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Blutsold

Vampirjagd in New Orleans
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Happy Halloween 🎃

Hier der erste Teil meiner kleinen Halloween-Geschichte, für die, die daran Interesse haben. Es geht um Vampire und einige Verschwörungen ... Komplett anzeigen

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I. Drei Leichen und ein Fest

[RIGHT]31. Oktober 2009[/RIGHT]
 

Es sollte nicht überraschend sein, dass die French Quarters wieder restauriert waren. Die alten Balkone waren mit Pflanzen und Deko behangen, die Holzstützen bunt bemalt und auch die Wände verziert.

Die vielen Farben erinnerten ein wenig an Long Street. Ja, allgemein hatte die Straße eine ähnliche Aura.

Lichterketten in der Form von Kürbissen hingen direkt über ihr, webten sich durch weiße Tücher und herunterhängende Plastikskelette.

Es war erst vier Jahre her, dass das meiste hier unter Wasser gestanden hatte. Hurricane Katrina hatte damals die Stadt hart getroffen. In den Außenbezirken konnte man die Folgen bis heute sehen, doch hier? Hier drängten sich die kostümierten Leute um aufgestellte kleine Bars und Tische am Straßenrand. Die Parade war mittlerweile durchgezogen, war dieses Jahr ohnehin nur kurz ausgefallen. Musik spielte von einem Balkon oben und die Leute, die hier feierten, dachten wohl genauso wenig an Katrina, wie an echte Vampire.

Es war allgemein bekannt, dass Vampire und New Orleans zwei Dinge waren, die Hand in Hand gingen. War es immer schon so gewesen oder hatte es erst mit den Ann Rice Büchern angefangen? Oft imitierte die Realität die Fiktion, weshalb Pakhet nicht überrascht gewesen wäre, wäre es auch hier so gewesen. In ihrem Kreisen war New Orleans bekannt dafür, dass immer wieder wandernde Vampirgruppen herkamen, sich für einen, zwei Monate herumtrieben und weiterzogen.

Zu dieser Jahreszeit umso mehr.

Es hatte nach Katrina nachgelassen. Weniger Touristen bedeutete, dass es für Vampire schwerer war. Doch mit dem erholten Tourismus kam offenbar auch wieder Entspannung in die Vampircommunity der Stadt.

Das war zumindest die naheliegende Annahme. Sie war hier auf der Suche nach einem Vampir. Nach einem bestimmten Vampir. Jedenfalls war das, was sie annahm. In den vergangenen zwei Wochen hatte es drei Morde gegeben. Den Opfern war die Kehle aufgeschnitten worden, doch bei den Leichen war kaum Blut gewesen. Weder im Körper, noch drumherum. Es legte Vampire als Täter deutlich nahe, selbst wenn die Leichen wohl nicht am etwaigen Fundort entstanden waren.

Die Opfer waren einander ähnlich gewesen. Junge Frauen. Rothaarig. Sommersprossig.

Vampire hatten oftmals so ein Muster unter ihren Opfern. Angeblich schmeckten die Leute für sie anders, nicht, dass Pakhet daran wirklich glaubte. Unterschiedlicher Geschmack nach Blutgruppe? Okay. Aber nicht nach Haarfarbe.

Immer wieder schaute sie zu Skyla hinüber, die mit einem Becher Cocktail in der Hand gegen eine halb zur Straße hin geöffnete Bar lehnte.

Skyla, deren realen Namen Pakhet nicht kannte, war nicht einmal aus ihrer Firma, doch entsprach sie dem Opfertyp. Ihre Haare waren rot und lockig, ihre Haut blass und auch jetzt noch voller Sommersprossen. Selbst auf ihren Oberarmen, die ihr schwazres Hexenkostüm nur teilweise bedeckte, zeichneten sich die Sommersproßen deutlich ab. Ihre Augen waren graublau. Doch natürlich war sie nicht die einzige Rothaarige in der Stadt, weshalb abzuwarten blieb, ob die Falle funktionierte.

Sie waren hier um den etwaigen Vampir zu erledigen, wofür sie ihn erst einmal finden mussten.

Dafür, dass die Stadtverwaltung sehr wahrscheinlich genau von dem Vampirproblem wusste, kam es selten vor, dass sie anheuerten, um diese erledigen zu lassen. Fraglos, da Vampire nur selten töteten. Kaum verwunderlich. Sonst gäbe es wohl keine Menschen und damit auch keine Vampire mehr.

