifähe auf deinem Gebiet bist, Crocodile, doch dieser Mann wird dir deinen Job nicht leicht machen."

Crocodile rollte mit den Augen. Die Fürsorge seitens seiner Arbeitskollegin begann ihn allmählich gewaltig zu nerven. Er war niemand, der Mitleid brauchte oder haben wollte. Er gab zu, dass ihn die Trennung von Akainu nicht kalt gelassen hatte, doch das machte aus ihm noch lange kein bemitleidenswertes Weichei.

"Ich werde heute noch bei ihm anrufen", erwiderte er, um deutlich zu machen, dass er sich diesen schwierigen Fall durchaus zutraute, "und nach seinen Wünschen fragen."

Robin seufzte leise. "Tu, was du nicht lassen kannst", sagte sie schließlich. "Wieso habe ich mir eigentlich die Mühe gemacht und versucht dir die Sache auszureden? Du warst schon immer ein schrecklicher Sturkopf."
 

Crocodile bemühte sich darum, sich von seiner Ungeduld nicht die Laune verderben zu lassen. Er war heute um fünfzehn Uhr mit Donquixote verabredet gewesen; nun war es schon fünfzehn Uhr fünfzehn und noch immer war von seinem Kunden nichts zu sehen. Angerufen, um ihn über eine Verspätung zu informieren, hatte dieser auch nicht. Trotzdem versuchte Crocodile sich seine Verärgerung nicht anmerken zu lassen. Immerhin war er in dieser Situation der Verkäufer; er wollte etwas von Donquixote und nicht andersherum. Also müsste er sich wohl oder übel in Geduld und Nachsicht üben.

Um fünfzehn Uhr dreißig tauchte endlich ein Mann auf, der auf die Beschreibung von Donquixote Doflamingo passte. Nur wenige Meter von Crocodile entfernt stieg ein großer, blonder Mann mit einer Sonnenbrille auf der Nase aus einem pinkfarbenen Bentley Azure aus. Seine Modegeschmack wirkte genauso extravagant wie das luxuriöse Auto, das er fuhr. Oder eher fahren ließ, denn Donquixote wurde offensichtlich chauffiert.

Crocodile begutachtete seinen Kunden skeptisch, während dieser in einem o-beinigen Gang auf ihn zugelaufen kam. (Er war missgelaunt genug, um ihm nicht entgegenzukommen.) Donquixote trug ein rosafarbenes Hemd, das nur bis knapp über den Bauchnabel geknöpft war, eine orangefarbene Dreiviertelhose und weiße, offene Schuhe; es handelte sich um eine Garderobe, die Crocodiles Ansicht nach besser in den Zirkus gepasst hätte.

Dennoch war er nicht dumm genug, um Donquixote zu unterschätzen. Jemand, der sich so eben mal eine Immobilie im Wert von $30.000.000 leisten konnte, war sicherlich nicht naiv oder einfältig. Aus eigener Erfahrung wusste Crocodile, dass es viele reiche und mächtige Menschen gab, die einen sehr extravaganten Stil pflegten.

"Sie müssen Donquixote Doflamingo sein", begrüßte Crocodile den blonden Mann und reichte ihm seine Hand. "Mein Name ist Sir Crocodile."

"Da du dich mit niemand Anderem zur Besichtigung verabredet hast, Alligator", erwiderte dieser grinsend und schlug in die angebotene Hand ein, "werde ich es wohl sein."

Crocodile rollte mit den Augen. Und auch wenn er sich eigentlich vorgenommen hatte, unter allen Umständen Ruhe zu bewahren, konnte er sich einen zynischen Kommentar doch nicht ganz verkneifen: "Ich habe Sie an der Sonnenbrille erkannt. Außerdem waren wir vor mehr als einer halben Stunde verabredet."

Normalerweise hätte Crocodile es niemals gewagt, gegenüber einem seiner Kunden ausfallend zu werden (vor allem nicht gegenüber einem Kunden, der bereit dazu war, mehr als $30.000.000 auszugeben); vermutlich war es die Trennung von Akainu, die ihn schnell aufbrausend werden ließ. Außerdem hasste er es, wenn man ihn Alligator nannte.

Glücklicherweise nahm Donquixote die Sache mit Humor. Er gluckste und warf ihm durch die Gläser seiner Sonnenbrille hindurch einen undefinierbaren Blick zu. Crocodile, der sich plötzlich unwohl zu fühlen begann, wandte sich der Immobilie zu, die er heute verkaufen wollte. Es handelte sich um eine luxuriöse Villa, die von einem weitläufigen Garten umgeben war.

Donquixote war in der Tat eine sehr schwer zu befriedigender Kunde. Der Assistent, mit dem Crocodile telefoniert hatte, hatte ihm detailreich erklärt, wie dieser sich sein neues Zuhause vorstellte: Luxuriös, doch nicht pompös oder schwülstig. Geräumig, doch nicht mehr als zwei Stockwerke hoch. Abgeschieden, doch nicht außerhalb der Stadt gelegen. Mindestens fünfzehn Schlafzimmer. Davon mindestens die Hälfte mit Balkon. Zusätzlich mindestens zwei Terrassen. Eine innenliegende Küche und eine weitere, die nach draußen zum Garten ging. Pool innen und außen. Whirpool innen und außen. Sauna innen und außen. Sportplatz innen und außen. Fußbodenheizung. Offener Kamin im Wohn- und Hauptschlafzimmer.

Es war Crocodile nicht leicht gefallen eine passende Immobilie zu finden. Die Villa, die er Donquixote nun vorstellen wollte, war eigentlich gar nicht in ihrer Datenbank aufgelistet gewesen. Er hatte all seinen Charme spielen lassen müssen, um durch einen Freund an diese absolut erstklassige Immobilie zu kommen. Sie erfüllte alle Kriterien seines anspruchsvollen Kunden. Crocodile war zuversichtlich, dass es ihm heute gelingen würde, die luxuriöse Villa zu verkaufen. Donquixote würde nicht einen einzigen Abstrich machen müssen. Selbst der Preis lag mit $29.000.000 noch knapp im Budget des Geschäftsführers.

"Bitte folgen Sie mir", sagte also Crocodile guten Mutes und holte aus der Tasche seines Jacketts den Schlüssel hervor.

"Gerne", erwiderte zu seiner Überraschung Donquixote in einem freundlichen Tonfall. Eigentlich hatte Crocodile mit einem weiteren blöden Spruch gerechnet; in seinem Job hatte er bereits so einige Menschen kennengelernt, die immer das letzte Wort haben mussten. "Und warum versuchen wir es nicht mit dem Du?"

"Ähm, sehr gerne", erwiderte Crocodile verwundert. Bei einem millionenschweren Geschäftsführer hätte er nicht unbedingt damit gerechnet, dass Du angeboten zu bekommen. Immerhin war Crocodile bloß ein Immobilienmakler, wenn auch ein recht erfolgreicher. "Wenn das Ihr, ähm, dein Wunsch ist."
 

Gemeinsam mit seinem Kunden machte er sich auf den Weg zur prunkvollen Villa. Die Immobilie lag (wie gefordert) ein Stück abseits; hohe Hecken schirmten sie von der Straße ab und viele Quadratmeter Garten boten genügend Rückzugsfläche. Auf diese Weise wurde die Privatsphäre Donquixotes gesichert, während ihm gleichzeitig ermöglicht wurde, mitten in Downtown Los Angeles zu leben.

"Wie lange arbeitest du schon als Immobilienmakler?", fragte Donquixote ihn, während sie die weitläufige Wiese überquerten. Von ihrem Standpunkt aus hatte man eine gute Sicht auf den großen Pool, der in die Erde eingelassen worden war.

"Seit neun Jahren", antwortete Crocodile in einem professionell klingenden Tonfall. Er vermutete, dass sein Kunde sich für seine Erfahrung in dieser Branche interessierte. Falls diesem die vorgestellte Immobilie nicht gefiel und sich herausstellte, dass Crocodile noch ganz grün hinter den Ohren war, hätte Donquixote vermutlich nach einem anderem Makler Ausschau gehalten. Kunden mit einem Budget von $30.000.000 wünschten sich nicht bloß eine erstklassige Immobilie, sondern auch einen erstklassigen Verkäufer.

"Und wolltest du schon immer Makler werden?"

"Nun, ähm..." Diese Frage überraschte Crocodile. Trotzdem bemühte er sich darum, freundlich und zuvorkommend zu bleiben. "Als Kind wollte ich immer Pirat werden. Aber Immobilienmakler war meine erste ernsthafte Berufswahl."

Sie erreichten den Pool. Crocodile war erleichtert, als er es sich endlich nicht mehr den seltsamen Fragen Donquixotes stellen musste, sondern etwas zu dem Objekt, das er verkaufen wollte, sagen konnte.

"Ihr Assistent ließ ausrichten, dass Sie, pardon, dass du großen Wert auf einen schönen und vor allem geräumigen Außenbereich legst. Ich denke, dass in dieser Hinsicht kein Wunsch offen gelassen wird. Hier sehen wir einen großen Pool und dahinter die erste der beiden Terrassen. Sie führt zur direkt angrenzenden Küche."

"Wunderbar", meinte Donquixote mit begeisterter Stimme und blickte sich breit grinsend um. "Genauso habe ich mir meinen Garten vorgestellt. Wenn das Wetter gut ist, kann man sicher tolle Parties geben. Ich kann mir gut vorstellen, hier mit meinen Freunden zu grillen und im Pool zu schwimmen. Gehst du gerne auf Parties, Alligator?"

"Ich heiße Crocodile", korrigierte er seinen Kunden mit leicht verärgerter Stimme. Er konnte es wirklich nicht ausstehen, wenn man seinen Namen verhunzte. "Und nein, ich gehe nicht sonderlich gerne auf Parties. Ich bin eher der ruhige Typ."

"Tatsächlich?", hakte Donquixote nach. "So alt bist du doch noch gar nicht, oder? Wie alt bist du, Gator?"

"Crocodile", murmelte er und massierte sich mit der rechten Hand die Schläfe. Er hatte vorher gewusst, dass Donquixote ein anspruchsvoller Kunde war. Doch dass dieser mindestens ebenso dreist wie reich war, hatte ihm niemand erzählt. Zum ersten Mal kam Crocodile der Gedanke, dass er vielleicht doch lieber auf seine Kollegin hätte hören sollen. Womöglich wäre es doch die klügere Entscheidung gewesen, diesen Fall einem Anderem zu überlassen. Seine Trennung von Akainu schlug ihm auf den Magen und er war viel zu unausgeglichen, um einen schwierigen Kunden zu bedienen.

"Also?" Donquixote ließ nicht locker. Der blonde Mann mit der lächerlichen Garderobe, der etwa einen halben Kopf größer war als er, beugte sich sogar ein Stück weit zu ihm hinunter. "Wie alt bist du?"

Crocodile seufzte leise und schüttelte den Kopf. Die Fragen Donquixotes gingen weit über das Interesse hinaus, das reiche Kunden üblicherweise an seinem Privatleben zeigten. Schließlich meinte er: "Tut das zur Sache? Ich bin hier, um Ihnen eine Immobilie vorzustellen, Mr. Donquixote. Wieso interessiert Sie mein Alter? Oder die Frage, ob ich gerne auf Parties gehe?"

"Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt uns zu dutzen", war das erste, was sein Kunde erwiderte.

"Und ich dachte, ich hätte Ihnen gesagt, dass mein Name Sir Crocodile ist." Die Worte klangen schärfer als beabsichtigt.

Crocodile war sich dessen bewusst, dass er sich auf sehr dünnem Eis bewegte. Sicherlich war es ein solch einflussreicher und wohlhabender Mann wie Donquixote Doflamingo nicht gewohnt schnippische Erwiderungen zu erhalten. Trotzdem entschuldigte Crocodile sich nicht.

Vielleicht verhielt er sich unfair gegenüber seinem Kunden. Vielleicht wollte dieser bloß nettes Smalltalk betreiben und er reagierte völlig über. Dennoch nahm er seine Worte nicht zurück. Crocodile spürte, dass sich Wut in seinem Körper ausbreitete. Keine Wut auf Donquixote, sondern auf seinen Exfreund Akainu. Er bemühte sich darum, nicht die Beherrschung zu verlieren und seinen Zorn nicht an seinem Kunden auszulassen. Die Bemerkung von eben würde Donquixote ihm womöglich verzeihen, doch sobald er diesen anschriee, wäre diese Besichtigung auf jeden Fall vorbei. Und am Ende konnte sein Gegenüber ja nichts dafür, dass er sich vor kaum einer Woche von seinem Exfreund getrennt hatte.

"Also gut", hörte er Donquixote sagen. "Fangen wir einfach noch einmal von vorne an: Dein Name ist Sir Crocodile. Mein Name ist Donquixote Doflamingo. Wir dutzen uns." Er schwieg für einen kurzen Moment, ehe er in einem unerwartet höflichen und freundlichen Tonfall meinte: "Darf ich fragen, wie alt du bist, Crocodile?"

"Ich bin 30 Jahre alt", antwortete Crocodile und bemühte sich darum, ebenso zuvorkommend wie sein Kunde zu klingen. Er konnte sich glücklich schätzen, dass dieser ihm seine unhöfliche Zurechtweisung anscheinend nicht übel nahm. Viele Männer, die über Einfluss und Geld verfügten, fühlten sich rasch beleidigt.

"Ganze fünf Jahre älter als ich?" Donquixote wirkte überrascht. "Ich hätte dich auf höchstens 25 oder 26 Jahre geschätzt. Du hast dich wirklich gut gehalten!" Er grinste verschmitzt.

"Danke", erwiderte Crocodile. Er wollte sein unhöfliches Verhalten von eben wieder gutmachen, indem er sich nun umso charmanter gab.

Normalerweise war ein sehr professioneller Mensch; es passte nicht zu ihm persönliche Probleme in eine Hausbesichtigung mit hineinzutragen. Donquixote trug keine Schuld. Er musste sich darum bemühen, einen besseren Eindruck zu erwecken. Niemand kaufte einem miesepetrigen und unhöflichen Makler eine Immobilie ab. Und er könnte die Provision, die dabei für ihn rausspringen würde, verdammt gut gebrauchen. Er wusste, dass Daz ihn gerne bei sich wohnen ließ, doch trotzdem sehnte er sich nach einem eigenen Zuhause.
 

"Kochst du gerne?", fragte Crocodile seinen Kunden, während er diesen über die Terrasse und in die Küche führte. Da dieser anscheinend gerne über Hobbies und Ähnliches sprach, beschloss Crocodile, einfach auf den Zug aufzuspringen.

Donquixote nickte begeistert. "Oh ja, sehr gerne", antwortete er und sah sich in der hochwertigen Küche um. "Am liebsten koche ich spanisch. Ich bin in Spanien geboren worden, musst du wissen. Wenn ich eine Party gebe, bereite ich ein paar der Tapas gerne selber zu. Bisher sind sie bei meinen Gästen immer gut angekommen."

"Diese Leidenschaft werden Sie, ähm, wirst du hier problemlos weiter verfolgen können. Die Küche ist komplett neu und hat einen Wert von mehr als $40.000. Selbstverständlich handelt es sich um ein Unikat. Die Arbeitsplatte besteht aus Echtholz und ist aus ökologischer Perspektive..."

"Magst du die spanische Küche?"

Dieser Einwurf brachte Crocodile aus dem Konzept. Er warf seinem Kunden einen verwunderten Blick zu, ehe er wahrheitsgemäß antwortete: "Um ehrlich zu sein, bin ich noch nicht dazu gekommen sie auszuprobieren."

"Und welche Küche bevorzugst du dann? Du wirkst auf mich nicht wie der typische Amerikaner, der sich mit Burgern und Chickenwings vollstopft." Donquixote gluckste und sah auffordernd zu ihm hinüber.

"Ich bin nicht in den USA geboren worden", erwiderte Crocodile, "sondern in Italien." Er wandte sich wieder der hochwertigen Küche zu, die er seinem Kunden schmackhaft machen wollte: "Alle Elektrogeräte gehören der Energieeffizenzklasse A+++ an. Die Kochinsel ist..."

"Wann bist du nach Los Angeles gekommen? Und warum?", unterbrach ihn Donquixote.

"Ich bin vor zehn Jahren nach Kalifornien gezogen", erklärte Crocodile seinem Kunden. "Vorher habe ich zwei Jahre lang in New York gelebt."

"Wieso bist du hierher gezogen? Wegen deiner Familie?"

Crocodile schüttelte den Kopf. "Meine Familie lebt in Italien", sagte er. Diese Aussage war halb gelogen: Seine Eltern starben bei einem Autounfall, als er siebzehn Jahre alt gewesen war. Danach lebte er ein Jahr lang bei seinem Onkel in der Nähe von Rom; doch irgendwann konnte er das Mitleid seiner Familie und die ständige Erinnerung an seine Eltern einfach nicht mehr aushalten. Also entschloss er sich dazu, ein neues Leben im fernen Amerika zu beginnen.

Er sammelte sich, ehe er fortfuhr: "Diese Küche verfügt über drei Öfen und ingesamt zwölf Herdplatten. Das Induktionsfeld entspricht dem allerneuesten Standard und..."

"Isst du gerne Pizza und Pasta? Oder sind das bloß Klischees?" Schon wieder wurde er unterbrochen.

