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Mosaik

Urban Fantasy Thriller
von

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[20.11.2011 – X30 – Der Köder]

Weit und breit war niemand zu sehen. Gar niemand. Nicht einmal normale Anwohner. Sicher, viele Flatbewohner verzogen sich über Nachts in ihre Häuser und Hütten, da die Gegend unsicher war. Man konnte nur hoffen, dass keine Gang auf dumme Gedanken kam. Dennoch kam es Pakhet als unnatürlich ruhig vor.

Zusammen mit Siobhan, Heidenstein und Crash stieg sie aus dem Van aus, sah sich um.

Die staubige Straße lag verlassen da. Sie waren gute dreihundert Meter vom Haus, dass diese Verbrecher als „Casino“ bezeichnet hatten, entfernt. Es lag verlassen da. Wirklich verlassen. Anders als bei ihrem letzten Besuch sahen sie niemanden. Keine Wache. Gar niemand.

Heidenstein legte seine Hand auf ihre Schulter. Schon wieder.

Sie sah sich zu ihm um.

„Es ist eine Falle“, flüsterte er.

„Ich weiß“, zischte sie.

Sie aktivierte den Armreif, den sie von ihm hatte. Sie rechnete damit, dass irgendwo ein Scharfschütze war. Irgendetwas, das sie angreifen konnte. Vielleicht waren sie auch im Gebäude. Vielleicht im Keller. Was wusste sie schon? Vielleicht waren auch weitere Dämonen da. Selbst wenn sie Zea nicht mehr hatten, bestand doch die Möglichkeit, dass es weitere Magier gab. Wahrscheinlich waren da andere. Zur Hölle, der Magier, den sie in dieser Taschendimension erschossen hatte, war auch nicht Zea gewesen. Da waren andere.

Da hinten war etwas. Auf dem Platz neben dem breiten, flachen Lagerhaus. Ein Transporter. Ein alter Transporter. Ein Van, wie der ihre, jedoch weiter heruntergekommen. Waren sie damit hergekommen? Wer auch immer sie waren.

Söldner? Assassinen? Mitglieder von Jacos Gang? Es war alles eine Möglichkeit.

„Pakhet“, hörte sie Heidensteins Stimme neben sich.

Er war noch immer sichtbar. Idiot. „Lasst mich kurz nachschauen“, flüsterte sie.

Sie wartete nicht auf eine Antwort, lief los. Ein einziger Gedanke erfüllte sie: Murphy. Sie musste Murphy retten. Wenn sie Murphy darin gefangen hielten, wenn er tot war oder wenn sie ihn … Nein, sie wollte darüber nicht nachdenken. Und doch kamen ihr die Gesichter jener anderen Kinder vor Augen. Diese Jugendliche, manche von ihnen in Murphys Alter. Der tote Junge, der da einfach zwischen ihnen lag. Angekettet wie ein Hund. Das Mädchen, die beiden Typen vergewaltigt hatten.

Sie konnte nicht. Sie konnte darüber nicht nachdenken.

Mit schnellen Schritten hatte sie das Casino fast erreicht. Da war der Zaun. Anders als beim letzten Mal kümmerte sie sich nicht darum. Heidenstein war zurück geblieben. Sie sammelte ihre Energie in den Beinen, sprang, setzte über den Zaun hinüber, ohne ihn zu berühren, landete auf der anderen Seite, sah sich um.

Wo waren sie?`Sie mussten irgendwo sein, oder? Wenn sie sie hierher gelockt hatten, musste jemand hier sein. Hier oder in der Umgebung.

Sie kniff ihr rechtes Auge zu, um mit dem magischen Auge die Umgebung zu begutachten. Sie sah hinaus in die Steppe auf der anderen Seite der M7. Da war nichts. Nur ein paar Tiere in der Ferne. Hier war sonst nichts. Keine Menschen.

Also im Gebäude?

Fuck.

Sie ging zur Eingangstür, zog vorsichtig daran. Sie war abgeschlossen. Natürlich.

Verdammt. Sie hatte dafür keine Zeit. Sie hatte keine Zeit. Sie musste Murphy herausholen!

Sie warf sich gegen die Tür. Mit all ihrer Energie rüttelte sie daran, sammelte ihre Kraft, stieß noch einmal dagegen.

Die Tür flog auf, traf scheppernd auf die Wand auf der anderen Seite. Das Geräusch klang wie ein Paukenschlag in der unnatürlichen Stille.

Verdammt. Sie musste Murphy retten. Was ist, wenn jemand ihn erschoss?

