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Winterkind

von

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OneShot

Der Mond war aufgegangen und die Zikaden hatten begonnen zu singen. Silbernes Licht brach die schattige Nacht entzwei und ein leichter Windzug erfasste die umstehenden Bäume, brachte deren verzweigte Kronen zum rascheln.
 

Eigentlich war es eine recht friedliche Nacht, in welcher sich kaum eine Menschenseele auf den Straßen befand und eigentlich mochte Sakura diese ausgelassene Ruhe und Idylle. Eigentlich. Diesmal war alles anders.
 

Mit schmerzender Brust dachte sie an ihr Zuhause, während glitzernde Tränen über ihre bleichen Wangen perlten und ihre langsamen Schritte an den Häuserwänden widerhallten. Wie lange lief sie nun überhaupt schon und wohin wollte sie?
 

Es gab so viele Fragen, die sie beschäftigten und die sie doch kaum, dass sie jene Gedanken erfasste, gleich wieder verwarf. Es spielte ohnehin keine Rolle mehr. Nichts von alldem was geschehen war und vermutlich noch geschehen würde. 
 

Ihre Schritte stoppten. Ihre Beine versagten ihr den Dienst. Wimmernd sackte sie zusammen und rutschte an der zementierten Wand eines großen Betonklotzes herab. Wo war sie? Warum war sie hier?
 

Eine kühle Luftbrise ließ sie erzittern, das kaum hörbare Schluchzen verebbte, noch bevor es endgültig heraus gebrochen war, doch die unzähligen Tränen brannten noch immer wie Säure in den Augen und verätzten ihren Blick.
 

Sie sah nur noch verschwommene Umrisse. Die ihrer Eltern, die einst voller Liebe und ihr nun mit hässlichen Fratzen gegenüber getreten waren. Die ihres Bruders, dessen Abscheu sie gekränkt hatte. Die des kalten Metalls, welches gegen sie gerichtet wurde.
 

Fehler. Sakura hatte mehr als einen begangen, doch am zerstörerischsten war die Wahrheit gewesen, die sie ausgesprochen hatte. Hätte sie weiterhin lügen oder gar schweigen sollen? Vermutlich. Dennoch gab es nichts, was sie bereute. Sie hatte keine Kraft mehr für Reue. 
 

Ihr war kalt und sie war müde. Ihr Körper zitterte vor Anstrengung und all der unterdrückten Gefühle. Langsam schlossen sich ihre Lider, während sie ihren Kopf zaghaft gegen die harte Häuserwand lehnte. 
 


 

Ich bin kein Sklave, Mutter. Ich bin kein Objekt, Vater. Ihr wollt mir sagen, wer ich bin, aber ihr scheint es selbst vergessen zu haben. Ich bin eure Tochter und ich bin die Schwester meines Bruders. Ich bin ein menschliches Wesen mit einem freien Willen und mit Gefühlen.“ 
 

Sie hörte den zischenden Laut ihres Bruders, der scharf die Luft einsog und sie sah die bestürzten Gesichter ihrer Eltern. Es herrschte Stille. Eine unmenschliche Stille, die noch immer lauter als ein Sommergewitter in ihrem Kopf nachhallte.
 

Ihr denkt, dass ihr mich kennen würdet, aber ihr liegt falsch. Ihr wisst nichts über mich, nicht einmal dass ich längst schon das Leben kennen gelernt habe. Ich habe den Frühling gesehen und ihm einige Blumen gestohlen. Ich habe den Sommer getroffen und er lud mich zum schwimmen ein. Ich bin dem Herbst begegnet und habe unter seinen bunten Blättern getanzt. Und als der Winter schließlich vor mir stand und mir seine eisige Hand gereicht hat, habe ich sie ergriffen und bin mit ihm über schneebedeckte Felder getollt.“ 
 

Ihr Vater durchschnitt die Stille mit einem harten Schnauben. Der Zug um seinen Mund war eben solcher Natur. Hart und unnachgiebig. Sein ganzes Gesicht schien angespannt. 
 