Da dieser Vampir jedoch tötete und sich nicht einmal die Mühe machte, seine Opfer zu verstecken, ja, sie viel mehr präsentierte, musste er sterben. Der Tourismus konnte nicht noch weiter leiden.

Wieder glitten Pakhets Augen über die Menge. Es wäre praktisch zu wissen, was für eine Art von Vampir es war. Strigoi? Upir? Oder vielleicht etwas in diesen Gegenden eher exotischeres, wie ein Aswang? Wohl eher nicht. Gab es lokale Vampirlegenden? Es könnte auch eine eher lesbisch orientierte Lhiannan Shee oder andere vampirische Fae sein. Bei einer Fae würde zumindest das spezifische Opfermuster mehr Sinn ergeben. Dann wiederum töteten Shee praktisch nie und wechselten ihre Opfer nicht so schnell.

Solange Pakhet nicht wusste, was für ein Vampir es war, war es nur schwer zu wissen, worauf man achten sollte. Sie hatte zwei Vampire bereits gesehen, das eine fraglos ein Strigoi, aber blieb es eben dabei: Vampire in New Orleans zu finden, war etwa so schwer, wie Schafe in Neuseeland. Rede mit zehn Leuten auf einer Party hier und du konntest dir beinahe sicher sein, dass einer ein Vampir irgendeiner Art war.

Gerade redete Skyla mit einem Mann, der neben ihr an der Bar lehnte. Er schien ein Normalo zu sein, vielleicht etwas angetrunken. Nichts, mit dem Skyla nicht klarkommen sollte.

Offenbar war die Magierin auf Jobs wie diesen spezialisiert. Jobs, wo sie lebendiger Köder spielte.

Pakhet seufzte. Sie strich sich eine Strähne der blonden Perücke aus dem Gesicht und schürzte die Lippen. Sie war selbst für ihre Verhältnisse kaum bekleidet, hatte sich der allgemeinen Partyatmosphäre angepasst, wenngleich man ihre Kleidung kaum als Kostüm bezeichnen konnte. Ihre Hose war knapp, die Stiefel hoch, ihre Lederweste in das Outfit integriert. Zumindest wirkte es dank ihrer ohnehin kleinen Brüste weniger auffällig, dass sie trotz des Outfits kein Dekolletee zeigte. Sie hatte keins.

Jemand rempelte sie an.

Sie war so auf Skyla konzentriert gewesen und die bunte Menge zwischen ihnen, dass sie den Mann nicht gesehen hatte. Schon zog warme Flüssigkeit in ihre Bluse.

Sie fuhr den Typen an. „Passen Sie doch auf!“

Der Mann war dunkelhaarig, hellhäutig, wie ein Tourist gekleidet, allerdings nicht Halloweenhaft verkleidet. Er war allein, trug eine Sonnenbrille. Bei Nacht. Verdächtig. Nun schob er die Brille herunter, musterte sie, nahm die Brille ganz ab. „Oh, das tut mir leid.“ Mit der zweiten Hand zog er den Kaffeebecher zur Seite, schaute sich hilflos um. „Oh Gott, entschuldigen Sie, wirklich. Ich war in Gedanken woanders.“

Pakhet schnaubte. Großartig. Sie sah an sich runter. Der Kaffee schimmerte feucht auf der Bluse, die allerdings zu dunkel und durchsichtig war, als dass sich der Fleck anders gezeigt hätte. Missmutig kramte sie in ihrer Handtasche, schob wohlbedacht das Tuch, dass ihre Pistole verbarg, zur Seite und holte stattdessen eine Packung Taschentücher hervor.

Schon wollte der Mann diese ihr aus der Hand reißen, unterließ es bei ihrem Blick jedoch. „Es tut mir wirklich, wirklich leid.“

Missmutig tupfte sie die Bluse ab. Zum Glück hatte sie sich nicht verbrannt. Dann sah sie den Mann an, der vor ihr stehen geblieben war. „Schon gut“, murrte sie.

