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Eine Geschichte mit, aber nicht über Pferde

(weil die Autorin keine Ahnung von diesen Tieren hat)
von

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#03

J. stellte den Bierkasten zwischen die Liegestühle, dann ließ er sich auf einem von ihnen nieder und öffnete ohne Umschweife die ersten beiden Flaschen.

„Hier, für dich, auf die alten Zeiten.“ er zwinkerte mir mit einem eindeutig anzüglichen Grinsen zu, dann reichte er mir die Flasche.

Ich starrte ihn absolut ungläubig an, dann setzte ich das Bier an und trank. Ich wusste sowieso nichts zu erwidern. Mit vielem hätte ich gerechnet, aber nicht damit dass ausgerechnet er mich hier besuchen kam. Wir waren nicht gerade im Guten auseinander gegangen, deswegen war es umso verrückter.

Aber J. Schien bester Laune zu sein. Ganz im Gegensatz zu mir.

Seit ich auf dem Hof wohnte hatte ich keinen Alkohol mehr getrunken, ich wusste dass mein Vater es nicht so gerne sah wenn ich trank, aber er hatte es mir auch nie direkt verboten. Meine heftigen Abstürze hatte ich auch immer bei J. ausgenüchtert, ihm war also nie aufgefallen wie oft ich es damit übertrieben hatte.

„Was ist los, freust du dich gar nicht mich zu sehen? Muss doch schrecklich langweilig hier sein, hier gibt’s doch gar nichts.“

J. lag lang inzwischen ausgestreckt auf dem Liegestuhl, mit der Bierflasche in der Hand machte er eine weit ausholende Geste über den Hof.

Tatsächlich herrschte gerade tote Hose; mein Vater und Lilly waren seit dem frühen Morgen auf der Arbeit, Danny war wohl mit Leo unterwegs, und Calebs Auto stand wie so häufig auch nicht da. Wo der Vater der beiden steckte wusste ich nicht, höchstwahrscheinlich irgendwo im Haus.

„Es gibt Katzen, guck, da drüben.“ ich nickte in Richtung von Miss Momo die gerade um die Ecke des Haupthauses geschlichen kam. Ihre Ohren zuckten in unsere Richtung, dann stellte sie den Schwanz auf und trippelte mit eiligen Schritten zu uns herüber. Sie war sehr anhänglich, und obwohl ich eigentlich kein großer Katzenfreund war fühlte ich mich ein bisschen geschmeichelt als sie um meine Beine strich und ihr tiefschwarzes Köpfchen schnurrend an meinem Knie rieb.

J. sah mich an als wäre ich völlig bekloppt.

„Bist du jetzt unter die Muschistreichler gegangen oder was? Die frische Landluft tut dir anscheinend gar nicht gut. Das Vieh hat doch sicher sonst was für Krankheiten.“ er verzog angewidert das Gesicht als ich mich zu Miss Momo hinunter beugte und sie schließlich neben mich auf den Liegestuhl hob. Die Katze war selig.

„Miss Momo ist nicht krank, also hör auf sie zu beleidigen. Du bist echt ein Arsch.“ ich nahm einen großen Schluck von meinem Bier und kraulte die Katze provozierend ausgiebig hinter den Ohren. J. schnaubte abfällig, seine Flasche war schon fast zur Hälfte geleert. Keine Ahnung was ich mal an ihm gefunden hatte.

Wir schwiegen uns eine Weile feindselig an, nur Miss Momos zufriedenes Schnurren durchbrach die drückende Stille.

Ich wusste einfach nicht was ich von J.´s plötzlichem Auftauchen halten sollte.

Unsere Beziehung war beendet, wir hatten es nicht einmal ein komplettes Jahr mit einander ausgehalten, und das lag nicht nur daran dass J. ein ungehobeltes und selbstverliebtes Arschloch war. Unsere gemeinsame Zeit war geprägt gewesen von Alkohol, Partys, Sex, Streit und Drogen. So etwas konnte nicht gut gehen, und schon gar nicht zu einem Happy end führen. Das musste doch selbst J. Klar sein. Also, worauf machte er sich hier Hoffnungen? Doch sicher nicht auf eine zweite Chance, oder?
 

J. öffnete sich nach dem ersten noch ein zweites Bier, dann reichte er mir ebenfalls noch eines. Ich zog fragend die Augenbrauen hoch.

„Willst du mich betrunken machen?“

„Mit zwei Bier? Wohl kaum. Oder hast du noch was anderes da?“

Ich überlegte einen Moment, dann stellte ich die angebrochene Bierflasche neben meine Füße ins Gras und verschwand mit schnellen Schritten im Haus.

