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Heiratskandidaten

von

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Die Karamellcreme auf seinem Teller leuchtete in einem satten goldbraun, doch Rodolphus war der Appetit schon längst vergangen. Er wusste nicht einmal, warum er die Creme ursprünglich bestellt hatte, denn eigentlich mochte er überhaupt kein Karamell. Vermutlich war es seiner Müdigkeit zu verdanken, dass er heute solche Fehler machte. Fehler, die ihn einige Sickel kosten würden.

 

Rodolphus gähnte hinter vorgehaltener Hand. Wahrscheinlich hätte er das Treffen einfach absagen sollen, doch sie ließen seinen Bruder so selten aus Hogwarts heraus, dass er es ihm nicht zumuten wollte, ihr gemeinsames Essen zu verschieben. Und so saß er nun todmüde auf einem Stuhl mit übertrieben drapierten Rüschen und wartete darauf, dass das Karamell ihn fraß, oder Rabastan endlich durch die Tür des Cafés trat.

Was auch immer zuerst geschah, bis es eintraf, würde er einfach die Augen schließen und sich ein bisschen ausruhen.

Nur ein kleines bisschen.

Einen Augenblick.

Einen ...

 

„Rodolphus?“

 

Missmutig schlug er die Augen wieder auf. Einen Moment lang starrte er seinen Bruder an, dann deutete er wie von selbst auf den Stuhl ihm gegenüber.

„Hallo Basti“, murmelte er gequält und beobachtete, wie dieser sich auf den freien Platz fallen ließ. Falls ihm die Karamellcreme bereits aufgefallen war, zeigte er es zumindest nicht. Dafür runzelte er sehr aussagekräftig die Stirn. „Du siehst beschissen aus“, platzte er heraus, doch ausnahmsweise konnte Rodolphus ihm deshalb nicht einmal böse sein.

 

„Ich hatte nicht viel Schlaf“, klärte er seinen kleinen Bruder auf, „Die blacksche Geburtstagsfeier.“

 

„Die blacksche Geburtstagsfeier?“, wiederholte Rabastan, „Ich dachte, du hasst solche Veranstaltungen.“

 

„Tue ich auch. Sie sind langweilig, die Musik ist furchtbar und man muss mit lauter Menschen reden, mit denen man eigentlich gar nicht reden will.“

 

„Und trotzdem hat sie dich um deinen Schlaf gebracht. Oder lag es etwa an Bella?“ Rabastan schenkte ihm ein breites Grinsen, bevor er wie selbstverständlich an seinem Teller mit der Karamellcreme zog. „Hat sie wieder irgendwas komisches von dir verlangt?“

 

Rodolphus schüttelte den Kopf. „Sie hat sicher längst vergessen, dass ich überhaupt da war. Sie war gestern sehr damit beschäftigt, anderen ihre Meinung zum Schulwesen aufzudrängen.“

 

„Muss ich mir sorgen um meinen Abschluss machen?“

 

Rodolphus lachte trocken. „Ich denke nicht. Der einzige Zuhörer mit einem festen Posten im Schulrat dürfte Malfoy gewesen sein und ich glaube, wenn der versucht Bellas Wünsche durchzudrücken, bekommt er bei seiner Verlobten keinen Fuß mehr auf den Boden.“

 

„Seine Verlobte?“, fragte Rabastan durch zwei Löffel Karamellcreme hindurch.

