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Rabenfedern

von

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III. Chlorwasser

Das Sprichwort „Der frühe Vogel fängt den Wurm“ übersieht ein wichtiges Detail: Nicht alle Vögel mögen Würmer. Tatsächlich isst nur ein Teil aller Vögel Insekten. Andere sind Vegetarier, essen Fische oder sind halt richtige Raubvögel. So eine Dohle bevorzugt auch Eier oder das totgefahrene Opossum von der Straße – also jedenfalls tun das richtige Dohlen. Ich bin und war keine richtige Dohle und mein bevorzugtes Nahrungsmittel hieß zum damaligen Zeitpunkt „Cheeseburger“. Allerdings hätte ich an diesem Morgen auch das Opossum genommen, denn langsam zerrten vierzehn Stunden ohne Nahrungsaufnahme genau so an mir, wie der Schlafmangel.

Ich war dem Jäger gefolgt. Ich meine, was hätte ich sonst tun sollen? Immerhin waren meine Möglichkeiten den Vampir zu finden eingeschränkt, solange ich nicht mal wusste, mit was für einer Art Vampir ich es zu tun hatte. Und hey, mit dem Vampirjäger hatte ich vielleicht eine Chance ein wenig Arbeit auf ihn abzuladen, ohne dass er es merkte.

Hey, ich bin ehrlich – selbst wenn mir das ja irgendwie nie jemand glaubt: Ich bin kein besonders guter Kämpfer. Oder Magier. Meine Talente liegen halt in einem anderen Bereich. Insofern klang die Aussicht mich hinter jemand mit Schrotflinte und Feuermagie verstecken zu können ziemlich gut.

Leider hatte das eine Menge Fliegerei erfordert. Der Typ hatte erst die Frau zu einem Heiler gebracht, hatte diesen bezahlt und war dann mit einem Motorrad Downtown gefahren. Eigentlich hatte ich angenommen, dass er in einem Hotel oder sowas lebte. Stattdessen hatte er das Motorrad vor einem Haus der besser bestückten Mittelschichtsgegenden von Kapstadt abgestellt. Vielleicht nicht in Strandnnähe, dafür nicht zu weit weg vom Tafelberg und mit eigenem Swimmingpool. Glücklicher.

Zumindest hatte ich meinen verstaubten Federn ein kurzes Bad im Pool gegönnt und mich zu spät daran erinnert, dass sich Chlorwasser und Federn schlecht miteinander vertrugen. So hockte ich schließlich in einem Baum beim Pool, kratzte mir mit dem Schnabel den juckenden Hintern und versuchte zu Schlafen. Wenigstens war es hier irgendwie kühler. Vielleicht wegen den Winden. Was wusste ich dahingehend schon?

Wahrscheinlich war es die Müdigkeit, doch irgendwann verfiel ich in einen wohligen Halbschlaf. Ein wohliger Halbschlaf, der irgendwann tiefer wurde und unsanft endete, als ich – wieder in menschlicher Gestalt – ins Wasser platschte.

Schon verfluchte ich mich selbst. Ich war noch immer nicht gut darin die Dohlengestalt aufrecht zu erhalten, wenn ich einmal schlief. Denn selbst wenn die Konzentration des Zaubers eher unterbewusst war, so war sie doch gebraucht.

Keuchend schlug ich mit den Armen auf die Wasseroberfläche. Der Pool mochte ja nicht tief sein, aber Straßenkinder haben meist eins gemein: Die wenigsten von uns haben Schwimmen gelernt. Mein schlaftrunkendes Hirn half nicht, um mich zu orientieren, als ich das Gleichgewicht verlor und mich mit dem Kopf unterwasser wiederfand.

Es war fraglos nicht einer meiner glorreichsten Momente. In Panik schlug ich mit den Armen um mich, versucht mit dem Kopf wieder über Wasser zu kommen. Alles schien sich zu drehen. Kleine Sternchen in weiß und schwarz begannen vor meinen Augen zu tanzen.

Im Nachhinein betrachtet, wäre das wohl eine ziemlich dämliche Art gewesen, zu sterben. Der Darwin-Award hat wohl keinen Platz für magische Unfälle, aber ohne die Fähigkeit zu Schwimmen in Tiergestalt über einem Pool einschlafen wäre definitiv ein Kandidat, oder?

Nun, wie ihr daran merken könnt, dass ich diese Geschichte erzähle, bin ich folglich nicht gestorben – Spoiler! Denn auch wenn ich den Ruf nur von Fern hörte, merkte ich wohl, wie jemand neben mir ins Wasser sprang. Leider war mein Gehirn zu dem Zeitpunkt schon zu weit in den Panikmodus verfallen, um irgendwie intelligent zu reagieren. Dann griffen zwei kräftige Arme von hinten um meine Brust und auf einmal strömte wieder Luft in meine Lungen.