Ich war wirklich eine schwache Seele.

Es war verrückt und dumm, aber wann würde ich so schnell noch einmal die Gelegenheit dazu bekommen mich ein bisschen zu betrinken?

Danny war zu jung dafür, und Caleb...der war noch ein größeres Arschloch als J., und zusätzlich auch noch extrem verklemmt.

Die Flasche Whiskey befand sich gut versteckt und eingewickelt in meinen Winterschal in der hintersten Ecke meines Kleiderschrankes; sie war ein Abschiedsgeschenk von Alex gewesen, und bis jetzt hatte ich noch keinen Grund dazu gehabt sie anzubrechen.

In der Küche schnappte ich mir noch zwei große Gläser und eine eiskalte Cola aus dem Kühlschrank, dann trug ich alles nach draußen zu den Liegestühlen.

Miss Momo hatte sich inzwischen zu einer flauschigen schwarzen Kugel zusammengerollt und schlief zufrieden in der Sonne, und jetzt war es J. der sie verstohlen zwischen den Ohren kraulte. Ich musste unwillkürlich grinsen, dann schlich ich mich von hinten an ihn heran und hielt ihm kommentarlos die Whiskeyflasche vor das Gesicht.

Gegen frühen Nachmittag hatten wir die komplette Cola, zwei Drittel des Whiskeys, und jeder noch zwei weitere Flasche Bier geleert.

Mein Kopf war angenehm schwer, ich lag lang ausgestreckt auf dem Liegestuhl und hatte die Augen gegen die Sonne geschlossen. Miss Momo war irgendwann zu J. hinübergewechselt und schlief leise schnurrend auf seinem Bauch während er sie gedankenverloren mit der freien Hand streichelte. Alkohol half offensichtlich auch gegen Katzenhass.

Und gegen jegliche gute Vorsätze.

Ich gähnte, dann setzte ich mich langsam auf und beugte mich zu J. Hinüber. Der öffnete verschlafen die Augen als er meinen Schatten auf seinem Gesicht bemerkte und grinste breit.

„Na, besoffen genug?“

Ich verdrehte genervt die Augen, dann lehnte ich mich noch weiter nach unten und küsste J. auf die vom Bier und Schweiß feuchten Lippen.

Keine Ahnung ob wie noch weiter gegangen wären, aber in diesem Moment rumpelte Calebs alter dunkelgrüner Ford Escort auf den Hof. Er fuhr an uns vorbei und kam schräg vor dem Haupthaus zum Stehen.

Wieviel hatte er gesehen? Oh verdammt nochmal.

„Wem gehört denn die hässliche Karre?“ J. richtete sich halb auf die Ellenbogen auf und schirmte die Augen gegen die Sonne ab, Miss Momo schnurrte lauter, ließ sich ansonsten aber nicht weiter stören.

„Die gehört Caleb, er wohnt da drüben, mit seinem Vater und seinem kleinen Bruder.“ gab ich etwas widerwillig Auskunft. Mir war schwindlig, und ich bedauerte dass wir die Cola bereit ausgetrunken hatten. Ich hatte einen widerlichen Geschmack im Mund. Und auf den Lippen.

J. schob Miss Momo nun doch von sich herunter und die Katze sprang neben der Bierkiste ins Gras. Sie streckte sich ausgiebig, dann trottete sie davon.

„Ist er geil?“ J. musterte den verbeulten Ford mit zusammen gekniffenen Augen, und ich stöhnte genervt. Nicht das schon wieder. Natürlich war J. immer noch eifersüchtig, selbst jetzt, nachdem wir nicht mehr zusammen waren. Was übrigens auch einer der Gründe war warum es mit uns beiden nicht länger geklappt hatte.

„Keine Ahnung, vielleicht. Er ist auf jeden Fall ein noch größeres Arschloch als du, reicht das?“ knurrte ich und nahm mir eine weitere Flasche Bier aus dem Kasten. Ich wollte sie nicht trinken, nur festhalten.

Caleb war inzwischen ausgestiegen und sah zu uns herüber, und natürlich konnte J. es nicht einfach bei ein paar misstrauischen Blicken belassen. Er hob grüßend die Hand und strahlte so freundlich wie falsch übers ganze Gesicht als er einmal quer über den Hof brüllte.

