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Wenn das Schicksal zum Verräter wird

von

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Die Reise nach Kyoto

Nur knapp eine Stunde später saßen Manami und Takehito im Shinkansen nach Kyoto.
 

Takehito hatte offensichtlich zuvor zwei Plätz im Shinkansen reserviert. Wenigstens hatte er darauf verzichtet Plätze in der Business Class zu reservieren, was für ihn eigentlich typisch gewesen wäre. Er hatte sich Manami zu liebe mit der Economy Class zufrieden gegeben. Wenigstens bei dieser Sache hatte er mal Rücksicht auf sie genommen.
 

Sie saß am Fenster. Ihr Blick war stur nach draußen auf die vorbeiziehende Landschaft gerichtet. Kilometer für Kilometer zog die Landschaft an ihr vorbei. Und mit jeder Minute kamen sie Kyoto immer näher. Manami schien völlig in Gedanken versunken zu sein. Noch immer hatte sie kein einziges Wort mit Takehito gesprochen.
 

Seit dem die beiden ins Taxi gestiegen waren, hatten sie kein einziges Wort miteinander gesprochen. Ohnehin war sie für ihre Verhältnisse heute ganz besonders schweigsam. Immer wieder schielte Takehito zu ihr hinüber, wagte allerdings nichts zu sagen. Zu groß war seine Angst, dass er unter Umständen etwas Falsches sagen könnte. Es gab für ihr Schweigen durchaus einen Grund. Hätte er nun noch etwas Falsches gesagt, hätte das die ganze Sache wohlmöglich noch schlimmer gemacht. Also hielt er es für das Beste zu schweigen.
 

Doch dann war es schließlich Manami, die endlich ihr Schweigen brach und etwas sagte.
 

„Takehito... Sag mal... Wie hast du dir das eigentlich genau vorgestellt? Du hast dir doch sicher schon etwas überlegt. Ich denke es ist langsam an der Zeit, dass du mich mal in deine Pläne einweihst. Wie geht es weiter, wenn wir dann in Kyoto angekommen sind?", kam es monoton über ihre Lippen.
 

Es war offensichtlich, dass sie mit ihren Gedanken bereits in Kyoto war und sich Sorgen darum machte, wie es dort wohl weiter gehen sollte. Takehito hatte ja noch gar nicht die Gelegenheit gehabt ihr alles bis ins kleinste Detail zu erläutern. Bisher hatte er es auch nicht für nötig gehalten, da er ja bis vor ein paar Stunden noch nicht einmal wusste, wie genau sich sie entscheiden würde. Doch nun schien es tatsächlich an der Zeit zu sein sie in die Details einzuweihen.
 

Er entgegnete ruhig: „Ich habe für alles gesorgt Manami. Mach dir darüber bitte keine Gedanken. Mein Großvater weiß über meinen Plan Bescheid. Er kennt zwar nicht die Hintergründe des Ganzen, aber er ist der einzige aus meiner Familie, der mir blind vertraut und mir hilft, ohne unangenehme Fragen zu stellen. Er hat es akzeptiert, dass ich ihm keine Details erzählen kann. Mein Großvater hat für uns beide ein Appartement in einem abgelegenen Stadtteil von Kyoto angemietet. Dort werden wir fürs erste wohnen. Ich hielt es für das Beste wenn wir beide zusammen wohnen. Aber keine Sorge... Du hast natürlich dein eigenes Zimmer, das du dir nach Belieben gestalten kannst. Heute ist Sonntag. Ich schätze da wird nicht mehr viel passieren. Außerdem ist ungewiss wann genau wir in Kyoto ankommen werden. Lass uns erst einmal ankommen und unser Appartement in Augenschein nehmen. Danach sehen wir weiter. Ach ja... Ab morgen werden wir zwei dann den ersten Jahrgang der dortigen Oberschule besuchen. Mein Großvater hat bereits alle Formalitäten erledigt und uns an der Schule angemeldet. Da Yumi und Junichiro offiziell zwei Jahre älter sind, müssen wir auch eine höhere Klassenstufe besuchen."
 

Er bemerkte recht schnell, dass seine Freundin ihn mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Aus diesem Grund hielt er kurzerhand inne und stoppte in seinen Ausführungen. Sie konnte nicht wirklich fassen, was sie gerade aus seinem Mund gehört hatte. War das sein Ernst? Davon, dass die beiden dort wie ganz normale Teenager die Schule besuchen würden, war nie die Rede gewesen. Davon hatte er zuvor kein einziges Wort erwähnt.
 

