America's Finest
„Ich habe heute wieder Fanpost bekommen“, sagte Steve.
„Hmm...?“, machte Tony schläfrig. Er befand sich noch im postkoitalen Rausch, die Augen geschlossen, und würde frühestens in dreieinhalb Minuten wieder so weit sein, dass er kohärente Sätze bilden konnte. Wie Steve es jedes Mal schaffte, nach dem Sex sofort wieder zur Tagesordnung überzugehen, würde Tony für immer ein Rätsel bleiben.
Aber gut, er besaß auch nicht das Stamina des anderen Mannes.
„Es waren dieses Mal erneut Briefe männlicher Verehrer dabei...“, fuhr Steve nachdenklich fort.
„'kay...?“
„... und sie hatten eine Menge zu meinem Anzug zu sagen.“
Tony schwieg, doch er konnte nicht verhindern, dass sich ein Grinsen auf seinem Gesicht ausbreitete.
Hatten sie das? Er konnte sich gar nicht vorstellen, warum...
„Einer fragte nach dem Schnittmuster...“
„Nah-ah“, machte Tony und wedelte müde mit der Hand. „Regierungsgeheimnis.“
„... ein anderer kritisierte das Farbschema...“
„Natürlich.“
„... und ein nicht unerheblicher Teil beglückwünschte mich zu der Figur, die ich darin mache, bemängelte jedoch zugleich die Tatsache, dass der Anzug keinen wirklichen Schutz darstellt.“
„Tut er auch nicht.“ Tonys von Endorphinen überschwemmtes Gehirn begann langsam wieder zu arbeiten. „Dafür ist dein Schild schließlich da. Würde ich mehr Technologie oder Panzerung in deinen Anzug reinstecken, dann würde er schwerer werden und deine Bewegungen einschränken.“
„Das ist mir klar“, erwiderte Steve sanft. „Aber eine Frage stelle ich mir seit einer Weile dennoch...“
„Und die wäre?“
„Muss der Anzug so hauteng sein?“
Tony schlug die Augen auf.
Er öffnete den Mund. Dann schloss er ihn wieder.
Steve sah ihn amüsiert an, während Tony ein Gesicht machte, wie ein Fisch an Land.
„Ist das tatsächlich eine Sache, die wir debattieren wollen?“, fragte Tony schließlich mit schwacher Stimme. „Jetzt?“
„Wollen? Nicht unbedingt.“ Steve schmunzelte. „Müssen? Ich denke schon. Dieser Anzug verbirgt so gut wie kein Detail meines Körper vor den Augen der Welt und ich möchte einfach wissen, warum.“
Weil ich den Anzug bewusst so designt habe, dachte Tony, biss sich jedoch auf die Zunge, bevor er die verräterischen Worte aussprechen konnte.
„Weil Captain America ein Symbol ist und das Beste verkörpert, was diese Nation zu bieten hat“, entgegnete er stattdessen.
Steve dachte für eine Weile darüber nach.
„Das klingt sehr oberflächlich“, meinte er dann. „Außerdem: ist der Schild nicht ein größeres Symbol, als der Mann dahinter? Geht es nicht mehr darum, diejenigen zu beschützen, die sich nicht selbst verteidigen können, als darum, was für Kleidung ich trage?“
Tony schnaubte. „Wenn es so wäre, warum kämpfst du dann nicht gleich nackt?“
Steve lachte nur auf und lehnte sich zu Tony hinüber, um einen Kuss auf seine stoppelige Wange zu pressen.
„Du weißt, dass das lächerlich ist, Tony“, erwiderte er dann. „Allerdings...“
Er machte ein nachdenkliches Gesicht.
„... vielleicht wäre es einen Versuch wert.“
Wow, nein, das ging definitiv zu weit. Tony richtete sich mit entrüsteter Miene auf.
„Okay, na schön!“, rief er und warf die Hände in die Luft. „Es ist einfach der beste Hintern Amerikas! Und da ich ein vorbildlicher und selbstloser Mensch bin, wollte ich den Rest der Welt daran teilhaben lassen! Zufrieden?“
„Tony...“
Steve hatte eine Hand über seine Augen gelegt und seine Schultern bebten vor kaum unterdrücktem Gelächter.
„Und der einzige Grund, weshalb jede neue Version deines Anzugs noch ein bisschen enger ist, als die davor, ist der, dass ich der ganzen verdammten Welt unter die Nase reiben will, was sie im Gegensatz zu mir niemals haben wird!“, fuhr Tony fort und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
Steve hielt es nicht mehr aus, er begann schallend zu lachen.
„Tony, du bist...!“, begann er und musste erneut lachen. „Du...“
Tony verdrehte die Augen und schwang die Beine aus dem Bett.
„Pff, lach du nur, Rogers“, entgegnete er. „Du wirst schon sehen, was du davon hast...“
Er wollte gerade aufstehen, als Steve nach seinem Handgelenk griff und ihn zurück auf das Bett zog.
„Was soll-!“ Weiter kam Tony nicht, bevor ihn Steve mit einem langen und leidenschaftlichen Kuss zum Schweigen brachte. Für einen Moment war Tony wie erstarrt, doch dann schmolz er in Steves Armen, und er schloss die Augen und gab sich ganz dem Kuss hin.
Als sie sich schließlich wieder voneinander lösten, sah Tony den anderen Mann benommen an. Der Kuss hatte ihn völlig vergessen lassen, wieso er eben noch so aufgebracht gewesen war.
Steve schenkte ihm ein kleines Lächeln.
„Es ist okay, Tony“, murmelte er gegen seine Lippen. „Du darfst auch mal selbstsüchtig sein.“
Er legte seine Hand auf den ARC-Reaktor, dessen Licht blau zwischen seinen Fingern hindurchschimmerte. „Es gibt schließlich oft genug Momente, in denen du es nicht bist.“
Tony sah ihn für eine Weile wortlos an, einen unergründlichen Ausdruck in den dunkle Augen.
„Ich liebe dich, weißt du“, sagte er plötzlich leise. „Alles an dir.“
Steves Miene wurde weich und er küsste Tony erneut, kürzer dieses Mal, aber nicht weniger liebevoll.
„Gehe ich also recht in der Annahme, dass du absolut nichts an meinem Anzug ändern wirst?“, fragte Steve wenig später, als sie gemeinsam unter die Dusche stiegen.
„Ich bin mir sicher, dass mein Arbeitsvertrag es mir verbietet“, entgegnete Tony.
„Du bist dein eigener Boss, Tony, du hast keinen Arbeitsvertrag.“
„Mist! Ich wusste, da war was...“
„Aber falls ich eine Sache anmerken darf?“
„Spuck es aus.“
„Danke. Es wäre schön, wenn die künftigen Versionen des Anzugs im Schritt nicht noch enger werden, sonst werden wir im Bett bald nicht mehr viel Freude haben.“
Tony lachte.
„... ist notiert.“
