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Blut im Schnee

[Sidurgu & Rielle | 1. Türchen]
von

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◊ Blut im Schnee


 

»Schneeflocken. Diese verdammten Schneeflocken«, ging es Sidurgu durch den Kopf, während er das kleine Mädchen schützend an sich drückte. Sie kauerten im Schnee, versteckt hinter Felsen. Er hielt seinen Schützling in der einen Hand und sein Großschwert in der anderen, während er versuchte sich nicht auf das was auf der anderen Seite der Felsen geschah zu konzentrieren. Sidurgu biss sich vor Zorn auf die Unterlippe und herrschte das verängstigte Mädchen an ruhig zu sein. »Diese verdammten Tempelritter«, zischte er in das Schneegestöber und schloss die Augen.

Frays Anweisung war kurz, selbstmörderisch, aber ihre einzige Möglichkeit gewesen, nur deswegen hatte Sidurgu dem zugestimmt. Er war nicht wirklich gut darin einen kühlen Kopf zu behalten und überlegt vorzugehen. Sidurgu war im Gegensatz zu Fray der impulsive Typ und genau das war es, was die drei in ihrer derzeitigen Situation nicht gebrauchen konnten.

»Warum zum Teufel, bin ich nicht bei ihm?«, brummte Sidurgu wütend und wäre am liebsten aufgesprungen um seinem Kamerad zur Seite zu stehen. Das Schluchzen des kleinen Mädchens an seiner Seite erinnerte ihn jedoch daran, warum er überhaupt hier hockte. »Jemand muss bei Rielle bleiben.«, hörte er Fray in seiner Erinnerung sagen.

»Verdammt«, zischte Sidurgu und drückte das Mädchen an sich. Einer musste bei Rielle bleiben und Fray hatte entschieden, dass es Sidurgu sein sollte. Warum? Schließlich hatte er sich bisher nie groß um sie gekümmert, weil sie wie alle anderen Angst vor Sidurgus Erscheinung gehabt hatte. Fray hatte sich ihrer angenommen. Warum versteckte er sich dann nicht mit ihr?

Sie waren in einen Hinterhalt gerieben worden und während sich Sidurgu mit der kleinen Rielle versteckte, war Fray voller Absicht in ihre Falle getappt. Er wollte ihnen die Möglichkeit zur Flucht ermöglichen und bezahlte dafür vermutlich mit seinem Leben. Es war fraglich ob er ihnen entkommen würde und wenn nicht, war es unwahrscheinlich, dass sie Fray einem dieser Gottesurteilen unterzogen. Wahrscheinlich würden sie ihn viel eher auf der Stelle töten, als ihm einen fairen Prozess zu machen.

»Verdammt«, mit einem Ruck stand Sidurgu aufrecht hinter dem Felsen. Er musste leicht in die Hocke gehen um sicher zu sein, dass niemand ihn sehen konnte, weil er so groß war. Das kleine Elezenmädchen hockte neben ihm im Schnee und wimmerte stumm.

Natürlich hatte sie Angst, das würde er ihr nicht verübeln, aber gebrauchen konnte Sidurgu es nicht. Er zog sie – etwas grober als gewollt – am linken Arm auf ihre zitternden Beine. »Wir müssen hier weg, oder willst du das Frays Opfer umsonst war?!«, zischte er sie mit gedämpfter Stimme an und mit der Sekunde hörte das Zittern des kleinen Körpers auf. Rielle war zur Schockstarre erstarrt.

Sidurgu hatte weder die Geduld, noch das Feingefühl um sich um ein Kind zu kümmern und ärgerte sich erneut über Frays Arbeitsaufteilung. Aber es brachte rein gar nichts. Weder seine Wut über seinen Freund, noch die Angst des Mädchens.

»Jetzt komm endlich.«

Doch das Mädchen bewegte sich nicht.

»Rielle!«

Rielle zuckte zusammen und blickte ängstlich zu ihrem Beschützer auf. Die hellen grünen Augen waren feucht und rot unterlaufen vom Weinen und geweint hatte sie nicht nur wegen ihrer derzeitigen Situation.