Du bist nichts weiter als eine billige Hure.“ 
 

Ihre Mutter wandte wortlos den Blick ab. Sie hatte ihn nicht gesenkt, um ihr Mitgefühl entgegen zu bringen oder gar irgendeine Reaktion der Beschwichtigung zu zeigen. Nein. Sie hatte einfach weggesehen und sich damit stumm auf die Seite ihres Mannes geschlagen und dabei das Geräusch von zersplitterndem Glas, welches Sakuras Herz beim zerbersten von sich gab, gekonnt ignoriert.
 

Ich mag zwar eine Hure sein“, wiederholte sie mit Absicht die boshafte Anschuldigung ihres Vaters, während sie gleichzeitig einen Schritt näher an diesen heran trat, „aber dafür kenne ich wenigstens meinen Platz in der Welt.“ 
 

Es war das erste Mal gewesen, das ihre Mutter sie schlug und es war ebenso das erste Mal gewesen, das sie ihren eigenen Namen und somit ihre ganze Abstammung in Frage stellte. Das Klicken der Dienstwaffe ihres Vaters und der Lauf, der auf sie zielte, waren nicht halb so schlimm wie das Gefühl der Machtlosigkeit, welches sie schon seit Beginn ihrer Unterhaltung auseinanderzureißen drohte.
 


 

Seufzend öffnete Sakura wieder ihre Augen und blickte in der anhaltenden Dunkelheit an sich herab. Ihre Hände zitterten, an einigen Stellen sickerte dickflüssiges Blut über die Haut. Verletzungen die sie sich selber zugefügt hatte. An einem Baum. Um genauer zu sein, an dem Kirschbaum in ihrem Garten. Sie hatte nur einmal erbarmungslos auf ihn eingeschlagen und er hatte ihr unnachgiebig Stand gehalten. 
 

Warum hörte dieser Schmerz nicht auf?
 

Wacklig versuchte sie sich wieder aufzurichten und stützte sich dabei an der Wand. Sie taumelte etwas und spürte erst jetzt, wie kalt es wirklich war. Der eisige Wind des Spätherbstes, welcher bereits winterliche Minusgrade mit sich brachte, strich pfeifend über ihre unbedeckten Arme. 
 

Sie war nicht auf ihre Flucht vorbereitet gewesen. An ihren Füßen trug sie nur Hausschuhe, die Beine steckten in einer dünnen Jogginghose und das Oberteil verdeckte gerade die wichtigsten Stellen. Es war ihre Abend-Kleidung, die sie stets vor dem zu Bett gehen trug. Wer hätte auch ahnen können, dass jener Abend diesmal so eskalieren würde? 
 

Erneut seufzte sie und rieb sich fröstelnd die Arme. Eigentlich war es ihre eigene Schuld. Sie hatte es einfach nicht länger ausgehalten. Diese ganzen Verabredungen. Die Heucheleien. Der Druck, den man ihr auferlegt hatte. 
 

Natürlich war es eine schwere Zeit für ihre ganze Familie. Erst verlor Mutter ihren Job, dann versetzte man Vater in eine andere, niedriger Position und dann war da noch der Stolz der Familie – Kento. Die Steuerfahndung schien ihn wohl schon länger im Blick gehabt zu haben und waren endlich aktiv geworden.
 

Die Familie Haruno war einst wohlhabend gewesen. Mittlerweile türmte sich der Schuldenberg immer weiter auf, während ihr Einfluss täglich sank. Sakura war wohl die Einzige, die kein Dreck am Stecken hatte. Sie war die letzte Hoffnung der Familie. So einst die liebevollen geflüsterten Worte ihrer Mutter.
 

Wenn sich Sakura recht entsann, dann war es sogar das letzte Mal gewesen, dass sie ihrer Mutter so nah gewesen war und das diese ihr ein Lächeln geschenkt hatte. Es lag nun schon knapp ein Jahr zurück. Zwölf Monate voller Einsamkeit, Lügen und beißender Kälte.
 