Ich hustete, schlug noch immer um mich und wurde zum Rand des Pools gezerrt.

Als mein Retter mich die Treppe hochzerrte merkte auch mein Gehirn, dass wehren den Überlebenschancen nicht zuträglich war und plump wie ein Reissack ließ sich mich auf die Kacheln neben dem Pool zerren.

Dann realisierte meine Lunge, dass sie ein wenig zu viel Wasser aufgenommen hatte. Es folgte Husten. Dann die Übelkeit.

Unschöne Sache, die ich hier nicht weiter ausführen will. Was zu sagen bleibt: Es brauchte sicher fünf Minuten, bis ich dazu kam, meinen Retter zu betrachten.

Seine Klamotten klebten genau so wie meine nass am Körper. Er war groß, kräftig und vielleicht ein wenig zu blass für jemanden, der einen eigenen Pool hatte. Sein dreckigblondes Haar hing in nassen Strähnen von seinem Kopf. Das kleine Bärtchen an seinem Kinn fiel ähnlich licht aus, wie mein Oberlippenbart.

Der Junge oder Mann oder wie auch immer war nicht so viel älter als ich. Vielleicht zwanzig.

„Na, lebst du?“, grunzte er in demselben Dialekt, den ich in der Nacht gehört hatte.

Mittlerweile hatte ich mich genug für einen Witz gefangen. Ich fühlte zwei Finger an meine Kehle, um den Puls zu führen. „Hmm“, machte ich. „Ja, doch, ich glaube ich lebe tatsächlich noch.“

Ein halbes trockenes Lachen kam über seine Lippen. „Wunderbar. Dann kannst du mir sicherlich sagen, was du in meinem Swimmingpool machst.“ Er stand auf, um besser auf mich hinabsehen zu können. Die kräftigen Arme hatte er verschränkt, zeigte mir dank der Perspektive jedoch eine lange Narbe, die seinen gesamten Unterarm zierte und sich beinahe weiß von der restlichen Haut abhob.

Ich beschloss es bei den Witzen zu lassen. War einfacher. Sicherer. „Na, beinahe ertrinken. Haste doch gesehen!“

Zugegebenermaßen war das alles nicht, wie ich es mir vorgestellt hatte. Klar, ich hatte mit ihm sprechen wollen, aber eigentlich hatte ich eine bessere Gestalt dafür annehmen wollen, als die, in der ich nun vor ihm saß. Denn ja, diese eine meiner „wahren“ Gestalten war leider nicht besonders wirklich beeindruckend. Ich war für einen Teenager extrem klein geraten – zu wenig Essen in der Kindheit brachte sowas mit sich. Meine Haut war dunkel, aber dennoch irgendwie blass. Die Pickel auf meinen Wangen zeugten von der Pubertät. Und mein Haar war ein chaotischer Haufen schwarzer Locken, die dank dem Wasser wahrscheinlich noch krauser wirkten. Mein Tanktop war genauso zerschlissen, wie die Jogginghose, selbst wenn das vielleicht weniger auffiel. Immerhin klebte beides klitschnass an meiner hageren Gestalt.

Der junge Mann musterte mich weiter. „Okay, formulieren wir die Frage anders: Was machst du in meinem Garten, als dass du überhaupt dazu kommst, beinahe in meinem Pool zu ertrinken?“

Für den Bruchteil einer Sekunde duellierten sich zwei Ideen in meinem Kopf. Lüge oder Wahrheit. Sie verschmolzen und wurden zu einem wilden Mix. „Ich bin Magier!“, erklärte ich. „Ich … ich habe dich gestern in den Flats gesehen, als du mit diesem Monster gekämpft hast und … ich bin dir gefolgt!“

Seine Augenbrauen wanderten zusammen. Falten bildeten sich auf der Stirn. „Wie?“

„Als Vogel“, erwiderte ich wahrheitsgemäß. „Ich kann mich in einen Raben verwandeln.“ Ich bemühte mich um das charmanteste mögliche Grinsen, das in dieser Gestalt möglich war. „Ich würde es dir ja zeigen, aber …“ Das Knurren meines Magens sparrte mir eine weitere Erklärung.

Mein Gegenüber schwieg eine ganze Weile. Noch immer lag seine Stirn in Falten. „Und warum bist du mir gefolgt?“

Tja, ich brauchte eine gute Erklärung dafür. „Weil ich auch Monster jagen will!“ Mein Grinsen wurde breiter.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Taroru
2019-10-22T18:03:16+00:00 22.10.2019 20:03
der kleine wird mir immer sympatischer XD
ich mag seine art humor *lach* XD

Antwort von:  Alaiya
22.10.2019 20:09
Hihi. Danke


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