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Cursed or not

von

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Verzeihen - Die Last der Schuld

"I'll find some way to redeem myself to you."

Castiel zu Dean

 

 
 

Dean kam immer hier her, wenn er nachdenken musste. Es war friedlich. Hier fühlte er sich frei. Frei von allem. Eine seltsame Ruhe erfasste ihn, jedes Mal wenn er herkam. Der Steg knarrte unter seinen Füßen und der See wiegte sich in dem beständigen Rhythmus der Wellen. Eine leichte Brise ließ das Schilf am Ufer leise rauschen.
 

Das vertraute Rascheln eines Trenchcoats. „Cas?“
 

„Ich bin hier.“ Castiel stand direkt neben ihm, sein Mantel wehte im Wind wie ein Umhang. Der Engel tauchte auf und sofort fühlte er sich wieder sicher. Das war doch absurd…
 

„Aber du bist nicht wirklich hier, oder?“
 

„Nein“, hörte er ihn sagen. Das hier war nur ein Traum. Der Engel war nur zu Besuch. Vielleicht war das alles, was blieb. Würde Castiel jemals zurückkehren? Sie wussten es beide nicht.
 

Sie waren nicht mehr die selben, die sie vorher gewesen waren. Sogar seine Stimme war nicht mehr die selbe. Eine Stimme, die Dean schon so oft gehört hatte, war jetzt eine ganz andere. Sie war ein Griff um sein Herz, ein Sturm in seinen Arterien, ein heißer Schauer, der durch seinen Körper jagte, und ein flüchtiges Ziehen in seinen Lenden. Alles hatte sich verändert. Das, was gewesen war, war nicht länger. Ihre Glut, ihre Hitze, ihr Feuer hatte nichts als einen Haufen Asche hinterlassen. Sie waren keine Freunde mehr, keine Familie. Was würden sie nun sein? Würden sie jemals wieder irgendetwas sein?
 

Eine Weile sahen sie wortlos auf das Wasser und verloren sich in der Vorstellung, dass sie niemals aufwachen mussten, dass das hier nie enden würde. Ein Moment, eingefroren inmitten der Zeit. In weiter Ferne besang ein Vogel die letzten Stunden des Tages. Die Bäume auf der anderen Seite verloren sich im leichten Nebel, so wie sie einander verloren.
 

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„Dean, was ich…“
 

„Nein, tu das nicht“, schnitt der Jäger ihm das Wort ab.
 

Castiel schwieg betroffen. Vielleicht war es noch zu früh. Oder schon zu spät. Würden sie nie wieder davon sprechen und so tun als wäre nichts passiert? Als wäre alles wie immer? Ein verlockender und zugleich befremdlicher Gedanke. Aber nachvollziehbar. Vielleicht waren die Gedanken daran, die Erinnerungen an das, was geschehen war, zu schmerzhaft. Und es war Deans gutes Recht diese Illusion des Traumes aufrecht zu erhalten. Es war schließlich sein Traum. In ihren Träumen erschufen die Menschen Welten, die allein ihnen gehörten. Manchmal wünschte sich Castiel, er könnte es auch. Träumen.
 

„Ich will deine Entschuldigung nicht“, Dean stockte, „weil es nichts gibt, wofür sie gut sein könnte.“
 

Es waren wohl Momente wie dieser, die einen für immer veränderten. Castiel schloss die Augen und fiel. Fiel mit der Hoffnung, an der er sich festgehalten hatte. Dean hatte recht, eine Entschuldigung würde nichts ändern, nichts wieder gut machen. Es gab nichts mehr, das er tun konnte, nichts mehr, das er sagen konnte. Es war zu spät. Er hatte alles zerstört. Gedanklich versuchte Castiel sich von ihm zu verabschieden, aber es ging nicht. Er wünschte, Dean würde ihn anschreien oder schlagen, irgendetwas tun, damit es leichter war zu gehen.
 

Doch leiser fügte der Jäger hinzu: „Ich bin derjenige, der die Schuld tragen sollte.“ Aber er trug sie nicht. Nicht mehr. Sie beide wussten, was der Engel getan hatte.
 

Castiel schluckte. „Das ist nicht wahr.“

Zögernd, vorsichtig, als könnte bei einer unbedachten Bewegung der blonde Mann vor ihm davonlaufen, legt der Engel ihm sanft eine Hand auf die Schulter. Zu seiner Überraschung schlug Dean sie nicht fort. Sie standen einfach nur da. Fragil. Verletzlich. Empfindsam. Es war viel zu viel und gleichzeitig viel zu wenig. Sie schwiegen. Keiner von ihnen wagte diesen zerbrechlichen Moment zu unterbrechen. Es war kein leeres Schweigen. Der Raum zwischen ihnen war vollgestopft mit Sehnsucht und Erinnerung, Entsetzen und schwerem Atmen.
 