 

Schritte erklangen und wurden immer lauter. Nervös hielt Sakura den Atem an und presste sich näher an die Wand, die ihr noch immer den Rücken stärkte und ihr auf vertraute Art sogar Halt zu geben schien. Sie schaute aus der Gasse, in welcher sie sich versteckte, hinaus auf die menschenleere Straße. Das klackende Geräusch kam immer näher. 
 

Sie malte sich nicht aus, dass Jemand nach ihr suchen würde. Dennoch, oder gerade deswegen, begann sie erneut zu zittern. Die Furcht legte sich wie ein dunkler Schleier über ihre bleiernen Knochen. Nur mit Mühe schaffte sie es wenigstens diesmal aufrecht stehen zu bleiben, um schnellstmöglich fliehen zu können, sollte es denn einen Grund dafür geben. 
 

Doch plötzliche stoppten die Schritte und ein Schatten legte sich auf ihr Gesicht. 
 

Konzentriert kniff Sakura die Augen leicht zusammen, um zu erkennen, wer ihr nur wenige Meter gegenüber stand. Das Licht der Laterne, welche am anderen Ende der Straße stand, blendete sie und raubte ihr damit die Sicht. 
 

„Hilflos, wie ein verlorenes Kätzchen.“
 

Es war eine Frauenstimme, die zu ihr sprach und gleich darauf einige Schritte näher kam. Vermutlich um sich ihr zu erkennen zu geben. Ob sie wohl ihr zittern bemerkt hatte? 
 

„Das ist nicht gerade der geeignete Ort, den kleine Mädchen zu solch einer Zeit aufsuchen sollten.“
 

Sakura sah blaue Haare und strahlende Augen, wie flüssiges Karamell. Ebenso registrierte sie die blutrot geschminkten Lippen und das Piercing, welches die Unterlippe schmückte und kurz aufblitzte, als es vom Licht der Laterne berührt wurde. 
 

Die Frau schien kaum älter als sie selbst zu sein und doch wirkte sie um so vieles reifer. Ihre Gesichtszüge – monoton, wie eine Statur aus Granit – trugen einen erheblichen Teil dazu bei. Doch ihre Augen waren gezeichnet vom Leben. So unendlich tief und ausdrucksstark. 
 

„Ich bin kein kleines Mädchen.“
 

Die Unbekannte erwiderte nichts auf ihr trotzige Aussage, die ihren Worten Lüge strafte. Stattdessen wandte sie sich nach einer kurzen Musterung einfach ab und gab ihr mit einer einfachen Geste, einem kurzen Handwink, zu verstehen, dass sie ihr folgen sollte. Ohne großartig darüber nachzudenken kam Sakura der deutlichen Aufforderung nach. Was hatte sie noch zu verlieren?
 


 

Dunkelheit durchbrochen von flackernden Lichtern. Kerzenschein, welches einen wärmenden Hauch abgab. Der pfeifende Windstrom vor den Fenstern glich einer Hintergrundkulisse.
 

Sakura seufzte entspannt, während sie ihre Hände an der dampfenden Teetasse wärmte. Die Frau ihr gegenüber, deren Name sie noch immer nicht kannte, hielt ihr Gesicht hinter einem dicken Buch mit roten Einband verborgen. Es war still. Eine Stille, die nur von dem gelegentlichen Umblättern der Seiten und dem Heulen der stürmischen Nacht unterbrochen wurde.
 

Eigentlich sollte Sakura nicht hier sein, in dieser unbekannten Wohnung bei einer vollkommen Fremden. Anderseits fühlte sie keine Furcht oder gar Scheu. Dort draußen, als sie noch einsam umher gestreift war, hatte sie durchaus diese Gefühle verspürt. Mittlerweile waren diese jedoch gewichen und zu einem stummen Hintergrund geworden. 
 

Allerdings war es auch nicht so, dass ihr Verstand ihr nicht gewisse Dinge zuflüsterte. Er appellierte an ihre Vernunft und warf immer wieder Fragen auf, die sie sich selbst nicht beantworten konnte. 
 