„Sag mal geht's noch? Du willst mir jetzt ernsthaft weiß machen, dass wir dort ganz normal zur Schule gehen werden? Was stimmt nicht mit dir, Takehito? Du willst in Kyoto ein Leben führen, als sei nichts gewesen? Als würde uns nicht eine gefährliche Organisation verfolgen, die es wahrscheinlich auf unser beider Leben abgesehen hat? Das kann doch nicht wirklich dein Ernst sein. Davon war zuvor überhaupt nicht die Rede.", stieß sie energisch hervor.
 

Es war unschwer zu erkennen, dass ihr die Tatsache, dass sie in Kyoto ganz normal zur Schule gehen sollte überhaupt nicht gefiel. Sie schien auch gar keinen Sinn darin zu sehen. Schließlich waren er und sie aus einem ganz anderen Grund in Kyoto.
 

Takehito, für den das allerdings selbstverständlich war, entgegnete: „Hä? Ja natürlich. Das ist doch eigentlich selbstverständlich. Ich verstehe nicht, weshalb dich das jetzt so überrascht. Was hattest du denn erwartet? Dachtest du wir würden in Kyoto rum sitzen und Däumchen drehen? In unseren vier Wänden darauf warten, dass die Organisation überführt wird? Ich bitte dich. Da hättest du auch von selbst drauf kommen können. Ich dachte das sei dir klar gewesen? Wir können doch nicht nur in unserem Appartement herum sitzen. Und mal ganz davon abgesehen... Zwei Teenager, die nicht wie jeder andere in unserem Alter die Schule besuchen, würden doch unnötig Aufsehen erregen. Das würde doch sofort auffallen. Wir wären wahrscheinlich sofort in aller Munde. Und das war ja gerade das, was wir mit unseren verdeckten Identitäten verhindern wollten. Das war ja Sinn und Zweck der Sache. Diese Identitäten sollen uns davor bewahren unnötig Aufsehen zu erregen. Also werden wir wohl oder übel auch die Schule dort besuchen müssen. Ansonsten hätten wir auch genauso gut in Tokio bleiben können. Dann hätten wir uns die ganze Aktion hier sparen können. Aber keine Sorge... Wir werden uns im Kyotoer Stadtteil Nishikyo aufhalten. Es ist der kleinste und unscheinbarste Stadtteil von Kyoto. In diesem Stadtteil würde man uns wohl als aller letztes vermuten. Und dort sind wir weit genug entfernt von dem Stadtteil in dem unsere Großeltern leben. Das mindert die Wahrscheinlichkeit jemandem zu begegnen, der uns erkennen oder gar unsere Identitäten verraten könnte. Dass unsere Großeltern in Kyoto leben und wir bereits viele Ferien dort verbracht haben, hat die ganze Sache etwas schwieriger gemacht. Aber ich denke, dass es eher unwahrscheinlich ist in Nishikyo jemandem zu begegnen, der uns kennt. Die Oberschule, die wir dort besuchen werden, ist nicht weit von unserem Appartement entfernt und ist im Vergleich zu unserer Schule in Tokio eher klein. Wahrscheinlich wirst du dich erschrecken, wenn du das Schulgelände betrittst. Die Anzahl an Schülern dort ist Vergleichsweise zu anderen Schulen sehr gering. Alle Schüler dort kennen sich untereinander. Das wäre an unserer Schule in Tokio undenkbar."
 

Manamis Gesichtsausdruck hatte sich noch immer nicht geändert. Seine Worte schienen sie nicht wirklich zu besänftigen. Er schien das alles so auf die leichte Schulter zu nehmen. Wie konnte er das alles nur so locker sehen? Sie verstand die Welt nicht mehr. Sie konnte nicht fassen, was er dort gerade von sich gab. Was redete er da eigentlich? Er wollte sonst immer so schlau sein... Und dann war er ausgerechnet in der jetzigen Situation so unvorsichtig? Sie hätte platzen können vor Wut.
 

