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Auf der falschen Weihnachtsfeier

von

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Drautos stand in seinem Büro am Fenster und blickte hinaus, ohne das Geschehen auf der Straße zu sehen. Vielmehr betrachtete er sich selbst im Fenster, sein Spiegelbild, das heute so ganz anders wirkte, als sonst, obwohl er nur ein Detail an seinem Äußeren geändert hatte. Der Kommandant der Königsgleve trug eine Weihnachtsmannmütze. Das Dumme war nur, dass es in dem Laden keine Mütze in seiner Größe gegeben hatte. Oder Rentiergeweihe in seiner Größe, von den Weihnachtsfraumützen mit weißen Zöpfen mal ganz abgesehen. Das einzige, noch halbwegs passable Exemplar, war eine etwas extravagantere Version in rotem Samt und weißem Plüsch mit Glöckchen am Ende, wo auch der weiße Bommel angenäht war. Drautos hatte sie jetzt gerade einmal fünf Minuten auf und schon rann ihm der Schweiß von der Stirn. 

‚Aber was tut man nicht alles, wenn man auf ‘ne Weihnachtsfeier mit Kleiderordnung eingeladen is‘...‘, dachte er.

Immerhin hatte Cor nicht von ihm verlangt, ein komplettes Weihnachtsmannkostüm anzuziehen, also konnte er ruhig in den sauren Apfel beißen. Der Kommandant musterte sich noch einmal im Fenster und befand, dass das Ergebnis sich nicht weiter verbessern ließ. Der Bommel hing auf sein rechtes Ohr herab und würde wahrscheinlich bei jedem seiner Schritte bimmeln. Nichtsdestotrotz machte er auf dem Absatz kehrt und schritt zur Tür. Im Vorbeigehen griff er sich das kleine Päckchen, das Crowe ihm freundlicherweise eingepackt hatte. In stilvoller, goldener Handschrift stand auf dem angebundenen Kärtchen der Name von Monica Elshett.

‚Hätte schlimmer kommen können‘, befand er nicht zum ersten Mal.

Drautos hätte keine Idee gehabt, was er zum Beispiel Cor als Wichtelgeschenk hätte besorgen können. Oder Dustin. Bei einer Frau tat er sich leichter und bei Monica hatte er kein Problem damit, ein passendes Parfum auszusuchen. Mit ihr hatte er inzwischen häufig genug zu tun, als dass diese kleine Geste nicht eh schon längst überfällig wäre.

Er verließ sein Büro und folgte dem Gang. Als er an der offenstehenden Tür zu den Herrenumkleiden vorbeikam, hörte Drautos ein unterdrücktes Prusten. Nyx schien sich heute besonders viel Zeit mit dem Feierabend gelassen zu haben. Der Kommandant ignorierte ihn jedoch und verließ das Gebäude. Auf dem Parkplatz vor dem Hauptquartier der Königsgleve stand sein Wagen auf dem dafür vorgesehenen Kommandantenstellplatz. Er klemmte sich hinter das Lenkrad, legte das Geschenk für Monica auf den Beifahrersitz und startete das Auto. Behutsam lenkte er es auf die Straße.

Trotz des stürmischen Wintereinbruchs am Tag zuvor, es war Mitte Dezember und Schnee damit längst überfällig, waren die Gehwege von Insomnia bevölkert wie eh und je. Mit den Schneebergen am Straßenrand schien sich das Gedränge sogar noch zu erhöhen und Drautos schätzte, dass er mindestens eine halbe Stunde ins Stadtzentrum brauchen würde. Auf dem Weg dorthin erinnerte er sich an die Weihnachtsfeier der Königsgarde vom letzten Jahr.

Er wusste noch zu genau, dass der General sich nicht mehr hatte abwimmeln lassen. Nachdem der Kommandant der Königsgleve die Jahre zuvor immer eine sinnige Ausrede gefunden hatte, warum er nicht an der Weihnachtsfeier teilnehmen könne, hatte Cor auf seine Teilnahme bestanden und war ihm tagtäglich damit auf die Nerven gegangen. Drautos hatte die Schultern hängen lassen, sich aber gefügt und im Nachhinein festgestellt, dass es doch gar nicht so übel war. Es gab ein Dreigängemenü mit Dessertbuffet am Ende und gerade so viel Alkohol, um alle in eine angeheiterte Stimmung zu versetzen.

