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Flirting gone wrong

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
„Ich schreibe gerade an einem Telefonbuch. Kann ich dazu bitte deine Nummer haben?“ (Irisviel -> Karna) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
„Von welcher Wolke bist du denn gefallen, mein Engel?“ (Karna/Arthuria) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
„Entschuldigung, aber kann es sein, dass wir im letzten Leben unsterblich ineinander verliebt waren?“ (Semiramis -> Cú Chulainn) Komplett anzeigen

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Telefonbuch

“Dankeschön, Held der Wohltätigkeit!” Artig verbeugte sich Jack vor Karna, dessen Miene ein freundliches Lächeln zeigte. “Gern geschehen.” Doch Jack the Ripper hörte diese Worte schon fast nicht mehr. Sie war bereits begeistert hinter ihrer Freundin Abigail hergelaufen, damit die beiden ihr Spiel fortführen könnten. Karna nahm keinen Anstoß daran. Vielmehr freut es ihn, dass die wenigen Kinder in Chaldea, Servants oder nicht, die Chance auf ein kleines Stück Kindheit hatten. Dass ihrer aller Master sie darum praktisch nie mitnahm, war ein offenes Geheimnis, auch wenn die Kleinen darüber gerne schimpften, weil sie als Heldengeister ernst genommen werden wollten.

Nachdenklich sah er Jack und Abigail nach, die munter durch die metallenen Flure wetzten, die im Licht der Neonröhren nicht unbedingt gemütlich aussehen mochten, doch für viele Servants zu ihrem Zuhause geworden waren. Mit einigen Servants verband ihn inzwischen sogar schon eine Freundschaft. Als Siegfried beschworen worden war, hatte Karna ihn als einer der ersten willkommen geheißen und sie beide hatten ihren Kampf fortführen können, wenn auch nur zu Übungszwecken, wie Master zu betonen gewusst hatte. Komplizierter war Arjunas Erscheinen gewesen, das so zwiespältige Gefühle in Karna geweckt hatte, dass er sich einiger davon schämte. Letzten Endes jedoch fand er, dass Arjuna und er, allem zum Trotz, das früher zwischen ihnen vorgefallen war, einen ersten Schritt aufeinander zugetan hatten.
 

Sehr viel einfacher war es mit Irisviel. Sie war bereits hier gewesen, als er nach Chaldea kam und hatte ihn freundlich, ja gar mütterlich begrüßt. Geduldig und zuvorkommend hatte sie ihn herumgeführt und ihm alles erklärt, was er wissen musste und schon am ersten Tag hatte Karna verstanden, dass Irisviel eine wichtige Person in Chaldea war. Keiner, der nicht ob des Klanges ihrer Stimme aufgesehen und sie begrüßt hätte und für jeden hatte die Frau mit dem schneeweißen Haar ein paar freundliche, aber persönliche Worte gefunden.

Vor allem dank ihrer Bemühungen hatte Karna einige Kontakte knüpfen können, anstatt nur still Unterhaltungen beizuwohnen, um nicht unhöflich zu erscheinen, wenn er sich einmischte. In solchen Dingen war er schon immer ein wenig unsicher gewesen, hatte sich als Fremdkörper empfunden und sich meistens damit zufrieden gegeben, einfach nur zu beobachten. Er konnte die Male, die sich Irisviel einfach zu ihm gesetzt hatte, um dann ein Gespräch zu beginnen, kaum zählen und wusste diese Geste durchaus zu schätzen. Meistens sprach nur sie und er hörte nur zu, doch immer häufiger fragte Irisviel nach seiner Meinung, nach seinen Gedanken und schließlich auch, wenngleich zögerlich, nach seiner Vergangenheit.

Stundenlang hatten sie sich unterhalten, hatten sich über ihre Vergangenheit ausgetauscht, über die Leben, die sie gehabt hatten, gleich wie kurz sie gewesen sein mochten. Selbst von ihrem Ehemann hatte sie berichtet, obgleich sie zugab, sich kaum noch zu erinnern. Alles scheine ihr wie ein ferner Traum. Etwas, das Karna gut nachfühlen konnte, ging es ihm doch nicht anders.
 

