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Freak

von

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Der Schmerz kam, als er unter der Dusche stand.
 

Die ersten Minuten hatten sich fast gut angefühlt - zuzusehen, wie das Wasser das Blut und den Dreck wegwusch, die Wärme zu spüren die einen starken Kontrast zu seinem ausgekühlten Körper darstellte. Das Wissen, sich in einem abgeschlossenen Raum zu befinden, zu Hause, zu dem niemand sich einfach so Zugriff verschaffen und ihn verletzen konnte.
 

In Sicherheit.
 

Der Schmerz kam mit einer solchen Wucht, dass Victor aufschrie und zur Seite kippte. Mit den Fingern kratzte er über das Glas der Duschkabinentür, versuchend, Halt zu finden, aber ohne Erfolg.
 

Er hustete, und dass er Blut schmeckte registrierte er erst, als er die roten Tropfen in seiner Handfläche sah.
 

Zitternd tastete er nach dem Regler, stellte das Wasser ab.
 

Seine Schulter war erfüllt von pochendem Schmerz, aber dieser war nichts im Vergleich zu dem, was er an den Stellen verspürte, an denen Alvas Schläge ihn im Gesicht getroffen hatten.
 

Er wusste nicht, wie, er es schaffte, sich wieder aufzurichten, die Tür der Dusche zu öffnen und nach draußen zu stolpern. Wie er es schaffte, sich zum Waschbecken zu schleppen und sich daran abzustützen, den Schrank zu öffnen und darin nach den Behältern mit Medikamenten zu kramen.Dinge fielen zu Boden, etwas zerbrach, er würde später aufräumen müssen...
 

Er hatte gehofft, Morphin zu finden; das letzte Mal, als er nachgesehen hatte, waren noch einige Kapseln dagewesen. Nun jedoch war die Dose leer.
 

Frustriert ließ er sie zu Boden fallen -egal, im Moment war alles egal -, suchte weiter. Oxycodon war das nächste, was er in die Hände bekam. Das war okay. Alles war okay, was dafür sorgen würde, dass der Schmerz nachlassen würde, ihn betäuben würde, dafür sorgen, dass er nicht mehr daran erinnert wurde was passiert war...
 

Er nahm drei Kapseln auf einmal. Unter normalen Umständen hätte er gewusst, welche Dosis angemessen gewesen war, aber hier und jetzt wollte er nicht nachdenken, keine Zeit verlieren...
 

Als er Wasser in einen Zahnputzbecher füllte, fiel Victors Blick in den Spiegel. Bisher hatte er es vermieden, zu sehen, welche Schäden Alvas Schläge angerichtet hatten; fuck, er wollte es gar nicht wissen.
 

Was seine Aufmerksamkeit auf sich zog, waren jedoch nicht die Schwellungen und Verfärbungen, die sich in den nächsten Stunden sicherlich noch intensivieren würden.
 

Der Grund dafür, dass er heftig zusammenzuckte und dabei vor Schmerzen aufschrie, den Becher fallenließ und sich reflexartig am Waschbeckenrand festklammerte, um nicht ein weiteres Mal zusammenzubrechen, waren die Schnitte, die Alvas Messerklinge auf seiner Wange hinterlassen hatten.
 

Sie waren tief, würden mit Sicherheit deutliche Narben zurücklassen. Und nun, nachdem das Blut geronnen war und Krusten gebildet hatte, war deutlich zu erkennen, was Alva mit den Schnitten beabsichtigt hatte und dass Victors Eindruck, dass sie irgendwie gezielt durchgeführt worden waren, korrekt gewesen war.
 

Dort stand, was Alva immer wieder zu ihm gesagt hatte, nicht bloß heute, sondern solange Victor ihn kannte.
 

Freak.
 

Ein Lachen drang aus Victors Kehle, heiser und zittrig. Er strich mit den Fingerspitzen über die Blutkrusten, fühlte die Linien, versuchte, wirklich zu begreifen.
 

Alva hatte gesagt, er würde selbst nicht wirklich wissen, was er mit Victor vorhatte, und das hatte vermutlich auch gestimmt. Was er aber getan hatte, mit jeder seiner Handlungen; den Schlägen, den sanften Berührungen, der Zurschaustellung seiner sexuellen Erregung, dem Kuss, und nun mit diesem Schriftzug, mit dem er sich auf seiner Haut verewigt hatte, war genau das, was Victor am meisten traf.
 

Demütigung. Daraus resultierende Scham. Selbsthass.

Und in diesem Moment, in dem Victor sich im Spiegel betrachtete und sah, was Alva getan hatte, wünschte er sich, er hätte dieses heutige Zusammentreffen nicht überlebt.



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