Er hatte die Augenbrauen gehoben. Eine Mimik der Vorsicht. „Sicher. Ich … Es tut mir wirklich leid.“

„Es wird dadurch nicht besser, dass Sie sich wiederholen“, erwiderte sie. Sie seufzte, knöpfte ihre Bluse auf. Die Lederweste trug sie wie ein Korsett über dem Top darunter. Suchend blickte sie sich um. Er hatte den Kaffee aus einem Coffeeshop. Vielleicht konnte sie dort die Bluse ausspülen.

„Dann sagen Sie mir, was ich tun kann, um es wieder gut zu machen“, antwortete er.

„Nicht viel.“ Ihr Blick glitt zu Skyla hinüber oder viel eher dahin, wo diese eben noch gestanden hatte. Scheiße. Jetzt konnte sie nicht einfach mit ihr sprechen. Es würde auffallen.

„Kann ich Sie auf etwas einladen? Einen Kaffee oder so?“

Pakhet stöhnte genervt. „Das ist nicht …“ Sie stoppte mitten im Satz. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können.“ Wenn sie eh zum Coffeeshop ging, konnte er sie genau so gut einladen. Was sollte es sie stören?

„Danke.“ Er seufzte. „Wirklich. Ich habe noch ein wenig mit dem Jetlag zu kämpfen und …„

Noch immer suchte sie nach Skyla. Wahrscheinlich war sie irgendwo hinein gegangen. „Ich verstehe schon“, murmelte sie. „Lassen Sie uns gehen.“

„Suchen Sie jemanden?“

„Ich war mit einer Freundin hier. Aber ich schreibe ihr eine Nachricht.“ Sie holte ihr Handy hervor und tippte schnell eine Kurznachricht ein. „Alles okay? Bin kurz im Coffeeshop.“ Es war unauffälliger, als jetzt über das Ohrstück zu kommunizieren.

Sie schloss die Augen, atmete tief durch und zählte bis fünf, ehe sie den Mann ansah. „Sie sind Tourist?“

„Nein.“

„Hätte Sie für einen gehalten“, meinte sie und drängte sich durch die Menge, die zu dieser Zeit sich in dieser Gegend ausbreitete. „Das T-Shirt.“ Es war eins von diesen Dingern, die es im Souveniershop zu kaufen gab.

Beinahe hätte ein Frankenstein-Monster sie angerempelt, wich ihr aber aus. Da hinten eine Gruppe Superhelden. Was auch immer das mit Halloween zu tun hatte.

„Nein, bin heute nur von einer Geschäftsreise wiedergekommen“, erwiderte ihr Begleiter. „Und … Es ist nicht mein Tag.“

„Ah.“ Eine vage Antwort. Eigentlich wollte sie nicht mit ihm reden. Doch was konnte man tun? Wäre sie nicht auf einem Job, hätte sie vielleicht versucht mit ihm zu flirten. Nicht ernsthaft, doch für eine Nacht. Sie war angespannt. Die US fühlten sich für sie immer unangenehm an. Wer wusste schon, auf wen sie traf.

Natürlich war die Angst unbegründet. Ihre Profile in den Datenbanken waren verfälscht worden und die Wahrscheinlichkeit jemanden, den sie kannte, über den Weg zu laufen, war kaum gegeben. Die USA waren groß. Sie hatte in Ohio gelebt, nicht Louisiana.

„Was machen Sie hier?“, fragte der Mann, als sie die andere Straßenseite erreichten.

„Ich bin geschäftlich hier“, erwiderte sie.

Sein Blick glitt kurz an ihr hinab. „Deswegen auch kein Kostüm?“

„Das ist ein Kostüm.“ Sie lachte übertrieben.

„Ah, ja, was stellt es denn da?“

„Moderner Vampirjäger“, erwiderte sie und war damit nicht unehrlich.

Auch er schmunzelte. „Verstehe. Da fehlt ein Pflock.“

Pakhet zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt. Geschäftsreise. Da kann man kaum ein Kostüm mitschleppen.“

Sein Zwinkern sagte, dass er verstand. „Was machen Sie denn?“

Was sollte es sein, dass sie heute tat? „Mythenforschung.“

„Ah. Mythen?“

„Ja.“ Sie hätte einfach Finanzwirtschaft sagen sollen. „Für ein Museum.“

„Wo?“

„UK.“

„Das hört man Ihnen gar nicht an.“

Natürlich nicht. Ihr Dialekt war trotz vier Jahren Südafrika noch immer sehr amerikanisch. Sie zuckte nur mit den Schultern.