Der Kommandant sah durch die Windschutzscheibe. Wider Erwarten kam er auf der Express Schnellstraße gut voran. Etwas weiter vorne war der Winterdienst unterwegs, jedoch außer Betrieb. Sie hatten heute wohl schon genug geräumt, zudem hatte der Schneefall nachmittags stark nachgelassen. Bunte Lämpchen blinkten fröhlich von den Häuserfassaden und weckten bei Drautos Gefühle und Erinnerungen, die er das Jahr über verdrängte. Rastlosigkeit, während alle anderen zur Ruhe kamen und abschalteten. Eine Vorahnung, die ihm sagte, dass er nicht tatenlos auf seinem Hosenboden sitzen bleiben könne. Dass es Arbeit für ihn zu erledigen gab. Wohl auch deswegen hatte er letztendlich Cors Drängen nachgegeben und hatte zugestimmt, die Weihnachtsparty zu besuchen. Um auf andere Gedanken zu kommen.

Drautos betätigte den Blinker und steuerte seinen Wagen nach rechts auf die Abbremsspur. Der Kommandant hoffte, dass noch nicht alle Parkplätze belegt waren. Ironischerweise hatte er sich absichtlich etwas Zeit gelassen, um dem belanglosen Smalltalk so lange wie möglich entgehen zu können. Er folgte dem Straßenverlauf bis zur nächsten Kreuzung und bog dann links ab.

„Himmel ...!“, fluchte er.

Warum die Weihnachtsfeier der Königsgarde dieses Mal ausgerechnet in der Nähe von Insomnias größer Shoppingmall stattfand, war ihm ein Rätsel. Ihre Zentrale im Jahr davor hat ausreichend viel Platz geboten. Der Kommandant beschloss, Cor später deswegen zu fragen. So hatte er auch gleich das erste Small-Talk-Thema und musste den General nicht mit Schweigen begrüßen.

Vorsichtig steuerte er sein Fahrzeug durch die enge Straße. Er kam lediglich mit Schrittgeschwindigkeit voran, obwohl Drautos sich in einer Zone 30 befand. Eine der Unarten, die sich die Stadtbewohner in den letzten Jahren angeeignet hatten, war es, ihm mit Scheuklappen einfach in den Weg zu laufen. Wahlweise auf ihre Mobiltelefone starrend oder mit großen Kopfhörern auf den Ohren, meistens eher beides gleichzeitig, traten die Passanten so unerwartet auf die Straße, dass er nicht nur einmal scharf abbremsen musste.

„Ah, da vorne ist es ja.“

Drautos seufzte erleichtert auf, als er die Einfahrt zum Parkhaus nur noch etwa 50 Meter entfernt sah. Vorsichtig, um nicht auf den letzten Metern doch noch jemanden anzufahren, fuhr er weiter und setzte dann den Blinker zum Linksabbiegen. Geschlagene fünf Minuten musste er warten, bis er eine passende Lücke im Gegenverkehr und im Passantenstrom fand. Der Kommandant schlüpfte hindurch und musste bis in die dritte Unteretage fahren, um einen Parkplatz zu finden. Als er den Motor abgeschaltet hatte, brummte er entnervt. Seine Gefühle sprangen regelrecht von Vorfreude zu schlechter Laune. Der Abend konnte ja heiter werden.

 

* * *

 

„Drautos, jetzt lach doch auch mal!“

Der Kommandant musste sich zurückhalten, um nicht verräterisch die Augen gen Himmel zu verdrehen. Er hielt einen orangefarbenen Lachsack in den Händen, der immer dann lachte, wenn er drauf drückte. Sein Blick wanderte von dem fragwürdigen Geschenk zu demjenigen, von dem er es bekommen hatte. Cor konnte sich sein Grinsen nicht mehr verkneifen. Es war das erste Mal, dass Drautos den General so sah.

„Ich versteh nur nicht, wie du drauf kommst, dass ich sowas brauche ...“, meinte er lapidar und ließ das Wichtelgeschenk sinken.

„Du musst lernen, zwischendrin auch mal zu lachen und nicht alles bierernst zu sehen“, erklärte Cor.

„Ah! Und das aus deinem Munde!“

Der Kommandant klang wenig überzeugt. Die anderen Gäste hatten sich mittlerweile wieder anderen Dingen zugewandt, die allgemeine Aufmerksamkeit galt nicht mehr nur ihm und seinem Lachsack alleine, worüber Drautos sehr froh war. Nur Monica stand noch in der Nähe und nickte ihm lächelnd zu, bevor sie in der Menge verschwand.