»Jetzt komm endlich«, sagte Sidurgu und sah zur Seite. »Wir müssen hier weg.«

»A-aber … Fray«, sagte sie heiser.

»Er kommt schon klar«, sagte er. Dabei war er sich nicht einmal sicher, ob Fray eine Chance hatte. Für Rielles leben musste er diese Gedanken verdrängen und die Vernunft an Vorderste Stelle rücken.

Doch das Mädchen rührte sich noch immer kein Stück, auch wenn sie aus ihrer Schockstarre wieder erwacht war.

Sidurgu jedoch verlor so langsam seine Geduld – wenn er überhaupt noch welche besaß – und entschied sich sie dazu zu drängen, endlich von diesem Ort zu verschwinden. Er legte seinen Arm um ihre Taille, seine freue Hand an ihren Mund und hob das kleine Mädchen auf seine Schulter. Dadurch das er Rielle den Mund zu hielt, konnte niemand den Schrei hören, den sie vor Schreck ausstieß. »Jetzt hör schon auf«, sagte Sidurgu.

Zögerlich nickte Rielle und schluchzte gegen seine Hand.

»Gut«, sagte er und nahm seine Hand von ihrem Mund um sich sein Großschwert auf den Rücken zu schnallen. »Gehen wir endlich.« Je eher die zwei von hier wegkamen, je eher waren sie in Sicherheit und dann konnte auch Fray sich mehr auf seine Gegner konzentrieren. Zumindest bildete sich Sidurgu das ein. Schließlich wollte er seinen Freund wiedersehen und ihm verdammt noch mal die Meinung zu seinem grandiosem Plan geigen. Doch erst einmal musste er das Mädchen unbemerkt in die Stadt bringen. Es klang merkwürdig, aber in Ishgard konnten sie sich am besten vor den ishgarder Tempelritter verbergen. Sie würden es sich niemals wagen innerhalb der Stadtmauern ihnen aufzulauern. Dort waren sie vorerst sicher. Zuerst mussten sie jedoch durch den Schnee wandern und mussten die üblichen Wege meiden. Es war zu gefährlich noch weiteren Tempelrittern über den Weg zu laufen, solange Sidurgu allein mit dem Mädchen war.

»Sidurgu«, murmelte Rielle. »Lass mich runter, ich kann selber laufen.«

»Bist du dir sicher?«, fragte er. Sidurgu zweifelte nicht daran, dass das Mädchen alleine laufen konnte, viel eher daran, dass sie mit ihren kurzen dünnen Beinen mit ihm Schritt halten konnte und er definitiv keine Lust auf sie zu warten, oder von einer Patrouille entdeckt zu werden, nur weil die Kleine zu langsam war.

»Ja«, murmelte sie als Antwort.

»Denkst du, dass du Schritt halten kannst?«

Schweigen war die Antwort, die Sidurgu von dem Mädchen bekam. Sidurgu ging davon aus, dass sie verstand, was er damit meinte, schließlich war sie ein schlaues Mädchen. Fray hatte ihr Weißmagie beigebracht und gesagt, dass sie eine unglaublich gute Auffassungsgabe und Lernfähigkeit besaß. Sidurgu selbst hatte keine Ahnung davon, weil er sich nie mit dem Mädchen befasst hatte. Er war einfach nicht der Typ dafür.

Sidurgu behielt Rielle weiterhin auf der Schulter und setzte mit großen Schritten ihren Weg durch den Schnee fort.

Der Neuschnee, der vom Himmel fiel, wurde immer mehr und machte Sidurgu sein Fortkommen immer schwerer, aber zumindest begegnete sie keiner Menschenseele. So wie er das Mädchen auf der Schulter trug, würde man Sidurgu wahrscheinlich eh für einen Kindesentführer halten.

»Da«, murmelte Rielle und streckte ihren Arm aus.

Vor ihnen konnte man die Konturen zum Tor, das sie nach Ishgard hereinlassen würde, zwischen den ganzen Schneeflocken ausmachen.