Jetzt hatte sie den Coffeeshop erreicht. Rasch drehte sie sich zu dem Mann um. „Warten Sie kurz auf mich? Ich gehe kurz die Bluse auswaschen.“

Er schaute von ihr zur Theke. „Soll ich Ihnen schon einmal einen Kaffee holen.“

„Nein, danke. Ich will mir nachher das Menü ansehen.“ Als ob sie sich von jemand fremden unbeobachtet ein Getränk holen lassen würde. Sie hatte damit einschlägige Erfahrungen gemacht. Erfahrungen, die sie nicht wiederholen wollte.

Auch im Coffeeshop war wie alles andere auch mit massenhaft Halloween-Doku verziert. Selbst die Barristas trugen Kostüme, wie auch diverse der Kunden, die sich in den relativ kleinen Raum drängten. Die meisten Sitze waren besetzt und ein paar Leute lehnten an der Wand direkt vor den Toiletten.

Mühsam drängte sich Pakhet hindurch, die Bluse in der Hand. Selbst an der Toilettentür hing Deko in der Form eines künstlichen Spinnennests gemeinsam mit gleich mehreren Plastikspinnen.

Endlich im Badezimmer schloss sie sich zuerst in einer der Kabinen aus. Sie holte ihr Handy hervor, schaute hinauf. Eine Nachricht von Skyla:

„Aufdränglicher Typ hier. Versuche ihn loszuwerden. Treffen in 20?“

Schien ein Thema für den Abend zu sein. Den fraglichen Vampir würden sie nicht mehr schnappen. Nicht heute. Da war sie sich sicher. Es war schon ihr dritter, vergeblicher Abend auf der Lauer, doch was erwartete sie? Es war letzten Endes eine Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.

„Ok“, tippte sie daher nur.

Sie drückte die Toilettenspülung, um den Eindruck zu erwecken, tatsächlich auf dem Klo gewesen zu sein und kam heraus.

Die nächste Frau drängte sich an ihr vorbei hinein, während Pakhet sich an eins der Waschbecken stellte, um die Hand und dann die Bluse auszuwaschen. Kurz überprüfte sie ihr Make-Up im Spiegel. Es war an den Augen etwas verwischt.

Mit einem Seufzen zog sie ihr Schmink-Kit aus der Tasche, tat ihr bestes, um nachzukorrigieren. Sie kam sich ein wenig albern vor. Nicht wegen dem Make-Up, sondern wegen der blonden, lockigen Perücke.

Natürlich trug sie meistens eine Perücke bei solchen Aufträgen. Mit ihren kurzen, rotgefärbten Haaren fiel sie sonst auf. Jedenfalls in einem solchen Setting. Es war in Kämpfen praktischer, doch für Undercoverarbeit weniger geeignet.

Sie verzog das Gesicht, richtete die Perücke und hielt Hand und Prothese unter den Föhn.

Die Prothese war neu, besser als die letzte doch bei weitem nicht, was sie bevorzugt hätte. Zwar konnte sie einzelne Finger bewegen, doch waren die einzelnen Bewegungen steif und ungelenk. Michael hatte ihr versprochen, eine bessere zu besorgen, eine mit Gefühl in den Fingern. In ein paar Militärlaboren wurde so etwas getestet, aber bisher war er diesem Versprechen nicht nachgekommen.

Sie trocknete auch die Bluse so gut wie möglich, warf sie dann über und kehrte in den eigentlichen Raum zurück.

Der ungeschickte Herr stand gegen die Wand gelehnt, wartete offenbar auf sie und tippte auch seinerseits eine Nachricht in ein Blackberry.

„Ah, da sind Sie ja“, meinte er, als sie zu ihm kam. „Konnte der schlimmste Schaden behoben werden?“ Sein Blick glitt über ihre Bluse, blieb einen unangenehm langen Blick auf Höhe ihrer Brüste hängen. Ein kurzes Zucken seiner Augenbrauen verriet seine Gedanken.

„Ja. War ganz schön gedrängt darin“, erwiderte sie.

