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Niichan

von

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Kapitel 23

 

Kapitel 23

 

Shredder starrt seine Finger an wie die eigenwilligen Gliedmaßen, die sie sind und konzentriert sich. Es hilft nichts – sie zittern immer noch. Nur ein wenig, es ist nicht so schlimm, dass ihm gleich die Tasse aus den Händen fällt, aber es ist beschämend. Welcher erwachsene Mann in seinem Alter ist schon dazu gezwungen, die volle Teetasse mit beiden Händen zu halten, um daraus trinken zu können?

Dieser blöde Schlafmangel! Als wären die Kopfschmerzen nicht schon schlimm genug.

Grummelnd pustet er in die grünliche Flüssigkeit und nimmt dann einen großen Schluck.

Oh.

Oh ja.

Ja, das tut gut. Allmählich spürt er, wie seine Lebensgeister zurückkehren.

Das mag auch zum guten Teil an dem Geruch von frisch gebrühtem Kaffee liegen, der in der Küche hängt. Er hat fünf Packungen Kaffeepulver im Küchenschrank gefunden - Rocksteadys und Bebops eiserne Reserve - aber er hat kein schlechtes Gewissen, eine davon geöffnet zu haben, denn wenn sie nicht wollten, dass es benutzt wird, hätten sie den Kaffee nicht aus ihrem Versteck in die Küche gebracht.

Und Kazuo braucht seinen Muntermacher.

Als hätten seine Gedanken ihn angelockt, tritt sein Bruder in diesem Moment über die Schwelle. Shredder erhascht einen kurzen Blick auf seine Miene, aber bevor er diesen merkwürdigen Ausdruck irgendwie einordnen kann, ist Kazuo schon bei ihm, sinkt vor ihm auf die Knie, schlingt die Arme um Shredders Beine und legt dann auch noch seinen Kopf auf Shredders Oberschenkel.

„Huh?“ Verdutzt stellt Shredder seine Teetasse zurück auf den Tisch und starrt an sich hinunter, während seine zitternden Hände schon wie von selbst in Kazuos dichtem Haarschopf landen.

„Was ist los? Hat Krang was Schlimmes zu dir gesagt?“

Kazuo gibt einen verneinenden Brummton von sich.

„Nein, im Gegenteil. Er schlägt vor, dass der Bordcomputer deine Biowerte überwacht, während du schläfst.“

Das klingt wie eine gute Idee. Aber wieso verhält sich Kazuo dann so merkwürdig?

Besorgt läßt Shredder Strähne um Strähne dieses seidigen, dunkelbraunen Haares durch seine jetzt ganz ruhigen Finger gleiten. So sehr ihm das Benehmen seines Bruders auch ein Rätsel aufgibt, kann er nicht behaupten, dass es ihm nicht gefällt, das Gewicht von Kazuos Kopf auf seinen Oberschenkeln zu spüren. Oder seine Hände an seinen Knien.

„Kaz-chan?“ murmelt Shredder schließlich besorgt. „Was ist los?“

Einige Sekunden lang passiert gar nichts, dann holt Kazuo einmal tief und zitternd Luft, hebt den Kopf und blinzelt zu ihm empor. Um seine Lippen zuckt ein schmales Lächeln.

„Nichts. Gar nichts. Mir wurde nur klar...“ Er stockt, läßt seine Knie los und steht kopfschüttelnd auf.

Irritiert sieht Shredder ihm zu, wie er hinüber zur Kaffeemaschine geht, um sich eine große Tasse Kaffee einzufüllen.

Mehrmals öffnet Shredder den Mund, um ihn zu fragen, und jedes Mal schließt er ihn wieder, bevor noch ein Ton herauskommt. Kazuos sonderbares Verhalten macht ihn nervös.

„Es ist schon okay“, hört er sich plötzlich selber sagen, „wenn das Portal wieder funktioniert, und du nach Hause willst, verstehe ich das.“

„Was?“ Kazuo wirbelt so schnell herum, dass er fast seinen Kaffee verschüttet. „Um Himmels Willen, wovon redest du da?“ Hastig stellt er seine Tasse irgendwo ab und ist mit wenigen großen Schritten bei seinem Bruder, nur, um plötzlich wieder neben ihm zu knien. Doch diesmal schlingt er ihm die Arme um die Taille und drückt das Gesicht in sein Kapuzenshirt.