Crocodile warf Donquixote einen irrtierten Blick zu. Er wusste, dass manche Kunden gerne ein wenig Smalltalk betrieben, während sie eine Immobilie besichtigten, doch trotzdem war Crocodile der Meinung, dass Donquixotes Fragen allmählich sehr aufdringlich wurden. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wieso dieser sich eher für sein Leibgericht als für Informationen zur Immobilie interessierte. Schließlich ging es bei einer Besichtigung um das Objekt, und nicht um den Verkäufer.

Crocodile zögerte einen kurzen Augenblick lang, ehe er erwiderte: "Sind Sie, Entschuldigung, bist du nicht an dieser Immobilie interessiert? Ich möchte deine wertvolle Zeit nicht verschwenden. Wenn es dir lieber ist, können wir diese Besichtigung gerne auch abbrechen."

Womöglich, dachte Crocodile, wollte sein Kunde ihm mit seinen unpassenden Zwischenfragen deutlich machen, dass diese Immobilie für ihn nicht infrage kam. Manche Menschen waren zu höflich, um geradeheraus ihre Meinung zu sagen.

"Wie kommst du denn auf diesen Unsinn?", meinte Donquixote und wirkte ehrlich überrascht. Er grinste, blickte sich in der Küche um und sagte: "Bisher gefällt mir die Villa sehr gut. Es gibt nichts zu meckern. Wieso sollte ich die Besichtigung abbrechen wollen?"

"Du machst einen sehr unaufmerksamen Eindruck", gab Crocodile zu. "Wenn du möchtest, kann ich dir ein paar andere Räume zeigen, ehe wir auf die Küche zurückkommen. Gleich hier drüben geht es zum Wohnzimmer."

Donquixote zuckte mit den Schultern. "Von mir aus", meinte er und verließ gemeinsam mit seinem Makler die luxuriöse Küche.
 

Das Wohnzimmer war ein großer, lichtdurchfluteter Raum mit bodentiefen Fenstern. Crocodile ließ seinem Kunden einen Moment Zeit, um das komfortable Zimmer auf sich wirken zu lassen. Anschließend sagte er: "Wie gewünscht verfügt das Wohnzimmer über einen offenen Kamin. Der Boden ist mit echtem italienischen Marmor ausgelegt. Und hier drüben geht es hinaus zur zweiten Terrasse." Er deutete auf eine gläserne Terrassentür zu seiner Rechten, die aufgrund der sowieso bodentiefen Fenstern ihm Raum sehr dezent wirkte.

Donquixote nickte. "Das ist in Ordnung, denke ich", sagte er, während er sich umblickte.

Crocodile biss sich verunsichert auf die Unterlippe. Um ehrlich zu sein, hatte er mit ein wenig mehr positiver Resonanz gerechnet. Aber womöglich hatte er sich diese Besichtigung auch zu einfach vorgestellt. Immerhin war ihm von Anfang an bekannt gewesen, dass es sich bei Donquixote um einen Mann handelte, der nicht leicht zu beeindrucken war.

"Möchtest du mir auf die Terrasse folgen? Dort befinden sich zwei der insgesamt fünf Whirlpools", sagte Crocodile, um seinen Kunden doch noch für diesen Raum zu begeistern.

"Klar, wieso nicht", meinte Donquixote mit gelassen klingender Stimme.

Gemeinsam betraten sie die großzügig geschnittene Terrasse mit den im Boden eingelassenen Whirlpools. Leider zeigte sich sein Kunde noch immer bloß mäßig entzückt: Donquixote nahm die Terrasse zur Kenntniss, nickte kurz, doch zeigte ansonsten kein Zeichen von Anerkennung.

Allmählich begann Crocodile sich unwohl zu fühlen. Er war eigentlich davon ausgegangen, mit dem herrlichen Wohnzimmer und der zweiten Terrasse gut punkten zu können. Auf der anderen Seite sollte er sich nicht wundern; schließlich hatte Robin ihn vorgewarnt: Schon so mancher Makler hatte sich an Donquixote Doflamingo bereits die Zähne ausgebissen. Crocodile würde seinem extravaganten Kunden eindeutig mehr bieten müssen, wenn er diesen zufrieden stellen wollte.
 

"Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten", sagte Crocodile und ging gedanklich die Highlights der Immobilie durch, die er Donquixote schmackhaft machen wollte. "Entweder sehen wir uns zuerst den Sportplatz oder die Sauna an. Was ist dir lieber?"

"Gibt es denn bloß eine einzige Sauna?", warf Donquixote sofort mit skeptischem Gesichtsausdruck ein. "Vergo hat dir doch hoffentlich mitgeteilt, dass ich mir sowohl eine innen- als auch außenliegende Saunalandschaft wünsche. In dieser Hinsicht bin ich nicht dazu bereit Kompromisse einzugehen."

"Natürlich", gab Crocodile zurück und es gelang ihm nicht ganz den triumphierenden Ton aus seiner Stimme zu verbannen. "Dieses Objekt verfügt außen und innen jeweils sowohl über einen großzügigen Saunaraum als auch ein Dampfbad."

"Das freut mich zu hören", gab Donquixote erleichtert von sich. "Ich hätte diese Besichtigung nur sehr ungern abgebrochen."

"Also gefällt Ihnen, Entschuldigung, dir die Villa bislang?", hakte Crocodile nach. Zwar hatte sein Kunde noch nicht allzu viel von seinem potenziellen neuen Zuhause gesehen, doch positives Feedback war immer ein gutes Zeichen und bot Grund zur Hoffnung. Vielleicht würde es Crocodile trotz der kleinen Flaute im Wohnzimmer noch gelingen, diese Immobilie an den Mann zu bringen.

"Auf jeden Fall", erwiderte Donquixote breit grinsend. "Fast so gut wie der Makler."

Mit dieser dubiosen Aussage wusste Crocodile nicht so recht etwas anzufangen. War dieses Kompliment bloß auf seine Kompetenzen als Verkäufer bezogen? Oder versuchte Donquixote etwa mit ihm zu flirten? Wie auch immer. Crocodile setzte sein charmantestes Lächeln auf, bedankte sich höflich und führte seinen Kunden hinüber zu der bereits erwähnten Saunalandschaft. Solange der Interessent glücklich war, war auch er glücklich.

"Gehst du gerne in die Sauna?", fragte Donquixote ihn, während dieser neugierig das hübsche Saunahaus begutachtete.

"Ähm, Sauna ist nicht so meins", gab Crocodile schwach zurück. Um ehrlich zu sein, war er in dieser Hinsicht typisch amerikanisch: prüde und schambehaftet. Der Gedanke, sich komplett nackt mit anderen Menschen in einem kleinen Raum aufzuhalten, behagte ihm überhaupt nicht. Der Schal und das langärmlige Hemd, das er trug, waren nicht bloß den Hämatomen geschuldet, die momentan seine blasse Haut zierten. Je mehr Fläche seines Körper von Kleidung bedeckt wurde, desto wohler fühlte er sich. Nicht einmal das zumeist heiße Wetter in Kalifornien konnte ihn dazu bewegen mit Shorts oder ärmellosen T-Shirts das Haus zu verlassen.

"Wirklich nicht?", meinte Donquixote. "Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Glaub mir: Es gibt nichts Schöneres als nach einem langen Arbeitstag ein paar Saunagänge zu machen. Hinterher fühlt man sich wie ausgewechselt. Falls ich diese Immobilie tatsächlich kaufen sollte, müssen wir beide unbedingt mal zusammen in die Sauna gehen. Es wird dir gefallen; da bin ich mir absolut sicher!"

Crocodile entging das eindeutige Augenzwinkern seitens seines Kunden durchaus nicht. Also hatte er sich doch nicht geirrt: Donquixote versuchte tatsächlich mit ihm zu flirten. Aber woher wusste dieser denn überhaupt, dass er homosexuell war? Immerhin sah Crocodile nicht gerade "typisch schwul" aus. Oder versuchte Donquixote sein Glück einfach bei jedem Mann, der ihm über den Weg lief?

"Das glaube ich kaum", sagte Crocodile, der viel zu stolz war, um das sexuelle Interesse seines Kunden für sich ausnutzen. Trotzdem bemühte er sich darum, diesen nicht vor den Kopf zu stoßen. "Wie gesagt, Sauna ist überhaupt nicht meins. Aber es freut mich natürlich, wenn die Austattung der Villa deinen Ansprüchen genügt. Ich habe mich darum bemüht, jeden einzelnen deiner Wünsche zu berücksichtigen." Am Ende konnte Crocodile sich einen stichelnden Kommentar jedoch nicht ganz verkneifen: "Dabei war die Liste wirklich alles andere als kurz."

Doflamingo gluckste. "Ja, ich weiß", sagte er und kratzte sich beinahe schon verlegen am Hinterkopf. "Ich bin eine furchtbar anspruchsvolle Person. Meine Eltern haben mich wohl ein bisschen zu sehr verzogen. An mir ist schon so mancher Immobilienmakler gescheitert; aber bei dir, Crocodile, scheint es sich um eine echte Korifähe zu handeln. Mit dieser Villa hast du meinen Geschmack bisher gut getroffen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ich sie tatsächlich nehmen werde."

"Sehr schön", erwiderte Crocodile. Es freute ihn ungemein, dass sein Kunde den Kauf des Objekts ernsthaft in Erwägung zu ziehen schien. Wobei er sich allerdings noch nicht ganz sicher war, ob Donquixote seine Worte tatsächlich ernst meinte oder ihm bloß Honig um den Mund schmieren wollte. "Jetzt möchte ich dir gerne den Sportplatz zeigen. Er besteht unter Anderem aus einem Basketball-Feld. Mir wurde nämlich mitgeteilt, dass du in deiner Freizeit gerne Basketball spielst. Stimmt das?"
 

Doflamingo nickte begeistert und folgte ihm in Richtung Sportplatz. "Basketball und Tennis", erklärte er stolz. "Es ist mir sehr wichtig mich fit zu halten. Außerdem stellt Sport einen tollen Ausgleich zum stressigen Berufsalltag dar. Wenn ich ein paar Körbe werfe, vergesse ich einfach alles um mich herum. Wie sieht es bei dir aus? Machst du auch Sport, Crocodile? Oder hast du deine hübsche Figur bloß deinen Genen zu verdanken?"

Schon wieder so eine Andeutung, dachte Crocodile sich und widerstand der Versuch mit den Augen zu rollen. Hatte er denn nicht eben schon deutlich gemacht, dass er auf die Avancen seines Kunden nicht eingehen würde? Donquixote traf mit seiner aufgedrehten Art und seinem bizarren Kleidungsstil sowieso nicht seinen Geschmack. Crocodile mochte lieber ruhige und bodenständige Männer. All seine Exfreunde ließen sich ganz gut in dieses Schema einordnen. Wobei es vielleicht ein wenig eingebildet war, davon auszugehen, dass Donquixote gerne eine ernsthafte Beziehung mit ihm eingehen würde. Soweit Crocodile seinen Kunden einschätzen konnte, war dieser höchstens an einem One-Night-Stand interessiert. Keine Gefühle, bloß Sex. Doch dafür war Crocodile nicht zu haben; in dieser Hinsicht war er ziemlich altmodisch eingestellt.

"Ich gehe gerne joggen", antwortete er und betrat das Basketball-Feld. "Das Spielfeld ist 28 mal 15 Meter lang, entspricht also den Richtlinien der FIBA. Die Beleuchtung lässt sich... sich... per amor di Dio! Was tun Sie denn da, Mr. Donquixote!?"

Es geschah nur sehr selten, dass Crocodile mitten im Satz zu seiner Muttersprache hinüberwechselte, doch um ehrlich zu sein, war er absolut fassungslos. Donquixote hatte sich nämlich sein Hemd über den Kopf gezogen und präsentierte ihm nun seinen von der Sonne geküssten und durchaus muskulösen Oberkörper. Crocodile war so überrascht angesichts dieses dreisten Verhaltens, dass er kein weiteres Wort über die Lippen brachte. Stattdessen betrachtete er mit zusammengezogenen Augenbrauen und entsetztem Gesichtsausdruck seinen verrücken Kunden.

"Ich stimme mich auf den Sportplatz ein", erwiderte Donquixote keck und grinste breit. "Ich spiele gerne mit freiem Oberkörper. Hier in Kalifornien ist es sowieso immer warm. Was ist mit dir, Crocodile? Ist dir nicht heiß in deiner Kleidung? Du trägst ja sogar ein Tuch um den Hals."

Allmählich fand Crocodile wieder zu sich. "Würden... würden Sie sich bitte wieder anziehen?", bat er mit schwacher Stimme und nestelte mit der rechten Hand in seinem langen Haar herum. Er hatte zwar gewusst, dass Donquixote ein schwieriger Kunde war, doch damit, dass er sich völlig schamlos vor ihm entblößen würde, hatte er beim besten Willen nicht gerechnet gehabt.

"Gefällt dir der Anblick etwa nicht?", gab ebenjener zurück. Das Grinsen in seinem Gesicht wurde nicht kleiner. "Normalerweise freuen sich die Männer und Frauen, wenn ich ein bisschen mehr Haut zeige. Und als du eben italienisch gesprochen hast, da sagtest du irgendetwas mit amor. Was bedeuten die Worte, die du gesprochen hast?"

"Ziehen Sie sich bitte Ihr Hemd wieder an, Mr. Donquixote", erwiderte Crocodile, ohne auf die Frage seines Kunden einzugehen. Er war ein schrecklich schamhafter Mensch. Selbst Donquixotes entblößter Oberkörper stellte für ihn zu viel nackte Haut dar.

"Ich dachte, wir würden uns dutzen", meinte dieser, wiederum ohne dem Wunsch seines Verkäufers Beachtung zu schenken. "Nenn mich doch bitte Doflamingo."

"Wenn du dein Hemd wieder anziehst", forderte Crocodile, dessen Gesicht zunehmend Ähnlichkeit mit einer überreifen Tomate bekam. Er musste zugeben, dass sein Kunde einen wirklich absolut traumhaften Körper besaß. Nur mit viel Willenskraft gelang es Crocodile, nicht auf die definierten Bauch- und Brustmuskeln des jungen Mannes zu starren. Zwar war er selbst auch nicht außer Form, doch mit Donquixote konnte er nicht auch nur im Entferntesten mithalten.

"In Ordnung", gluckste ebenjener und schlüpfte endlich wieder in sein rosafarbenes Hemd. "Schließlich möchte ich es mir mit dir nicht verderben. Bist wohl jemand, der sehr schnell anfängt sich zu schämen; deine Wangen und deine Ohren sind knallrot angelaufen. Sieht wirklich niedlich aus."

"Danke", gab Crocodile unbeholfen zurück. Auch wenn sein Kunde inzwischen erfreulicherweise wieder vollständig bekleidet war, spürte er noch immer sehr deutlich, dass ihm der Schock tief in den Knochen saß. Er hatte in seiner neunjährigen Berufserfahrung bereits den einen oder anderen verrückten Kunden erlebt, doch dass man sich einfach vor ihm auszog, war selbst ihm noch nie untergekommen. Was hatte sich Doflamingo bloß dabei gedacht?

"Ich schlage vor, dass wir ins Gebäude zurückkehren", sagte Crocodile. Er bemühte sich zwar darum so professionell wie möglich zu klingen, doch seine Stimme klang trotzdem völlig entkräftet. "Wenn du möchtest, dann kann ich dir das Hauptschlafzimmer zeigen. Es verfügt über zwei angrenzende Bäder, einen begehbaren Kleiderschrank und einen großen Balkon."

Sein Kunde nickte und steckte lässig die Hände in die Hosentaschen. Er erweckte im Gegensatz zu Crocodile einen vollkommen unbekümmerten Eindruck. Unweigerlich fragte er sich, ob Doflamingo sich oft vor anderen Menschen auszog. War er vielleicht exibitionistisch veranlagt? Crocodile selbst käme jedenfalls niemals auf den Gedanken, sich einfach das Hemd über den Kopf zu ziehen und seinen Oberkörper fremden Leuten zu präsentieren.

Was hatte Doflamingo mit seinem Verhalten bloß bezweckt? Wollte er ihn etwa mit seinen tollen Muskeln beeindrucken? Crocodile gab es nur ungern dazu, doch tatsächlich bekam er das Bild vom sonnengebräunten Oberkörper seines jungen Kunden nicht mehr aus seinem Kopf.
 

Das Hauptschlafzimmer lag im ersten Stock und war sehr groß. Eine Doppeltüre führte hinaus zum Balkon, den Crocodile seinem Kunden als erstes zeigte.

"Wie du siehst, ist der Balkon sehr geräumig", erklärte er, nachdem er Doflamingo einen Moment Zeit gelassen hatte, um die schöne Aussicht auf sich wirken zu lassen. "Man könnte sich zum Beispiel einen gemütlichen Sessel oder ein Sofa hierhin stellen. Es ist mit Sicherheit ein schöner Ort, um abends ein Buch zu lesen und ein Glas Rotwein zu trinken, bevor man zu Bett geht."

"Der Balkon gefällt mir gut", meinte zum Glück auch sein anspruchsvoller Kunde. Er lehnte sich ein Stück weit über die Brüstung und blickte auf die vielen Quadratmeter Gartenlandschaft hinab, die sich vor ihm erstreckten.

Crocodile unterdrückte ein erleichtertes Seufzen. Das Schlafzimmer war die letzte große Hürde gewesen; alle anderen wichtigen Stationen hatte er seinem Kunden bereits vorgestellt. Wenn diesem nun auch noch das Schlafzimmer inklusive Balkon, Kleiderschrank und Sanitäranlagen zusagte, dann stand einem Kauf der Villa nichts mehr im Wege. Der Kern war das Wichtigste; er musste unbedingt stimmen. Diese Erfahrung hatte Crocodile bereits häufiger gemacht. Kleinigkeiten wie etwa ein Gästebad, das nicht hundertprozentig gefiel, konnte ein Mann mit einem solch großen Budget wie Donquixote Doflamingo problemlos nach persönlichem Belieben umändern.

