Zum Inhalt der Seite

Crush on you

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Date

Ich war am Abend zuvor noch lange wach gelegen und alle möglichen und unmöglichen Outfits durchgegangen. Doch so recht entscheiden konnte ich mich nicht. Irgendwann war ich vor Erschöpfung doch eingeschlafen. Am nächsten Morgen war ich mehr als froh, dass Samstag war und ich in Ruhe ausschlafen konnte, sonst hätte ich Augenringe bis zum Boden gehabt. Und so wollte ich heute Abend auf keinen Fall aussehen!

Da ich lange geschlafen hatte, war es fast Mittag, bis ich endlich aufstand. Normalerweise drehte ich mich nach dem Aufwachen nochmal um und döste oder las, aber heute war ich viel zu aufgeregt. Zwar waren es noch einige Stunden, bis Sebastian da sein würde, aber das machte es auch nicht besser. Ich ging, noch im Pyjama, in die Küche, um mir erst mal ein Glas Orangensaft zu holen. Da es bald Mittagessen geben würde, verzichtete ich auf das Frühstück. Nachdem ich ausgetrunken hatte, stellte ich das Glas in die Spülmaschine und ging wieder nach oben. „Ciel, da bist du ja!“, wurde ich direkt von Celest begrüßt. „Komm, ich muss dir was zeigen“, sagte er, nahm meine Hand und zog mich in sein Zimmer, das sich neben meinem eigenen befand.

Überrascht schaute ich auf seinen Kleiderschrank, der links von der Tür stand. Dieser war kaum mehr zu erkennen, unter den ganzen Klamotten, die davor hingen. „Ich hab dir schon mal ein paar Outfits für heute Abend zusammen gestellt“, strahlte Celest mich an. Ich hob zweifelnd eine Augenbraue und sagte skeptisch: „Die werde ich bestimmt nicht alle anziehen!“ „Musst du doch auch nicht. Wir schauen die erst mal durch und sortieren aus. Ich hab das Beste aus deinem und meinem Kleiderschrank herausgeholt“, strahlte mein Bruder mich an und ich lächelte leicht. Bei ihm machte es mir nichts aus, wenn er an meinen Schrank ging, oder überhaupt in mein Zimmer, wenn ich noch schlief. Als wir Kinder waren, haben wir fast jede Nacht in einem Bett geschlafen und sogar heute noch, wenn es einem von uns schlecht ging, krochen wir in das Bett des anderen. Wir hatten, selbst für Zwillinge, eine enge Bindung, schon immer gehabt.
 

Celest hielt mir das erste Outfit hin und riss mich damit aus meinen Gedanken. Ich schüttelte nur mit dem Kopf, das ging gar nicht! Ich wusste zwar nicht, wohin es ging, aber eine Stoffhose mit Hemd und Fliege war definitiv zu viel des Guten. Ein anderes Outfit bestand aus einer Jeans mit Löchern und einem Sweatshirt. Das war wiederum zu leger. Letzten Endes entschieden wir uns für eine dunkelblaue Jeans mit ganz dezenten Waschungen und einem hellblauen Hemd. Dazu würde ich schlichte, schwarze Sneaker anziehen. Das war nicht zu förmlich, aber auch nicht zu leger und ich fühlte mich wohl.

Kaum war das entschieden, gab es auch schon Mittagessen. Da ich keine Lust hatte, mich dafür extra anzuziehen, ging ich im Schlafanzug, zusammen mit Celest, nach unten. Da es Samstag war, waren sowieso keine Angestellten im Haus und selbst wenn, hätte es mich nicht gekümmert. Manche kannten uns schon seit unserer Geburt.

Während dem Essen teilten uns unsere Eltern mit, dass sie am Abend ins Theater gehen würden und erst am nächsten Tag wieder nach Hause kämen, da es wohl sehr spät werde und sie nicht mitten in der Nacht durch halb London fahren wollten. Sie würden also in einem Hotel schlafen und ich musste nichts von meinem Date erzählen. Es war nicht so, dass wir so etwas verschwiegen, aber beim ersten Date wollte ich unangenehme Fragen vermeiden. Meine Eltern wussten, dass ich schwul war, ich hatte mein Coming Out mit 14 und sie hatten es lächelnd akzeptiert. Damals war ich total fertig mit den Nerven und aufgelöst, doch Celest hatte mich unterstützt und war dabei gewesen, als ich es unseren Eltern sagte.
 