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Dann nach einiger Zeit holte Dean tief Luft als müsse er sich überwinden: „Wie bist du damit zurecht gekommen? Wie hast du es geschafft damit zu leben?“ Castiel sah ihn fragend an. Seine Finger glitten von der Schulter des Menschen. „Damit, was du im Himmel getan hast“, ergänzte Dean. Auch der Engel hatte schlimme Dinge getan und doch war er noch immer hier. Vielleicht würde das dem Jäger eines Tages auch gelingen.
 

„Meine Brüder und Schwestern abgeschlachtet zu haben?“, Bitterkeit schwang in seiner Stimme, „Gar nicht. Ich habe versucht Buße zu tun, indem ich im Fegefeuer blieb. Aber dadurch habe ich nur noch mehr Leid verursacht.“

Dean hatte den Gedanken nicht ertragen können, dass es Castiels Wille gewesen war ihn zu verlassen, also hatte er sich seine eigene Erinnerung erschaffen. Lieber hatte er glauben wollen, dass er Castiels Hand im Portal losgelassen hatte, dass er ihn im Fegefeuer zurückgelassen hatte, dass er nicht stark genug gewesen war. Seine Trauer und Schuld hatten ihn in seinen Träumen heimgesucht, hatten ihn nicht mehr schlafen lassen und ihm Dinge vorgegaukelt, die gar nicht da gewesen waren. Immer wieder hatte er geglaubt den Engel zu sehen, so wie Sam seine Freundin Jessica nach ihrem Tod gesehen hatte.
 

„Ich habe dir verziehen, Cas, und das schon lange.“ Sie sahen sich in die Augen. Dean hatte nicht bloß die Sache mit dem Fegefeuer gemeint.
 

Castiel blickte zu Boden und ignorierte diese Tatsache. Vielleicht war es noch zu früh, um seine Vergebung annehmen zu können. Oder schon zu spät. „Aber dann… dann kam Naomi und ich hätte dich fast getötet!“

Noch immer hallten die Worte nach, mit denen Dean den Bann durchbrochen hatte. Wir sind eine Familie. Wir brauchen dich. Ich brauche dich. Sie hatten nie darüber geredet, kein einziges Mal. Nie hatten sie zur Sprache gebracht, was es bedeutet hatte.
 

„Das habe ich auch.“

Dean erinnerte sich nur zu gut, wie er unter dem Einfluss des Kainsmals auf Cas eingeschlagen hatte und wie dieser sich nicht gewehrt hatte, kein einziges Mal. Noch heute konnte er spüren, wie die Rippen unter seinen Händen brachen. Er hatte die Engelsklinge gegen seinen besten Freund erhoben, Cas blutüberströmt unter ihm… Niemals würde er diesen Anblick vergessen. Nie wieder durfte er es so weit kommen lassen.
 

„Doch kurz darauf habe ich es wieder getan, Dean, unter Rowenas Fluch.“

Wieder hatte der Jäger keinen Versuch der Gegenwehr unternommen, hatte bloß Castiels Hand gehalten, während dieser mit der anderen auf ihn eingeschlagen hatte.

„Und du… du wolltest dich danach nicht von mir heilen lassen, Dean, weil du glaubtest, du hättest es verdient. Und ich habe mich als Lucifers Hülle zur Verfügung gestellt, weil ich glaubte, ich hätte es verdient.“
 

„Vielleicht ist das hier zwischen uns…“, Dean brach hilflos ab. Seine Züge veränderten sich, ganz so als hätte er Schmerzen. Dann atmete er tief durch, strich die Emotionen aus seinem Gesicht und begann erneut: „Vielleicht sind wir dazu verdammt uns immer wieder und wieder gegenseitig zu verletzen.“ Vielleicht war es besser für sie beide, wenn das hier ein Abschied war. Castiel hatte schon genug für sie geopfert.
 

„Nein, da ist nicht nur Schmerz. Ich kann es fühlen.“ Dean war kein schlechter Mensch, er war ein sehr guter Mensch, dem schlechte Dinge widerfahren waren. Es gab so viel mehr in ihm als er erkannte, nicht nur Schmerz und Zorn. Da war auch Gutes, Castiel spürte es. „Ohne dich wäre ich nicht… ich. Und ich denke, ich bin mehr als das, was ich gewesen bin.“ Vielleicht hatte dieser Mensch ihn zu dem gemacht, der er schon immer hatte sein sollen. „Das ist nicht Destruktion, Dean. Das ist Konstruktion.“
 

Dean stieß hörbar die Luft durch die Nase aus, ein abfälliges Schnauben, das missglückte. Er bezweifelte das. Nie war Castiel solch ein gefühlloser Mistkerl gewesen wie all die anderen Engel. Und was hatte es ihm genützt? Nun stand der mit gebrochenen Flügeln vor ihm. Und wessen Schuld was das? Ganz genau, seine, Dean Winchesters. Castiel hatte versucht die Stücke eines gebrochenen Mannes wieder zusammenzusetzen und hatte dabei sich selbst zerbrochen.
 