»Wir sind bald da.«

»Ja«, murmelte Sidurgu und blieb stehen. Er entschied sich nun das Mädchen herunter zu lassen um vor der Wache nicht noch dubioser zu wirken. Mit einer Hand griff er an die Kapuze an Rielles Umhang und zog diese über ihren Kopf. Danach kümmerte er sich um seine eigene Kapuze und zog sie tiefer in sein Gesicht. Auch ohne dem Mädchen würde er sich unter dem Umhang verbergen, denn für Ishgard war sein Aussehen viel zu nahm an dem eines Drachen. Seine Schuppen, seine Hörner und seinem Schwanz machten ihnen Angst und hatten ihm in seiner Vergangenheit schon einiges an Ärger und Kummer bereitet.

Es dauerte gar nicht lange bis sie auf das große, alte und vom Drachenkrieg in Mitleidenschaft gezogene Tor zu gingen. Die Wachen die dort positioniert waren, ließen die beiden nicht aus den Augen. Sidurgu ließ sie jedoch auch nicht aus den Augen und zog die beunruhigte Rielle an sich. Mit erhobenem Haupt und tief ins Gesicht gezogener Kapuze schritt er weiter auch das schwere Eisentor zu, während sich Rielle an seiner Seite zu verstecken versuchte.

»Halt«, drang plötzlich eine strenge Stimme zu den zwein.

Sidurgu spürte Rielles zittern an seiner Seite.

»Wer seit ihr? Ihr könnt hier nicht einfach durchgehen!« es war ein junger Elezen Dragoon. So jung und frisch wie er aussah, vermutete Sidurgu, dass er noch nicht so lange im Dienst hier draußen war.

»Wir wollen zurück«, sagte Sidurgu und bemühte sich ruhig zu bleiben. Wenn er nicht Rielle an seiner Seite hätte, hätte er kein Problem sich mit all den hier abgestellten Wachen anzulegen und sie zu töten, doch mit ihr musste er jede Konfrontation vermeiden.

»Und wo wart ihr?«, wollte der Dragoon wissen. Er verschränkte fast schon trotzig seine arme.

Sidurgu musste sich zusammenreißen, weil seine Geduld so ziemlich bei null war. Er atmete tief die kalte Eisluft ein und gelassen wieder aus. »Ganz einfach, wir waren spazieren«, lautete die genervt gebrummte Antwort von Sidurgu. Er war mehrere Köpfe größer als der junge Dragoon und sicherlich auch im Umgang mit seiner Waffe viel geübter wie der junge Elezen.

Der Dragoon musterte Sidurgu und dann das ängstliche Mädchen an seiner Seite. Rielle schluchzte vor Angst und versteckte sich hinter Sidurgu um dem Blick des Fremden ausweichen zu können.
 

»Was ist mit ihr?«

»Was mit ihr ist?«, echote Sidurgu skeptisch. Er rollte mit den Augen. »Sie hat Angst.«

»Das sehe ich«, die Aussprache und das verhalten des jungen Dragoon passte sich dem Sidurgus an. »Warum will ich wissen. Wenn sie doch lediglich spazieren ging.«

Sidurgu schüttelte den Kopf und bemühte sich nicht weiter so provokant zu wirken. Schließlich waren es sieben Ritter, die hier stationiert waren. Plus dem übereifrigen Dragoon vor ihm und alle hatten die Neuankömmlinge im Blick. Es gab keinen blutigen Weg nach Ishgard hinein, ohne zu viel Aufmerksamkeit und Gefahr für die kleine Rielle zu entfachen.

Sidurgu beugte sich leicht zu dem Dragoon hinab, sodass er immer noch nicht unter seine Kapuze blicken und seine Schuppen und Hörner sehen konnte und senkte seine Stimme zum Flüsterton: »Sie hatte eine schwere Zeit. Ihre Eltern wurden vor ihren Augen ermordet«, flüsterte er dem Dragoon zu, als dürfte es das Mädchen nicht mitbekommen. »Sie hat Angst vor allem und jedem und ich dachte ein paar Schritte außerhalb der Stadtmauern zu machen, würde ihr gut tun, aber wie du siehst.« Sidurgu legte eine Hand auf Rielles Kopf, die sofort zusammenzuckte. »Wir wollen wieder zurück und uns an einem warmen Feuer aufwärmen. Etwas zu essen wird ihr sicherlich auch gut tun.«

»Ja, sicherlich«, murmelte der Elezen zustimmend, aber immer noch skeptisch.