Natürlich war auch anderen Servants aufgefallen, wie viel Zeit Karna und Irisviel miteinander verbrachten. Ob nun in der Caféteria oder im Gewächshaus, wo sie stundenlang im Grünen hockten und sich die Zeit damit vertrieben, einander besser kennenzulernen. Es war ein offenes Geheimnis, wie gut sich Karna und Irisviel verstanden, die beide gleichermaßen als ruhig und freundlich galten. An dem Tag, an dem Karnas Kopf auf Irisviels Knien lag, während sie ihm aus einem dicken Buch vorlas, war dann auch bei den Letzten der Groschen gefallen, dass Irisviel womöglich mehr für Karna übrig hatte.

Gleichzeitig war aber auch allen rundherum klar, dass einer überhaupt nicht bemerkte, was hier passiert, nämlich Karna selbst. Einige versuchten subtil dafür zu sorgen, dass die beiden ein wenig Zeit zu zweit hatten, ganz ungestört, doch es zeigte sich schnell, dass diese Taktik keinen Erfolg versprach. Kleine Hinweise blieben gleichermaßen von Irisviel wie Karna völlig ignoriert und selbst, als dem König der Helden der Kragen platzte und er laut und deutlich darauf hinwies, dass selbst er, Gilgamesh, eine so schöne Frau wie Irisviel nicht von sich stieße, blieb es dabei, dass Karna höflich bekundete, er könne nur zustimmen, dass Lady Irisviel wahrlich schön sei, in ihrer Gestalt wie ihrer Persönlichkeit. Ein verlegener Rotschimmer war über Irisviels Wangen gezogen, als sie sich für dieses Kompliment bedankte. Caster Gilgamesh war nur kopfschüttelnd weiter gegangen, den vielleicht einzigen Moment ignorierend, in dem ihm selbst Cú Chulainn und Emiya zustimmten, die sonst schon aus Prinzip anderer Meinung waren, erinnerte Caster sie doch zu sehr an sein jüngeres Ich, das ebenfalls in Chaldea Einzug gehalten hatte. Sehr zum Leidwesen einiger anderer Servants.
 

Es war schließlich Arjuna zugefallen, mit Karna zu sprechen. Was genau die beiden hinter verschlossenen Türen jedoch besprachen, blieb ihr Geheimnis, doch der Anblick Arjunas, der mit verkrampfter Miene den Raum seines Bruders verließ und wortlos die Küche ansteuerte, ließ viel Raum für Spekulationen. Ergebnisse konnte jedoch niemand feststellen, sodass am Ende zur Überraschung aller ausgerechnet Illyasviel, die Tochter Irisviels, die befand, man müsse doch endlich mal dafür sorgen, dass ihre Mama und Karna einander näher kamen.

Also brütete Illyasviel gemeinsam mit Jack und Abigail, beide ebenso jung wie sie selbst, über Büchern wie “Flirten für Dummies” und “Anmachsprüche, die garantiert funktionieren”, welche sie sich von Dr. Romani geliehen hatten. Hätte jemand geahnt, welchen Unfug der Nachwuchs Irisviel zuflüstern würden, hätten wohl noch alle gelacht, die die weißhaarige Frau nicht allzu gut kannten. Diejenigen jedoch, die mehr über sie wussten, wären darüber gestolpert, dass Irisviel ein sehr zurückgezogenes und von der Außenwelt abgeschottetes Leben geführt hatte, bestimmt durch den Gralskrieg, der auch ihr Ende war. Flirten hatte nicht unbedingt zu den Dingen gehört, mit denen sie sich je hatte beschäftigen können.
 

So jedoch trat niemand an Illya oder Irisviel heran, um zu verhindern, was in Chaldea noch Wochen für Kopfschütteln und eine Mischung aus Amüsement und Mitleid sorgen würde. Als Irisviel die Caféteria betrat und dort, wie so oft, Karna vorfand, der etwas abseits saß und einfach nur beobachtete, wie sich gleich zwei Inkarnationen von Arthuria Pendragon um den Archer Emiya geschart hatten, um einen Nachschlag an Pancakes zu erbeuten. Ob Irisviels Eintreten jedoch wandte sich sein Blick der weißhaarigen Frau zu, deren Anwesenheit wie stets ein Lächeln auf seine Züge zu zaubern vermochte. “Irisviel, guten Morgen.” “Guten Morgen, Karna”, erwiderte Irisviel den Gruß, ehe sie neben dem Sohn des Sonnengottes Platz nahm.