„Wie kannst du mir nur verzeihen? Immer und immer wieder?“, brachte Dean hervor. Er hatte ihn nie darum gebeten. Er hatte ihn nie um Verzeihung gebeten. Dafür dass er das Vertrauen in Cas verloren hatte, als er erfahren hatte, dass dieser mit Crowley gearbeitet hatte. Dafür dass er Cas in dem Krankenhaus zurückgelassen hatte, als dieser Sams Schmerz auf sich genommen hatte. Dafür gesagt zu haben, dass es ihm egal sei, dass Cas gebrochen war. Dafür nicht mit Cas gesprochen zu haben, als dieser ihm gestanden hatte suizidal zu sein. Dafür Cas aus dem Bunker geworfen zu haben und ihm nicht von Gadreel erzählt zu haben. Dafür Cas zusammengeschlagen zu haben, währen dieser sich nicht einmal gewehrt hatte. Dafür nicht bemerkt zu haben, dass Lucifer in Cas gewesen war. Und das war nicht mal alles.
 

Ihm verzeihen? Castiel verstand nicht. Er hatte Dean nie verziehen, weil es nichts gab, wofür er ihm hätte verzeihen müssen. Der Jäger hatte stets gute Gründe für sein Handeln gehabt, so wie damals als er den gefallenen und nun menschlichen Castiel hatte wegschicken müssen. Oder Dean hatte unter Fremdeinfluss gestanden. Leviathane, Naomis Kontrolle, der Rausch des Kainsmals, Rowenas Fluch. Nie waren sie sie selbst gewesen, wenn sie einander wehgetan hatten. Bis zu dieser Neumondnacht. Castiel war bei klarem Verstand gewesen und hatte aus eigenem Antrieb gehandelt in dem vollen Bewusstsein dessen, was er Dean damit antat. Und deswegen verstand der Engel nicht.
 

Aber er musste etwas sagen, irgendetwas. „Indem ich zuerst mir selbst verzeihe“, antwortete er also. Eine glatte Lüge, aber das war jetzt nicht wichtig. „Siehst du denn nicht, dass das ein Teufelskreis ist? Durchbrich ihn, Dean!“ Und leiser fügte er hinzu: „Es schadet nur denen, die man liebt, wenn man an seinen Schuldgefühlen festhält. Das musste ich auf schmerzhafte Weise lernen.“ Sein Verbleib im Fegefeuer, sein Ja zu Lucifer, … Die Liste war lang.
 

Dean sah ihn an als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen, oder als würde er erst jetzt erkennen. War es nicht offensichtlich gewesen? Castiel hatte rebellierte und hatte seine Bestimmung, sein Zuhause, seine Familie und alles, was er je gekannt hatte, aufgegeben. Der Engel hatte in der Hölle gebrannt, im Fegefeuer gekämpft, im Himmel gelitten und war auf der Erde gestorben, zurückgekehrt und geblieben. Und wofür? Ich tue das, all das, nur für dich, Dean, hatte er gesagt. Denen die man liebt, hatte er gesagt. Ich liebe dich auch, Cas, wollte Dean erwidern. Es wollte raus, unwillkürlich, einfach so. Aber er tat es nicht.

 

 

 

"We are family. We need you. I need you."

Dean zu Castiel 8x17

 

 

 

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Nachwort zu diesem Kapitel:
Nachweise/Zitate zum Kapitel:
"I caused a lot of suffering on earth, but I devastated Heaven. I vaporized thousands of my own kind. I can't go back. Because if I see what Heaven's become, what I made of it... I'm afraid I might kill myself." Castiel zu Dean 8x08
"I feel like hell for failing you, okay? For failing you like I fail every other God-forsaken thing that I care about." Dean zu Castiel 8x07
C: "Dean, I... there aren't words." D: "You're right, there aren't words, Cas. Cause there's no need. It's fine." C: "Dean, I can fix that." D: "No. It's fine, Cas. Besides, I had it coming." 11x03
D: "God, I was so damn stupid." C: "You were stupid for the right reasons." D: "Yeah, like that matters." C: "Sometimes that's all that matters." 9x10 Komplett anzeigen

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