Warum war sie hier?
 

Weshalb nahm diese Frau sie bei sich auf?
 

Wieso schwieg sie so beharrlich? 
 

Mit einem Räuspern vertrieb sie den Klos, der sich allmählich in ihrem Hals bildete und erlangte damit gleichzeitig die Aufmerksamkeit der Unbekannten, welche ihr Buch sofort nahezu lautlos zuschlug und beiseite legte.
 

Ihre Blick war noch immer so endlos und nichtssagend, obwohl ihre Augen nun weitaus heller zu strahlen schien. Vielleicht mochte das auch an dem Kerzenlicht liegen, welches ihr Gesicht beschien. Eventuell war es auch nur Einbildung. Langsam begann sich Sakura doch leicht unwohl in ihrer Gegenwart zu fühlen.
 

Seufzend wandte die Unbekannte ihren Blick ab und richtete ihn stattdessen aus dem Fenster, aus dem man fast die ganze Stadt überblicken konnte. Zumindest tagsüber. Nun erkannte man nur Lichter. An manchen Stellen mehr als an anderen. Die Stadt schlief und mit ihr fast all ihre Bewohner.
 

„Du erinnerst mich sehr an mich, als ich etwa in deinem Alter war. Es ist schwer, sich da draußen alleine zurecht zu finden. Normalerweise nehme ich keine Streuner bei mir auf, allerdings scheinst du mir eine angenehme Gesellschaft zu sein.“
 

Ihre Mundwinkel verzogen sich zu einem minimalen Schmunzeln, bevor sich ihr Blick wieder auf sie legte. 
 

„Mein Name ist übrigens Konan. Verzeih, dass ich mich nicht eher vorgestellt habe.“
 

Konan also. Der Seesüden. Wie überaus passend für solch eine raue und zugleich endlos tiefgründig erscheinende Person.
 

„Ich bin-“
 

Sie unterbrach sie mit einer unwirschen Handbewegung.
 

„Ich weiß, wer du bist. Sakura Haruno. Ein verwehtes Blatt im Wind. Jeder kennt deinen Namen, wenn er mittlerweile auch schon ziemlich verblasst ist.“
 

Sie schmunzelte erneut, diesmal weniger belustigt, und nippte kurz an ihrem Tee, bevor sie die Tasse wieder geräuschvoll auf dem ovalen Glastisch abstellte.
 

„Also, Kirschblüte , was hat dich in die Nacht hinaus getrieben?“
 

Und Sakura zögerte nicht lange. Die Antwort brannte sich schon seit ihrer Flucht tiefe, ätzende Narben in ihr Fleisch. 
 

„Sasuke Uchiha.“
 

Der, den sie heiraten sollte.
 

Ein Mann, den sie nicht liebte.
 

Jemand, den sie gar nicht kannte.
 

Es war bereits alles arrangiert, hatten ihre Eltern ihr mitgeteilt. Es wäre zu ihrer allen Besten, versuchten sie ihr zu erklären. Sakura konnte zu jenem Zeitpunkt nichts erwidern, der Schock saß viel zu tief.
 

„Ich verstehe.“
 

Und das tat sie wirklich. Sakura erkannte den bedauernden Ausdruck in ihren citrin-farbenen Augen.
 


 

Stunden vergingen und diesen folgten Tage, die vorbei zogen, wie schwerelose Federwolken an einem lauen Sommernachmittag, oder wie schwere Stratocomulus an einem regnerischen Herbstabend, der dem Winter immer weiter nahte und schon den leichten Duft nach frischem Schnee mit sich brachte. 
 

Sakura hoffte es zumindest. Es hatte lange nicht mehr geschneit. Viel zu lange, sodass die Erinnerung an das letzte Mal schon fast gänzlich verblasst war. Sie liebte den Schnee und die eisige Kälte, ebenso wie den Frost, der die meisten Gewässer mit einer glitzernden Eisschicht überzog. 
 