"Hier drüben geht es zum begehbaren Kleiderschrank", sagte Crocodile und deutete auf eine edle Flügeltüre, die sich links vom mittig im Raum liegenden Kingsize-Bett befand.

"Ist der Kleiderschrank denn auch groß genug?", warf Doflamingo mit skeptischer Stimme ein und öffnete prompt die Flügeltüre. "Ich habe eine riesige Garderobe. Man braucht ja schließlich für jeden Anlass die richtigen Klamotten, nicht wahr?"

Crocodile vertrat zwar nicht unbedingt die Ansicht, dass sein Kunde geschmackvoll gekleidet war, doch hielt es für klüger seine Meinung für sich zu behalten. Er wusste, dass es sich beim persönlichen Kleidungsstil um ein sehr empfindliches Thema handelte und er hatte keine Lust, einen Streit vom Zaun zu brechen. Nicht jetzt, wo die echte Hoffnung bestand, dass sein anspruchsvoller und extravaganter Kunde diese Immobilie tatsächlich kaufen würde.

"Der Kleiderschrank umfasst nahezu 70 Quadratmeter", erklärte Crocodile mit siegessicherer Stimme und malte sich bereits aus, dass er sich mit der Provision, die er für den Verkauf dieses Objekts erhielt, problemlos eine Wohnung mit ähnlicher Quadratmeterzahl würde leisten können. Er schätzte die Gesellschaft von Daz und wusste auch, dass dieser ihn gerne bei sich wohnen ließ, doch er sehnte sich nach einem eigenen Zuhause. Er brauchte einfach ein bisschen Abstand.

Das Bild von der hübschen Mietwohnung, die vor seinem geistigen Auge auftauchte, verblasste, als Doflamingo meinte: "Nur 70 Quadratmeter? Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Platz für meine Kleidung ausreicht. Ich besitze auch ziemlich viel Winterkleidung, musst du wissen, weil ich gerne Ski-Urlaub mache."

"Ist es sinnvoll die komplette Garderobe in bloß einem einzigen Raum zu lagern?", gab Crocodile hoffnungsvoll zurück. "Wenn du beispielsweise deine Winter- und Ski-Kleidung bloß zwei- oder dreimal im Jahr benötigst, würde es doch Sinn machen, diese in einem anderen Kleiderschrank aufzubewahren, oder nicht? Dazu gäbe es in dieser Etage reichlich Möglichkeiten."

"Hm", machte Doflamingo. "Darüber könnte man nachdenken."

Crocodile biss sich auf die Unterlippe. Bei dem zu kleinen Kleiderschrank handelte es sich bisher um den ersten echten Kritikpunkt, den sein Kunde geäußert hatte. Und dieser war bekannt dafür, in überhaupt keiner Hinsicht Kompromisse einzugehen. Hoffentlich würde Doflamingo den Kauf der Villa nicht wegen einem solch winzigen Detail kippen.

"Wo wohnst du eigentlich?", fragte ihn plötzlich sein Kunde mit neugieriger Stimme.

Crocodile schreckte auf. "In Westwood", sagte er, was halb gelogen war. Die Wohnung, die er gemeinsam mit seinem Exfreund Akainu bewohnt hatte, befand sich nämlich in San Pedro. Derzeit lebte er jedoch übergangsweise bei seinem besten Freund, der in Westwood wohnte. Da Crocodile allerdings der Ansicht war, dass Doflamingo nicht allzu sehr über sein Privatleben Bescheid wissen musste, verschwieg er dieses Detail lieber.

"Und was hat dich dazu bewegt, von Big Apple nach L.A. zu ziehen?"

Crocodile zuckte mit den Schultern. "New York war von Anfang an ein relativ willkürliches Ziel gewesen", gab er zu. "Ich hatte Italien satt und wollte nach Amerika. Und da ist New York eben der erste Ort gewesen, der mir in den Sinn kam. Mir gefiel die Stadt, aber mir ist es nie richtig gelungen dort Fuß zu fassen. Also zog ich zwei Jahre später nach Los Angelos. Hier fand ich glücklicherweise relativ schnell einen Job als Makler."

"Ist es dir schwer gefallen deine Familie einfach zurückzulassen?", fragte Doflamingo ihn. Er erweckte einen ehrlich interessierten Eindruck. "In Italien, meine ich."

Erneut zuckte Crocodile mit den Schultern. "Meine Familie ist mir schrecklich auf die Nerven gegangen", gab er zu. "Sie haben mir überhaupt keinen Freiraum gelassen. Mich erdrückt. Mir wurde sehr schnell klar, dass eine räumliche Trennung dringend notwendig war. Auch jetzt im Nachhinein halte ich diesen Schritt für richtig. Tatsächlich hat sich unsere Beziehung sogar verbessert. Wir telefonieren oft und manchmal mache ich auch Urlaub bei ihnen in Italien. Wir kommen gut miteinander zurecht, nur treten wir uns dabei nicht ständig gegenseitig auf die Füße, wenn du verstehst, was ich meine."

Crocodile hatte sich furchtbar eingeengt gefühlt von der Familie seines Onkels. Er war sich dessen bewusst, dass seine Verwandten sich bloß Sorgen um ihn machten und es gut mit ihm meinten, doch irgendwann hatte er das ständige Mitgefühl einfach nicht mehr ausgehalten. Jeden Tag war er an seine verstorbenen Eltern erinnert worden. Als er damals aus dem Flugzeug stieg und die amerikanische Luft einatmete, hatte er sich zum ersten Mal seit über einem Jahr wieder wirklich lebendig gefühlt.

Doflamingo nickte bedächtig. Schließlich meinte er: "Du weißt bestimmt, dass ich noch bei meinen Eltern wohne; das steht doch sicherlich irgendwo in deinen Akten. Ich habe mir bereits sehr viele Immobilien angesehen, weil meine Eltern meinen, dass es an der Zeit für mich wäre endlich auf den eigenen Beinen zu stehen. Doch es fällt mir schrecklich schwer. Ich liebe meine Eltern und meinen Bruder. Mir missfällt der Gedanke ganz allein zu wohnen. Darum schlage ich auch jedes Objekt aus, das man mir zeigt. Eigentlich finde ich den begehbaren Kleiderschrank auch nicht zu klein. Ich suche bloß zwanghaft eine Ausrede, die ich meiner Mutter auftischen kann, um ihr zu erklären, wieso ich diese Immobilie nicht genommen habe."

Crocodile wusste nicht so recht, was er auf dieses unerwartete Geständnis erwidern sollte. Er hatte nicht damit gerechnet gehabt, dass sich diese Besichtigung in ein psychoanalytisches Gespräch verwandeln würde. Ganz abgesehen davon konnte er die Ansicht seines Kunden überhaupt nicht teilen. Er wohnte sehr gerne allein. Früher hatte ihn Akainus penibler Sinn für Sauberkeit und Ordnung oft in den Wahnsinn getrieben. Und selbst von Daz fühlte er sich manchmal bedrängt; sein bester Freund neigte nämlich häufig zur Überfürsorge.

"Alleine zu wohnen hat doch auch viele Vorteile", meinte er schließlich. "Erwähntest du nicht zu Beginn der Besichtigung, dass du gerne Parties gibt? Wenn du alleine wohnst, kannst du so viele Freunde einladen und die Musik so laut aufdrehen wie du möchtest, ohne jemanden zu stören. Und du kannst jedes Zimmer einrichten wie es dir gefällt. Man sollte immer beide Seiten der Medaille betrachten."

"Wahrscheinlich hast du recht", murmelte Doflamingo. Er erweckte einen nicht mehr ganz so niedergeschlagenen Eindruck wie gerade eben noch.

Crocodile wartete ab, bis sich die negative Stimmung vollständig verflüchtigt hatte, ehe er fragte: "Möchtest du die beiden Badezimmer sehen? Eines zweigt linkerhand ab, das Andere rechterhand."

Doflamingo nickte. "Gerne", meinte er und folgte ihm in den ersten der beiden luxuriösen Räume.
 

"Jedes der Badezimmer verfügt über einen Whirlpool und eine Dusche", erklärte Crocodile seinem Kunden und hoffte darauf, dass diesem die edle und hochwertige Einrichtung gefiel. "Und selbstverständlich auch über Tageslicht. Die verarbeiteten Materialen sind absolut hochwertig. Die Fliesen bestehen aus Marmor und wurden als Italien importiert."

"Gibt es hier auch Fußbodenheizung?", hakte Doflamingo nach, während er zum Whirpool hinüber ging und ein wenig Wasser in die Wanne laufen ließ. "Ich hasse es, morgens ins Bad zu kommen und an den Füßen zu frieren."

Crocodile nickte. "Alle Räume der Villa verfügen über Fußbodenheizung."

Doflamingo zog sich die Schuhe aus, ließ sich am Rand der im Boden eingelassene Wanne nieder und tunkte seine Füße in das Wasser, das er soeben eingelassen hatte. "Der Whirlpool gefällt mir", merkte er an und planschte mit den Füßen wie ein Kind.

"Das freut mich zu hören", gab Crocodile zurück. Erneut verwunderte ihn das seltsame Verhalten seines Kunden. Vielleicht machte diesem das heiße Wetter zu schaffen und er wollte seine Füße ein wenig abkühlen. Crocodile konnte es ihm nicht verübeln. Heute war es besonders warm in Kalifornien. Er selbst hätte gerne seinen Schal abgenommen, doch da dieser die Würgemale an seinem Hals verdeckte, würde dieser Wunsch wohl unerfüllt bleiben müssen.

"Warum setzt du dich nicht dazu?", bot Doflamingo ihm mit freundlicher Stimme an und deutete auffordernd auf den Platz gleich neben sich.

"Ähm", machte Crocodile ausweichend und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Er war sich nicht sicher, ob er Lust dazu hatte mit seinem extravaganten Kunden im Whirlpool zu planschen.

"Komm schon!" Doflamingo schien mindestens ebenso stur wie sonderbar zu sein; er ließ nicht locker. "Setz dich neben mich. Ein wenig Abkühlung wird dir guttun. Ich glaube dir nicht, wenn du mir sagst, dass dir nicht warm ist."

Crocodile seufzte. Weil es heute tatsächlich sehr heiß war und er seinen reichen Kunden nicht verärgern wollte, gab er schließlich klein bei. "In Ordnung", sagte er und zog sich die Schuhe aus, "aber nur die Füße." Er setzte sich neben Doflamingo auf den Rand des Whirlpools und ließ seine blassen Füße in das kalte Wasser gleiten. Unweigerlich kam ihm ein erleichtertes Seufzen über die Lippen. Die Abkühlung tat tatsächlich unwahrscheinlich gut.

"Na, was habe ich gesagt?", grinste Doflamingo triumphierend. Er ließ seine Hände ins Wasser gleiten und bespritzte seinen Immobilienmakler mit dem kühlen Nass.

Crocodile schüttelte sich und wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. "Lass das", meinte er in einem herrisch klingenden Tonfall und verzog die Miene.

"Aber du möchtest doch bestimmt nicht bloß deine Füße abkühlen, nicht wahr?", meinte Doflamingo und spritzte ihn erneut kaltes Wasser ins Gesicht. "Warum nehmen wir beide nicht einfach ein entspannendes Bad?"

Crocodile glaubte sich verhört zu haben. Er warf seinem Kunden einen ungläubigen Blick zu, ehe er schroff erwiderte: "Danke, aber ich nehme ein Bad, wenn ich wieder Zuhause bin." Provision hin oder her - allmählich gingen diese Flirts wirklich zu weit. Crocodile war ein sehr stolzer Mensch. Für ihn kam es überhaupt nicht infrage sich auf einen Kunden einzulassen, bloß um die Chancen zu erhöhen, dass dieser die angebotene Immobilie tatsächlich kaufte. Dabei handelte es sich schließlich beinahe schon um Prostitution. Und dafür war Crocodile sich selbst definitiv zu schade.

"Ach, sei doch nicht so", gurrte Doflamingo unbekümmert und zog sich erneut sein rosafarbenes Hemd über den Kopf. "Manchmal sollte man sich ein bisschen Spaß gönnen. Du bist viel zu ernst, Crocodile. Entspann dich doch einfach." Und noch ehe Crocodile dazu kam eine schnippische Erwiderung anzubringen, hatte sein aufdringlicher Kunde bereits nach seinem Halstuch gegriffen und es ihm abgenommen.

Sofort bedeckte er seinen nackten Hals mit beiden Händen; er wollte unter allen Umständen vermeiden, dass Doflamingo die Würgemale bemerkte, die seine blasse Haut zierten. Was zwischen Akainu und ihm vorgefallen war, ging seinen Kunden überhaupt nichts an. Immerhin kannten sie beide sich kaum. Und Crocodile war eine Person, die Privates strikt von Beruflichem trennte.

"Gib mir mein Tuch wieder, Donquixote!", befahl er also und warf Angesprochenem einen finsteren Blick zu.

Doch Doflamingo lachte bloß und schwenkte das Halstuch hin und her. "Du bist wirklich prüde, was?", meinte er. "Nicht mal deinen Hals willst du mir zeigen. Genieren sich alle Italiener so wie du?"

"Gib es mir wieder! Jetzt sofort! Donquixote! Maledetto!" Allmählich verlor Crocodile die Geduld. Auch wenn sein Kunde die ganze Situation bloß für ein lustiges Spiel zu halten schien, war es für ihn selbst bitterer Ernst. Er wollte nicht, dass irgendjemand die dunklen Male an seinem Hals sah.

"In diesem Tonfall sollte man lieber nicht mit seinen Kunden sprechen", wies Doflamingo ihn grinsend zurecht. Er schien den Ernst der Lage noch immer nicht zu begreifen. Anstatt ihm das Halstuch zurückzugeben, hielt er es sich nah ans Gesicht und roch daran. "Ich ziehe es ernsthaft in Erwägung diese Villa zu kaufen. Dabei springt doch sicher auch eine nette Provision für dich raus, nicht wahr? Also solltest du lieber nett zu mir sein, Crocodile."

"Ich scheiße auf die Provision!", zischte Crocodile wutentbrannt. "Ich will bloß mein Halstuch zurückhaben, stronzo!"

Nun endlich schien auch Doflamingo zu verstehen, dass er in dieser Hinsicht absolut keinen Spaß verstand. Er zog die Augenbrauen zusammen und reichte ihm wortlos das Halstuch hinüber. Crocodile atmete erleichtert auf.

Doch gerade als er sich das Tuch wieder umlegen wollte, griff Doflamingo geschwind nach seinen Händen und hielt sie fest. Nun hatte er freie Sicht auf seinen Hals, der von dunklen Würgemalen entstellt wurde. Crocodile versuchte sich aus dem Griff seines Kunden zu befreien, doch musste leider feststellen, dass dieser eindeutig stärker war als er selbst. "Maledetto!", brüllte er und warf Doflamingo den giftigsten Blick zu, den er im Repertoire hatte. "Lass mich los!"

"Wer hat dir das angetan?" Doflamingos Stimme klang überraschend ruhig. Das breite Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden. Um ehrlich zu sein, wirkte er plötzlich wie ein völlig anderer Mensch.

Verwundert hielt Crocodile in seiner Schimpftirade inne und versuchte auch nicht mehr, sich aus dem festen Griff seines Gegenübers zu befreien. Stattdessen warf er seinem Kunden einen undefinierbaren Blick zu. "Warum sollte ich dir das erzählen?", fragte er. "Es geht dich überhaupt nichts an. Jetzt lass mich los und gib mir mein Halstuch zurück. Diese Besichtigung ist offiziell beendet!"

"Trägst du deshalb die lange Kleidung?", bohrte Doflamingo weiter nach, ohne auf seine Einwände einzugehen. "Hast du auch an anderen Körperstellen Verletzungen? Hämatome? Schnittverletzungen?" Mit einer Hand schob er seinen rechten Hemdsärmel nach oben und entblößte genau die Male, die er eben beschrieben hatte. Crocodile versuchte erneut sich aus Doflamingos Griff zu winden, doch er musste zu seinem Unmut feststellen, dass dieser sogar mit bloß einer Hand um einiges stärker war als er. Anscheinend hatte sein Kunde nicht gelogen gehabt, als er davon sprach, dass er viel Sport trieb.

"Hast du einen gewältätigen Freund?", fragte Doflamingo.

"Lass mich los!", knurrte Crocodile. Er war furchtbar wütend und obwohl sein Kunde einen sehr ruhigen und ernsten Eindruck erweckte, fühlte er sich von diesem verhöhnt. Crocodile hasste es in die Opferrolle gedrängt zu werden. Seit dem Unfalltod seiner Eltern verabscheute er Mitleid.

"Erzählst du mir von deinem Freund, wenn ich dich loslasse?"

"Ich mache keine Deals mit dir!", erwiderte Crocodile. "Was zwischen mir und meinem Exfreund vorgefallen ist, geht dich überhaupt nichts an. Wir beide sind nicht miteinander befreundet; du bist bloß einer meiner Kunden. Also misch dich gefälligst nicht in mein Privatleben ein! Meine Probleme gehen dich nichts an!"

"Du bist gewürgt und geschlagen worden.", hielt Doflamingo entschlossen dagegen.