„Ich will nicht mehr zurück. Nie mehr. Hab ich dir doch schon so oft gesagt und dabei bleibe ich auch.“ Seine Stimme klingt durch den Stoff etwas gedämpft, doch jedes Wort ist gut zu verstehen. „Hier ist mein Platz. Bei dir. Verstehst du? Mir wurde nur klar … du gehörst mir, Niichan. Mir ganz allein.“

Shredder ist für einen Moment wirklich sprachlos. Seine Hände allerdings scheinen genau zu wissen, wohin sie gehören, denn eine landet wieder in Kazuos Haar und die andere streicht beruhigend über seinen Rücken.

„Du … meinst das wirklich ernst“, stellt er schließlich nach einem kurzen Schweigen überrascht fest.

Kazuos besitzergreifende Seite war ihm immer schon etwas unangenehm – aber nur, weil sie ihn an sich selbst erinnerte. Und er wollte doch immer nur das Beste für seinen kleinen Bruder und hatte daher stets versucht, in dieser Hinsicht mäßigend auf ihn einzuwirken. Kazuos spätere Obsession auf Pflicht, Recht und Gesetz war zwar nervtötend, aber immerhin ein guter Ersatz, mit dem sich Kazuo eine erfolgreiche, berufliche und private Zukunft aufbauen konnte.

Aber anscheinend war das alles nur eine dünne, zerbrechliche Fassade gewesen.

„Oh ja, ich meine das wirklich ernst“, bestätigt Kazuo und drückt ihn zum Beweis so fest, dass Shredder überrascht nach Luft japst.

„Baka“, tadelt ihn Shredder daraufhin und gibt ihm eine sanfte Kopfnuss.

Kazuo lacht nur leise, schmiegt seine Wange fester gegen diesen warmen, weichen Sweater, schließt behaglich die Augen und lauscht seinem kräftigen, gleichmäßigen Herzschlag.

 

 

„Und du bist dir wirklich sicher?" fragt Kazuo, während er die Schlagpolster zur Seite legt.

„Ja", bestätigt Shredder zum gefühlt tausendsten Male. Er steht schon in der Mitte des Raumes in Ausgangsposition und nickt ihm auffordernd zu.

Kazuo wirft ihm einen zweifelnden Blick zu. Er hat Mühe, ihm ins Gesicht zu sehen, sich nicht von dem Dreieck goldbrauner Haut und Muskeln ablenken zu lassen, die der Ausschnitts des Gis freilässt. Diese ... Verträumtheit hat in der letzten Viertelstunde dreimal dazu geführt, dass ihm die Schlagpolster fast aus den Händen gerutscht wären, und das hätte wirklich schmerzhaft enden können.

„Komm schon, Kazuo. Lass uns tanzen."

Über diesen Ausdruck muss Kazuo unwillkürlich lächeln. Diese Art von Kampfsporttraining wirkt für Außenstehende tatsächlich wie ein Tanz - wenn auch einer aus Schlag- und Trittkombinationen. Einen Tanz, den sie als Kinder erfunden haben, damit sie miteinander gefahrlos trainieren konnten. Ihre Mutter war darüber so begeistert, dass sie sie dabei sogar filmte und es ihren jeweiligen Senseis vorspielte. Kazuos Sensei Yamada war voll des Lobes, aber Sakis Sensei Hamato weniger.

„Nur, wenn du dir wirklich sicher bist", erklärt Kazuo, geht aber schon zu ihm hinüber und stellt sich vor ihm in Position. „Und wir hören sofort auf, wenn du merkst, es geht nicht mehr."

Shredder rollt sofort mit den Augen.

„Keine Sorge“, verspricht er ihm trotzdem. Er hat schließlich auch keine Lust auf eine Panik-Attacke.

Aber irgendwie hat er das Gefühl, dass es heute gut gehen wird.

Und genauso ist es.

Nun, das hier ist ja auch weit entfernt von einem richtigen Kampf. Es ist ja nicht einmal ein Trainingskampf.

Als sie noch Kinder waren, war es weitaus schwieriger, trotz des spielerischen Charakters des Ganzen nicht trotzdem getroffen zu werden, aber heute sind sie beide Profis – jeder in seiner eigenen Kampfsportart.

Es ist trotzdem anstrengend – auf eine gute Art.

Und es macht Spaß, Kazuo dabei zu beobachten. Als Kind war er immer viel zu eifrig und das führte zu unnötigen Fehlern, und später kam dann die Impulsivität eines Teenagers dazu, doch jetzt bewegt sich sein Bruder so perfekt, dass Shredder nicht weiß, ob er neidisch oder stolz auf ihn sein soll.

Aber dann macht Kazuo plötzlich doch einen Fehler und durchbricht die unausgesprochene Choreographie ihres kleinen „Tanzes“.