»Wenn du willst, kannst du uns nach deinem Dienstschluss im vergessenen Ritter besuchen. Wir haben da ein Zimmer. Man wird dir unsere Geschichte also bestätigen.«

Der Dragoon nickte. Er schien vollkommen in Gedanken versunken zu sein.

»Dürfen wir dann gehen?«

»Eh?«, der junge Elezen schreckte aus seinen Gedanken auf und blickte Sidurgu verwirrt an. »Ja … ja … Ja natürlich. Geht ruhig.«

Sidurgu war zu Frieden, als sich der Dragoon endlich abwandte und sie in Ruhe ließ. Endlich konnten sie ihren Weg fortsetzen. Er würde es nicht zugeben, aber er würde ein Kaminfeuer tatsächlich begrüßen. All der Schnee in Ishgard und den umliegenden Ländern war kaum auszuhalten. Wie um alles in der Welt, konnten die Bewohner Coerthas hier so leben? Sidurgu – der damals mit seinen Eltern als kleines Kind aus Othard nach Eozea geflüchtet war – kannte das Klima seiner Heimat in der Azim-Steppe nur von verschwommenen Bilder, aber es war ihm trotz all der Jahre in dieser Welt aus Eis und Schnee nie wirklich gelungen, sich vollends mit dem eisigen Klima anzufreunden.

»Gehen wir Rielle«, sagte er und schob das Mädchen weiter zum Tor, dass für sie geöffnet wurde.

 

・ ・ ・ ❈ ・ ・ ・

 

Ishgard war ein trostloses Fleckchen zum Leben. Die Stadt wurde seit Jahrtausenden vom Krieg gegen die Drachen gebeutelt und besonders die einfachen Leute mussten darunter leiden. Die Schwaden erzählten diese Geschichte des Leids nur all zu deutlich.

In diesen Schwaden befand sich der vergessene Ritter. Eine Schenke in der sich die einfachen Leute trafen, um ihr Leid zu vergessen und ihr hart verdientes Gil für Alkohol ausgaben, aber auch die Ritter um die Kämpfe und Verluste im krieg gegen die Drachen zu vergessen. Hier war jeder gleich, es war egal wer du warst, du musstest nur die Regeln des Wirts befolgen: Kämpfen, könnt ihr draußen.

Und das tat jeder. Deswegen war es einer der wenigen Orte an dem sich Sidurgu wagte, sich ohne seinen Mantel zu zeigen.
 

»Fray«, murmelte Rielle. Sie saß vor dem Kaminfeuer, die Beine angewinkelt und dicht an ihren Körper gezogen. Ihre traurigen, hellgrünen Augen waren auf die tanzenden Flammen gerichtet.

»Er kommt sicher, sobald er es kann nach«, versuchte Sidurgu sie aufzumuntern. Seit sie sich getrennt hatten, waren zwei Tage vergangen und Fray hatte noch lang nichts von sich hören lassen. Er glaubte selber kaum daran, dass sein Freund und langjähriger Kamerad wieder zu ihnen zurück kommen würde.

Er wollte Rielle aber auch keine Angst machen, wobei das bei ihrer Verfassung derzeit wohl kaum möglich war.

Dar Schankraum des Vergessenen Ritters war gut besucht. An fast allen Tischen standen Gäste und auch die Theke war vollbesetzt. Über all wurde gelacht und geredet. Niemand beachtete den Au Ra Xaela in seiner dunklen Rüstung, mit seinem Einhänder-Großschwert auf dem Rücken und das kleine, weinende Elezenmädchen vor dem Kamin. Auch nicht die drei Tempelritter, die hereinkamen und sich an einen Tisch nahe Sidurgus niederließen. Sie schenkten ihm nur einen kurzen Blick und orderten dann eine Bedienung mit Hilfe einer Armbewegung zu ihrem Tisch.