"Na und?", gab Crocodile zurück. Endlich gelang es ihm, sich aus dem harten Griff seines Kunden zu befreien. "Warum interessierst du dich überhaupt für mich und meine Probleme? Für einen One-Night-Stand bin ich nicht zu haben, wenn du darauf hinaus willst. Ich habe keinen Bock auf deine blöden Spielchen. Also lass mich am besten einfach in Ruhe. Wir brechen diese Besichtigung jetzt ab! Such dir gefälligst einen anderen Makler!"

Crocodile griff nach seinem Tuch, das ins Badewasser gefallen war, wrang es aus und legte es sich wieder um den Hals. Anschließend zog er seine Socken und Schuhe an. Gerade als er das Badezimmer verlassen wollte, hörte er Doflamingo sagen: "Und wenn ich mehr möchte als nur einen One-Night-Stand?"

"Mir egal", erwiderte Crocodile und machte sich nicht einmal die Mühe sich umzudrehen. Er fühlte sich verspottet und bloßgestellt. Sein Kunde hatte kein recht dazu ihm die Kleidung vom Körper zu reißen und ihn festzuhalten. Was bildete sich Doflamingo eigentlich ein? Dass er sich alles erlauben durfte, bloß weil er reich war? Crocodile schnaubte und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar. Auch wenn er selbst bloß ein Immobilienmakler war, hatte er es definitiv nicht nötig sich dieses dreiste Verhalten gefallen zu lassen.
 

Crocodile stürmte aus dem Schlafzimmer. Eilig ging er die Treppe hinunter und verließ die Villa durch den Haupteingang. Er hörte, dass Doflamingo ihm folgte und nach ihm rief, doch darum scherte er sich überhaupt nicht. Für ihn war diese Besichtigung definitiv beendet. Er wollte mit Doflamingo nichts mehr zu tun haben. Hastig durchquerte Crocodile die weitläufige Gartenlandschaft, welche die Villa umgab, und machte sich auf den Weg zu seinem Wagen, den er am Straßenrand geparkt hatte.

Mit einem lauten Knall schloss er die Autotüre und schaltete in den Rückwärts-Gang. Als er in den Rückspiegel sah, bemerkte er Doflamingo, der ohne Hemd und ohne Schuhe auf dem Bürgersteig stand, und nach ihm Ausschau hielt. Crocodile presste die Lippen fest aufeinander und fuhr los.

Eine Wohnung in Westwood

"Donquixote Doflamingo hat gestern Abend persönlich angerufen", war das Erste, was seine Kollegin Robin zu ihm sagte, als er am nächsten Morgen im Büro erschien. Sie stand gerade an der Kaffeemaschine und schenkte ihm ebenfalls eine Tasse ein.

Crocodile seufzte leise und nahm wortlos den Kaffee entgegen, den Robin ihm reichte. Er konnte sich gut vorstellen, worauf dieser Anruf seines Kunden hinauslaufen würde. Sicherlich war Doflamingo alles Andere als begeistert, weil er die gestrige Besichtigung abgebrochen hatte und einfach verschwunden war. Eine Beschwerde machte sich zwar überhaupt nicht gut, vor allen Dingen weil sein Chef viel Wert auf einen absolut tadellosen Ruf legte, doch trotzdem bereute Crocodile das Verhalten nicht, das er an den Tag gelegt hatte. Doflamingo war einfach zu weit gegangen.

"Er hat dich und dein Verkaufstalent außerordentlich gelobt", fuhr Robin fort. Crocodile verschluckte sich prompt an seinem Kaffee und musste fürchterlich husten. "Er möchte das Objekt, das du ihm vorgestellt hast, gerne kaufen und hat auch schon einen Termin für die entsprechenden Formalitäten ausgemacht. Der Kaufvertrag soll nächste Woche Dienstag unterschrieben werden."

Crocodile konnte kaum glauben, was seine Arbeitskollegin ihm da erzählte. Er hätte beim besten Willen nicht damit gerechnet, dass sein anspruchsvoller Kunde die Villa doch noch nehmen würde; nicht nach dem schlimmen Streit, der gestern zwischen ihnen beiden vorgefallen war. Wieso bloß nahm Doflamingo ihn in Schutz, anstatt sich bei seinem Chef über ihn zu beschweren?

"Ähm, was genau hat Donquixote denn gesagt?", fragte Crocodile nach und bemühte sich um einen möglichst unverfänglich klingenden Tonfall.

"Die Details kenne ich nicht", meinte Robin, "weil nicht ich, sondern Sengoku mit ihm telefoniert hat. Aber angeblich war er sehr begeistert sowohl von dem vorgestellten Objekt als auch dir als Verkäufer. Meinte, dass du unglaublich charmant und zuvorkommend gewesen wärst."

"Tatsächlich?" Crocodile nahm einen großen Schluck Kaffee und zog eine Augenbraue hoch. "Besonders charmant habe ich mich eigentlich nicht verhalten. Aber nun ja, Donquixote ist eben ein echt verrückter Vogel."

Robin zuckte mit den Schultern. "Wie auch immer", sagte sie. "Jedenfalls wird eine ordentliche Provision für dich herausspringen. Das sind doch wirklich gut Neuigkeiten, nicht wahr? Schließlich hast du doch vor demnächst schon umzuziehen."

Crocodile nickte. "Stimmt", sagte er und versuchte so fröhlich wie möglich zu klingen. "Wenn der Vertrag tatsächlich schon am Dienstag unterschrieben wird, kann ich bereits am Wochenende Ausschau nach einer neuen Wohnung halten."

"Möchtest du in Westwood bleiben?", fragte Robin ihn. "Oder zieht es dich nach San Pedro zurück?"

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Ich bin mir noch nicht sicher", sagte er. "In Westwood gefällt es mir eigentlich ganz gut. Ich hätte nichts dagegen in derselben Nachbarschaft wie Daz zu wohnen. Aber vielleicht zieht es mich auch ganz woanders hin."

"Aber du wirst doch in L.A. bleiben, nicht wahr?", hakte Robin verwundert nach. "Du sagst doch ständig, dass es dir hier so gut gefällt. Oder möchtest du etwa zurück nach Big Apple? Oder sogar nach Italien?"

Er schüttelte den Kopf. "Natürlich bleibe ich hier", meinte Crocodile und nahm einen großen Schluck Kaffee. "Los Angeles ist mein Zuhause. Dagegen können weder New York noch Italien ankommen."

"Das ist schön zu hören", meinte Robin. "Wäre ein großer Verlust gewesen. Du bist einer der besten Immobilienmakler, über die unser Büro verfügt. Immerhin hast du es sogar geschafft Donquixote Doflamingo zum Kauf eines Objekts zu überreden. An diesem Typen haben sich bereits Dutzende Makler die Zähne ausgebissen."
 

Der Tag, an dem Doflamingo den Kaufvertrag für die Villa unterschreiben sollte, rückte immer näher. Und obwohl Crocodile die entsprechenden Papiere längst zusammengestellt hatte, konnte er nicht verhehlen, dass er verunsichert war. Er fragte sich, wie Doflamingo wohl reagieren würde.

War das Lob, das er seinem Chef gegenüber ausgesprochen hatte, gelogen gewesen? Handelte es sich beim Termin zum Unterschreiben des Vertrags bloß um einen Vorwand, damit er ihn persönlich und vor versammelter Mannschaft niedermachen konnte?

Crocodile fiel es sehr schwer sich vorzustellen, dass Doflamingo keinen fiesen Plan in die Tat umsetzen wollte. An seiner Stelle wäre er auf jeden Fall stinksauer gewesen. Immerhin hatte er seinen Kunden beleidigt (wenn auch bloß auf italienisch) und dann einfach stehen gelassen. Solch ein ungebührliches Verhalten ließ ein reicher und erfolgreicher Mann wie Donquixote Doflamingo doch bestimmt nicht auf sich sitzen, oder?

Crocodiles Paranoia reichten so weit, dass er am Montagnachmittag früher als üblich Arbeitsschluss machte und seinen Kollegen gegenüber behauptete, er hätte furchtbare Kopf- und Halsschmerzen.

"Oh nein", sagte Robin und wirkte, obwohl sie normalerweise ein recht kühler und zurückhaltender Mensch war, sehr betroffen. "Meinst du denn, dass du bis morgen wieder fit bist? Schließlich soll Donquixote doch den Kaufvertrag für die Villa unterschreiben. Und du hättest es wirklich verdient, dabei zu sein."

"Ich weiß nicht, ob es mir morgen wieder besser geht", erwiderte Crocodile und rieb sich theatralisch mit der rechten Hand über den Hals. Zum Glück war er ein sehr pflichtbewusster Mensch und fehlte so gut wie nie bei der Arbeit. Aus diesem Grund schien Robin seine Ausrede tatsächlich für bare Münze zu nehmen. "Kann ich dich morgen früh anrufen und dir Bescheid geben? Notfalls müsstest du mich dann bei dem Termin vertreten."

"Natürlich, das ist gar kein Problem", antwortete Robin mitfühlend. "Ich wünsche dir gute Besserung."

"Danke", erwiderte Crocodile. Er war sehr erleichtert angesichts der Tatsache, dass er dem gemeinsamen Termin mit Doflamingo entkommen konnte. Die Vorstellung, den Tag Zuhause zu verbringen und ein leckeres Mittagessen für Daz zu kochen, empfand er als äußerst verlockend im Gegensatz zum Rachefeldzug seines wütenden Kunden.
 

"Wie lief der Termin mit Donquixote?", fragte Crocodile, als er sich zwei Tage später wieder an seinem Arbeitsplatz einfand. Es war gerade Mittagspause und er bemühte sich um einen unverfänglich klingenden Tonfall; schließlich wollte er nicht den Eindruck erwecken, er hätte irgendwelche Vorahnungen gehabt.

"Sehr gut", erwiderte jedoch zu seiner Überraschung Robin, die gerade Zucker in ihrem Kaffee streute. "Es gab überhaupt keine Probleme. Er hat nicht einmal versucht die Maklerprovision runterzuhandeln oder irgendwelche besonderen Konditionen auszumachen."

"Wow", meinte Crocodile, der mit einer solchen Antwort nicht gerechnet hatte. "Das hört sich ja wirklich gut an."

"Es gibt sogar noch eine weitere gute Nachricht", sagte Robin und lächelte.

"Tatsächlich?", hakte Crocodile nach und zog verwundert eine Augenbraue hoch. "Und worum genau handelt es sich bei dieser guten Nachricht?"

"Donquixote war sehr enttäuscht, als ich ihm erklärt habe, dass du aus gesundheitlichen Gründen beim Unterschreiben des Vertrags nicht anwesend sein konntest", erklärte Robin. "Er schien wirklich außerordentlich begeistert von dir zu sein. Jedenfalls möchte er dich noch einmal engagieren."

"Noch einmal?" Crocodile fiel es schwer, das Entsetzen in seiner Stimme zu verbergen. Um ehrlich zu sein, konnte er sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen als einen weiteren Tag mit Doflamingo zu verbringen. Er hatte überhaupt keine Lust darauf erneut ausgequetscht und angefasst zu werden.

Robin nickte; sie schien sein Entsetzen mit Begeisterung zu verwechseln. "Anscheinend sucht er eine Zweitwohnung in Westwood. Ist das nicht wunderbar?"

"Bist du dir sicher, dass er auf mich besteht?", fragte Crocodile zur Sicherheit noch einmal nach. "Ich, ähm, ich habe derzeit so viel mit meinem eigenen Umzug zu tun, da weiß ich nicht, ob ich die Zeit finde, um einen so anspruchsvollen Kunden wie Donquixote zu bedienen. Ich hätte absolut nichts dagegen den Auftrag an einen Kollegen abzugeben."

"Er bestand ausdrücklich auf dich", erwiderte Robin jedoch zu seinem Unmut. Kichernd fügte sie hinzu: "Man könnte meinen, er hätte sich in dich verliebt. Donquixote steht doch auf Männer, oder nicht? Genauso wie du."

"Du redest Blödsinn!", warf Crocodile rasch ein und verdrehte die Augen. "Donquixote und ich haben uns doch bloß ein einziges Mal gesehen. Ich denke nicht, dass er sich in mich verliebt hat. Wahrscheinlich freut er sich einfach darüber, dass ihm endlich jemand eine Immobilie anbieten konnte, die ihm zusagt. Ich bin mir sicher, dass er in mir bloß einen guten Makler sieht. Nichts weiter."

"Ganz sicher?", stichelte Robin. "Es ist ein seltsamer Zufall, dass er so plötzlich einen zweiten Wohnsitz in Westwood sucht, nicht wahr? Genau derselbe Stadtteil, in dem auch du lebst."

Crocodile zuckte mit den Schultern. Auch ihm war dieses besondere Detail nicht entgangen. Trotzdem versicherte er seiner Kollegin: "Ich bin mir absolut sicher, dass er bloß meine Fähigkeiten als Immobilienmakler schätzt."
 

Gleich am nächsten Tag bat Crocodile seinen Chef um ein Gespräch unter vier Augen. Sengoku war normalerweise ein sehr freundlicher und verständnisvoller Mensch.

Crocodile hoffte darauf, den Fall Donquixote doch noch auf einen Kollegen abwälzen zu können, wenn er seinem Chef seine schwierige Lebenssituation erklärte. Also sprang er über seinen Schatten und erzählte Sengoku, dass er sich vor kaum mehr als einer Woche von seinem Lebenspartner getrennt hatte und er derzeit in Ermangelung einer besseren Option bei seinem besten Freund wohnte.

"Ich bin wirklich nicht dazu imstande, mich noch einmal um einen so anspruchsvollen und extravaganten Kunden wie Donquixote zu kümmern", beteuerte Crocodile. Auch wenn er die Prügelei zwischen sich und Akainu außen vor gelassen hatte, hoffte er darauf, dass sein Chef Verständnis für seine problematische Lage aufbringen würde. "Bevor ich diesen großen Auftrag annehme, muss ich erst einmal Ausschau nach einer eigenen Wohnung halten und mein Leben wieder auf die Reihe bekommen. Ich möchte es meinem besten Freund nur sehr ungern zumuten, mich allzu viel länger bei sich zu beherbergen. Derzeit ist es mir absolut unmöglich, einen Kunden in dieser Größenordnung angemessen zu betreuen. Kann denn nicht einfach jemand anders einspringen? Robin oder Paula würden sich doch sicher über diese Herausforderung freuen!"

Sengoku seufzte leise und verschränkte die Arme vor der Brust. Er schwieg für eine Weile, ehe er erwiderte: "Ich kann gut verstehen, dass du dich in einer schwierigen Lebenssituation befindest, Crocodile, und keine Lust dazu hast einen Paradiesvogel wie Doflamingo zu betreuen. Darum habe ich bereits mit ihm gesprochen und ihn auf meine anderen Mitarbeiter verwiesen."

Hoffnungsvoll hob Crocodile den Blick und wartete die nächsten Worte seines Vorgesetzten ab.

"Leider möchte er sich ausschließlich von dir betreuen lassen. Er sagte zu mir, dass du der einzige Makler wärst, dem es je gelungen wäre ihn von sich zu überzeugen. Entweder dich oder keinen, meinte er. Es tut mir leid, doch leider bleibt mir keine andere Wahl, Crocodile. Ich kann es mir nicht leisten einen so wichtigen Kunden wie Donquixote zu verlieren. Ich fürchte, dass du durch diese Sache einfach durch musst.

Sollte es dir gelingen eine Wohnung in Westwood zu finden, die ihm zusagt, schenke ich dir als Belohnung eine zusätzliche Woche Urlaub. Dann hast du genug Zeit, um dein Leben wieder zu ordnen und nach einer eigenen Wohnung Ausschau zu halten. Doch weiter kann ich dir nicht entgegen kommen."

"Gut", sagte Crocodile, obwohl er eigentlich das Gegenteil meinte. Es machte ihn wütend, dass es Doflamingo gelungen war, seinen Chef um den Finger zu wickeln und seinen Willen eisern durchzusetzen. Er hatte wirklich darauf gehofft gehabt, die Arbeit nach seinem letzten großen Erfolg ein wenig ruhiger angehen zu können. Anstatt für sich selbst, musste er nun jedoch nach einer passenden Wohnung für seinen aufdringlichen Kunden in Westwood suchen. Crocodile war unfassbar frustriert. So hatte er sich diese Sache nicht vorgestellt.

"Heute Mittag wird sich Donquixotes Assistent bei dir melden", fuhr Sengoku fort, "und dir die Kriterien nennen, die er an die neue Wohnung stellt. Ich wünsche dir viel Erfolg, Crocodile! Ich bin mir sicher, dass du diesen Auftrag mindestens ebenso gut meistern wirst wie den letzten."

"Danke", sagte Crocodile schlecht gelaunt und erhob sich von seinem Stuhl.
 

Es war gerade erst elf Uhr vormittags, als sein Telefon klingelte und man sich von Donquixotes Seite aus bei ihm meldete; genauer gesagt rief Doflamingo höchstpersönlich bei ihm an. Crocodile zog überrascht die Augenbrauen zusammen und stellte die Kaffeetasse, die er in seiner freien Hand gehalten hatte, äußerst unsanft auf seinem Schreibtisch ab. Um ehrlich zu sein, war er nicht davon ausgegangen, dass Doflamingo selbst sich bei ihm melden würde. Reiche und viel beschäftigte Männer wie er kommunizierten meistens über irgendwelche Sekretäre oder Assistenten mit ihrem Immobilienbüro.