„Und was ist, wenn unter unseren potentiellen Klassenkameraden jemand ist, der zu den Männern in schwarz gehört? Und dort zur Schule geht um dort nach Sherry zu suchen? Hast du auch nur eine Sekunde mal darüber nachgedacht? Hast du auch nur einen einzigen Gedanken an diese Möglichkeit verschwendet? Ich denke du bist ein Detektiv! Und dann bist du so unvorsichtig? Mir scheint, als hättest du in deinem ach so tollen Plan ein paar kleine Details außer Acht gelassen. Vielleicht haben sie in sämtlichen Schulen Kyotos Spione eingeschleust um nach mir zu suchen. Niemand von uns weiß wie weit verzweigt diese Organisation ist und welchen Einfluss sie haben. Wenn denen Sherry so wichtig ist, werden sie sicher nicht nur zwei ihrer Mitglieder darauf ansetzen nach ihm oder ihr zu suchen. Ich kann mir gut vorstellen, dass noch mehr Mitglieder auf der Suche nach Sherry sind oder zur Informationsbeschaffung ausgesandt wurden. Wie kannst du dir bitte sicher sein, dass sich nicht einer von ihnen an unserer neuen Schule aufhält? Also, wenn du mich fragst, ist das viel zu gefährlich.", unterbrach sie ihn forsch.
 

„Blödsinn! Jetzt werd' mal nicht paranoid! Das, was du dir da in deinem Kopf zusammen spinnst, ist absoluter Irrsinn. Als ob ein Oberschüler zur schwarzen Organisation gehört..."
 

Wieder fiel sie ihm ins Wort: „Ach nein? Du hältst dich für ziemlich schlau, was? Du willst doch sonst auch immer so schlau sein! Mit paranoid haben meine Bedenken rein gar nichts zu tun. Ich selbst bin schließlich auch nur eine Mittelschülerin und habe dennoch ganz offensichtlich etwas mit dieser schwarzen Organisation am Hut. Und nun? Willst du mir in Anbetracht dieser Tatsache immer noch sagen, dass es so abwegig ist, dass ein Oberschüler der schwarzen Organisation angehört?"
 

„Okay. Ich gebe es ja zu... So abwegig mag deine Theorie gar nicht sein. Und um ehrlich zu sein, habe ich über diese Tatsache auch schon nachgedacht. Aber selbst wenn es so wäre, dass sie Agenten irgendwo einschleusen um nach Sherry zu suchen... Dann würden sie ihre Agenten wohl kaum in einer Oberschule einschleusen. Das würde keinen Sinn machen. Wenn dann müssten sie sie schon in einer Mittelschule unterbringen. Aus dem einfachen Grund, weil, wie du eben selbst festgestellt hast, bist du eine Mittelschülerin. Sie wissen zwar nicht wer Sherry ist, aber sie kennen zumindest das Geburtsjahr. Sie wissen, dass Sherry im Jahr 1983 geboren wurde. Und Kinder die in diesem Jahr geboren wurden, sind zum jetzigen Zeitpunkt 15 Jahre alt und besuchen die Mittelschule. Das heißt sie suchen nach einem Mittelschüler, nicht nach einem Oberschüler. Das ist auch der Grund, weshalb ich mich dazu entschieden hatte uns etwas älter zu machen. Einfach um dieser Eventualität aus dem Weg zu gehen. Außerdem habe ich wie gesagt, diese Option bereits vor dir in Betracht gezogen und habe meinen Großvater bereits alle unsere Mitschüler gründlich überprüfen lassen. Einfach um auf Nummer sicher zu gehen. Über niemanden von ihnen konnte etwas Verdächtiges gefunden werden. Rein gar nichts. Das sind alles ganz normale Oberschüler. Es ist also alles in bester Ordnung. Du brauchst dir diesbezüglich keine Gedanken machen, Manami. Vertrau mir.", erklärte er ihr behutsam.
 

Auch wenn sie noch immer nicht begeistert war, musste sie es wohl oder übel akzeptieren.
 

Eigentlich ärgerte sie auch nicht die Tatsache, dass sie und Takehito dort die Schule besuchen würden. Viel mehr ärgerte sie sich darüber, dass dieser Krimifreak erneut über ihren Kopf hinweg entschieden hatte.
 

Aber es hätte jetzt auch wenig Sinn gemacht sich darüber aufzuregen oder gar einen Streit mit ihm vom Zaun zu brechen. Er würde schon wissen was er tut. Zumindest hoffte sie das und redete sich das auch immer und immer wieder ein.
 

Sie versuchte es positiv zu sehen.
 

So konnte ihr so schnell zumindest nicht die Decke auf den Kopf fallen.
 

Sie richtete ihren Blick wieder aus dem Fenster. Auf weitere Diskussionen schien sie keine Lust zu haben.
 

Und wieder herrschte zwischen den beiden Teenagern diese unangenehme Stille, die Takehito absolut nicht gefiel.



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