»Wurde aber auch mal Zeit«, sagte einer der dreien. Anscheinend hatte er abrupt das Thema gewechselt, denn seine beiden Begleiter schienen ihm nicht folgen zu können.

»Na, das wir einen mal schnappen«, versuchte der Ritter aufzuklären.

»Du meinst das Gottesurteil?«, fragte der Zweite. Er zuckte mit den Schultern. »Aber die Zielperson soll es wohl nicht gewesen sein.«

»Aber einer von denen. Das reicht mir.«, sagte der erste.

Sidurgu war hellhörig geworden und lauschte ihnen. Ein Gottesurteil war nicht selten. Die Tempelritter fanden immer jemanden und die Kurie konnte die Gründe wie Kaninchen aus einem Hut ziehen. Aber vielleicht verrieten sie ihm ja trotzdem, dass es sich nicht um Fray handelte, den sie geschnappt hatten.

Die Tempelritter bestellten Getränke. Alkohol, obwohl sie noch Dienst hatten und in ein paar Minuten wieder am Hochtribunal sein mussten um das Urteil zu erfahren.

»Diese Dunkelritter«, sagte der erste, wobei er das Wort „Dunkelritter“ fast schon ausspuckte. »Unruhestifter … Selbsternannte Ritter sind das.«

Sidurgus Inneres erstarrte. Es gab hier keine anderen Dunkelritter außer ihm und … Fray. Folglich konnte es gar nicht anders sein, als dass sie von Fray sprachen, den sie seit zwei Tagen nicht mehr gesehen hatten.

Rielle hatte sich neben ihn gestellt. Sidurgu hatte es nicht einmal mitbekommen und das obwohl er eigentlich immer Wachsam auf seine Umgebung achtete, also musste sie ebenfalls die Tempelritter bemerkt haben und die gleiche Befürchtungen hegen, wie Sidurgu es tat.

»Weiß jemand was der eigentliche Sinn war?«, fragte der dritte Ritter in der Runde.

»Nein. Mir ist es auch egal. Die Kurie weiß was sie tut«, sagte der erste Ritter. »Du musst es also auch nicht hinterfragen.«

»Das Gottesurteil wir gleich losgehen. Möge Halone dem Unschuldigen beistehen«, sagte der zweite und zuckte mit den Schultern.

»Wenn dieser Häretiker Unschuldig wäre.«

»Wenn«, stimmte der dritte ihnen zu.

Sidurgu wäre am liebsten auf die Tempelritter zu gestürmt, hätte sie mit einem Hieb mit seinem Zweihänder enthauptet und ihnen diese hämischen Worte heimgezahlt. Die Kurie fand immer einen Grund eine Person los zu werden, wenn sie es so wollte.

Seine Hand lag schon am Schaft seines Schwertes und er wäre auch losgestürmt, wenn da nicht zwei kleine Hände gewesen wären, die seine freie ergriffen hätten. »Bitte … Sidurgu«, murmelte Rielle und sah ihn mit tränen nassen Augen an. Es würde nur wenige Sekunden brauchen und dann würde sie anfangen zu weinen, so viel wusste Sidurgu schon. »Bitte … Vielleicht können wir ihm helfen… Wir müssen … Es muss doch«, sie schluchzte und lehnte sich an ihn. »Es muss etwas geben, was wir tun können um ihn zu helfen.«

Sidurgu war zunächst gewillt ihr Fehlen zu ignorieren, doch dann gab er ihr nach. Er ließ den Griff seines Schwertes los und schloss die Augen. »Dann lass uns gehen«, sagte er und nahm ihre Umhänge, die sie über einen Stuhl an ihrem Tisch gehängt hatte.

Sie zogen sich beide die umhänge über und verließen den vergessenen Ritter, ohne das irgendjemand ihnen Aufmerksamkeit schenkte.