„Also Drautos, komm mit, altes Haus!“

Cor ließ seine linke Hand auf Drautos‘ Schulter fallen und schob ihn voran.

„Was denn jetzt los? Willst du mich verabschieden, oder was?“

„Iwo. Aber nach der Sache mit dem Lachsack hast du dir eine kleine Aufmunterung verdient.“

„Wieso schwant mir Übles?“, wunderte sich der Kommandant der Königsgleve und schwang den Bommel seiner Weihnachtsmannmütze. Artig ging er mit Cor mit.

Der General führte ihn ins Foyer und zu einer Treppe, die nach oben führte und mit einem dicken roten Tau versperrt war. Drautos zog die Augenbrauen nach oben, als er den Herrn im schwarzen Anzug und mit der dicken Sonnenbrille sah. Er war einen halben Kopf kleiner als der Kommandant und hatte eine Glatze, die im Scheinwerferlicht strahlte. Der Mann nickte Cor zu, als er mit seinem Gast auf ihn zukam und öffnete die Treppe für sie.

„Ist das nicht ein bisschen übertrieben?“, fragte Drautos leise, als sie oben angekommen waren.

„Nicht im Geringsten, der Bereich ist nur für besondere Besucher“, erzählte Cor.

„Für besondere Besucher ...“

Drautos folgte ihm durch einen rötlich beleuchteten Gang und blieb dann hinter ihm am Ende des Gangs vor einer rot gepolsterten Doppeltür stehen.

„Du hast doch wohl nicht ...“

„Mach dich mal locker, Mann!“

Der General beachtete ihn nicht weiter und schob die Tür auf. Drautos schluckte, als er die Partyarea gewahr wurde, die sich hinter der Tür befand.

„Sag mal ...“, fing er an, doch beendete den Satz nicht.

Er stolperte Cor hinterher und sah sich um. Der Kommandant hatte einen größeren Raum erwartet, doch möglicherweise war er einfach nur abgetrennt worden. Rote Vorhänge hingen von der Decke und unterteilten den hinteren Bereich in mehrere Sitznischen. An der linken Wand gab es eine Bar, an der das Personal geschäftig dabei war, Gläser zu putzen.

„Das sind doch nicht wirklich ...“

Drautos wurde abgelenkt von einem Tablett mit Sektgläsern, das sich seiner Nase näherte und vor unmittelbar vor ihr zum Halten kam. Er folgte dem zierlichen Arm, der an dem Tablett befestigt zu sein schien und sah dann eine nackte Schultern, auf der nur ein schmaler Träger ruhte. Der Kommandant wagte nicht, den Blick tiefer zu richten. Stattdessen folgte er der Schulter zum Hals und sah dann in das lächelnde Gesicht einer jungen Rothaarigen, die Hasenohren auf dem Kopf hatte.

„Mein Gott, Drautos! Mach den Mund zu, bevor du ihr in den BH sabberst!“

Der Kommandant lief puterrot an und wandte sich zu Cor um.

„Was denn?“

„Weiß dein Boss hiervon?“, fragte der Kommandant der Königsgleve.

„Clarus? Warum denn?“, wiegelte Cor ab.

„Und Monica ...“

„Ja, die ja wohl erst recht nicht! Mann, Drautos, mach dich mal locker, entspann dich und hab Spaß! Wann kommst du sonst dazu, wenn nicht heute? ... Sieh mich nicht so an!“

Drautos wollte gerade etwas erwidern, als sich jemand an seiner Rechten unterhakte. Er riss den Kopf herum und klappte den Unterkiefer nach unten. Es war das rothaarige Häschen von gerade eben. Er erwiderte ihr Lächeln schwach, als sich an seiner Linken jemand unterhakte. Wieder schnellte sein Kopf herum. Es war ein brünettes Häschen, das ihn anlächelte. Die beiden versuchten, ihn zu einer der Sitznischen zu bugsieren. Folgsam ging er mit ihnen mit, ließ es sich aber nicht nehmen, seinen Kopf noch mal nach Cor umzudrehen.

„Du Wichser!“, rief er ihm zu.