„Ja. Ja, sicher.“ Er schien verlegen. „Wie heißen sie eigentlich?“

„Montgomery“, erwiderte sie. Dann zögerte sie, ganz als wäre ihr aufgefallen, dass diese Antwort zu distanziert klang. Rasch ergänzte sie: „Sarah Montgomery.“

„Montgomery, eh?“ Er lächelte. „Sind Sie eigentlich aus den US?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ja. Habe eine Weile in Utah gelebt.“

„In Utah? Mein Onkel lebt da. Von wo sind Sie da genau?“

Ach Gott, was fragte er für Fragen? Saltlake klang zu konstruiert. „Washington“, antwortete sie in der Hoffnung, dass es in Utah wie beinahe jedem Staat ein Washington gab.

„Ah. Mein Onkel ist aus Provo. Also aus der Nähe.“

„Ah.“ Wieder eine vage Antwort. „Und wie heißen Sie eigentlich?“

„Derrick Meyers“, erwiderte er. Kurz zögerte er, streckte ihr dann die Hand entgegen. „Entschuldigen Sie, dass ich mich nicht vorgestellt habe.“

Sie nahm seine Hand, drückte sie.

Als er seine Hand zurückzog wandte er sich zur Theke um. „Darf ich Ihnen jetzt etwas holen?“

„Ja. Natürlich. Ich …“ Sie sah zur Tafel. Mit diesen Getränken, in diese süßen Sirups gemischt waren, konnte sie wenig anfangen. „Ich nehme einfach einen Kaffee schwarz.“

Er schmunzelte amüsiert. „Und dafür mussten Sie jetzt nachsehen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Entschuldigen Sie.“

Derrick lächelte und winkte ab. „Kein Problem. Ich schulde Ihnen etwas.“ Für einen Moment schien es, als würde sein Blick an ihrer Prothese hängen bleiben. Sah er sie für das, was sie war? Wahrscheinlich nicht. Im Armband, das sie trug, steckte ein Glamour, der es vor normalen Menschen verbergen sollte. Sie hasste es Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mehr Aufmerksamkeit, als sie es durch ihre Größe schon tat.

Er ging zur Theke vor und sie folgte. Ja, sie war misstrauisch. Doch Misstrauen war meistens besser als Vertrauen.

„Sie können sich ruhig setzen“, meinte er.

„Ist eh alles voll“, antwortete sie. „Passt schon.“

Er lächelte.

„Was machen Sie eigentlich beruflich?“

„Ich? Ich bin Pfarrer. Na ja, so etwas in der Art.“

„Pfarrer?“ Dafür hatte sie ihn nicht wirklich gehalten. Wobei Pfarrer hier in den USA, wo jeder Dorftrottel seine eigene Kirche gründen konnte, alles heißen konnte. „Dafür hätte ich Sie nicht gehalten.“

Ein Glucksen entwich seiner Kehle. „Was darf ich darunter verstehen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Weiß ich auch nicht so genau.“ Naiv stellen, wenn einem nichts besseres einfiel, half.

Tatsächlich lachte er nur, trat dann vor und bestellte.

Sie musterte ihn. Es war erstaunlich schwer, sein Alter zu schätzen. Sie hätte ihn auf um die dreißig geschätzt, etwa so alt, wie sie es war. Bei Männern konnte man sich aber nie sicher sein. Vor allem nicht bei reichen Männern.

Ihr Blick fiel an seiner Hand hängen. Ein Ring zierte seinen linken Ringfinger. „Verlobt oder verheiratet?“, fragte sie, als sie ihm die Theke entlang dorthin folgte, wo die Getränke ausgegeben wurden.

Wieder ein Lachen. „Weder noch.“

Sie sah genauer hin. Tatsächlich war der Ring nicht wie ein Ehering geformt. Das Metall - Silber? - war flach geschlagen und mit Symbolen eingeritzt. Irgendeine Art von Runen oder Keilschrift. „Gilt so etwas nicht irgendwie als ketzerisch?“

Nun sah er selbst auf den Ring. „Sollte man meinen, nicht?“ Das war eine vage Antwort.

Wie sehr sie sich doch wünschte, Auren sehen zu können. Ein Bauchgefühl warnte sie. Wahrscheinlich nur ihr generelles Misstrauen.