Sie mussten zum Hochtribunal der heiligen Inquisition und beeilten sich die etlichen Stufen zu erklingen um noch möglichst Rechtzeitig anzukommen. Auch wenn wahrscheinlich keiner der beiden einen Plan hatte, wie sie Fray da herausholen sollten. Sidurgu wusste auf gar keinen Fall einen Weg.

Es schneite wieder – mal wieder, sollte man sagen – und es waren nur wenige Leute unterwegs, denen sie hätten begegnen können. In den Strebewerken war nichts und niemand unterwegs. Warum auch? Hier lebte nur der Adel Ishgards und dieser hatte besseres zu tun, als draußen im Schnee zu frieren. Ein Gottesurteil zum Beispiel.

Je näher sie dem Ort des Urteils kamen, desto mehr Tempelritter sahen sie. Es war so, als wären sie den ganzen Weg zu dem Gebäude positioniert um Sidurgu in Empfang zu nehmen.

Er zog seine Kapuze tiefer in sein Gesicht und hoffte unentdeckt zu bleiben. Um Rielles Willen und Sicherheit, nicht um seines Willen.

Man ließ sie passieren. Wahrscheinlich hielt man sie aus verirrte aus den Schwaden, die hier waren um nach Lebensmittel oder Gil zu betteln. Erst wenn sie zu viel Ärger bereiten würden, würde man sie fort bringen.

Das gewaltige Gebäude, in dem das Gottesurteil vollstreckt werden würde kam näher und nur noch die letzten paar Stufen galt es zu überwinden. Der Schnee war dichter geworden und Sidurgu wusste nicht, ob Rielle vor Angst, oder Kälte zitterte. Sie drückte sich an sich, als würde sie ihn zur Eile und gleichzeitig zum stoppen zwingen wollen. Es musste die Angst vor dem sein, was sie dort erwarten würde.

Als sie die letzten Schritte der Treppe hinter sich gelassen hatten und gerade auf das Gebäude des Hochtribunals der heiligen Inquisition zugehen wollten, wurden die großen Eingangstüren geöffnet und beide blieben wie erstarrt stehen. Sie hatten Angst vor dem, was sie sehen würden. Adelige in prächtigen Gewändern und dicken Mänteln traten heraus und gingen schnatternd an Sidurgu und dem Mädchen vorbei. Sie redeten alle durcheinander, leise oder völlig hysterisch und aufgebracht, so dass Sidurgu nicht in der Lage war herauszuhören, was sie redeten.

Rielle drückte sich an seine Seite und ließ das Tor nicht aus ihren Augen, genauso wenig wie es Sidurgu tat. Sie hofften beide, dass er einfach als der letzte dort hinaus kam und lebend wieder zu ihnen zurückkehrte. Er würde sich wundern, dass sie hier waren um ihn abzuholen und nicht im vergessenen Ritter auf ihn warteten. Wahrscheinlich würde er Sidurgu eine Predigt halten, dass es zu gefährlich war um mit Rielle hier zwischen all den Tempelrittern herumzustehen und dass er wie immer ein unverbesserlicher Chaot war. Aber das wäre alles egal. Sidurgu würde die Standpauke mit Freunden über sich ergehen lassen, doch sein Freund kam nicht.

Immer weniger verließen das Hochtribunal und die Tore fielen schließlich wieder zu.

»Fray«, murmelte Rielle und schluchzte. Sie drückte sich an Sidurgus linke Seite und er legte einen Arm um ihre kleine Schulter.

»Gehen wir wieder«, sagte er. Dass Fray nicht heraus gekommen war, musste nichts schlechtes bedeuten. Vielleicht war es ja auch gar nicht Fray, den sie da geschnappt hatten, sondern jemand fremdes. Eine arme Person, die sie gar nicht kannten und es vielleicht tatsächlich verdient hatte, vor diesem Gericht zu stehen?

Gerade als sie sich zum Gehen wenden wollten, wurden die schweren Türen wieder geöffnet und zwei Tempelritter kamen heraus. Zwischen ihnen zerrten die einen leblosen Körper mit sich: Den armen Tropf, den es erwischt hatte.