Der Winter war gleich nach dem Frühling ihre liebste Jahreszeit, wenn er sie auch manchmal, an einigen Tagen, melancholisch stimmte. Er war so düster und unwirklich. Genauso wie ihre Gedankengänge in letzter Zeit, wie sie nebenbei mit einem leichten traurigen Schmunzeln registrierte. 
 

Ihr Blick glitt aus dem kleinen Fenster hinaus in den späten Nachmittag, der sie nächtlich gleich mit trostloser Dunkelheit begrüßte. Eine Zeit war kaum mehr abzumessen. Die Tagen wurden immer kürzer und die Nächte länger. Der Dezember war nicht mehr fern. Er war bereits zum greifen nah, genauso wie ihre Anspannung, die sich immer weiter in ihr aufstaute. 
 

Langsam wandte sie ihren Blick wieder ab, als sie das Öffnen und Schließen der Wohnungstür vernahm. Gleich darauf folgten leise Schritte. Sie lächelte zaghaft, noch bevor Konan den Raum betrat und ihr zur Begrüßung wortlos zunickte, bevor sie in die Küche ging. Wobei es viel eher eine kleine Nische samt Herd, Kühlschrank und zwei Schränken war. Nicht besonders anspruchsvoll, aber es genügte. 
 

„Ich habe bereits etwas vorbereitet“, teilte sie Konan mit, während sie sich erhob und ebenfalls in Richtung des Kochbereichs lief und der Blauhaarigen beim Einräumen der eben gekauften Lebensmittel zusah.
 

„Du brauchst dir keine Mühe machen.“
 

Oft schon hatten sie dieses Gespräch in den letzten Tagen geführt. Zu oft, als dass Sakura sich an die genaue Anzahl entsinnen konnte. Sie wollte wenigstens einen kleinen Teil ihrer Schuld begleichen. Konan tat so viel, ohne eine Gegenleistung dafür zu verlangen. Es wäre falsch dies einfach als selbstverständlich zu betrachten. 
 

„Ich möchte dir nicht zur Last fallen.“ 
 

Ruhig verstaute Konan noch die letzten Utensilien, bevor sie die leere Papiertüte zusammenknüllte und in den Müll schmiss. Anschließend drehte sie sich zu ihr um. Ihr Blick war noch immer so undurchschaubar wie zu Anfang ihres Kennenlernens, doch mittlerweile vermochte Sakura in seltenen Fällen mehr dahinter zu sehen. Sie erkannte eine tiefsitzende Müdigkeit und auch noch etwas Anderes, dass sie nicht näher zu benennen vermochte.
 

„Hast du in letzter Zeit darüber nachgedacht, wieder nach Hause zurückzukehren?“ 
 

Sogleich schüttelte Sakura den Kopf. Nein, hatte sie nicht. Wie kam Konan nur auf solch eine absurde Frage, nachdem sie diese doch über den Grund ihrer Flucht aufgeklärt hatte?
 

„Soll ich gehen?“
 

„Nein.“
 

Nun war es an Konan kaum merklich den Kopf zu schütteln. 
 

„Nein“, wiederholte sie erneut. „Du kannst nur nicht länger bleiben.“
 

Ihre Stimme war leise und ruhig und stand somit in einem starken Kontrast zu dem Sturm, der plötzlich in Sakuras Innerem begann zu wüten. Er heulte jaulend auf und ließ sie erzittern. Ihr wurde kalt, so schrecklich kalt, wie als wäre der Sturm der Vorbote des Winters, der Eis und Frost und Schnee mit sich brachte. 
 

„Ich verstehe.“
 

Das tat sie nicht. Warum?, fragte sie sich. Warum so plötzlich? Gestern schien sie noch kein Problem mit ihrer Gegenwart zu haben. Gestern hatten sie sich miteinander unterhalten und sie hatte Konan zum ersten Mal lachen gehört. Gestern waren sie gemeinsam eingeschlafen und sie wurde zum ersten Mal nicht von Alpträumen geplagt. Gestern lag schon viel zu weit zurück. 
 