Dass Irisviel ein wenig nervös war, bemerkte Karna zwar, doch er war viel zu höflich, um sie darauf anzusprechen. Vielmehr baute er darauf, dass sie von selbst sprach, wenn sie soweit wäre. Still sahen die beiden einander an, ohne zu bemerken, dass sie mit dem ungewohnt angespannten Schweigen zwischen sich auch die Blicke einiger anderer auf sich zogen. Allein Ishtar jedoch trug dabei ein Schmunzeln zur Schau. Verlegen räusperte sich Irisviel. Sie hatte lange mit ihrer Tochter gesprochen, die sehr eindringlich und mit zahlreichen Bildern untermalt hatte, dass es an ihr wäre, den nächsten Schritt zu tun. Ein wenig peinlich war es ihr dennoch, als sie schließlich eben jene Worte wählte, zu denen ihr Illyasviel nach ihrer Recherche geraten hatte. „Ich schreibe gerade an einem Telefonbuch. Kann ich dazu bitte deine Nummer haben?“
 

Für einige Augenblicke war es einfach nur still. So still, dass man hätte eine Stecknadel hören können, die zu Boden fiel. Wer noch nicht in Richtung der zwei weißhaarigen Servants gesehen hatte, tat es jetzt. Selbst die beiden Arthurias hielten inne, die Pancakes völlig vergessend. Obwohl keiner einen Laut verursachte, konnte fast jeder im Raum die mentalen mentalen Schläge an die Stirn hören, die sich ein jeder von ihnen gab.

“Selbstverständlich. Master war so freundlich, mich ebenfalls mit einem dieser faszinierenden Mobiltelefone auszustatten”, entgegnete Karna freundlich, was Irisviel mit einem dankbaren Lächeln quittierte. “Vielen Dank, Karna. Wenn es fertig ist, werde ich dir gerne eine Kopie zur Verfügung stellen.” Irisviel hatte erst nicht gewusst, was sie von Illyas Idee halten sollte, doch jetzt schien sie sich als etwas Gutes herauszustellen. So eine Telefonbuch könnte immerhin wirklich praktisch sein.

Fassungslos starrte Ishtar zu den beiden rüber. Neben ihr ließ Robin Hood seine Gabel fallen, um sich als erster auch physisch an die Stirn zu fassen. Zu behaupten, dass mindestens ein halbes Dutzend der nicht ganz zufällig lauschenden Servants nicht fassen konnte, was für ein Gespräch sie da bezeugten, wäre eine Untertreibung. Arjuna rieb sich demonstrativ die Schläfen. Neben ihm vergrub Ishtar ihr Gesicht in den Händen, während ihr gegenüber Nobunaga einfach nur starr zu Karna und Irisviel herüber sah, als könne sie noch nicht so richtig glauben, was da gerade passiert war. “Es ist hoffnungslos”, seufzte Emiya leise und wandte sich ab, um Arthurias Pancake-Wünsche zu erfüllen.

Engelsgleich

“Du hast bitte was zu ihr gesagt?” Fassungslos starrte Ritsuka den indischen Helden an, der ihn nur mit ruhiger Miene und schief gelegtem Kopf ansah, sich offensichtlich nicht ganz schlüssig darüber, wie er die Reaktion seines Masters zu deuten hatte. “Ich sagte: Von welcher Wolke bist du denn gefallen, mein Engel?”, erklärte Karna noch einmal so ruhig, dass sich der junge Mann ihm gegenüber am liebsten die Haare gerauft hätte. Unverkennbar rang der Magier mit sich im Versuch, die passenden Worte zu finden. “Karna, du kannst doch nicht einfach… Was hast du dir denn dabei gedacht?” Wild gestikulierte der junge Mann mit beiden Armen, doch auch das konnte Karna nicht wirklich aus der Ruhe bringen.