Am liebsten hätte Crocodile gleich wieder aufgelegt, kaum dass er die unverwechselbare Stimme seines Kunden vernahm, doch da sich sowohl Robin als auch Paula in seiner unmittelbaren Nähe aufhielten, konnte er solch ein Verhalten nicht an den Tag legen. Also würde er sich notgedrungen mit Doflamingo auseinandersetzen müssen. Crocodile atmete zweimal tief ein und aus, ehe er den jungen Mann am anderen Ende der Leitung begrüßte. Er bemühte sich um eine freundlich und professionell klingende Stimmlage, was ihm jedoch bloß mäßig erfolgreich gelang.

"Guten Morgen, Crocodile", sagte Doflamingo; Crocodile kam nicht umhin, sich das breite Grinsen seines Kunden vorzustellen, während dieser sprach.

"Guten Morgen, Mr. Donquixote", gab er zurück. "Mir wurde mitgeteilt, dass Sie eine Wohnung im Stadtteil Westwood suchen. Darf ich Sie darum bitten Ihre Wünsche zu konkretisieren?"

"Ich dachte, dass wir uns darauf geeinigt hätten uns zu dutzen", meinte Doflamingo, ohne auf seine Bitte einzugehen.

Crocodile gelang es nur mit viel Mühe, einen lauten Seufzer zu unterdrücken. Sie sprachen kaum eine halbe Minute miteinander und schon waren sie wieder bei diesem leidigen Thema angelangt! Er war schlecht gelaunt genug, um zu erwidern: "Mir wäre es lieber, wenn wir uns siezen würden, Mr. Donquixote."

"Und mir wäre es lieber, wenn wir uns dutzen würden!", hielt Doflamingo dagegen.

"Möchten Sie kaufen oder mieten?" Crocodile beschloss, das Spiel seines Kunden nicht mitzuspielen. Doflamingo würde sich entweder zu einem normalen, aufs Berufliche bezogene Gespräch hinreißen lassen oder Crocodile beendete dieses Telefonat. Er sah nämlich überhaupt nicht ein, wieso er sich von diesem Mann erneut zum Narren halten lassen sollte.

"Kaufen", antwortete Doflamingo. Er schien zu begreifen, dass Crocodile nicht in der Stimmung für irgendwelchen nervigen Schabernack war, und konzentrierte sich darum erfreulicherweise auf den eigentlichen Anlass für seinen Anruf: "Die Wohnung soll in einer ruhigen Nebenstraße liegen und über mindestens einen Balkon oder eine Terrasse verfügen. Etwa 120 Quadratmeter; drei bis vier Zimmer und mindestens zwei Bäder. Besonders wichtig ist außerdem, dass die Wohnung sofort bezogen werden kann; also keine Sanierungs- oder Renovierungsarbeiten notwendig sind."

"Wie hoch ist Ihr Budget?", fragte Crocodile, der sich eifrig die genannten Kriterien notierte. Für einen so anspruchsvollen und extravaganten Mann wie Doflamingo war die Liste überraschend kurz.

"Geld spielt keine Rolle", erwiderte Doflamingo mit ernster Stimme. "Mir ist bloß wichtig, dass der Kauf so schnell wie möglich vonstatten geht. Am besten bringst du direkt schon die entsprechenden Papiere mit, damit ich sie gleich vor Ort unterschreiben kann. Denk daran, dass die Wohnung unbedingt sofort bezugsfertig sein sollte."

Crocodile zog verwundert die Augenbrauen zusammen. "Möchten Sie denn nicht mehr als nur ein Objekt besichtigen?", fragte er nach. "Auf die Kriterien, die sie genannt haben, passen bestimmt drei oder vier Dutzend freie Wohnungen in Westwood."

"Nein, ich werde mir nur eine einzige Wohnung ansehen", erwiderte Doflamingo. "Ich vertraue auf deine Fähigkeiten als Immobilienmakler, Crocodile, und bin absolut sicher, dass mir bereits die erste Wohnung, die du mir vorstellst, gefallen wird."

"Ähm, nun gut", meinte Crocodile und wusste nicht so recht, ob er sich geschmeichelt fühlen sollte oder nicht. Doflamingos Wünsche gaben ihm Rätsel auf. Wieso suchte sein schwer reicher und extravaganter Kunde eine Eigentumswohnung in Westwood, wo er doch gerade erst eine riesige Villa in Downtown Los Angeles gekauft hatte? Und warum nur legte er so viel Wert darauf, dass der Kauf möglichst schnell vonstatten ging?

"Können wir uns morgen treffen, um die Wohnung zu besichtigen?"

"Morgen schon!?" Crocodile glaubte sich verhört zu haben. Erwartete Doflamingo etwa tatsächlich, dass es ihm innerhalb weniger Stunden gelingen würde dessen Traumimmobilie aufzutreiben?

"Passt dir siebzehn Uhr?", fuhr Doflamingo ungerührt fort. "Schließlich sagtest du doch gerade eben, dass es sehr viele freie Wohnungen in Westwood gibt, die meinen Wünschen entsprechen. Oder nicht?"

"Nun ja, schon", gab Crocodile zu. "Trotzdem ist dieser Zeitraum wirklich sehr knapp bemessen, Mr. Donquixote."

"Ich bin mir sicher, dass es dir gelingen wird, bis morgen Mittag eine hübsche Wohnung zu finden." Zu seinem Unmut musste Crocodile feststellen, dass sein hartnäckiger Kunde einfach nicht locker lassen wollte. Ihm blieb also nichts anderes übrig als klein bei zu geben. "Also gut", seufzte er. "Ich werde mein Bestes geben. Morgen melde ich mich dann bei Ihnen, um Sie über den Stand der Dinge zu informieren."

"Wunderbar", trällerte Doflamingo gut gelaunt. "Dann bis morgen, Crocodile!"

"Bis morgen, Mr. Donquixote."
 

In seinen Datenbanken waren etwa dreißig Wohnungen aufgelistet, die den Kriterien entsprachen, die Doflamingo ihm genannt hatte. Crocodile sah sich jede einzelne von ihnen an und wählte dann fünf Objekte aus, die ihm besonders zusagten. Anschließend tätigte er einige Anrufe, um nachzufragen, ob eine Besichtigung gleich am Folgetag möglich wäre. Schlussendlich blieb ihm bloß eine einzige Wohnung übrig. Crocodile hoffte darauf, dass sie den Ansprüchen seines extravaganten Kunden genügen würde.

Am nächsten Tag rief er Doflamingo an und teilte diesem mit, dass er ein passendes Objekt gefunden hätte. Der einzige freie Zeitraum für eine Besichtigung war jedoch von 13 bis 15 Uhr. Doflamingo versicherte ihm allerdings, dass die Uhrzeit für ihn absolut kein Problem darstellte.

Am Ende lief es darauf hinaus, dass Crocodile sich um 13 Uhr in einer netten Nebenstraße im Stadtteil Westwood einfand. Die Wohnung, die er seinem Kunden vorstellen wollte, lag in einem hübschen und gut gepflegten Haus, dessen Fassade mit altmodischem Stuck verziert worden war. Um ehrlich zu sein, ärgerte Crocodile sich darüber, dass er diese tolle Immobilie an Doflamingo würde verkaufen müssen. Er selbst hätte diese Wohnung ebenfalls sehr gerne genommen. Sie war sogar bloß drei Blocks von dem Haus entfernt, in dem sein bester Freund Daz wohnte.

Crocodiles sowieso schon schlechte Laune sank auf einen absoluten Tiefpunkt ab, als er einen pinkfarbenen Bentley Azure ausmachte, der am Straßenrand geparkt worden war. Doflamingo stieg aus dem Wagen aus (dieses Mal schien er selbst gefahren zu sein) und kam in seinem typisch o-beinigen Gang auf ihn zugewatschelt.

Es war Crocodiles jahrelanger Erfahrung als Makler geschuldet, dass er nicht sofort Reißaus nahm, sondern ein ruhiges Gemüt bewahrte. Da Doflamingo die Immobilie, die er ihm heute vorstellte, auf jeden Fall kaufen wollte, würde er diese Besichtigung hoffentlich relativ schnell hinter sich bringen können. Er hatte nämlich keine Lust, auch nur eine Minute länger als unbedingt notwendig mit seinem aufdringlichen Kunden zu verbringen.

"Guten Tag, Mr. Donquixote", begrüßte Crocodile den jungen Mann und hielt ihm seine rechte Hand hin, doch bemühte sich nicht einmal um ein freundliches Lächeln.

"Hi, Crocodile", gab Doflamingo fröhlich grinsend zurück und schlug in die angebotene Hand ein; er hielt sie deutlich länger fest als es notwendig gewesen wäre. "Schön, dich wiederzusehen. Wie geht es dir heute?"

"Gut", antwortete Crocodile knapp. Er war schlecht gelaunt genug, um auf die obligatorische Gegenfrage zu verzichten. Stattdessen wandte er sich dem Haus zu, in dem die Wohnung lag, die er seinem Kunden vorstellen würde. "Das Objekt entspricht allen Kriterien, die Sie mir genannt haben. Ich würde vorschlagen, dass wir gleich hineingehen."

Doflamingo nickte. "Sehr gerne", meinte er wie immer breit grinsend. "Nach dir."
 

Gemeinsam betraten sie den Eingangsbereich des Hauses; er war sehr geräumig und ebenso wie die Fassade mit reichlich Stuck verziert. Crocodile führte seinen Kunden hinüber zum Fahrstuhl.

"Ziemlich altmodisch", merkte Doflamingo an und deutete auf die geschmückten Wände und die Decke.

"Dieses Haus wurde zur Zeit des Jugendstils erbaut", erklärte Crocodile. "Davon, dass Sie sich sich eine Wohnung wünschen, die sich in einem Neubau befindet, haben Sie mir nichts gesagt. Allerdings wurde dieses Gebäude vor rund fünf Jahren kernsaniert. Seitdem gibt es hier auch einen Fahrstuhl."

"Meine Anmerkung war nicht kritisch gemeint", erwiderte Doflamingo rasch und stieg gemeinsam mit ihm in den Fahrstuhl. "Magst du denn den Jugendstil?" Er sprach den Begriff so zaghaft aus, dass Crocodile sich sofort sicher war, dass Doflamingo ihn noch nie zuvor benutzt hatte.

Er nickte. "Die Wohnung liegt im zweiten Stock", erklärte er seinem Kunden und drückte auf den entsprechenden Knopf.

Entgegen dem in Amerika üblichen Wohnungsschnitt betrat man nicht sofort den Wohn- und Essbereich, sondern gelangte zuerst in eine geräumige Diele. Von dort aus zweigten mehrere Türen ab, welche in die entsprechenden Zimmer führten.

"Diese Wohnung richtet sich nicht in jeder Hinsicht nach amerikanischen Standards", erklärte Crocodile seinem Kunden, der sich neugierig umsah, "sondern wurde eher nach europäischem Vorbild entworfen. Darum gibt es ein von der Diele getrenntes Wohnzimmer und auch die Küche ist separat. Beides ist für Kalifornien eher unytpisch."

"Eine europäische Wohnung mitten in Los Angeles", gluckste Doflamingo. "Das verwundert mich nicht; immerhin sind wie beide ja in Europa geboren worden."

"Möchten Sie sich als Erstes das Wohnzimmer ansehen, Mr. Donquixote?", erwiderte Crocodile, ohne auf die Anmerkung seines Kunden einzugehen. Er hatte definitiv kein Interesse daran mit Doflamingo Smalltalk zu betreiben und über ihre europäische Heimat zu plaudern. Je eher sie diese Besichtigung hinter sich brachten, desto besser.

"Klar, gerne", gab Doflamingo zurück und steckte die Hände lässig in seine Hosentaschen. Überraschenderweise schien er sich an der abweisenden Art seines Maklers überhaupt nicht zu stören. Vielleicht hatte er damit sogar gerechnet gehabt; immerhin waren sie das letzte Mal alles Andere als freundschaftlich auseinander gegangen.
 

Das Wohnzimmer war ein Raum mit einer breiten Fensterfront und hoher Decke.

"Wie ausdrücklich von Ihnen gefordert worden ist, kann die Wohnung sofort bezogen werden", erklärte Crocodile seinem Kunden. "Abgesehen von der Küche und den beiden Bädern liegt überall Parkettboden. Bei dem verwendeten Material handelt es sich um Merbau, ein wertvolles Tropenholz. Durch die Raumhöhe kommt die intensive Farbe besonders gut zur Geltung."

"Aber in der Küche und den Bädern liegt doch auch schon ein Boden, oder nicht?", hakte Doflamingo sofort nach. Über das hochwertige und seltene Parkett verlor er nicht ein einziges Wort.

"Natürlich", antwortete Crocodile. "Dort liegen Marmorfliesen. Wenn Sie möchten, dann zeige ich Ihnen die Küche inklusive großzügigem Essbereich, Mr. Donquixote."

Doflamingo nickte und folgte ihm auf dem Fuße. "Du kannst gerne Doflamingo zu mir sagen", meinte er, während sie zur Küche hinübergingen. "Oder Doffy, so nennen mich meine Freunde. Um ehrlich zu sein, nervt es mich, dass du mich siezt. Beim letzten Mal waren wir doch auch schon beim Du."

"Ich möchte lieber beim Sie bleiben", erwiderte Crocodile absolut ungerührt. "Schließlich ist unsere Beziehung rein geschäftlich." Um seine Aussage zu unterstreichen, fügte er im selben Atemzug hinzu: "Die Küche ist komplett neu und hat einen Wert von insgesamt $20.000. Alle Elektrogeräte..."

"Wollen wir wirklich so tun als wäre zwischen uns nichts gewesen?", unterbrach Doflamingo ihn und zum ersten Mal seit Beginn der Besichtigung erweckte er einen aufgewühlten und unzufriedenen Eindruck. Selbst das normalerweise allgegenwärtige Grinsen war aus seinem Gesicht verschwunden."Willst du wirklich so tun als handelte es sich bei mir bloß um irgendeinen Kunden, den du überhaupt nicht kennst?"

"Sie sind bloß irgendein Kunde", gab Crocodile spitz zurück. "Und zwischen uns beiden ist niemals etwas gelaufen."

"Ich habe die Male an deinem Hals und deinen Armen gesehen!", korrigierte Doflamingo ihn mit untypisch ernster Stimme. "Und ich kann nicht einfach ignorieren, was ich gesehen habe."

"Das ist nicht mein Problem." Crocodile hatte überhaupt keine Lust dazu, mit seinem Kunden über seinen Exfreund zu sprechen. Er trennte Berufliches und Privates sehr strikt. Außerdem handelte es sich bei Donquixote Doflamingo um den allerletzten Menschen, dem er sich anvertrauen würde. Anbetracht dessen, wie dieser sich bei ihrem letzten Treffen ihm gegenüber verhalten hatten, war jede Chance auf ein solches Gespräch vertan.

"Du trägst heute kein Halstuch", sagte Doflamingo plötzlich. "Hast du deinen Exfreund seit unserem letzten Treffen nicht mehr wiedergesehen?"

"Meine Beziehung zu meinem Exfreund geht dich nichts an", erwiderte Crocodile barsch. "Du hast überhaupt kein Recht dazu, dich in mein Leben einzumischen. Du bist bloß ein aufdringlicher Kunde, der Dinge gesehen hat, die er nicht hätte sehen sollen! Also lass uns einfach diese verdammte Besichtigung hinter uns bringen und anschließend getrennte Wege gehen."

"Wie lange wart ihr zusammen?"

Auf diese Frage gab Crocodile keine Antwort. Stattdessen beschloss er, auszuweichen. Ohne sich die Mühe zu machen, seinen reichen Kunden darauf hinzuweisen, verließ er die Küche und ging hinüber ins Schlafzimmer. Natürlich folgte Doflamingo ihm auf dem Fuße.

"Das Schlafzimmer ist dreißig Quadratmeter groß", erklärte er und bemühte sich um einen ruhig und sachlich klingenden Tonfall. Er sah seinem Gegenüber nicht in die Augen, während er sprach. "Durch die Tür hier drüben gelangt man in einen begehbaren Kleiderschrank, der um die zwanzig Quadratmeter zählt. Hier kommt wieder die typisch amerikanische Raumteilung zur Geltung und..."

"Hast du gelogen, als du mir gesagt hast, dass du in Westwood wohnst?", unterbrach ihn Doflamingo, der kein allzu großes Interesse an dem Schlafzimmer zeigte, das ihm vorgestellt wurde. "Ich habe herausgefunden, dass du offiziell in San Pedro gemeldet bist. Angeblich lebst du seit zwei Jahren mit einem gewissen Sakazuki Akainu zusammen. Ist dieser Typ dein Exfreund?"

Crocodile atmete einmal tief ein und aus, ehe er erwiderte: "Die Fenster sind doppelt verglast und abschließbar. Nicht nur hier im Schlafzimmer, sondern in allen Räumen. Auch in den beiden Bädern."

"Ich kann dir helfen!"

"Mir helfen?!" Diese dreiste Aussage konnte Crocodile nicht ignorieren. Er warf seinem Kunden einen wütenden Blick zu. "Ich brauche deine Hilfe nicht! Ich will, dass du mich in Ruhe lässt!"

"Du hast es nicht verdient so behandelt zu werden!", warf Doflamingo mit eindringlicher Stimme ein. "Du bist ein wundervoller Mensch, Crocodile. Fleißig, intelligent, stolz. Manchmal bist du auch ein bisschen kratzbürstig, aber diese Eigenschaft macht dich nur umso liebenswerter. Ich möchte nicht, dass dein Exfreund dich kaputt macht!"