 

* * *

 

Drautos‘ Kopf dröhnte. Er wusste nicht, wann er zuletzt solche Kopfschmerzen verspürt hatte. War es ihm jemals in seinem Leben so beschissen gegangen, wie jetzt? Er versuchte, seinen rechten Arm zu heben, aber etwas schweres lag drauf.

„Aufstehen, Kommandant!“, brüllte jemand.

Drautos versuchte, sich herumzuwälzen und weiterzuschlafen, aber das Gewicht auf seinem rechten Arm hinderte ihn. Er zerrte etwas und das Gewicht begann, sich zu verlagern. Sich bei ihm anzukuscheln. Er kuschelte zurück und steckte seine Nase in ein Büschel Haare.

„Bäh!“, machte er.

„Ist das zu glauben?“, säuselte jemand wie durch Watte.

„Geh weg ...“, konterte Drautos.

„Jetzt reichts ...!“

Jemand trat gegen ihn. Oder vielmehr das Bett, auf dem er zu liegen schien. Verschlafen öffnete der Kommandant die Augen. Blinzelte. Richtete seinen Blick an die Decke und bemerkte dann den Umriss eines Kopfes über sich. Ein zweiter Kopfumriss tauchte in seinem Sichtfeld auf.

„Cor, lass mich schlafen ...“, brabbelte er und ließ den Kopf wieder sinken.

„Ich bin nicht der General ...“, meinte eine Stimme, die von zuvor.

Sie kam ihm wage bekannt vor. Drautos versuchte, sich an den Vorabend zu erinnern. Wie viel hatte er getrunken? Und was war nach dem Wichteln passiert? Dunst herrschte in seinem Kopf.

„Kommandant, wollt ihr jetzt endlich mal die Augen aufmachen?“, fragte ihn die Stimme streng.

Moment, mit Cor war er per du. Warum sollte er auf einmal zum Sie übergehen? Das machte der General in der Regel nie, selbst dann nicht, wenn ihre Vorgesetzten dabei waren.

„Cor?“

„Ich sagte schon, ich bin nicht Cor ...“

Drautos riss die Augen auf. Die zwei verschwommenen Gesichter nahmen langsam an Schärfe zu.

„Scheiße!“, meinte der Kommandant und riss seinen muskulösen Oberkörper vom Bett hoch. Dabei rollte das Gewicht von seinem rechten Arm herunter und landete auf dem Boden. Unsanft, offensichtlich, denn eine weibliche Stimme beschwerte sich lautstark.

„Raus hier, Mädchen!“

Drautos starrte Clarus ins Gesicht. Dustin, der sich hinter dem Rücken seines Vorgesetzten zu verstecken schien, nahm er nur aus den Augenwinkeln wahr.

„Wie spät ist es?“, fragte der Kommandant der Königsgleve und rieb sich den Hinterkopf.

Die Rothaarige, die er vom Bett geworfen hatte, war längst aus dem Raum geflitzt.

„Es ist schon dreist, mich sowas zu fragen“, meinte der Chef der Königsgarde. „Aber ich will ja mal nicht so sein, es ist weit nach neun Uhr morgens.“

„Scheiße!“

Drautos‘ Kopf dröhnte. Er musste am Vorabend wirklich viel gesoffen haben.

„Wo ist Cor?“, fragte er dann.

„Außeneinsatz. Hat nur gemeint, er habe Euch gestern Abend nicht gehen sehen ...“

‚Der Arsch ... War klar, dass er mich nicht weckt ...‘, dachte Drautos.

Er rieb sich immer noch den Kopf.

„Also, wenn Ihr dann soweit seid, können wir uns auf den Weg zur Zitadelle machen.

„Scheiße ...“, raunte der Kommandant erneut und kletterte aus dem Bett.

„Natürlich nur, wenn Ihr all Eure Klamotten findet“, fügte Clarus hinzu. „Nackt braucht Ihr dem König nicht gegenüber treten.“

Sagte es und verschwand aus dem Zimmer.

‚Cor, du Wichser! Deine beschissenen Weihnachtsfeiern werd‘ ich nie wieder besuchen‘, dachte Drautos und fing an, seine Uniform vom Boden zu klauben.
 

~ FIN ~



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  lula-chan
2018-12-09T18:38:25+00:00 09.12.2018 19:38
Hehe. Oh Mann. War echt witzig. Armer Drautos.
Ich kenne das Fandom jetzt zwar nicht, aber es hat mir dennoch sehr gut gefallen. Wirklich gut geschrieben.

LG


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