Nach dem Mittagessen, das sich bei uns oft in die Länge zog, vor allem am Wochenende, wenn wir alle vier Zeit hatten, beschloss ich, mir die Zeit mit Lesen zu vertreiben. Ich war so vertieft in die Geschichte, dass mich mein Wecker, den ich mir vorsorglich auf 18 Uhr gestellt hatte, erst wieder zurück in die Realität holte. 18 Uhr, das bedeutete, ich hatte noch zwei Stunden Zeit, um mich fertig zu machen. Also nahm ich mein bereitgelegtes Outfit und frische Unterwäsche und ging in das gegenüberliegende Bad, das Celest und ich uns teilten.

Im Bad legte ich meine Sachen auf das kleine Holzregal, das neben der großen Dusche stand und nahm mein Handtuch vom Halter, um es vor die Dusche zu legen. Als das Wasser eine angenehme Temperatur hatte, betrat ich die, für eine Person eigentlich viel zu große, ebenerdige Dusche und entspannte mich unter dem warmen Wasser. Gleichzeitig dachte ich über mögliche Gesprächsthemen nach. Smalltalk war noch nie meine Stärke gewesen. Über was sprach man bei einem ersten Date? Hobbys? Hatte ich nicht viele. Hauptsächlich lesen, das klang nun nicht besonders spannend. Da ich fertig mit duschen war, stellte ich das Wasser ab, angelte nach meinem bereitgelegten Handtuch und trocknete mich ab. Danach zog ich mir erst meine Unterwäsche, dann ein dünnes Unterhemd an. Ich mochte Hemden nicht tragen, ohne etwas darunter und abends konnte es durchaus etwas kühl werden. Ich stellte mich vor das Waschbecken und putzte mir die Zähne, für einen frischen Atem. Dann widmete ich mich meinen Haaren. Zuerst kämmen, dann föhnen. Und jetzt? Ich ging in mein Zimmer, um mir meine Augenklappe umzubinden. Ich hasste sie und trug sie zu Hause auch nicht, doch nun war es notwendig.

Während ich überlegte, welche ich nehmen sollte, kam Celest in mein Zimmer und lächelte. „Na, aufgeregt?“ Ich nickte und versuchte die aufsteigende Nervosität zu verdrängen. „Nimm die“, sagte mein Bruder und nahm mir die hässliche, weiße Augenklappe aus der Hand, um sie mir um den Kopf zu binden. Ich wollte eigentlich die schwarze nehmen, diese trug ich bei offiziellen Anlässen, aber oft fühlte ich mich damit wie ein Pirat. Mit hängenden Schultern sah ich Celest nun mit einem Auge an. Er wusste, wie sehr ich das Teil hasste. Ohne Vorwarnung zog er mich in seine Arme und spendete mir damit Trost. „Vergiss das blöde Teil. Sebastian hat dich damit kennengelernt, also wird es ihn bestimmt nicht stören. Komm, ich frisier dich, damit es gar nicht mehr so auffällt.“ Mein Bruder grinste mich an, dann wuschelte er so lange in meinen Haaren und legte einzelne Strähnen zurecht, bis er zufrieden war. Erst dann durfte ich mich im Spiegel betrachten. Er hatte meine Haare so gelegt, dass sie das hässliche, weiße Teil fast vollständig verdeckten. Ich war zufrieden und da nicht mehr viel Zeit blieb, schlüpfte ich in Jeans und Hemd. Wie immer knöpfte ich dieses bis zum letzten Knopf zu, doch Celest öffnete die ersten Knöpfe wieder. „Damit man einen Blick auf deine Schlüsselbeine erhaschen kann“, sagte er mir mit einem Augenzwinkern.

Bevor ich etwas darauf erwidern konnte, klingelte es an der Tür und ich schluckte trocken. Da unsere Eltern schon vor über drei Stunden gegangen waren, öffnete mein Bruder die Tür. Später erzählte er mir, dass Sebastian ihn erst mal ziemlich überrascht und verwirrt angestarrt hatte. Zumal Celest in Jogginghose und lockerem T-Shirt vor ihm stand. „Du musst dann wohl Sebastian sein. Moment, ich hole ihn.“ Damit drehte er sich um und rief nach mir. Ich ging mit geröteten Wangen und klopfendem Herzen nach unten und im Vorbeigehen zwinkerte Celest mir noch einmal zu, wünschte mir viel Spaß und verschwand.
 

An der Tür angekommen, sagte ich schüchtern: „Hi.“ „Hallo“, lächelte Sebastian, „wollen wir?“ Ich nickte, überlegte kurz, ob ich eine Jacke mitnehmen sollte, entschied mich dann aber dagegen. Wir gingen die Straße nach unten und Sebastian verwickelte mich sofort in ein zwangloses Gespräch. Ich war froh, dass er mich nicht auf meine Nachricht ansprach, das wäre einfach zu peinlich gewesen! Verraten, wo hin wir gingen, wollte er mir aber immer noch nicht.