"Und wie willst du das verhindern?" Crocodile warf seinem Kunden einen abschätzenden Blick zu. Er hielt Doflamingos Worte bloß für hohles Gerade. Handelte es sich dabei um seine neue Masche? Versuchte er etwa, ihn auf diese Weise ins Bett zu kriegen?

"Hast du die Papiere für diese Wohnung dabei? Den Kaufvertrag?"

"Ja", antwortete Crocodile und zog irritiert die Augenbrauen zusammen. Ihn überraschte dieser abrupte Themenwechsel. Trotzdem holte er die entsprechenden Dokumente hervor.

"Wo muss ich unterschreiben?", fragte Doflamingo ihn.

"Du kennst doch noch nicht einmal den Kaufpreis", gab Crocodile kopfschüttelnd zurück.

"Der Preis ist mir vollkommen egal", meinte sein Kunde. "Sag mir einfach, wo ich unterschreiben soll."

"Die Wohnung kostet $900.000", sagte Crocodile, ehe er auf die entsprechenden Stellen im Vertrag deutete. "Hier, hier und hier." Auch wenn er Doflamingo nicht ausstehen konnte, hielt er es für unverantwortlich, seinen Kunden einen Kaufvertrag unterschreiben zu lassen, ohne diesen über den Preis zu informieren. Das ginge gegen seine Ehre als Immobilienmakler.

Doflamingo unterschrieb den Vertrag, ohne ihn sich durchzulesen oder auch nur den genannten Preis für das Objekt auf Richtigkeit zu überprüfen. Absolut unprofessionell, dachte Crocodile insgeheim. Doch weil er froh darüber war, dass die Besichtigung auf diese Weise ein Ende gefunden hatte, sagte er lieber nichts.

"Ich habe auch einen Vertrag mitgebracht", sagte Doflamingo plötzlich. Er kramte ein paar Papierbögen hervor und hielt sie seinem Makler unter die Nase. "Den musst du unterschreiben!"

Skeptisch zog Crocodile eine Augenbraue hoch. "Was ist das?", fragte er, ohne den Vertrag entgegenzunehmen. Er konnte sich überhaupt nicht vorstellen, was Doflamingo von ihm wollte.

"Ein Schenkungsvertrag", antwortete sein Kunde mit ernster Stimme. "Ich schenke dir die Wohnung, die ich soeben gekauft habe."

"Was?!" Crocodile glaubte, sich verhört zu haben. Als er jedoch einen genaueren Blick auf den Vertrag warf, den Doflamingo mitgebracht hatte, stellte er fest, dass es sich tatsächlich um einen Schenkungsvertrag handelte.

"Ich habe diesen Vertrag von meinem Notar aufsetzen lassen", erklärte Doflamingo ihm. "Es hat also alles seine Richtigkeit. Du musst nur noch deinen Namen draufsetzen. Wenn du unterschreibst, gehört diese Wohnung dir."

"Warum?" Crocodile warf seinem Kunden einen skeptischen Blick zu. "Wir kennen uns kaum. Heute sehen wir uns zum zweiten Mal. Und bei unserem ersten Treffen hast du bloß versucht mich zum Sex zu überreden. Warum schenkst du mir eine Wohnung im Wert von fast einer Millionen Dollar?"

Für Crocodile lag auf der Hand, dass an dieser Sache irgendetwas faul sein musste. Ihm fiel kein einziger legitimer Grund ein, wieso Doflamingo ihm ein solch teures Geschenk machen sollte. Er war es gewohnt, dass seine Kunden ihm gelegentlich einen guten Wein oder einen exotischen Blumenstrauß zukommen ließen, wenn er ihnen erfolgreich ein Objekt vermittelt hatte, doch ein Geschenk in dieser Größenordnung hatte man ihm niemals zuvor angeboten. Nahezu eine Million Dollar konnten doch selbst für einen solch reichen Mann wie Doflamingo keine Peanuts sein!

"Du hast es nicht verdient von deinem Exfreund verprügelt zu werden", antwortete Doflamingo.

"Ich habe mich bereits von Akainu getrennt", gab Crocodile ungerührt zurück. "Er wird mich nie wieder anfassen." Für ihn kam es überhaupt nicht infrage, den von seinem Kunden mitgebrachten Schenkungsvertrag zu unterschreiben. Er hatte es nicht nötig Almosen anzunehmen.

"Ihr wohnt immer noch zusammen!", hielt Doflamingo dagegen.

"Ich habe dich nicht angelogen, als ich dir sagte, dass ich in Westwood lebe", erwiderte Crocodile mit ruhiger Stimme. "Ich wohne derzeit bei einem guten Freund."

"Aber du hast noch keine neue Wohnung in Aussicht, nicht wahr? Du bist immer noch in San Pedro gemeldet und schläfst bei einem Freund auf der Couch. Das Risiko, dass du in die Arme deines gewalttätigen Exfreundes zurückgetrieben wirst, ist groß."

Crocodile rollte mit den Augen. Schließlich sagte er: "Ich werde dein Geschenk nicht annehmen. Und für mich ist dieses Gespräch jetzt beendet. Genauso wie die Besichtigung. Da du diese Wohnung anscheinend nur gekauft hast, um sie mir zu schenken, werde ich den von dir unterschriebenen Kaufvertrag vernichten. Meinem Chef sage ich, dass dir die Wohnung nicht gefallen hat und du dich doch lieber an ein anderes Immobilienbüro wendest. Und damit hat es sich erledigt."

Crocodile machte sich nicht einmal die Mühe, seinen Kunden zu verabschieden. Er konnte dessen Angebot noch immer nicht so recht fassen. Doflamingo hatte ihm eine Wohnung im Wert von fast einer Millionen Dollar einfach schenken wollen! Er fuhr sich mit der rechten Hand durch sein dunkles Haar und machte anschließend auf dem Absatz kehrt. Crocodile war froh darüber, dass er Doflamingo nie wieder sehen würde. Sein reicher Kunde hatte ihn bereits oft genug gedemütigt, fand er.

"Warte doch!" Doflamingo hastete ihm hinterher und hielt ihm am Handgelenk fest.

"Diese Besichtigung ist beendet!", wiederholte Crocodile mit eindringlicher Stimme und befreite sich sofort aus dem festen Griff. "Lass mich in Ruhe!"

"Ich möchte nicht, dass wir auf diese Weise auseinandergehen", meinte Doflamingo und folgte ihm, als er die Diele durchquerte. "Nicht schon wieder! Ich meine es ernst, Crocodile!"

"Ich bin nicht für einen One-Night-Stand zu haben!", erwiderte Crocodile unwirsch und machte sich auf den Weg hinüber zum Fahrstuhl. Zu seinem Unmut ignorierte sein Kunde diese sehr eindeutige Aussage und stieg stattdessen zu ihm in den Fahrstuhl.

"Davon spreche ich doch überhaupt gar nicht!", warf Doflamingo ein. Er erweckte einen beinahe schon verzweifelten Eindruck.

"Während unseres ersten Besichtigungstermins hast du die meiste Zeit bloß damit verbracht mit mir zu flirten und mich zum Sex zu überreden", entgegnete Crocodile kühl, während sie hinunter ins Erdgeschoss fuhren.

"Weil du mir bereits damals gefallen hast!", erklärte sein Kunde eindringlich. "Mir ist sofort aufgefallen, dass du ein stolzer, eigensinniger und kluger Typ bist. Und das hat mir sehr imponiert. Du kannst es mir nicht verübeln, dass ich versucht habe mit dir anzubändeln."

"Und das soll ich dir glauben?", schnaubte Crocodile. Der Fahrstuhl kam zum Halten und er wartete ungeduldig darauf, dass sich die Türe öffnen würde.

"Glaubst du, ich schenke jedem Mann, der mir gefällt, eine Million Dollar?", hielt Doflamingo dagegen. "Du bist etwas Besonderes, Crocodile! Bitte lauf nicht vor mir weg! Nicht schon wieder! Bitte gib mir eine Chance! Wir könnten mal zusammen einen Kaffee trinken oder so etwas?"

Crocodile schüttelte den Kopf. "Kein Interesse."

Er ging hinüber zu seinem Wagen, den er am Straßenrand geparkt hatte. Während er die Fahrertür öffnete, versuchte er sich daran zu erinnern, wann Daz heute von der Arbeit nach Hause kommen würde. Gegen sechzehn Uhr, hatte dieser gesagt gehabt, glaubte Crocodile. Wenn er sich beeilte, hatte er also noch genug Zeit, um einzukaufen und ein leckeres Mittagessen für seinen besten Freund vorzubereiten.

Die Situation war fast diesselbe wie damals bei ihrem ersten Treffen. Als Crocodile in den Rückspiegel schaute, sah er Doflamingo, der mit einem völlig verzweifelten Gesichtsausdruck am Straßenrand stand. Crocodile presste die Lippen fest aufeinander und fuhr los.
 

bye

sb

Ein Plätzchen in Hollywood

"Du weißt, dass du nicht für mich kochen musst", sagte Daz, als er nach Hause kam und feststellte, dass Crocodile wieder einmal in der Küche stand und das Mittagessen vorbereitete.

"Ich wohne kostenfrei bei dir", erwiderte er und wendete das Fleisch in der Pfanne. "Für dich zu kochen ist das Mindeste, was ich tun kann."

"Mir macht es nichts aus, dass du bei mir wohnst", erwiderte sein bester Freund und seufzte leise. "Du kannst gern so lange bleiben, wie du möchtest. Und dafür schuldest du mir überhaupt nichts."

"Ich kann mich wenigstens erkenntlich zeigen", meinte Crocodile. Er schaltete den Herd herunter, griff nach zwei Tellern und begann den Esstisch zu decken. "Außerdem weißt du doch, dass ich gerne kochen."

"Gut, die Begründung lasse ich durchgehen", erwiderte sein Freund und setzte sich hin. "Es wundert mich, dass du schon so früh wieder da bist. Hattest du nicht gesagt, dass für heute Mittag eine Wohnungsbesichtigung angesetzt war?"

"Die Besichtigung lief nicht sonderlich gut", meinte Crocodile und setzte sich zu Daz an den Tisch. Obwohl er das Gericht, das er heute gekocht hatte, eigentlich sehr gerne aß, verspürte er überhaupt keinen Appetit.

Er hatte seinem besten Freund nicht erzählt, was zwischen Doflamingo und ihm vorgefallen war. Daz machte sich seinetwegen sowieso schon viel zu viele Umstände, fand Crocodile. Er wollte ihn nicht noch zusätzlich belasten und ihm Sorgen bereiten.

"Tatsächlich? Inwiefern?", fragte Daz, während er nach Messer und Gabel griff.

"Mein Kunde war absolut furchtbar", sagte Crocodile, "Er hat mir zwar nur sehr wenige Kriterien genannt gehabt, aber sich trotzdem ständig beschwert. Sogar schon gleich zu Beginn. Meinte zu mir, ihm würde der Jugendstil nicht gefallen und er wünsche sich eine Wohnung in einem Neubau. Aber wie soll ich diese Bedingung berücksichtigen, wenn er sie mir vorher gar nicht mitgeteilt hat? Die Leute denken oft, Makler könnten Gedanken lesen."

"Oh Mann", meinte Daz kopfschüttelnd. "Was für ein Idiot."

"Das kannst du laut sagen", erwiderte Crocodile und stocherte lustlos in seinem Essen herum.

"Du solltest dich nicht ärgern", sagte sein bester Freund. "Ich bin mir dessen bewusst, dass deine Quote hervorragend ist, aber nicht jede Besichtigung kann erfolgreich verlaufen. Das nächste Mal hast du mehr Glück, da bin ich mir sicher."

Crocodile nickte. "Ich habe erst vor kurzem eine Villa im Wert von knapp $30.000.000 vermittelt", erklärte er. "Dabei springt für mich auf jeden Fall eine hohe Provision raus. Das bedeutet, dass ich demnächst schon Ausschau nach einer eigenen Wohnung halten kann."

"Sehr schön", meinte Daz mit freundlicher Stimme. "Sicher findest du bald eine passende Wohnung. Aber bis dahin kannst du sehr gerne weiterhin bei mir wohnen bleiben. Also mach dir bitte keinen Stress, ja?"

Crocodile nickte. "Ich denke, dass ich in Westwood bleiben möchte", sagte er. "Mir gefällt es hier gut. Deutlich besser als in San Pedro."

"Ich fände es auch gut, wenn du dir eine Wohnung hier in Westwood suchen würdest", meinte Daz und lächelte leicht. Er wirkte häufig sehr kühl und offenbarte nur selten seine Gefühle. Trotzdem war er sehr fürsorglich und vor allem ein treuer Freund. "In meiner Nachbarschaft sind in letzter Zeit ein paar Wohnungen frei geworden. Nur drei Blocks entfernt wird eine hübsche Wohnung angeboten, die dir bestimmt gefallen würde. Du solltest sie dir bei Gelegenheit mal ansehen."

"Klar, das mache ich auf jeden Fall", erwiderte Crocodile und spürte, wie sein Lächeln auf den Lippen gefror. Sprach Daz etwa von genau der Wohnung, die er erst vor ein paar Stunden gemeinsam mit Donquixote Doflamingo besichtigt hatte?
 

Als Crocodile am Folgetag bei der Arbeit erschien, erlebte er eine Überraschung nach der anderen.

Gerade kochte er Kaffe, als seine Kollegin Paula breit grinsend auf ihn zukam und ihm freundschaftlich auf die Schulter klopfte. "Wie machst du das nur?", fragte sie ihn. Sowohl Bewunderung als auch Neid schwangen sehr deutlich in ihrer Stimme mit.

"Was?", fragte Crocodile irritiert nach. "Den Kaffee?"

"Jetzt sei doch nicht so bescheiden", meinte Paula und schüttelte den Kopf. "Wie schaffst es nur, bei einem Kunden wie Donquixote deine Erfolgsquote zu halten? Der Typ ist als absolut harte Nuss bekannt. Und dir ist es nun schon zum zweiten Mal gelungen ihm vom Kauf eines Objektes zu überzeugen. Ich wünschte, ich hätte dein Talent." Sie seufzte auf. "Schenkst du mir auch einen Kaffee ein?"

Crocodile konnte kaum fassen, was seine Arbeitskollegin ihm soeben mitgeteilt hatte. Wollte Paula ihn einfach bloß auf den Arm nehmen oder hatte Doflamingo sich tatsächlich dazu entschieden die gestern vorgestellte Wohnung zu kaufen? Crocodile hatte den unterschriebenen Kaufvertrag zwar wie versprochen zerschreddert, doch natürlich bestand die Möglichkeit, dass sein Kunde sich direkt an Sengoku gewendet hatte. Er selbst war noch nicht dazu gekommen seinem Chef von der misslungenen Wohnungsbesichtigung zu erzählen.

Dieser Umstand sollte sich allerdings rasch ändern. Kaum hatte Crocodile seine Kaffeetassen an die Lippen gesetzt, trat Robin an ihn heran. "Crocodile", meinte sie. "Sengoku möchte dich sprechen. Er ist völlig begeistert von deinem erneuten Erfolg. Du scheinst ja wirklich ein Händchen für Donquioxte zu haben!"

Crocodile ignorierte geflissentlich Robins überaus zweideutiges Augenzwinkern und machte sich stattdessen auf den Weg zu Sengokus Büro. Er erinnerte sich daran, dass sein Chef ihm eine Woche Urlaub versprochen hatte, wenn es ihm gelingen sollte, seinen anspruchsvollen Kunden erneut zufriedenzustellen. Doch auch wenn Crocodile die freie Zeit wirklich gut gebrauchen konnte, war er nicht dazu in der Lage sich ehrlich über diese Belohnung zu freuen. Schließlich hatte er keine herausragend gute Arbeit geleistet; Doflamingo hätte jede Wohnung gekauft, die er ihm anbot.

"Ah, Crocodile, da bist du ja", begrüßte sein Chef ihn mit freundlicher Stimme, als er dessen Büro betrat. Er deutete auf den freien Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand und Crocodile ließ sich darauf nieder.

"Du wolltest mich sprechen?"

Sengoku nickte eifrig; er wirkte mindestens ebenso begeistert wie Paula oder Robin. "Herzlichen Glückwunsch", meinte er. "Ich kann es kaum fassen: Donquixote hat sich erneut gleich für die erste Immobilie entschieden, die du ihm vorgestellt hast. Gestern Abend noch rief mich sein Assistent an, um einen Termin zum Unterschreiben der entsprechenden Papiere auszumachen. Du kannst wirklich stolz auf deine Arbeit sein!"

"Vielen Dank", erwiderte Crocodile schwach. Um ehrlich zu sein, verunsicherte ihn die Begeisterung, die jeder im Büro ihm entgegenbrachte. Schließlich hatte er niemandem das Leben gerettet, sondern bloß eine Immobilie vermittelt.

"Außerdem hat Donquixote dich wärmstens seinem Bruder empfohlen", fuhr Sengoku fort. Er reichte ihm eine Mappe hinüber, die Crocodile irritiert aufschlug. Die abgehefteten Papiere enthielten Informationen zu Donquixote Corazon. "Er ist zwei Jahre jünger als Doflamingo und sucht eine Zweitwohnung in Hollywood."

"Ich, ähm", sagte Crocodile, der sich momentan sehr überfordert fühlte, "ich dachte, dass ich erst einmal eine Woche frei bekomme? Erinnerst du dich, Sengoku? Du sagtest, ich bekäme eine Woche Urlaub geschenkt, wenn es mir erneut gelingen würde Donquixote zu überzeugen. Ich möchte nicht aufdringlich erscheinen, aber ich benötigte diese Zeit wirklich dringend, um nach einer neuen Wohnung für mich selbst Ausschau zu halten."