„Halloooooo, grüß dich! Bock auf ein Bier?“

Ich trat J. wütend gegen das Schienbein, aber der ignorierte mich völlig und winkte nur noch eifriger. Hoffentlich würde Caleb diese dreiste Einladung einfach ignorieren und ins Haus gehen, aber natürlich tat er mir diesen Gefallen nicht. Mit langsamen Schritten kam er über den von der Sonne glühend heißen Schotter und das vertrocknete Gras zu uns herüber, einen seltsamen undeutbaren Ausdruck im Gesicht. Nicht freundlich, aber auch nicht wütend.

Ich hielt innerlich die Luft an als er endlich vor unseren Liegestühlen zum Stehen kam und umklammerte meine immer noch verschlossene Bierflasche. J. hatte inzwischen eine weitere geköpft und streckte sie Caleb hin.

„Hier, Prost! Ist leider nicht mehr kalt, aber wir sitzen auch schon eine Weile.“ er zwinkerte meinem neuen Nachbarn zu, und zu meiner Überraschung nahm dieser die Flasche tatsächlich entgegen.

„Schon okay, danke. Und du bist…?“ Caleb musterte J. genau, und der schlug sich gespielt bestürzt gegen die Stirn.

„Oh natürlich, entschuldige! Ich bin J., freut mich!“

Das war gelogen, aber ich verbiss mir einen entsprechenden Kommentar. Caleb stellte sich nun ebenfalls vor, dann wanderte sein Blick über die verstreut herumliegenden Bierflaschen und den fast zur Gänze geleerten Whiskey.

Mir war das peinlich, aber J. zuckte nicht einmal mit der Wimper.

„Darf Nick so ein Zeug überhaupt schon trinken?“ Caleb deutete mit seinem unberührten Bier in Richtung der Whiskeyflasche, und ich lief knallrot an. Was sollte das denn jetzt? Seit wann interessierte dieser Kerl sich für meine Gesundheit?

J. brach in schallendes Gelächter aus.

„Du bist witzig, echt. Glaub mir, Nicky hat schon viel schlimmere Sachen getrunken, also keine Sorge. Und außerdem hat er den Whiskey mit raus gebracht, nicht ich. Von mir ist nur das Bier.“

Er wischte sich die Lachtränen aus den Augen, und ich wurde auf meinem Liegestuhl immer kleiner. Caleb war eindeutig gegen die Sauferei, er betrachtete J. und mich als wären wir ekelhafte Insekten, aber er hielt den Mund. Seine Abneigung lag trotzdem fast greifbar in der Luft.

Ich überlegte gerade ob ich mich vielleicht verteidigen sollte, da bog zum zweiten Mal an diesem Nachmittag ein Auto in die Einfahrt ein.

Diesmal war es Lillys kleiner Nissan, und bei diesem Anblick wurde mir gleich noch etwas elender zu Mute. Sie und mein Vater stiegen aus, aber noch bevor sie  überhaupt auf die Idee kommen konnten zu uns herüber zu kommen setzte J. sich bereits in Bewegung.

Er grinste breit und zwinkerte mir zu.

„Ich geh mal eben deinen Paps und seine neue Schnecke begrüßen, die freuen sich bestimmt mich zu sehen .“

Und noch bevor ich etwas erwidern konnte stapfte er bereits davon.

 

Ich warf die volle Bierflasche mit einem wütenden Knurren ins Gras, da hörte ich es plötzlich neben mir plätschern. Den Blick starr auf den davon schlendernden J. gerichtet hielt Caleb seine eigene Flasche in der Hand, und leerte sie ungerührt neben sich auf den Boden.

Das Statement war eindeutig.

„Die hättest du auch mir geben können. Ganz schöne Verschwendung.“ wies ich ihn schlecht gelaunt zurecht.

Caleb verzog keine Miene, aber seine Stimme war eisig.

„Ich glaube du hast für heute genug getrunken.“

Er ließ die Flasche zu Boden fallen und kickte sie in Richtung des inzwischen fast leeren Kastens.

„Und räumt den Scheiß hier weg, ich will nicht dass Danny das sieht.“

 

Und damit ließ mich auch der zweite Kerl einfach so sitzen.

 

J. blieb noch bis zum Abendessen, dann brachte mein Vater ihn zum Zug. Die Stimmung war angespannt gewesen, was wohl einerseits an J.s fehlendem Respekt gegenüber den anwesenden Erwachsenen als auch an meiner sichtlichen Beschwippstheit gelegen hatte. Natürlich war meinem Vater unser Saufgelage nicht entgangen, aber er verlor kein Wort darüber. Nur seine zur Schau getragene Miene, die sprach Bände.