Der selbstlose Halbgott wirkte vielmehr nur noch verwirrter. “Ich versuchte, ein Kompliment zu machen. Engel, so habe ich erfahren, werden in der christlichen Mythologie”, begann er zu erklären und machte für Ritsuka alles damit nur noch schlimmer. “Karna”, ächzte er gequält, aber so leise, dass dieser unbeirrt fortfuhr. “Als Personen mit goldenem Haar dargestellt, welche heilige Klingen im Kampf gegen das Böse führen. Nach eingehender Recherche liegt es nahe, dass Arthuria Pendragon ein Engel ist.” Ritsuka war fassungslos und wusste ehrlich nicht, was er dazu sagen sollte. Bei jedem anderen hätte er Ironie oder einen miesen Scherz erwartet, doch bei nicht bei Karna. Der klang vermutlich nicht nur ernst, sondern meinte seine Worte auch so.

“Da Engel auf Wolken leben”, sinnierte der Inder weiter, “nahm ich an, sie wäre womöglich gestürzt. Mithilfe eines adäquaten Flugvehikels wäre es vielleicht möglich…” “Stop. Nein. Stop, Karna”, unterbrach ihn Ritsuka halb lachend, halb ungläubig. “Sie ist kein Engel und… sie lebt auch nicht auf Wolken und wir brauchen sie auch nicht nach Hause bringen.” Es fiel ihm wirklich schwer, nicht zu lachen, sondern ernst zu bleiben, damit Karna nicht das Gefühl hatte, sein Master erlaube sich einen Scherz auf seine Kosten.
 

Dass der weißhaarige Halbgott so manches Mal gerade in Dingen, die das zwischenmenschliche Miteinander oder Redewendungen anging, auf dem Schlauch stand, war nichts Neues, doch das hier schoss den Vogel einfach ab. Als Karna versucht hatte, König Gilgamesh dazu zu bringen, sich für eine medizinische Untersuchung bei Nightingale zu melden, weil Cú Chulainn Proto gemeint habe, Gilgamesh habe doch “Lack gesoffen”, hatten sie noch alle herzlich gelacht und nach einigen Anläufen war es Caster Cú Chulainn auch gelungen, das Missverständnis aufzuklären. Das hatte jedoch nicht verhindert, dass sich Arjuna merklich für seines Bruders Fauxpas schämte - oder wie man später in Chaldea von denen zu hören bekam, die dabei gewesen waren: Manchmal ist die Hand an der Stirn nicht genug, da muss dann eine Wand herhalten. Spaßeshalber hatte Jack zusammen mit Chlóe die entsprechende Stelle an der Wand sogar mit bunten Stiften markiert.

Einige erinnerten sich auch an den Lacher vom Besuch in den heißen Quellen, als Mordred Kiyohime zurechtwies, die wie so oft versuchte, ihrem Master näher zu kommen. Ob Kiyohime denn noch ganz sauber wäre, hatte die Ritterin verlauten lassen, was dazu geführt hatte, dass Karna der Berserkerin zur Seite geeilt war, indem er kundtat, die Dame lege stets großen Wert auf Körperhygiene und es wäre höchst unhöflich, etwas anderes auch nur zu behaupten. Das Ende vom Lied war gewesen, dass Kiyohime den armen Karna anschrie, was er denn rede - obwohl der wiederum überhaupt nicht verstand, was eigentlich los war - während sich der verräterische Ritter der Tafelrunde vor lauter Lachen den Bauch hielt.
 

“Okay… also… du kannst so etwas einfach nicht einfach raushauen, Karna”, versuchte Rtisuka zu erklären. “Leute werden das missverstehen.” Er konnte Karna ansehen, dass dieser absolut nicht verstand, worauf er hinauswollte und beinahe tat es ihm Leid, überhaupt etwas gesagt zu haben. Sicherlich war auch Arthuria klar gewesen, dass der weißhaarige Halbgott gar nicht gewusst hatte, was er da sagte. Vermutlich war das sogar jedem klar, der diese Worte von Karna gehört hatte. Dennoch würde es hinter dem Rücken des armen Karnas Scherze darüber geben und es tat Ritsuka einfach Leid, dass der Sohn des Sonnengottes immer wieder unfreiwillig Ziel von Späßen wurde, ohne überhaupt verstehen zu können, wieso.