Anstatt seitlich auszuweichen, macht er einen Schritt nach vorne. Shredders einzige Warnung sind sein verschmitztes Lächeln und das übermütige Funkeln in seinen Augen, dann hat Kazuo ihm schon eine Hand in den Nacken gelegt und seinen anderen Arm um seine Taille geschlungen und küßt ihn mitten auf den Mund.

Das bringt Shredder ins Taumeln, und irgendwie landen sie so auf den Knien, und das gibt ihm die Möglichkeit zu einem tadelnden „Baka“ - doch Kazuo kichert nur und fängt seine Lippen zu einem weiteren, fordernden Kuß ein.

Nachdem er Shredders Mund genug geplündert hat, arbeitet er sich weiter vor, küsst und leckt sich über Kinn und Kehle, hinunter zu diesem verlockenden Dreieck aus samtweicher Haut, das vom dunklen Stoff des Gis eingerahmt wird.

Seine Hände wollen gerade damit beginnen, Shredder den störenden Stoff von den Schultern zu streifen, da hört Kazuo über sich ein leises Grollen und fühlt sich plötzlich am Haar gepackt und daran wieder in die Höhe gezogen, wo Shredders Mund auf ihn wartet, um ihm einen gierigen Kuß aufzudrücken.

Ja.

Oh ja!

Das ist es!

Begeistert lässt sich Kazuo die Führung aus der Hand nehmen. Das ist sein Niichan, wie er leibt und - vor allem - lebt!

Zufrieden schlingt er ihm die Arme um den Nacken und stürzt sich in diesen Kuss und alles, was ihn ausmacht hinein: Sakis Geruch, seine Wärme, sein Geschmack und sogar die Art, wie sein Atem Kazuos Nase streichelt ... Seine Hände an Kazuos Hüften, der Druck seines Körpers gegen Kazuos und sogar die Reaktionen, die all das in Kazuos Körper auslöst - das ist dieser Kuss.

Das und noch viel, viel mehr.

Kazuo wird richtiggehend schwindelig davon.

„Ja", bestätigt er seufzend, als dieser himmlische Kuss endet. Genießerisch legt er den Kopf in den Nacken und erschauert wohlig, als sich Shredder über seinen Hals küsst.

„Ja", wiederholt er, als er sich an seinem linken Schlüsselbein festsaugt.

Oh jajaja!

Er braucht diesen Knutschfleck!

Und nicht nur den. Er will noch viel, viel mehr.

Und er will auch Kratzer.

Er will alles.

Er will gezeichnet sein.

Markiert werden.

Plötzlich fühlt er sich gepackt und rücklings auf die Tatami- Matten gedrückt.

Kazuo stößt ein kurzes, atemloses Lachen aus und sieht mit funkelnden Augen hoch zu seinem Niichan.

„Ja.“ Er packt ihn am Kragen seines Gis, zerrt ihn daran zu sich hinab und kommt ihm gleichzeitig voller Ungeduld entgegen. In ihren nun folgenden Kuß aufseufzend, landet eine seiner Hände in Shredders Kreuz und die andere höchst besitzergreifend auf dessen Hinterteil.

Er ist so warm und stark und so solide wie eine schützende Mauer. Eine Mauer aus Fleisch und Blut, und so dominant Kazuo auch sonst ist, heute, hier und Jetzt will er nichts mehr, als Shredders starke Präsenz über sich spüren.

Aus Kazuos Kehle löst sich ein sehnsüchtiger Laut, als einer von ihnen – wer, das kann sein zunehmend benebelter werdender Verstand nicht mehr auseinanderhalten – mit den Hüften rollt und er fühlen kann, wie sehr ihn sein Niichan schon begehrt.

„Saki...“ schweratmend unterbricht er diesen göttlichen Kuß, sucht seinen Blick und ist erstaunt darüber, wie schwarz die Augen seines Bruders geworden sind, „... Saki, bitte … ich will...“ in einem stummen Flehen spreizt er seine Beine etwas und hebt gleichzeitig seine Hüften an.

Shredders Augen weiten sich erstaunt.

„Kazuo?“

„Dich“, stößt dieser mit lustgetränkter Stimme hervor. „Ich will dich.“

Und als Shredder nicht sofort darauf reagiert, packt er ihn aufknurrend am Kragen und zerrt ihn wieder tiefer zu sich herunter, bis sich ihre Nasenspitzen fast berühren.

„Du gehörst mir!“ grollt er heiser. „Alles an dir gehört mir. Also gib mir alles, was du hast.“

Mit diesen Worten schnellt er mit seinem Kopf nach oben und hascht nach Shredders Lippen, verwickelt ihn in einen wilden, kompromißlosen Kuß, während sich seine Arme besitzergreifend um ihn schlingen.

Er wird verdammt nochmal bekommen, was er will!