Sie ging den Flur hinab. Zimmer. Irgendwo mussten sie sein. Sie mussten hier sein. Ihre Angreifer. Mit Murphy. Ohne Murphy. So oder so, sie konnte ihn finden. Wenn sie einmal einen von ihnen hatte, konnte sie Murphy finden. Und wenn sie einen der Angreifer foltern müsste. Es war egal. Alles was zählte, war, Murphy zurück zu holen. Sie hatten ihn schon solange. Mindestens seit sieben Stunden. Verdammt.

Sie öffnete die Tür zur Lagerhalle, sah sich mit ihrem magischen Auge im Dunklen um. Niemand. Nichts. Sie hörte auch nichts.

Dann in einem anderen Raum? Die Toilette war leer und noch genauso verdreckt, wie das letzte Mal. Der nächste Raum war ebenso leer. Der daneben auch. Im nächsten fand sie nur die Reste einer Drogenküche. Verdammt. Sie mussten hier sein?

Was, wenn sie im Keller waren?

Joannes Magen verkrampfte sich. Sie wollte nicht an diesen Ort zurückkehren. Sie war das letzte Mal beinahe gestorben. Natürlich wäre diese Schlange, dieser Dämon nicht mehr dort. Natürlich nicht. Und doch … Die Vorstellung.

Egal. Murphy. Sie musste Murphy retten. Das war alles, was zählte. Sie musste Murphy daraus holen.

Sie lief zurück, lief in die Lagerhalle, lief zur Falttür. Sie öffnete sie. Das Blech knarzte. Das Untergeschoss lag dunkel vor ihr. In perfekter Schwärze öffnete sich die Treppe als ein Loch nach unten.

Verdammt.

Pakhet nahm eine kleine Taschenlampe von ihrem Gürtel. Sie würde damit auf sich aufmerksam machen, doch konnte selbst ihr magisches Auge in perfekter Dunkelheit nichts sehen. Und so ging sie herunter. Sah sich um. Irgendjemand musste hier sein. Irgendjemand. Murphy. Verdammt. Wo war Murphy?

Doch nein. Niemand.

Noch immer hingen die Ketten hier an den Wänden. Aber niemand war hier. Nicht einmal mehr die Leichen. Die Tür am Ende des Flurs war verschwunden. Natürlich. Es war der Eingang zu einer Taschendimension gewesen, die nicht mehr existierte.

Niemand war hier. Nicht einmal ein Dämon.

„Verdammt“, zischte sie.

Wo war Murphy? Wo hatten sie ihn nur hingebracht?

Doch Moment. Es gab noch eine Möglichkeit. Warum hatte sie vorher nicht daran gedacht? Warum waren ihre Gedanken nur so wirr?

Sie holte ihr Handy heraus. Sie konnte die Nummer nicht wählen, solange sie und damit auch das Handy unsichtbar waren. Verdammt. Egal. Es war ihre einzige Möglichkeit Murphy zu finden.

Sie deaktivierte den Armreif, sah auf ihr Handy, wählte die Nummer. Das leise Tuten des Freizeichens erklang von ihrem Handy. Dann lauschte sie. Hier unten war nichts. Doch sie hatte Empfang. Die Vermutung lag nahe, dass das auch für Murphy galt. Sonst wäre die Mailbox drangegangen, oder?

Zurück. Sie eilte die Treppe hinauf, wählte die Nummer erneut, als sie im Flur stand, lauschte wieder. Nichts.

Verdammt. Sie musste ihn finden.

Raus. Die Ortung war nicht zwangsweise das beste. Ja. Sie war nicht perfekt. Alice hatte es eh nicht genau sagen können. Koordinaten, GPS, es war nie genau.

Also draußen. In der Nähe. Wieder wählte sie die Nummer. Wieder lauschte sie. Und ja, da war was. Sehr leise. Doch irgendwo war etwas. Ein leises, melodisches Klingeln. Sie schloss die Augen. Es kam von weiter entfernt.

Die Mailbox ging dran. Sie legte auf. Wählte erneut. Schloss die Augen erneut, folgte blind dem Geräusch.

Es kam aus dem Wagen. Ja. Der Van. Das hieß, sie waren im Van? Sie mussten im Van sein.

Pakhet griff nach ihrer Waffe, zog sie. Sie steckte ihr Handy weg, nährte sich vorsichtig dem Van. Es schien niemand drin zu sein. Zumindest im Führerhaus war niemand. Doch vielleicht im Ladebereich?