“Pass auf. Wenn man jemanden einen Engel nennt, dann wird das schnell als Flirt ausgelegt”, versuchte Ritsuka seine Erklärung einfach zu halten, doch das schien Karna nur noch mehr zu verwirren. “Engel sind Kreaturen der christlichen Mythologie. Es schien mir eine angemessene Bezeichnung für eine Christin wie Arthuria”, sinnierte Karna und am liebsten hätte sich sein Master direkt noch einmal die Hand vor die Stirn geschlagen. “Schon, aber dennoch… sei… einfach vorsichtig mit dem, was du sagst. Wenn man sehr freigiebig Komplimente gibt, wird das einfach sehr, sehr schnell missverstanden.” Karnas gerunzelte Stirn verriet ihm, dass der Servant noch immer nicht ganz dahinter stieg, aber das war wohl das Beste, was er im Moment herausholen könnte. Karna fehlte einfach Übung im Umgang mit anderen Leuten, dann würde das schon werden. Zumindest hoffte Ritsuka das.
 

“Oi!”, durchbrach eine laute Stimme die Stille des Flures und ließ Master wie Servant aufblicken. “Lancer, dich suche ich!” Die zierliche Gestalt Mordreds näherte sich ihnen mit schnellen Schritten. Wie fast immer zeugte ihre Miene von einer gewissen Streitsucht und Ritsuka ahnte schon das Schlimmste, doch als Mordred Karna erreichte und vor ihm stehen blieb, wandelte sich ihr Gesichtsausdruck und ein breites, zufriedenes Grinsen legte sich über ihre Lippen. Freundschaftlich schlug sie Karna auf die Schulter, allerdings so fest, dass Ritsuka instinktiv zusammenzuckte. Ihn hätte der Ritter damit vermutlich gegen die nächste Wand geklatscht.

“Ich danke dir! Vater hat sich sehr über deine Worte gefreut. So ein rührendes Kompliment war besonders heute genau das richtige!” Mordreds Augen funkelten freudig. Ritsuka verstand kein Wort. Wieso ausgerechnet heute? War irgendein besonderer Tag? Er warf einen Blick zu Karna, der ebenso planlos wirkte, sich dann aber respektvoll vor Mordred verbeugte. “Meine Worte waren aufrichtig und es freut mich sehr, vermochten sie den König der Ritter im Herzen zu berühren”, erklärte er fast feierlich, sodass Mordred nur noch einmal lachte. “Als Dank lade ich dich zu einem Onigiri ein! Emiya hat eben welche mit süßer Füllung gemacht. Wenn wir uns in die Küche schleichen, können wir welche erbeuten.” Karna war anzusehen, dass er protestieren wollte, doch Mordred ließ das gar nicht erst zu, sondern griff den Halbgott am Arm und zog ihn einfach mit sich. “Bis später, Master!”, rief sie noch über die Schulter in Ritsukas Richtung, der verdattert winkte. Ob es gut war, Emiya Essen unter der Nase weg zu stibitzen, konnte er nicht sagen, doch Karna tat es sicher gut, etwas Zeit mit jemandem wie Mordred zu verbringen. Jemand, der… Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Heute war der Jahrestag der Schlacht von Camlann, eben jener Schlacht, in der so viele Ritter der Tafelrunde gefallen waren, dass Arthuria in diesem Datum eine Erinnerung an ihren größten Fehler sehen musste.

Dann war es wohl gut, dass Karna sich für seine Worte ausgerechnet heute ausgesucht hatte. Er mochte oft nicht wissen, wie unvorsichtig er seine freundlichen Worte wählte und Dinge missverstand, weil Ironie oder Sprichworte an ihm vorüber gingen, doch vielleicht hatte Karna ein Feingefühl inne, das man nicht auf den ersten Blick erkennen mochte. Ritsuka lächelte. Sicherlich würde Karna bald Anschluss an die anderen Servants finden und dann auch nicht länger nur ein stiller Beobachter bleiben, sondern Freunde finden. Bis dahin allerdings würden sicher noch einige Fettnäpfchen auf sie alle warten.

Blicke

“Naargh!” Es war so frustrierend! Semiramis pfefferte, wenn auch nur halbherzig, das kleine Foto auf den Boden oder versuchte es zumindest, denn das Papier war so leicht, dass es vielmehr langsam herab segelte. Wütend über sich selbst wanderte sie einige Male in ihrem Zimmer auf und ab, immer wieder an dem Foto vorbei, das wie von selbst ihren Blick auf sich zog. Ein Umstand, der sie nur noch mehr ärgerte. Eigentlich hatte sie in ihrem Zorn auf das Foto treten wollen, doch stattdessen ertappte sich Assassin dabei, wie sie die Fotografie aufhob, sorgsam glatt strich und dann wie gebannt anstarrte.