Rielle unterdrückte einen Schrei und drückte sich enger an Sidurgu, als sie erkannte, wer diese Person gewesen war und er selbst spürte Wut in sich aufkommen. Sie bleiben dort stehen und warteten bis die beiden mit Frays leblosen Körper an ihnen vorbei gegangen waren. Sidurgu hätte diesen unsäglichen Tempelrittern am liebsten den Kopf abgeschlagen, doch er blieb ruhig und versuchte Rielle zu trösten und davon abzuhalten nicht hinter den beiden herzulaufen um zu Fray zu gelangen. Was wollte sie tun? Die beiden Ritter wegstoßen und solange an Fray rütteln, bis er aus seinem Schlaf erwachte? Dieses Mädchen hatte wohl viel zu viele Märchen vorgelesen bekommen.

Nein, sein Freund und Kamerad Fray war tot und er würde auch nicht mehr auferstehen, dass mussten sie akzeptieren.

Sidurgu schloss die Augen und lauschte den Schritten und Schleifspuren, bis sie nicht mehr zu hören waren. Es dauerte ein paar Minuten und während sie so da standen, sammelten sich die Schneeflocken auf ihren Köpfen und ihren Schultern. Rielle schluchzte und weinte an seiner Seite. Es schien nicht so, als würde sie in nächster Zeit damit aufhören. Aber sie mussten gehen. Sie konnten nicht hier bleiben.

»Lass uns gehen«, sagte er und wartete auf eine Regung seitens des Mädchens. Doch sie bleib still und stumm.

Es dauerte ein paar Augenblicke bis sie seine Hand nahm und ihm signalisierte, dass sie bereit war zu gehen.

Der Verlust von Fray nahm sie schwer mit. Kein Wunder, denn mit Fray war sie immer besser ausgekommen als mit Sidurgu.

 

・ ・ ・ ❈ ・ ・ ・

 

Schnee. Sidurgu hasste wirklich Schnee. Seit dem Hinterhalt sogar noch mehr als vorher. Und Schnee hatte Coerthas eine ganze Menge. Ishgard ertrank förmlich im Schnee.

Rielle und Sidurgu hatten die Stadt verlassen und waren zur Siedlung Weißenfells-Front gegangen, denn da – so hatten sie es von der Kriegerin des Lichts erfahren – hatte man Frays Leichnam beerdigt, nachdem er von den Tempelrittern zunächst achtlos in den Schwaden entsorgt worden war. Die Geschichte, wie er hier gelandet war, war unglaublich und verstörend genug, dass Sidurgu sich nicht mehr Gedanken darüber machen wollte, als es nötig war. Rielle hockte vor dem Stein der als notdürftiger Grabstein diente und murmelte schüchtern vor sich hin. Sie hielt in ihren Armen eine Tüte mit Blumen, die sie im Abalathischen Wolkenmeer gesammelt und zu einem Strauß zusammengebunden war. Sie wollte sich so von ihm verabschieden und sich für alles bedanken.

»Blumen, huh?«, meinte Sidurgu. »Das passt so gar nicht.«

»Doch«, antwortete Rielle und bettete ihren Strauß auf dem Grab vor ihr. »Es ist ein Geschenk und es bringt Farbe.«

Sidurgu zuckte mit den Schultern. »Hier ist alles weiß. Ewiger Winter. Eis und Schnee.«

»Deswegen.«, sagte das Mädchen und stellte sich neben Sidurgu. »Sie sind schön. Und es hat etwas von Sommer.«

»Ein Hauch von Sommer, huh?«

Rielle kicherte. »Du hast dich verändert.«

Sidurgu runzelte mit der Stirn. »Was soll das denn bitte heißen?«

Das Mädchen zuckte mit den Schultern. »Wer weiß?«

»Rielle?!«

Sie zuckte statt zu antworten und drehte sich um um diesen Ort zu verlassen.