"Das verstehe ich", meinte Sengoku, "und natürlich halte ich mein Wort. Ich habe Donquixote mitgeteilt, dass du wegen deines Urlaubes frühestens am Zwanzigsten wieder zur Verfügung stehst. Du hast also ausreichend Zeit, um deine Lebensverhältnisse zu ordnen. Erst danach wirst du Donquixote Corazon betreuen."

Crocodile nickte schwach. "Hat auch er auf mich bestanden?", fragte er schließlich. "Um ehrlich zu sein, werden mir meine Erfolge allmählich unangenehm. Ich hätte nichts dagegen, Robin oder Paula ebenfalls die Möglichkeit zu bieten sich bei den Donquixotes zu beweisen."

"Er hat absolut ausdrücklich auf dich bestanden", erwiderte Sengoku. "Du bist derjenige, der Donquixote so stark begeistert hat; nicht Paula oder Robin. Und es gibt wirklich keinen Grund, um sich zu schämen, Crocodile. Du solltest stolz auf dich sein! Außerdem kommen deine Erfolge auch deinen Arbeitskollegen zugute: Dass es unserem Immobilienbüro gelungen ist, Donquixote gleich zweimal hintereinander zufriedenzustellen, hat sich schnell herumgesprochen. Unzählige neue Aufträge flattern uns in Haus! Da bekommen auch Paula, Robin und die Anderen ihren Stück vom Kuchen ab. Darum musst du dir also keine Sorgen machen."

"Okay, gut", sagte Crocodile und fuhr sich mit der rechten Hand durchs Haar. Um ehrlich zu sein, hatte er nicht damit gerechnet, erneut mit einem Auftrag aus der Familie Donquixote betraut zu werden. Ganz im Gegenteil: Er ist froh gewesen, als er Doflamingo endlich losgeworden war. Doch anscheinend erwies sich sein extravaganter Kunde als überaus stur und hartnäckig. Wie ein Parasit, schoss es Crocodile unweigerlich durch den Kopf. Doch so sehr er sich auch sträubte: Aus dieser Sache schien er nicht so leicht herauszukommen.
 

"Ich habe ein paar Wohnungen herausgesucht, die in der Nähe liegen und für mich infrage kommen", meinte Crocodile am Abend des nächsten Tages zu seinem besten Freund. Sie saßen zu zweit auf der Couch und sahen sich irgendeine Fernsehshow an. "Schon morgen Nachmittag ist der erste Besichtigungstermin. Ich hoffe, dass ich schnell etwas Passendes finden werde."

"Klingt gut", meinte Daz mit gelassener Stimme. "Möchtest du dir die Wohnung allein ansehen oder soll ich mitkommen? Ich weiß zwar, dass du sozusagen ein Experte auf diesem Gebiet bist, aber eine zweite Meinung schadet nie, oder?"

"Du darfst mich gerne begleiten", erwiderte Crocodile. Er hatte Daz sehr gern um sich und auch wenn sein Freund schnell dazu neigte sich Sorgen zu machen, wurde er doch nie aufdringlich. Das komplette Gegenteil von Doflamingo, schoss es Crocodile unzusammenhängend durch den Kopf. "Die Besichtigung ist für vier Uhr nachmittags angesetzt. Musst du morgen lange arbeiten?"

Daz schüttelte den Kopf. "Morgen bin ich schon früh Zuhause. Wo genau müssen wir denn hin? Handelt es sich um die Wohnung, die ich dir letztens empfohlen habe?"

"Ähm, nein, die Wohnung, von der du mir erzählt hast, ist leider schon verkauft worden", antwortete Crocodile. "Aber das Objekt, das wir uns morgen ansehen werden, liegt zum Glück auch ganz in der Nähe. Vier Blocks in die entgegengesetzte Richtung. Soweit ich weiß, zählt die Wohnung etwa achtzig Quadratmeter und verfügt über einen Balkon. Hoffentlich wird das was."

"Mach dir keinen Stress", erwiderte Daz. "Du musst nicht gleich die erste Wohnung nehmen, die du dir anschaust. Es gibt wirklich keinen Grund, um sich zu hetzen. Du suchst einfach so lange, bis du eine Wohnung gefunden hast, die dir zusagt."

"Vielen Dank", meinte Crocodile und fuhr sich verlegen lächelnd durch sein Haar.

"Du brauchst dich nicht zu bedanken", gab Daz zurück und machte eine wegwerfende Handbwegung. "Dass du bei mir wohnst, ist eine absolute Selbstverständlichkeit. Dafür sind Freunde doch da."
 

Leider stellte sich die Immobilie, die sie sich am nächsten Tag anschauten, als totaler Flopp heraus. Das Gebäude, in dem die angebotene Wohnung lag, sah von außen zwar recht hübsch aus, doch befand sich in einem sehr schlechten Zustand. Als erfahrener Makler erkannte Crocodile gleich auf den ersten Blick, dass die letzte Sanierung mehrere Jahrzehnte her war. Und obwohl seine potenzielle neue Wohnung im vierten Stock lag, gab es keinen Aufzug.

"Bei diesem Haus handelt es sich um eine echte Antiquität", versuchte der Immobilienmakler den schlechten Zustand aufzuwerten. "Es wurde vor mehr als siebzig Jahren erbaut und weist viele Elemente aus dieser Zeit auf. Einfach wundervoll, nicht wahr?"

Doch von diesem Gerede ließ Crocodile sich selbstverständlich nicht beeindrucken. Immerhin war er in derselben Branche tätig und kannte sich aus. Er fiel nicht so leicht auf die Maschen des Maklers rein.

Die Wohnung machte einen ebenso schlechten Eindruck wie das restliche Gebäude. Das Bad war lange nicht mehr renoviert worden, der Parkettboden wirkte schäbig und in der Küche fand Crocodile ein paar große Flecken an den Wänden, die verdächtig nach Schimmel ausschauten.

Und auch wenn der Makler versuchte die Mängel positiv darzustellen ("Man spürt regelrecht den altertümlichen Charme, nicht wahr?"), stand für Crocodile sehr schnell fest, dass diese Wohnung für ihn definitiv nicht infrage kam. Er hatte keine Lust, viel Geld für teure Sanierungs- und Renovierungsarbeiten auszugeben.

"Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für mich genommen haben", sagte Crocodile gegen Ende der Besichtigung und bemühte sich darum höflich zu bleiben, "allerdings trifft dieses Objekt nicht ganz meinen Geschmack. Ich suche eine Wohnung, die eher dem aktuellen Zeitgeist entspricht und insgesamt ein wenig moderner ist. Trotzdem vielen Dank."

Er verzog den Mund, als er das schlecht instand gehaltene Gebäude endlich wieder verlassen hatte, und seufzte anschließend leise auf. Wenn er ehrlich war, dann hatte er recht hohe Erwartungen an diese Besichtigung gestellt gehabt. Es frustrierte ihn, dass er so schlimm enttäuscht worden war.

"Mach dir nichts draus", meinte Daz, der seine schlechte Stimmung bemerkte. "Es war die allererste Wohnung, die du dir angesehen hast. Kein Grund, um gleich den Kopf hängen zu lassen. Es gibt viele hübsche Wohnungen in Westwood."

"Du hast Recht", erwiderte Crocodile und bemühte sich darum, weniger geknickt zu wirken. Er wollte Daz mit seiner schlechten Laune nicht belästigen. "Vielleicht finde ich ja schon beim nächsten Mal meine absolute Traumimmobilie. Wer weiß." Und um das Thema zu wechseln, fügte er hinzu: "Was hältst du davon, wenn wir beide essen gehen? Ich lade dich ein."

"Sehr gerne", meinte sein bester Freund. "Aber du brauchst mich nicht einzuladen. Du solltest dein Geld lieber für den Umzug sparen."

"Quatsch!", gab Crocodile zurück und rollte mit den Augen. "Habe ich dir nicht letztens erst erzählt, dass ich demnächst eine große Provision erhalten werde? Also mach dir darum keine Gedanken. Ich bestehe darauf, dich einzuladen!"
 

Eine Woche später wartete Crocodile mit einem mulmigen Gefühl im Magen vor dem Objekt, welches er Donquixote Corazon vorstellen wollte. Er hoffte, dass der jüngere Donquixote ein besseres Verhalten an den Tag legen würde als sein Bruder.

Crocodiles Herz rutschte ihm in die Hose, als pünktlich zur vereinbarten Zeit ein pinkfarbener Bentley Azure vorfuhr. Er kannte diesen Wagen. Wie es nicht anders zu erwarten gewesen war, stieg Donquixote Doflamingo aus. Begleitet wurde er von einem jungen Mann mit dunkelblondem Haar - sein jüngerer Bruder Corazon, wie Crocodile vermutete.

Am liebsten hätte Crocodile sofort Reißaus genommen. Davon, dass Corazon bei der Besichtigung von seinem Bruder begleitet werden würde, hatte ihm keiner etwas erzählt gehabt.

Unwillig biss Crocodile die Zähne zusammen.

„Hallo, Mr. Donquixote“, begrüßte Crocodile den jüngeren der beiden Männer und hielt ihm seine Hand hin. „Haben Sie gut hergefunden?“ Doflamingo ignorierte er geflissentlich.

Leider machte ihm dieser einen Strich durch die Rechnung. „Danke, die Anfahrt verlief problemlos“, übernahm Doflamingo für Corazon das Wort.

Crocodile war zu stolz und zu stur, um auf den Zug aufzuspringen. Er würdigte dem älteren Bruder keines Blickes und konzentrierte sich stattdessen auf seinen potenziellen Käufer.

„Die Wohnung, die ich Ihnen vorstellen möchte, liegt im obersten Stockwerk des Gebäudes. Der Ausblick von dort oben ist atemberaubend. Am besten überzeugen Sie sich davon selbst. Wenn Sie mir bitte folgen würden, Mr. Donquixote?“

Corazon gab keinen Ton von sich, doch nickte und folgte ihm zur Eingangstüre des Hauses. Vielleicht war er im Gegensatz zu Doflamingo schüchtern und zurückhaltend, mutmaßte Crocodile.

Die Frage schien ihm ins Gesicht geschrieben zu sein, denn prompt erklärte Doflamingo: „Mein Bruder spricht nicht. Du wirst also stattdessen mit mir reden müssen.“

Genervt presste Crocodile die Lippen aufeinander. Ihm gefiel überhaupt nicht in welche Richtung sich dieses Treffen entwickelte. Er hatte einer Besichtigung mit Donquixote Corazon zugestimmt, nicht einem erzwungenen Gespräch mit dem ihm verhassten älteren Bruder. Sofort nahm Crocodile sich vor sich von Doflamingo nicht die Segel aus der Hand nehmen zu lassen.

Das erste Zimmer, das sie betraten, war ein geräumiges Wohnzimmer ganz im amerikanischen Stil, also mit integrierter Küche und Essbereich. Ein Wand war komplett verglast und ermöglichte auf diese Weise einen einmaligen Ausblick auf das Leben in den Straßen von Hollywood.

Es handelte sich um den größten Pluspunkt der Wohnung und Crocodile ließ es sich nicht nehmen sofort drauf zu sprechen zu kommen. „Die Aussicht ist absolut atemberaubend“, sagte er und bedeutete Corazon mit einer Geste näher an das riesige Fenster zu treten. Zögerlich und nur in Begleitung seines Bruders kam der jüngere Donquixote dieser Aufforderung nach. Zu dritt blickten sie hinab auf das geschäftige Treiben der Stadt.

Für einen kurzen Moment legte sich Stille wie ein schweres Tuch über das Wohnzimmer. Keiner von ihnen sagte ein Wort. Crocodile, der sich in Anwesenheit der beiden Donquixotes äußerst unwohl fühlte, ließ seinen Blick unwillig über die am Straßenrand geparkten Autos schweifen. Natürlich stach ihm der pinkfarbene Bentley sofort ins Auge.

Irgendwann meinte Doflamingo unvermittelt: „Ich habe die Wohnung in Westwood trotzdem gekauft. Mein Angebot steht noch. Wenn du möchtest, kannst du sofort dort einziehen.“

Crocodile gelang es nicht ein genervtes Seufzen zu unterdrücken. „Wann lässt du mich endlich in Frieden?“, entgegnete er mit entkräfteter Stimme. Dies war ihr drittes Treffen und er spürte allmählich, dass er an die Grenze seiner Belastbarkeit kam.

„Ich möchte dir doch nur helfen.“

„Aber warum? Wir kennen uns doch kaum! Du hast überhaupt nichts mit mir zu tun! Ich bin bloß dein Makler und habe dir eine Immobilie vorgestellt. Nichts weiter. Warum bist du so fixiert auf mich?“

„Du gefällst mir“, sprudelte es sofort aus Doflamingo hinaus. „Mir ist klar, dass ich mich bei unserem ersten Treffen nicht unbedingt wie ein Gentleman aufgeführt habe. Ich habe noch nicht viele Erfahrungen mit, naja, ernsthaften Gefühlen, weißt du? Aber du musst verstehen... bitte versteh doch... ich sehe ihn dir nicht irgendeinen Flirt. Du gefällst mir wirklich gut. So wie du mir gefällst, hat mir noch keiner zuvor gefallen. Und... ich... als ich dann diese Würgemale und blauen Flecke gesehen habe... ich möchte dir nichts Böses, Crocodile! Ich möchte dir nur helfen! Bitte glaub mir doch!“

„Ich brauche dein Mitleid nicht!“ Crocodiles Stimme klang schärfer als beabsichtigt. Er wandte den Blick von Doflamingo ab und richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen auf Corazon, der die ganze Zeit über mit einem betretenen Gesichtsausdruck stumm neben ihnen gestanden hatte. „Das Schlafzimmer befindet sich hier drüben. Es verfügt über einen Zugang zum Balkon.“

Zu dritt gingen sie hinüber. Crocodile bemühte sich um professionelles Verhalten, doch Doflamingo machte es ihm alles andere als leicht.

„Und wenn wir einfach von vorn anfangen würden? Dir ist es unangenehm, dass ich deine Verletzungen gesehen habe. Okay, kann ich nachvollziehen. Du hast noch nicht genug Vertrauen zu mir gefasst, um darüber zu sprechen. In Ordnung. Aber wir können doch einfach noch mal ganz von vorne beginnen, oder nicht? Du bist der Makler. Du gefällst mir. Ich nenne dich spaßeshalber Alligator. Wir gehen zusammen einen Kaffee trinken. Was hältst du davon?“

„Nichts“, sagte Crocodile und schlug laut seufzend die Hände vor's Gesicht zusammen. Allmählich wurde ihm alles zu viel. Er war gerade erst dabei die Trennung von seinem Exfreund zu verdauen. Und die gefloppte Wohnungsbesichtigung letzte Woche hatte nicht gerade dazu beigetragen seine Laune zu verbessern. Alles in allem ging es ihm ziemlich schlecht. Er hatte im Moment wirklich nicht genug Kraft, um einen so aufdringlichen und sturen Mann wie Doflamingo abzuwehren. „Das Schlafzimmer ist fünfundzwanzig Quadratmeter groß“, rasselte Crocodile mit schwacher Stimme herunter. „Die Türe hier drüben führt zum angrenzenden Badezimmer. Und hier vorne geht es zum Balkon.“ Eigentlich wollte er noch einmal auf den schönen Ausblick zu sprechen kommen, doch dazu fehlte ihm die Energie. Verzagt schloss er für einen kurzen Moment die Augen und fuhr sich mit der rechten Hand durch sein glatt nach hinten gekämmtes Haar.

„Du siehst abgekämpft aus.“ Doflamingo nahm kein Blatt vor den Mund. „Terrorisiert dich dein Exfreund? Bedroht er dich?“

„Ich dachte, wir wollten dieses leidige Thema endlich beenden.“

„Ich weiß... Es ist nur... Ich mache mir Sorgen, okay?“

Crocodile hasste es, wenn sich Mitmenschen um ihn sorgten. Lebhaft erinnerte er sich an seine Verwandten, die ihn nach dem Unfalltod seiner Eltern mit ihren Mitgefühl förmlich erdrückt hatten. Ständig war er bedrängt worden. Sollte reden, wenn er eigentlich lieber seine Ruhe gehabt hätte. Sollte zur Therapie, obwohl er mit seinen Problemen allein besser zurecht gekommen wäre. Man hatte ihn nicht allein gelassen, nicht einmal für eine Minute. Crocodile hatte es gehasst. So sehr gehasst, dass er sogar auf einen anderen Kontinent geflohen war.

Ohne dass Crocodile etwas dagegen hätte tun können, spürte er, wie seine Augen feucht wurden. Er versuchte die Tränen zurückzuhalten, doch scheiterte kläglich. Beschämt bedeckte er das Gesicht mit beiden Händen. Er bekam eben noch mit, wie Doflamingo seinen jüngeren Bruder aus dem Zimmer schickte, ehe sich zwei starke Arme um ihn legten und ihn an eine muskulöse Brust drückten.

Crocodile fehlte die Kraft, um sich zu wehren. Er versuchte es, doch er konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Er fühlte sich wie ohnmächtig. Und er verabscheute jede einzelne Sekunde.