 

Rodolphus schüttelte den Kopf. „Andromeda natürlich. Weißt du, sie hat eine ganz andere Meinung zu dem Thema als Bella. Sie denkt nämlich auch, dass es purer Wahnsinn wäre, unausgebildete Muggelgeborene herumlaufen zu lassen. Kinder brauchen eine Schulausbildung, ganz egal aus was für Kreisen sie stammen. Sie können ja nichts dafür. Und außerdem sind sie unkontrolliert viel gefährlicher, als wenn man ihre Talente gleich in die richtigen Bahnen lenkt. Wir haben uns gestern Abend darüber unterhalten. Es war wirklich spannend. Sie hat unglaublich viele gute Ideen, man muss sie sich nur einmal anhören.“

 

„Was dann auch erklärt, warum Lucius so gar nicht begeistert von ihr ist“, entgegnete Rabastan düster, „Ernsthaft Rodolphus, ich sitze in dieser Schule fest und weiß mehr über die aktuellen Geschehnisse innerhalb der Familie Black als du.“

 

„Was weißt du?“

 

„Ich weiß, dass Lucius sich gestern früh gegen die Verlobung mit Andromeda entschieden hat. Er ist der Ansicht, dass zwei Menschen mit so unterschiedlichen Grundeinstellungen wie sie einfach nicht zusammenpassen und er will nicht sein ganzes Leben mit einer Frau verbringen, die ihn und seine Ideen einfach nicht verstehen will. Jedenfalls lautet so die Begründung, die Narcissa geschickt bekommen hat. Du solltest sie sehen, die Ärmste läuft Furchen in den Teppich des Gemeinschaftsraumes, weil sie Sorge hat, ihre Mutter könnte von ihr verlangen, dass sie Andromedas Platz einnimmt.“

 

„Oh.“

 

„Ja, oh.“

 

Rabastan tauchte den Löffel erneut in die Karamellcreme und Rodolphus nutzte die Zeit, um ein wenig nachzudenken. Wenn die Informationen seines Bruders stimmten, erklärte das einiges. Andromedas hübsches Kleid, ihr trauriger Blick, der Berg an Haarnadeln ...

Wie von selbst wanderte seine Hand in seine Umhangtasche und beförderte eine der dünnen Klemmen hervor. Er wusste nicht mehr, wann er sie eingesteckt hatte, aber heute früh hatte sie ihn mit einem sanften Stich daran erinnert, dass sie noch immer da war.

Ansonsten hatte Andromeda recht behalten. Sie hatte über den Abend verteilt, mehr Haarnadeln verloren, als er hatte zählen können und als sie sich schließlich in den frühen Morgenstunden verabschiedet hatten, war von ihrer ehemals raffinierten Hochsteckfrisur gar nichts mehr zu sehen gewesen. Die Morgensonne hatte in den Festsaal geschienen und ihre Locken hatten ein bisschen ausgesehen, wie flüssiges - Oh, verdammt.

 

Rodolphus presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und starrte auf den Tisch. Da hatte er ja wieder was angestellt.

„Ich fürchte, wir müssen noch ein paar Dinge einkaufen gehen“, eröffnete er seinem fröhlich mampfenden Bruder, der ihn daraufhin mit einem skeptischen Blick bedachte. „Ich brauche ein paar Aufsätze von Tomes and Scrolls und - Habt ihr hier nicht auch einen Laden für Frisierzauber? Da muss ich auch noch rein.“

 

„Was willst du in einem Laden für Frisierzauber?“, fragte Rabastan, während er den Löffel auf den leeren Teller zurücklegte.

 

Rodolphus lächelte dünn. „Was wohl? Haarnadeln.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Kerstin-san
2018-10-07T07:33:40+00:00 07.10.2018 09:33
Hallo,
 
armer Rodolphus, an seiner Stelle hätte ich auch einfach nur ins nächste Bett fallen und mich ausschlafen wollen anstatt in dem kitschigen Café (*hust* bestimmt Madam Puddifoot's Café, nicht? *hust*) zu sitzen. Trotzdem fand ich das Gespräch mit seinem Bruder interessant gestaltet. Es gibt doch nichts über den neusten Klatsch und Tratsch in der Zaubererwelt.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  _Delacroix_
07.10.2018 09:56
Es ist irgendwie ziemlich deprimierend, was die Auswahl an guten Cafés in der magischen Welt betrifft. Dabei glaube ich so ein Eiscremeladen würde in Hogsmeade bestimmt einen reißenden Absatz machen.


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