Das Bild zeigte Master zusammen mit einer Handvoll Bewohner Chaldeas, darunter sie selbst sowie ein Ritter mit dunklem Haar, der sie alle überragte, neben ihm eine zierliche Japanerin in Uniform, ein kleiner Junge mit blondem Schopf und eben die Person, die der Quell ihrer Frustration war. Der blaue Lancer. Zumindest nannte sie ihn in ihrem Kopf so. Vor diesem Foto hatte sie kaum bemerkt, dass er existierte, doch seitdem spukte er ihr förmlich durch den Kopf.

Als Astolfo angeboten hatte, das Foto für Master aufzunehmen, hatte sie keine Einwände gehabt. Jeder wusste, dass Master versuchte, von möglichst allen Servants einige Fotos zusammen zu bekommen, als Erinnerungen für später, wenn sie alles überstanden hatten. Irgendwie fand sie das sogar einen ganz netten Gedanken. Weniger nett hatte sie es jedoch gefunden, als besagter Lancer ohne jede Vorwarnung einfach einen Arm um sie gelegt hatte, um sie etwas näher heranzuziehen, obwohl sie einander gänzlich fremd waren. Empört ob dieser Frechheit hatte sie ihn zurechtgewiesen, doch er hatte nur gelacht. “Ein Lächeln stünde dir viel besser, Süße”, hatte er ihr ins Ohr geflötet und noch ehe sie etwas hätte erwidern können, hatte ein greller Blitz davon gezeugt, dass Astolfo zur Tat geschritten war.
 

Grimmig starrte sie auf das Foto, von dem ihr der blaue Lancer entgegengrinste. Inzwischen wusste sie natürlich, wer er war. Cú Chulainn, Irlands Kind des Lichts. Einer von ihnen zumindest, denn sie hatte zu ihrem Schrecken festgestellt, dass es mindestens zwei weitere gab. In einen war sie erst gestern hineingelaufen, offenbar eine jüngere Manifestation. Er hatte sie mit einem strahlenden Lächeln angesehen und sich dafür entschuldigt, sie übersehen zu haben. Insgeheim hatte Semiramis gestehen müssen, dass sie diese Version Cú Chulainns irgendwie süß fand. Dem Lancer ähnlicher hingegen war sein Caster-Ich gewesen, das sie in der Caféteria bemerkt und direkt in weitem Bogen umrundet hatte. Dennoch war sie nicht umhin gekommen, einen kurzen Blick in die roten Augen des Iren zu riskieren. Leider hatte der das zu ihrem Missfallen wohl bemerkt und ihr verschmitzt zugezwinkert, was die Königin veranlasst hatte, missgelaunt aus der Caféteria zu stürmen.

Leider nur, um dann in genau den Lancer zu laufen, den sie eigentlich hatte meiden wollen. Unversehens war sie mit der Nase gegen seinen Brustkorb gestoßen und wollte schon lospoltern, als seine Stimme ihre Ohren erreichte. “Huch, vorsichtig, Süße.” Wie sie diesen Moment verfluchte. Gekonnt überspielte sie den unangenehmen Moment und rümpfte die Nase. “Das sollte ich dir sagen, Lancer. Achte auf deine Schritte”, wies sie ihn schnippisch zurecht, doch das schien ihn überhaupt nicht zu stören. Stattdessen blieb er einfach stehen und versperrte ihr damit den Weg hinaus. Finster funkelte sie zu ihm hoch, überragte der Ire sie doch um ein gutes Stück. “Aus dem Weg, Lancer.” Einen für ihren Geschmack viel zu langen Moment grinste er sie an, dann trat er beiseite. Sie hasste es, wie schnell ihre Füße sie davon trugen. Beinahe, als flüchte sie. Vor einem Mann! Sie! Undenkbar!
 