 

 

„Das war nicht unbedingt das, was ich im Sinn hatte“, meint Kazuo eine halbe Stunde später vorwurfsvoll, während er sich ächzend in eine sitzende Position hievt. Er zieht sich das verrutschte Oberteil seines Gis wieder über die Schultern und gürtet es locker, während er zu seinem Bruder hinüberschielt, der ein paar Schritte weiter auf der Hantelbank sitzt.

Der nimmt nur einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche, wischt sich mit dem Handrücken über den Mund und wirft ihm dabei einen langen, undeutbaren Blick zu, sagt aber nichts.

Kazuo ist schläfrig und sein Körper fühlt sich an wie Gelatine, doch irgendwie schafft er es, sich auf die Füße zu quälen. Langsam tapst er zu ihm hinüber, wobei er mit einer Hand im Laufen seine Hose höher zieht. Das blöde Ding ist wohl ausgeleiert, so, wie es ihm über die Hüften rutscht.

Bei seinem Bruder angekommen, läßt er sich schwerfällig neben ihn sinken. Er zögert kurz, doch dann schnappt er ihm die Wasserflasche aus der Hand und trinkt sie aus.

Shredder zieht nur die rechte Augenbraue hoch, sagt aber immer noch nichts.

„Versteh mich nicht falsch“, meint Kazuo schließlich. „Du kannst erstaunliche Dinge mit deinem Mund anstellen, aber das war nicht das, was ich eigentlich wollte. Und du weißt“, fügt er mit einem wahrhaft diabolischen Lächeln hinzu, „was du mir jetzt nicht gegeben hast, werde ich mir später holen. Du entkommst mir nicht.“

Shredder mustert ihn irritiert. „Warum ist dir das nur so wichtig? Wenn du es so sehr willst, kannst du gerne derjenige sein, der-“

„Du zuerst“, unterbricht ihn Kazuo in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldet.

Shredder starrt ihn einen Moment lang nur schweigend an. Er versucht, sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm ihm allein der Gedanke daran ist.

„Warum?“ erkundigt er sich schließlich leise.

Verärgert runzelt Kazuo die Stirn. „Das habe ich dir doch gesagt. Ich will alles von dir.“

Shredder senkt nur den Blick und wendet den Kopf beiseite.

„Verlange das nicht von mir“, bittet er leise. „Reicht es nicht, wenn du mich-“

„Später ganz gewiß“, unterbricht ihn Kazuo. „Nachdem die Ehre dir gebührte.“

Und als Shredder daraufhin den Kopf nur noch weiter wegdreht, rutscht Kazuo ganz nah an ihn heran, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern.

Seine Worte lassen Shredder erröten und zurückschrecken, doch Kazuo packt ihn einfach an den Schultern und hält ihn fest. Sekundenlang starren sie sich einfach nur an, dann seufzt Shredder einmal leise auf.

„Du bist beängstigend, Otouto.“ Doch er lächelt dabei und lehnt sich etwas vor, bis sich ihre Stirnen berühren. Dann pflückt er Kazuos Hände von seinen Schultern und drückt sie liebevoll.

Bei der Anrede und diesen Worten zuckt Kazuo innerlich zusammen, aber dann wird ihm klar, was sein Niichan damit wirklich meint. Er denkt kurz darüber nach.

„Warum?“ will er dann wissen. „Darf ich etwa keine schmutzigen Gedanken und Wünsche haben? Du kennst mich, Niichan. Vor dir muss ich mich doch nicht verstecken."

Nicht so wie er es vor Hikari machen muss. Oder vor seinen Kollegen und Vorgesetzten. Seinen Nachbarn. Seiner Mutter. Schlicht der ganzen Welt. Jeder würde sich von ihm abwenden, wenn er ihm zeigen würde, wer er wirklich ist. Jeder, außer seinem Niichan.

Der zieht sich wieder etwas zurück und schüttelt den Kopf. Er hat Kazuos Hände immer noch in seinen und drückt sie bei seinen nächsten Worten aufmunternd.

„Nein, musst du nicht. Aber ich weiß manchmal wirklich nicht, ob ich dich noch kenne. Doch das ist egal. So lange du nur du selber bist. Kaz-chan, ich wollte immer nur dein Bestes."

„Auch jetzt, nehme ich an?"

„Auch jetzt."

„Willst du es deshalb nicht? Weil du mir nicht wehtun willst?"

Shredder nickt schweigend.

Kazuo lächelt schmal. Salamitaktik, erinnert er sich. Sehr bald schon wird sein Niichan machen, was er sich von ihm wünscht, er muss nur hartnäckig genug bleiben.

Trotzdem:

„Saki, du bist und bleibst ein Baka."



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