Während er J. zum Bahnhof fuhr schnappte ich mir eine große stabile Mülltüte und begann die herumliegenden Flaschen im Hof einzusammeln. Die Sonne schien immer noch vom Himmel, aber meine Glieder waren bereits schwer vor Müdigkeit. In meinem Kopf schien ein großer Klumpen Watte zu stecken, und mein Magen fühlte sich unangenehm flau an. Ich hatte schon ewig nicht mehr so viel getrunken.

Miss Momo musste im Laufe des Nachmittags wieder zurück gekommen sein, jetzt lag sie zusammengerollt am Fußende von einem der Liegestühle und beobachtete meine Aufräumaktion aus halb geöffneten Augen.

Ich setzte mich neben sie und streichelte ihr durch das knisternde schwarze Fell.

„Weißt du Momolein, wenn Caleb und mein Vater und Lilly nicht aufgetaucht wären, dann wäre ich vielleicht wieder schwach geworden. Was absolut das bescheuertste gewesen wäre was ich hätte tun können.“

„Das stimmt allerdings, zumal er dich praktisch abgefüllt hat.“

Ich fuhr wie von der Tarantel gestochen herum und stieß vor Schreck den Sack mit dem bereits eingesammelten Leergut um. Bierflaschen kullerten vor meine Füße, und ich knurrte frustriert.

„Musste das sein? Jetzt kann ich wieder von vorne anfangen!“ ich gab dem nun fast wieder leeren Sack einen wütenden Tritt, und Miss Momo sprang erschrocken von der Gartenliege.

Das tat mir Leid, und ich bückte mich um ihr entschuldigend über den Rücken zu streicheln.

„J. hat mich nicht abgefüllt, ich habe freiwillig mit ihm getrunken.“ murrte ich trotzig; Caleb stand schweigend neben der Liege, dann bückte er sich ebenfalls und hob eine bestimmte Flasche auf.

Den Whiskey.

„Dieses widerliche Zeug? Wie alt ist der Typ überhaupt? Zwanzig? Du solltest echt nicht…“

„Was? Mich mit ihm abgeben?“ ich funkelte Caleb herausfordernd an, durch das Herumgekrieche auf dem Boden war mir nun zu allem Überfluss auch noch übel, und da war es nicht gerade zuträglich für meine Laune wenn er mir auch noch Vorhaltungen machen wollte.

Was bildete der sich überhaupt ein? Ich war schließlich nicht Danny!

„J. ist zweiundzwanzig, und er ist mein Ex! Glaubst du vielleicht ich hätte mit ihm Schluss gemacht weil er mir so gut getan hat? Ich bin zwar blond, aber nicht blöd. Und jetzt hau ab und lass mich in Ruhe, ich will endlich fertig werden.“ Ich drehte Caleb demonstrativ den Rücken zu, und nach einem kurzen Zögern  zog er tatsächlich kommentarlos Leine. Meinen Whiskey nahm er mit, aber ich hatte keine Lust mich jetzt auch noch deswegen zu streiten.

Nachdem ich alle Flaschen weggeräumt hatte stellte ich den vollen Sack neben das Garagentor, dann wusch ich mir die Hände kurz in der Regentonne und ging ins Haus.

Ich war totmüde, der ganze Tag ungeschützt in der heißen Sommersonne und die ungewohnte Menge an Alkohol hatten mich schachmatt gesetzt.

Und dann war da auch noch der Kuss gewesen...

Nachdem Caleb und meine Familie aufgetaucht waren hatten J. Und ich keine Möglichkeit mehr gehabt unter vier Augen zu reden, und ehrlich gesagt war ich da auch ganz froh drüber. Der Kuss war eine Kurzschlussreaktion gewesen, ausgelöst durch meine dank des Bieres herabgesetzte Hemmschwelle und...tja, irgendwas musste ich an J. Ja mal gefunden haben, immerhin waren wir zehn Monate zusammen gewesen. Mit Höhen und Tiefen, aber zusammen. Und da war deutlich mehr gelaufen als nur ein Kuss.

Ich wünschte Lilly und meinem Vater eine Gute Nacht, ignorierte ihre teils besorgten (Lilly), teils verärgerten (mein Vater) Blicke, und kroch nach einer dringend nötigen Dusche in mein wunderbares, anheimelnd weiches Bett.

Allein.

Mit von der Sonne glühendem Kopf und einer drückenden Übelkeit im Magen. Ich würde am nächsten Morgen einen Kater haben, der war mir sicher.



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