Gerne hätte sie das alles einfach abgetan, hätte das Foto zerrissen und so getan, als wäre der lästige blaue Lancer nur ein weiterer Bewohner Chaldeas, von denen sie nur wenige näher kannte. Doch das Schicksal schien mit seinem grausamen Plan, sie mit Cú Chulainn zu quälen, noch lange nicht fertig. Beinahe schien es ihr, als laufe sie einfach überall in eine Version von ihm hinein. Ob nun beim Frühstück, wo ihr der jüngere Lancer freundlich Platz machte, damit sie sich dazu setzen konnte oder auf den Fluren, in denen Caster ihr jedes Mal zuzwinkerte. Andauernd konnte sie den Blick eines Cú Chulainn auf sich spüren und ertappte sich doch selbst dabei, schon fast Ausschau nach ihnen zu halten - oder vielmehr einem bestimmten von ihnen.

Dieser verdammte blaue Lancer! Wieso nur suchte er ihre Gedanken heim wie eine Seuche? Hatte man sie etwa verzaubert? Nein, das wäre ihr aufgefallen, immerhin besaß sie selbst die Qualifikationen zum Caster und war selbst als Assassin in der Kunst der Magie bewandert. Was also war es, dass sie wie durch Zauberhand immer wieder den Blick dieser roten Augen suchen ließ, der erfolgreich dafür sorgte, dass sich alles in ihr zusammenzog. Manchmal war Semiramis selbst nicht sicher, ob sie wütend war, weil er sie ansah oder ob sie wütend auf sich selbst war, weil sie ihn ansah.

Als wäre dieser Umstand nicht schon frustrierend genug, schien jedoch auch anderen Bewohnern Chaldeas aufzufallen, dass sie beide Blicke tauschten. Der erste, der es direkt ansprach, war kein anderer als der Caster Cú Chulainn und zwar so laut, dass die gesamte Caféteria mithören konnte, als er sich an sein Lancer-Ebenbild wanderte. “Ihr Name ist übrigens Semiramis. Wenn du nicht versuchst, bei ihr zu landen, werde ich die Schönheit bezirzen.” Die Königin war etwas zusammengezuckt, doch hatte bewusst nicht in Richtung der Iren gesehen, auch wenn es all ihre Selbstbeherrschung kostete. In Lancers Stimme klang unverkennbar Verlegenheit mit, als er scherzte: “Finger weg, ich hab die Süße zuerst gesehen.”
 

Und doch sprach Irlands Kind des Lichts sie nie an. Sie trafen sich weiter wie zufällig, wechselten einen Blick, er grinste, sie starrte finster, doch nie fiel ein Wort. Selbst, wenn Master sie gemeinsam mit auf eine Mission nahm, blieb es bei einem kurzen Gruß und der nötigen Absprache im Kampf. Es ärgerte sie, dass sie das überhaupt so bewusst wahrnahm, doch an den Fakten änderte das nichts. Cú Chulainn hatte sich in ihre Gedanken geschlichen und sie ertappte sich dabei, selbst Ausschau nach ihm zu halten, um einen Blick auf ihn zu erhaschen, welche ihn aus jeder Menge herausstechen ließen. Beim Frühstück mit Master war es dieser, der sie aus ihren Gedanken riss, während sie abwog, ob die langen blauen Haare Cú Chulainns wohl ebenso seidig waren, wie sie aussahen. Als sie offenkundig nicht wusste, worüber Master gerade gesprochen hatte, grinste dieser nur wissend und wiederholte sich.

Semiramis hatte gedacht, niemand habe etwas von ihrer befremdlichen Obsession von Cú Chulainn bemerkt, wie sich allerdings schnell zeigte, lag sie damit völlig falsch. Ritsukas Besuch am Abend war überraschend, doch wer war sie, ihren Master nicht willkommen zu heißen? Mit einem Lächeln und freundlichen Worten lud sie ihn ein, servierte ihm frisches Obst und war doch neugierig, was ihn noch hierher führte. Als sie es dann erfuhr, hätte sie es lieber doch nicht gewusst. “Ich finde, ihr solltet mal miteinander sprechen. Jeder sieht doch, dass ihr mit Blicken flirtet und dass du immer wieder in Gedanken versinkst.” Nervös rieb sich Ritsuka den Nacken. Es war ihm sichtlich unangenehm, das Thema anzuschneiden, was Assassin ahnen ließ, dass ihn jemand dazu gedrängt hatte, dieses Gespräch zu führen. Also war auch anderen etwas aufgefallen. Mash vielleicht, sicherlich aber da Vinci. “Ich weiß, er flirtet viel und so, aber er ist ein guter Kerl”, murmelte Master verlegen weiter. “Was ich meine, ist… also… Vielleicht geht ihr mal miteinander aus?” Ob Cú Chulainn dieses Gespräch auch über sich ergehen lassen musste?
 