Als dieser Anfall, wie Crocodile es in Gedanken nannte, endlich vorüber war, windete er sich hastig aus Doflamingos Umarmung. Er wischte sich mit dem Hemdsärmel über seine nassen Augen und meinte mit gesenktem Blick: „Ich glaube, ich sollte jetzt lieber nach Hause gehen. Also zu Daz nach Hause. Ich fühle mich nicht wohl. Wir können diese Besichtigung an einem anderen Tag wiederholen.“

„Ist Daz der Freund, bei dem du momentan unterkommst?“

Crocodile wusste selbst nicht genau wieso, doch er nickte schwach.

„Ist er denn überhaupt Zuhause? Wir haben erst dreizehn Uhr. Ich denke, du solltest jetzt lieber nicht allein sein.“

„Mir geht es gut“, log Crocodile. Um ehrlich zu sein, schämte er sich schrecklich. So schlimm hatte er sich noch nie vor einem Kunden blamiert. Er wollte einfach bloß weg.

"Ich kenne ein schönes Plätzchen, nicht weit von hier", hörte er Doflamingo sagen. "Draußen in den Hills. Komm, ich fahre dich dahin."

"Das geht nicht", widersprach Crocodile mit leiser Stimme. Noch immer wagte er es nicht seinem Gegenüber ins Gesicht zu schauen. "Du kennst mich kaum... Du steigerst dich da einfach nur in irgendetwas hinein, Doflamingo..."

"Komm." Doflamingo griff nach seiner Hand und zog ihn mit sanfter Gewalt in Richtung Türe. Im Flur trafen sie auf Corazon, dessen Gesichtsausdruck unmöglich zu deuten war.

"Dein Bruder", begann Crocodile und blieb stehen, doch Doflamingo ließ sich nicht beirren und zog ihn einfach weiter. "Der kommt schon zurecht", sagte er und warf ihm einen verschmitzten Blick zu. "Corazon ist bei weitem nicht so hilflos wie er im ersten Moment wirkt."
 

Ehe Crocodile sich versah, fand er sich im Beifahrersitz des ihm so gut bekannten pinken Bentley Azure wieder. Innen war der Wagen mit weißem Leder ausgestattet. Er brachte es nicht über sich auch nur ein einzigen Ton von sich zu geben. Stumm starrte er auf seine Hände, die in seinem Schoß lagen.

Erst als Doflamingo den Motor startete, regte Crocodile sich wieder und legte den Sicherheitsgurt an. Er wollte nicht enden wie sein Vater, dessen Leiche man über zwanzig Meter vom Autowrack entfernt gefunden hatte. Er war nicht angeschallt gewesen und mit voller Wucht nach vorne durch die Windschutzscheibe geschleudert worden. Eine bittere Mahnung für Crocodile, der niemals vergaß sich anzuschnallen.

Überraschenderweise redete Doflamingo während der Autofahrt nicht weiter auf ihn ein. Crocodile war ihm dafür sehr dankbar. Er wusste überhaupt nicht, wo ihm gerade der Kopf stand und brauchte ein wenig Ruhe, um sich zu sortieren. Nach einer Weile hob Crocodile den Blick und schaute aus dem Fenster. Sie verließen die belebten Straßen Hollywoods und fuhren hinaus auf`s Land. Er erinnerte sich daran, dass Doflamingo ihm gesagt hatte, er wolle ihm ein schönes Plätzchen zwischen den Hügeln zeigen.

Irgendwann kam der Bentley Azure stehen. "Wir sind da", verkündete Doflamingo mit einem freudigen Gesichtsausdruck. "Das hier ist der schönste Platz in ganz L.A." Er umrundete einmal das Heck des Wagens, um Crocodile auf der anderen Seite die Beifahrertüre zu öffnen. Mit zittrigen Fingern fummelte Crocodile am Sicherheitsgurt herum und stieg aus.

Doflamingo hatte nicht übertrieben. Die Aussicht auf die Stadt war fantastisch. Wie ein großer, bunt gewebter Teppich breitete sich die Stadt unter ihnen aus. Gleichzeitig schienen der Trubel und die Hektik sehr weit entfernt. Sie waren allein; in ihrer Nähe gab es nichts außer der hügeligen Graslandschaft.

Crocodile, der ganz verträumt war und das schöne Plätzchen genoss, wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als Doflamingo ihn wieder an die Hand nahm und ein Stück weiter nach vorne führte. Dann ließ er sich im Schneidersitz auf der Wiese nieder. Crocodile tat es ihm gleich. Er wusste nicht wie lange sie beide da saßen, sich an den Händen hielten und einfach nur die wunderschöne Aussicht genossen.

Die Ruhe tat ihm unwahrscheinlich gut. Crocodile spürte, dass seine Energie allmählich wieder zu ihm zurückkehrte. Er wagte es sogar einen Blick auf Doflamingo zu werfen, der ihn verschmitzt angrinste.

"Und?" Sein Grinsen war in seiner Stimme zu hören. "Wie gefällt es dir hier?"

"Gut", gab Crocodile zu. "Ich hätte nicht gedacht, dass es in der Nähe von Hollywood so einen schönen, ruhigen Ort gibt. Es ist fast als wäre man auf einen anderen Planeten."

Doflamingo nickte. "Das sagen alle meine Dates, die ich hierhin bringe", meinte er lachend. "Nur ein Scherz! Ein Scherz, hörst du!", fügte er hinzu, als Crocodile beleidigt seine Hand loslassen wollte. "Du bist der erste, dem ich diesen Ort zeige."

"Du hast wirklich keine Ahnung, wie du mit mir umgehen sollst, oder?", gab Crocodile kopfschüttelnd zurück.

"Es ist nicht einfach", gestand Doflamingo und drückte seine Hand. "Du hast mir von Anfang an gefallen. Schon als das erste Mal einen Blick auf dich geworfen habe. Du hast so selbstbewusst, stolz und kühl gewirkt. Anstatt so plump mit dir zu flirten hätte ich dich einfach fragen sollen, ob du mal mit mir zu Abend essen möchtest. Ich glaube, das wäre erfolgsversprechender gewesen."

"Nein, das wäre es nicht", meinte Crocodile. "Ich trenne Privat- und Berufsleben strikt. Glaub mir, ich würde mich niemals auf Flirts bei der Arbeit einlassen."

"Das habe ich gemerkt", lachte Doflamingo. Er zögerte für einen kurzen Moment, ehe er sagte: "Wegen deinem Exfreund..."

"Jetzt fang bitte nicht schon wieder damit an", unterbrach Crocodile ihn und wandte das Gesicht ab. Er hatte allmählich angefangen sich in Doflamingos Nähe wohlzufühlen und verspürte überhaupt keine Lust sich über Akainu zu unterhalten. Konnte Doflamingo dieses Thema nicht endlich einmal auf sich beruhen lassen?

"Ich weiß, du möchtest eigentlich nicht über ihn reden", hörte er Doflamingo sagen. "Aber es muss sein. Du steckst im Moment in einer schwierigen Situation. Dieser Mistkerl hat dir Schlimmes angetan, ihr habt euch getrennt, du hast jetzt keine Wohnung mehr... Du hast eben geweint, Crocodile!"

"Ich komme zurecht!", herrschte Crocodile ihn an und nahm seine Hand wieder zu sich zurück. "Akainu wird nie wieder die Gelegenheit bekommen mich anzufassen. Wie du schon richtig erkannt hast, habe ich mich ja schließlich von ihm getrennt. Diese Geschichte ist zu Ende. Darum musst du dir also keine Gedanken machen."

"So einfach ist das nicht", hielt Doflamingo dagegen. Er griff erneut nach Crocodile Hand und streichelte mit dem Daumen behutsam über seinen Handrücken. "Ich meine, Crocodile verdammt, du hast schon seit Wochen kein Zuhause mehr!"

"Du tust so als würde ich auf der Straße leben", erwierte Crocodile augenrollend. "Ich wohne bei Daz. Er ist mein bester Freund, schon seit vielen Jahren. Ich bin gut bei ihm aufgehoben, glaub mir."

"Hast du denn schon eine neue Wohnung gefunden?", wollte Doflamingo wissen und rückte näher an ihn heran. "Du bist doch Immobilienmakler. Für dich müsste es doch ein Leichtes sein schnell an eine neue Wohnung zu kommen, oder nicht?"

"Wenn ich ein Budget von $30.000.000 hätte, sicher", kam es Crocodile ohne Nachzudenken über die Zunge.

"Also nicht?" Er hasste es wie bekümmert Doflamingos Stimme klang. Crocodile verabscheute es, wenn andere Menschen sich um ihn sorgten. Er brauchte kein Mitgefühl. Es erdrückte ihn.

"Bitte hör auf so mit mir zu sprechen, okay?", meinte er darum an seinen Gegenüber gewandt. Er drückte Doflamingos Hand fest und blickte ihm eindringlich ins Gesicht. "Ich habe dir gesagt, dass ich zurecht komme. Ich möchte nicht, dass du mich bemitleidest."

"Ich will dir doch nur helfen!"

Es gab keinen Satz auf der Welt, den Crocodile mehr hasste. Als hätte er sich verbrannt, ließ er von Doflamingos Hand ab. Hastig erhob er sich und brachte ein wenig Distanz zwischen sich und ihn.

"Was ist los?", wollte Doflamingo wissen.

"Ich will nicht, dass du mir hilfst!", spie Crocodile ihm zornig entgegen.

"Okay, okay, ist ja gut." Doflamingo machte eine beschwichtigende Geste. "Ich verstehe. Du kümmerst dich also um diese Angelegenheit."

Crocodile nickte. Er setzte sich wieder hin. "Ich halte bereits nach einer passenden Wohnung Ausschau", sagte er mehr zu sich selbst als zu Doflamingo. "Letzte Woche hatte ich auch eine Besichtigung. Es hat leider nicht gepasst, aber davon lasse ich mich nicht abhalten. Es dauert nicht lange, dann finde ich schon eine neue Wohnung."

"Du bist eine echte Kämpfernatur", meinte Doflamingo halb glucksend, halb seufzend.

Diese Aussage brachte Crocodile zum Lächeln. "Das bin ich", stimmte er mit stolzem Unterton in der Stimme zu. "Glaub mir, Doflamingo, ich komme zurecht. Ich bin ganz alleine hierher gekommen. Ohne Hilfe habe ich mich in New York City durchgeschlagen. Ein riesiger Ozean trennte mich von meiner Familie und trotzdem habe ich es geschafft. Jetzt lebe ich hier in L.A. Es ist im Moment nicht leicht, das gebe ich zu, aber ich werde mich durchkämpfen. Bald habe ich eine neue, schöne Wohnung..."

"... und vielleicht ja auch einen neuen, schönen Freund", fügte Doflamingo hinzu und zog grinsend die Augenbrauen hoch.

"Und vielleicht auch einen neuen Freund", seufzte Crocodile und ließ zu, dass Doflamingo seine beiden Hände umschloss. "Aber nur, wenn du aufhörst dich ständig mit deiner Hilfe aufzudrängen!"

"Ist ja gut", gab Doflamingo sich geschlagen. "Ich hab`s verstanden." Er brachte Crocodile Hände zu seinem Mund und küsste sanft seine Knöchel. Augenblick spürte Crocodile wie sich Schamesröte in seinem Gesicht ausbreitete. Akainu hatte sich ihm gegenüber nie so zärtlich verhalten.

"Du hast nicht zufällig ein Kondom und etwas Gleitgel dabei, oder?"

Und vorbei war es mit der Romantik. Crocodile wollte sich aus Doflamingos Händen befreien, doch sein Gegenüber hielt ihn fest. "Es war wieder nur ein Scherz", hörte er ihn lachend sagen. "Du bist zu stolz, Crocodile."

Vielleicht hatte Doflamingo Recht, doch das hielt Crocodile nicht davon ab, ihn mit dem Ellenbogen in den Bauch zu stoßen.
 

Es war schon nach Sonnenuntergang, als sie sich wieder auf den Rückweg machten.

"Wo wohnt dein Freund denn?", hatte Doflamingo ihn gefragt. "Dann setze ich dich dort ab."

Crocodile hatte ihm die Adresse genannt und danach hatten sie weiter geplaudert, wie schon den ganzen Nachmittag.

Irgendwann fragte Doflamingo: "Warum bist du eigentlich in die USA gekommen? Ich bin als kleines Kind gemeinsam mit meiner Familie eingereist. Mein Vater konnte hier gute Geschäfte machen. Aber wieso hast du ganz allein deine Heimat und deine Familie verlassen? Haben sie dich schlecht behandelt?"

Crocodile schüttelte den Kopf. "Nein, meine Familie ist sehr nett. Sie waren immer sehr ... besorgt um mich."

"Oh-oh", machte Doflamingo und Crocodile boxte ihn in die Seite.

"Meine Eltern sind beide bei einem Autounfall gestorben, als ich siebzehn Jahre alt war", erzählte Crocodile mit ruhiger Stimme. "Ich kam dann zu meinem Onkel. Im Grunde hatte ich aber ständig eine italienische Großfamilie um mich herum. Alle hatten schreckliches Mitleid mit mir. Ich wurde nie allein gelassen, ständig getröstet, jede Woche zur Therapie geschleppt, alles ließ man mich durchgehen. Es hat mich erdrückt."

"Sie haben es sicher nur gut gemeint", warf Doflamingo mit leiser Stimme ein. Er schien ziemlich geschockt zu sein angesichts dessen, was er soeben über Crocodiles Vergangenheit erfahren hatte.

"Das weiß ich", seufzte Crocodile. "Sie wollte mir nur ... helfen. Aber es wurde mir einfach zu viel. Also habe ich den Entschluss gefasst fortzugehen. Mit achtzehn Jahren bin ich nach New York gegangen. In Queens leben viele Italiener und ich dachte mir, dass ich dort gut zurechtkommen würde. Aber das war nicht das Richtige für mich. Also bin ich zwei Jahre später weiter nach Westen gezogen und konnte schließlich hier in Los Angeles Fuß fassen."

"6.000 Meilen von deiner Familie entfernt", hörte er Doflamingo sagen. "Praktisch am anderen Ende der Welt."

Crocodile zuckte mit den Schultern. "Es war die richtige Entscheidung. Das Verhältnis zu meiner Familie hat sich danach wieder gebessert. Wir telefonieren oft und zwei- oder dreimal im Jahr fliege ich auch hin, um alle zu besuchen."

Doflamingo zögerte, ehe er schließlich meinte: "Ich denke, du hast Recht. Irgendwann muss man sich abnabeln und auf eigenen Beinen stehen."

"Bist du inzwischen in die Villa eingezogen, die ich dir vermittelt habe?", fragte Crocodile ehrlich interessiert nach.

"Der Umzug läuft noch", antwortete Doflamingo zögerlich.

"Also nicht", neckte ihn Crocodile.
 

Wenige Minuten später erreichten sie das Haus, in dem Daz lebte.

"Oh nein", sagte Crocodile und stieg hastig aus.

"Was ist los?", wollte Doflamingo wissen und folgte ihm auf dem Fuße.

Unten vor der Haustüre stand sein bester Freund Daz. Auf jeden anderen hätte er mit seinen verschränkten Armen und dem unnahbaren Gesichtsausdruck kühl und abweisend gewirkt, doch Crocodile kannte ihn gut genug, um hinter die Fassade zu blicken.

"Wo bist du nur so lange gewesen?", schimpfte Daz, während er ihn gleichzeitig – untypisch für sie beide – in eine Umarmung zog. "Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht. Du bleibst nie so lange weg, ohne vorher Bescheid zu sagen."

"Es tut mir leid", entschuldigte sich Crocodile sofort. "Ich habe mich mit jemandem getroffen und die Zeit vergessen." Er deutete auf Doflamingo, der hinter ihnen beiden stehen geblieben war.

Daz warf ihm einen misstrauischen Blick zu. "Du hast mir gar nicht erzählt, dass du ein Date hast."

"Eigentlich hat es auch nicht als Date angefangen, im Grunde ist er mein ... Kunde."

"Es passt gar nicht zu dir dich auf einen Kunden einzulassen", wunderte sich Daz.

"Das hat er zu Beginn auch nicht", erklärte ihm Doflamingo grinsend. "Aber ich habe einfach immer wieder auf ihn als Immobilienmakler bestanden und ihn bei jeder Besichtigung weiter mit meinem Charme umgarnt."

Crocodile beendete das Gespräch, bevor die beiden die Gelegenheit bekamen sich weiter auszutauschen.

"Daz, es ist schon spät und du hast viel zu lange auf mich warten müssen", meinte er. "Komm, lass uns nach oben gehen. Ich verabschiede mich nur eben kurz von Doflamingo."

Er wandte sich zu Doflamingo um, der wieder nach seinen beiden Händen griff. Er küsste zuerst wieder seine Knöchel, ehe er er ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen gab.

"Wenn du Daz erlaubst fürsorglich zu dir zu sein, dann darf ich das auch", meinte er breit grinsend.

"Das werden wir sehen", schnaubte Crocodile. "Wir sind gerade erst dabei uns kennenzulernen. Ich habe dich noch nicht einmal ohne deine Brille gesehen."

Doflamingo ließ seine Hand los und griff nach seiner Sonnenbrille. Er schob sie nach oben und offenbarte das strahlendste Paar blaue Augen, das Crocodile jemals gesehen hatte. Doch ehe er etwas dazu sagen konnte, waren sie schon wieder hinter den getönten Scheiben der Brille verschwunden.

"Sehen wir uns morgen?", fragte Doflamingo. "Ich kann dich nach der Arbeit abholen."

"Gerne", erwiderte Crocodile.

Doflamingo ließ Crocodiles Hände los, umfasste stattdessen zärtlich seine Hüften, zog ihn nah zu sich heran und küsste ihn erneut.
 

bye

sb



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