Zwei Becher wurden auf die Ablage gestellt und Derrick griff danach. „Das ging schnell“, meinte er. Fast ließ er einen der Becher los, als er neben den Papphalter, der vor der Hitze schützte, packte. „Autsch.“

Pakhet hob eine Augenbraue. Sie nahm den Becher selbst, während er die Hand schüttelte.

„Ich habe zwei linke Hände heute“, meinte er.

„Ja.“ Der Plastikdeckel war nicht ordentlich auf dem Becher. Sie rückte ihn zurecht, doch wie es mit diesen Dingern häufig war, wollte er nicht so ganz drauf sitzen bleiben. Schließlich nahm sie ihn ab und warf ihn in den nächsten Mülleimer. „Dann danke für den Kaffee“, meinte sie, während sie daran schnüffelte.

Wie sehr sie den Geruch doch liebte. Den Geruch von richtigem Kaffee.

„Kann ich Sie noch irgendwohin bringen?“, fragte Derrick.

„Nein. Wie gesagt. Ich treffe mich noch mit jemanden.“ Sie sah ihn gar nicht mehr wirklich an, hielt bereits auf die Tür zu.

„Ganz wie Sie meinen. Und entschuldigen Sie noch einmal.“

Sie verdrehte die Augen. „Schon gut.“ Damit trat sie in die Straße hinaus.

Mit dem Becher Kaffee in der Hand konnte sie Skyla nicht anschreiben. Bis ihrem Treffen würden ihr eh noch ein paar Minuten bleiben. Sie musste nur zur Straßenecke kommen.

Sie nahm einen Schluck des heißen Kaffees und ließ ihn sich genüsslich auf der Zunge zerlaufen. Es gab nichts schöneres als einen heißen Kaffee. Er beruhigte ihre Nerven, selbst wenn so manch ein Mediziner ihr dahingehend widersprochen hätte.

Dahinten war die Straßenecke, inklusive einer kleinen Mauer, die genau so malerisch wie die ganze Straße war. Nichts, wofür sie wirklich einen Kopf hatte.

Wann anders hätte sie sich an einem Tag wie diesen hier gut amüsieren können. Vielleicht mit einem Typen wie Derrick, vielleicht mit jemand anderen - solange nicht unbedingt mit einem Vampir. Nekrophil war sie sicher nicht.

Wieder nippte sie am Kaffee, schob den Becher dann vorsichtig in die Hand ihrer Prothese, um mit dem Zeigefinger der rechten Hand gegen den kleinen Knopf in ihrem Ohr zu drücken. „Skyla?“, fragte sie.

Rauschen. Wahrscheinlich versuchte sie den Typen loszuwerden und war außer Reichweite. Diese Technik war bei weitem nicht so gut, wie Hollywood es gerne vermittelte.

Sie konnten für die Nacht ausgeben. Wahrscheinlich hatte sich der Vampir von den Menschenmassen abschrecken lassen oder davon, dass die Polizeipräsenz auf der Party zu groß war.

Ein weiterer Schluck Kaffee. Wenigstens hatte sie kein Kostüm anziehen müssen. Das wäre reichlich albern gewesen.

Sie nippte weiter am Kaffee, ehe sie inne hielt. Ein seltsamer Nachgeschmack war bei diesem Schluck gewesen. Wahrscheinlich nur ihre Einbildung. Dennoch schnüffelte sie daran.

Da war eine seltsame Note im Geruch, die sie vorher nicht bemerkt hatte. Es erinnerte an irgendwelche Kräuter … Beinahe an … Was?

Konnte es sein …

Weiter kamen ihre Gedanken nicht.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Taroru
2018-11-14T12:04:27+00:00 14.11.2018 13:04
und es endet mit einem cliffhänger XD
nu bin ich ja doch froh, das ich nicht gleich zum lesen kam.. sondern jetzt alles am stück lesen konnte :-p

(und das das mit dem deckel nicht gleich funktioniert hat, hat mir schon gezeigt, das da irgendwas kommen musste, ich glaube ich wäre enttäuscht gewesen, wenn nichts passiert wäre :-p )

Antwort von:  Alaiya
14.11.2018 13:15
Danke für den Kommentar. Und natürlich kann alles nicht so einfach sein
Antwort von:  Taroru
14.11.2018 13:38
einfach ist es nie :-)
deswegen liest man ja weiter :-p


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