»Rielle?!«

Doch das Mädchen reagierte nicht auf ihren Begleiter und setzte ihren Weg weiter vor. Die Kriegerin des Lichts stand mit einem Höflichkeitsabstand etwas entfernt von dem Grab und wartete auf die beiden. »Lass und zurück nach Ishgard gehen, Rizumu.«

Sie nickte. Rizumu war genauso wie Sidurgu Au Ra, der einzige Unterschied war dass sie vom Stamm der Raen war und blasse, fast weiße Schuppen und Hörner hatte. »Was ist mit Sid?«

»Er kommt schon noch«, sagte das junge Elezen-Mädchen und lächelte.

»Rielle!«

Rizumu sah zu ihm herüber und schüttelte verwirrt den Kopf, während Rielle wieder zurück in Richtung Ishgard ging.

»Jetzt erklär es, verdammt noch mal!«

 

・ ・ ・ ❈ ・ ・ ・
 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Einen wunderschönen ersten Advent!
Es ist ein wundervoller Sonntag und es ... Schneit ... Vielleicht. Wahrscheinlich nicht.
Ich habe auch dieses Jahr wieder am Adventskalender teilgenommen und kann daher euch das erste Türchen präsentieren. Dieses Jahr habe ich mich zu einer Geschichte zu Final Fantasy XIV und der sogenannten Dark Knight Familiy entschieden, einfach weil ich sie liebe und sie einen schönen Kontrast zur Weihnachtszeit bilden. Sie sind eigentlich nicht wirklich eine Familie. Hahaha, aber doch. Hihihi.
Es hat mir eine wahre Freude bereitet diesen One Shot und damit endlich wieder was zu meiner Final Fantasy XIV "Welt" zu schreiben. Nur deswegen habe ich meine Kriegerin des Lichts eingebaut. Ja, sie heißt Rizumu, nein, sie ist kein Self Insert. ich mag einfach den Namen Rizumu sehr, sehr gerne (und bin komplett unkreativ).
Ich habe noch ein paar Mehr Ideen zu Final Fantasy XIV und meiner WoL, das ist also nur der Anfang. Muhahahahah.


Liebe Grüße,
Rizumu

P.S.: Schaut doch noch bei den anderen auf der Aktion vorbei! Jeden Tag kommen tolle Geschichten!


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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Pureya
2019-12-04T21:31:57+00:00 04.12.2019 22:31
Die Geschichte hatte auf jeden Fall viel vom FF-Flair. Aber mit dem tollen erwachsenen Touch. Ich bin fast schon etwas überwältigt, dass der arme Fray wirklich verurteilt wurde. Sidurgu fand ich so toll beschrieben, dass ich extrem neugierig auf ihn wurde und erstmal googeln musste ^^ Er sieht toll aus und ich mag wie du ihn geschrieben hast. Klasse Auftackt! <3
Von:  nyuucat
2019-12-02T10:05:33+00:00 02.12.2019 11:05
Hey ^_^

Also vorweg muss ich gestehen, ich kenne mich mit Final Fantasy nicht wirklich gut aus ^^" Weswegen es ein wenig schwierig für mich war, die ganzen "Fremdwörter" zu verstehen. Was die Geschichte aber nicht schlecht macht. Im Gegenteil hast du damit sogar ein wenig gespielt und wichtige Informationen erst später einfließen lassen, was ich gut fand. (z.B. Sidurgus Aussehen und die damit verbundenen möglichen Probleme)

Ich finde deine Geschichte sehr rund und sie hatte einen schönen, dynamischen Aufbau. Vermutlich wären Fans wesentlich mehr betroffen darüber, was mit Fray passiert ist, als ich. Allerdings kenne ich die Beziehungen zwischen den Charakteren nicht wirklich, weswegen es für mich nur ein kurzes Schlucken war. Dennoch war der Spannungsbogen bis dahin gut gewählt.
Ich fand es auch sehr schön, wie du die Atmopshäre der beiden Flüchtigen beschrieben hast und dass sie so schön unterschiedlich waren.
Bis zum Ende habe ich mich gefragt, wie die Geschichte zu dem gewählten Thema passt (also ein Hauch von Sommer). Das hast du aber toll umgesetzt! Die Geste von Rielle war süß und traurig zugleich.

LG
nyuucat


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