Es war eine Falle. Da war sie sich sicher. Wahrscheinlich wollten die Angreifer sie überraschen. Verdammt. Sie sollte die anderen dazu rufen. Aber vielleicht, ja, nur vielleicht konnte sie sie so überraschen. Sie war stark genug. Sie konnte mit drei, vier Leuten allein fertig werden, vor allem, wenn sie sich nicht darum scherte, ob ihre Gegner lebten oder starben.

Sie hatte die Hintertür des Vans erreicht. Noch war niemand daraus hervorgesprungen und hatte das Feuer auf sie eröffnet. Gut?

Sie legte vorsichtig die Hand der Prothese auf die Tür, griff sie. Dann, mit einer einzigen Bewegung riss sie die Tür auf. Leere. Keine Person. Niemand. Nur zwei Gegenstände. Ein Handy. Nein. Zwei. Das zweite auf einer schwarzen, verkabelten Kiste.

Pakhet verstand. Sie war dumm.

Das Handy auf der Box leuchtete auf. Pakhet wandte sich ab. Sie lief, sprang. Dann fegte die Druckwelle der Explosion über sie hinweg.

Kurz wurde sie ohnmächtig. Es war Schmerz, der ihr Bewusstsein zurückholte. Ein scharfer Schmerz an ihrer Hüfte. Da war was. Was nur?

„Pakhet!“ Eine atemlose Stimme. „Pakhet!“ Jemand hob ihren Oberkörper hoch, packte sie bei den Schultern. „Pakhet.“

Heidenstein. Es war Heidenstein. Natürlich war es Heidenstein. Er war doch herübergekommen.

Da war noch etwas anderes. Schüsse. Schüsse. Nahe. Ein Donnern. Das Rattern eines Helikopters. Was ging hier vor?

Warum schmerzte alles so sehr?

Heidenstein drückte etwas gegen ihre Hüfte. „Pakhet? Hörst du mich?“

Auch wenn ihre Ohren klingelten, konnte sie ihn hören. Doch sie wusste noch immer nicht, was los war. Sie wusste nur, dass Murphy nicht hier war. Dass sie keinen Schritt näher waren, Murphy zu retten. Aber sie musste ihn retten. Sie musste.

Sie blinzelte in Heidensteins Gesicht. Besorgt sah er sie an.

„Pakhet?“

Sie schluckte, brauchte, bis sie ihre Stimme wiederfinden konnte. „Murphy. Er war nicht da.“

„Es war eine Falle“, sagte er nur wieder. Er wirkte verzweifelt. „Warum musstest du hereinlaufen?“

Sie antwortete nichts.

Blitze zuckten über den Himmel. Seltsame violette Blitze. Magie. Dann etwas anderes. Ein Schrei. Wie von weit entfernt.

Etwas veränderte sich. Die Schüsse verklangen.

Pakhet schloss die Augen. Sie konnte nicht mehr. Sie war so müde. Doch sie durfte nicht einschlafen. Sie durfte nicht aufgeben. Murphy brauchte sie.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Sunae
2022-04-30T20:06:35+00:00 30.04.2022 22:06
Es klingt definitiv so als hätte sie Probleme überhaupt klar zu denken, so sehr steigert sie sich rein.
Ist auch nachvollziehbar.
Wenn ich das recht verstehe hat das öffnen der Tür die Explosion getriggert, oder warum ging der Sprengsatz so präzise los?
Sind in jedem Fall nicht besonders gut darin Leute loszuwerden, na' besser ists.
Antwort von:  Alaiya
01.05.2022 11:39
Genau, das wurde von der offenen Tür getriggert.
Fun Fact: Die Szene beruht tatsächlich aus einer Szene aus der Shadowrun-Version. Da drin waren es eigentlich genug Schaden, als dass realistisch gesehen Pakhet hätte Sterben (also Edge verbrennen) müssen. Und dann habe ich die Mutter aller Soak-Würfe hingelegt und habe 32 Punkte Schaden gesoakt.
Von:  Taroru
2022-04-26T18:44:02+00:00 26.04.2022 20:44
man merkt ihr das verzweifelte so richtig an. sonst hätte sie nicht so unbesonnen den van geöffnet... ich meine, sie ist ja auch mehr oder weniger kopflos durchs gebäude gelaufen ^^°
sonst hatte sie immer irgendwie einen genauen plan.... hier wirklich kopflos, das kommt gut rüber. (spricht auch irgendwo für sie, sie will dem kleinen helfen, was auch sonst ^^° )
ich hoffe nur das alles glimpflich aus gehen wird!
Antwort von:  Alaiya
26.04.2022 22:17
Er ist halt Murphy Q.Q
Antwort von:  Taroru
27.04.2022 06:31
du sagst es!!!! D:


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