Konan seufzte. Ein resignierender Laut, der Sakura beinahe das Herz zerfetzte. 
 

„Du kannst nicht ewig vor deinen Problem davon laufen. Früher oder später holen sie Jeden irgendwann einmal ein.“
 

Der Beiklang ihrer Worte verwunderte Sakura. Da war etwas Bekanntes und doch gleichzeitig so Fremdes, dass aus ihr sprach. Sie senkte ihren Blick und richtete ihn nachdenklich auf den dunkel gefliesten Boden.
 

Sie waren keine Freunde, nicht einmal Bekannte, und doch hatte sie sich Konan anvertraut und sich bei dieser geborgen gefühlt. Sie waren sich in vielerlei Dingen unähnlich, aber trotzdem existierte da dieses wortlose Verstehen zwischen ihnen. Es war bisher so einfach gewesen. Mittlerweile, jedoch, bemerkte sie ihren Trugschluss. 
 

Nicht nur ihr Leben war aus den Fugen geraten. 
 

Sie waren Beide längst erfroren.
 

„Ich vermisse die Farben des Frühlings“, gestand Sakura schließlich leise und wehmütig, bevor sie ihren Blick wieder hob und Konans verschlossenen Ausdruck mit einem traurigen Lächeln erwiderte. „Ich vermisse die Wärme und den süßlichen Duft der Blumen am Wegesrand. Meinst du, er kommt irgendwann wieder?“
 

„Du machst es uns Beiden gerade schwer“, seufzte Konan erneut.
 

„Sag mir, dass ich gehen soll.“
 

„Ich bin nicht gut für dich...“
 

Langsam trat Sakura einen Schritt näher an die Blauhaarige heran. Es fiel ihr schwer ihren Blick nicht abzuwenden. Der Sturm in ihrem Inneren hatte sich gelegt, dafür brodelte an dessen Stelle nun ein Vulkan aus glühender Lava und unzerstörbarem Eis. Die Spanne zwischen ihnen schien plötzlich endlos, dabei standen sie sich doch direkt gegenüber.
 

„Du irrst dich.“
 

Und noch bevor sie diesen Satz ausgesprochen hatte und sich über ihr Handeln im Klaren war, hatte sie die letzte Distanz zwischen ihnen überwunden und ihre Lippen sanft mit Konans vereint. Nur ein scheuer Kuss und ein vorsichtiges Antasten, doch es genügte um Sakuras vorherige Frage zu beantworten. 
 

Der Frühling war nie fort gewesen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  teilzeit_hero
2019-01-29T13:44:35+00:00 29.01.2019 14:44
Ich habe bisher kaum Geschichten gelesen, in denen Konan eine handelne Person spielt und muss gestehen, dass du mich durch diese Geschichte dazu brachtest, sie noch mehr zu mögen als eigentlich schon.
Dazu muss ich noch gestehen, ich habe mich weniger in die Geschichte verliebt sondern mehr in deinen Schreibstil.
Du kannst unglaublich schön umschreiben und es macht einem Spaß deine Sätze zu lesen, die wunderschön geschrieben sind und einen dazu verleihen weiter zu lesen.
Antwort von:  Tsuki_no_Hime
29.01.2019 18:01
Ich möchte mich ganz herzlich für deinen lieben Review bei dir bedanken. Die Geschichte an sich war eigentlich nur ein kleines Experiment, da ich eigentlich sonst nicht so den Bezug zum Yuri habe. Dennoch freut es mich sehr, dass sie scheinbar nicht ganz so schlecht geworden ist, wie befürchtet. Das zu Konan nun wenige Geschichten existieren ist wirklich traurig, dabei ist sie so ein tiefgründiger Charakter, aus dem man so viel heraus holen kann. Eventuell werde ich demnächst noch etwas zu ihr und Pain oder Yahiko verfassen. Vielen dank noch einmal auch für deine lobenden Worte. Liebe Grüße Tsuki


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