Erwartungsgemäß änderte sich erst einmal gar nichts. Es blieb bei Blicken, einem Zwinkern Casters, das sie noch immer nicht recht einzuordnen wusste und schließlich einem vagen Gefühl von Enttäuschung. Sie war es gewohnt, dass man sie ihrer Schönheit und Klugheit willen pries. Zu ihren Lebzeiten hatten ihr Könige zu Füßen gelegen und mächtige Männer hätten gemordet, um sie die ihre nennen zu dürfen. Auch in Chaldea galten ihr immer wieder bewundernde Blicke, umgeben von diesen außergewöhnlichen Helden der Menschheitsgeschichte und doch schaffte es dieser verdammte Ire nicht, an sie heranzutreten! Nicht ein einziges Wort hatte er zu ihr gesagt, nicht einmal versucht, sie alleine anzutreffen, obwohl das wirklich nicht schwer war. Stattdessen schien sein Caster-Alter Ego dauernd in ihrer Nähe herumzulungern, als wolle er sie provozieren. Zugegeben gelang ihm das. Sie war wütend. Auf den blauen Lancer Cú Chulainn, auf sein Ebenbild, das sie immer wieder an ihn erinnerte und auf sich selbst.

Ihre Geduld währte nicht mehr viele Tage, dann befand die kluge Königin, dass es Zeit war, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Master hatte in diesem Punkt wohl nicht Unrecht gehabt und auch in einem anderen nicht, wie sie schnell feststellte, während sie auf ihre Chance lauerte, das Kind des Lichts unter vier Augen zu erwischen. Cú Chulainn flirtete wirklich mit fast jeder Frau schamlos. Kleine Komplimente gestreut in lockere Worte, intensive Blicke aus tiefroten Augen und der Umstand, dass er näher als nötig an seinen Gesprächspartnerinnen stand. Semiramis musste sich zusammennehmen, um nicht in das eine oder andere dieser Gespräche zu platzen. Mit ihr ging er nicht so um. Für sie gab es nur Blicke aus der Ferne. War das alles vielleicht nur ein mieser Scherz? Wenn ja, würde es dieser Kerl bereuen!
 

Ganze vier Tage belauerte sie den Lancer förmlich, bis sich eine Gelegenheit für sie ergab. Wie zufällig lief sie an einer Tür in ihn hinein wie schon einmal. Mit dem Schwung, den Cú Chulainn durch die Tür hatte treten wollen, hatte sie jedoch nicht gerechnet. Beinahe mochte man meinen, er habe es eilig. Überrascht stolperte Assassin und wäre wohl gestürzt, hätte sich nicht ein starker Arm um ihre Hüfte gelegt. “Huch, vorsichtig, Süße.” Die gleichen Worte. “Pass auf, wohin du läufst.” Semiramis schmunzelte und blickte so verführerisch wie sie konnte, zu ihm auf. „Entschuldigung, aber... kann es sein, dass wir im letzten Leben unsterblich ineinander verliebt waren?“

Lancers Miene erstarrte für einen Moment und gerade, als Semiramis entschied, dass sie sich wohl von ihrer Würde verabschieden könnte, wenn sie jetzt nicht schnell ging, breitete sich ein Grinsen auf seinen Zügen aus. “Ich glaube tatsächlich, mich da an etwas zu erinnern”, meinte er so schlecht gespielt nachdenklich, dass sich Semiramis fast schämte. Aber eben nur fast. Vielleicht lag es an der Wärme, die von der Hand an ihrem Rücken auszugehen schien, vielleicht auch an dem verspielten Unterton von Lancers Stimme oder seinem Grinsen, das gewiss so manch Herz hatte höher schlagen lassen. Wahrscheinlicher war wohl aber, dass es sein Blick war, der auch auf ihre Züge ein Lächeln zauberte. “Lass mich deinen Erinnerungen auf die Sprünge helfen, Lancer”, säuselte die Königin ihm entgegen, mit langen Fingern über seine Wange streichend. “Nein… Cú Chulainn.”



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