Zehn Minuten später sah ich ihn überrascht an. Der Rummel? War das sein Ernst?! Wollten wir nicht essen gehen? Diese Frage stellte ich laut, da ich wirklich Hunger hatte. Sebastian lächelte: „Keine Sorge, wir gehen essen. Ich kenne einen tollen Stand, das wird dir bestimmt schmecken.“ Sebastian hatte die Idee von seinem Kumpel Claude, da er sich gut vorstellen konnte, dass ich recht wortkarg wäre, würden wir uns an einem Tisch in einem Restaurant gegenüber sitzen. So aber gab es viel zu sehen, die Atmosphäre war lockerer und ich hoffentlich entspannter.
 

Sebastian führte mich zu einem Stand, der Flammkuchen in vielen verschiedenen Varianten anbot. „Isst du Fleisch?“, wurde ich gefragt und nickte überrumpelt. So eine Frage hat mir bisher auch keiner gestellt. Sebastian derweil bestellte vier verschiedene Flammkuchen, bezahlte trotz meines Protests, und wir setzten uns. Neben dem Stand waren Biergarnituren aufgestellt. Wir mussten auch nicht lange warten, dann bekamen wir unsere vier Flammkuchen gebracht und jeder noch eine Cola dazu. Das Essen war einfach nur köstlich und zufrieden grinste ich. Nachdem wir ausgetrunken hatten, stand Sebastian auf. „Komm, das war noch nicht alles.“ Verheißungsvoll leuchteten seine Augen, als wir auch schon nach ein paar Metern vor einem Crêpeswagen standen. Allein der Duft, der zu uns wehte, ließ mir das Wasser im Mund zusammen laufen.

Da Sebastian die Flammkuchen bezahlt hatte, bestand ich darauf, die Crêpes zu zahlen. Wir beiden wählten ihn klassisch mit Nutella. Es schmeckte herrlich und genießend schloss ich mein Auge. So entging mir, wie Sebastian mich sanft anlächelte. Nachdem wir auch unser Dessert verspeist hatten, spazierten wir gemütlich durch die vielen verschiedenen Stände. Das Schweigen zwischen uns empfand ich als sehr angenehm. Auch war ich froh und erleichtert, dass Sebastian mir nicht an diversen Schießständen oder Dosenwerfdingern zeigen musste, wie toll und fähig er ist und mir ein Plüschtier, das ich nie haben wollte, schenkte. Nein, sowas mochte ich nicht und er scheinbar auch nicht.

Wir passierten die verschiedenen Fahrgeschäfte, bis wir an einem Stand mit Schokofrüchten vorbei kamen. Mit leuchtenden Augen sah ich ihn an. Wer konnte da schon widerstehen? Ich liebte nun mal Süßes und ehe ich mich versah, stand ich schon an der Theke und bestellte eine Schokobanene. Sebastian war mir gefolgt und stand leise lachend neben mir. „Solltest du nicht schon längst satt sein?“ Beleidigt blies ich die Backen auf: „Schokolade geht trotzdem noch!“ Nachdem ich bezahlt hatte, gingen wir weiter und unterhielten uns über alles Mögliche. „Hast du Höhenangst?“, fragte Sebastian mich plötzlich aus dem Kontext gerissen und ich sah ihn verwirrt an. „Geht so, warum?“ „Dann lass uns mit dem Riesenrad fahren, da hat man eine tolle Aussicht!“, strahlte er mich an und ich war kurz davor, in diesen schönen, rotbraunen Augen zu versinken.
 

Ehe ich mich versah, saßen wir in einem der leicht schaukelnden Wagons des Riesenrads, das sich sehr langsam in Bewegung setzte. Ich begann meine Schokobanene zu essen und schaute nach draußen. Ganz langsam wurde der Rummel kleiner und umso höher wie fuhren, umso nervöser wurde ich. Meine Frucht war aufgegessen, als wir den höchsten Punkt erreichten und das Riesenrad zum Stehen kam. Ich schluckte und traute mich kaum, nach draußen zu sehen. Bei dieser Höhe hatte ich durchaus Höhenangst! „Ciel, sieh nur, der Ausblick ist atemberaubend!“, ermunterte mich Sebastian, doch einen Blick zu riskieren. Nach kurzem Zögern tat ich es und staunte nicht schlechte. Wir waren wirklich weit oben und hatten nicht nur einen Wahnsinnsausblick über den Rummel, sondern auch über einen guten Teil von London. Den Rest der Fahrt verbrachten wir schweigend, es war sehr angenehm. Mit Sebastian war selbst Schweigen schön.

Als unser Wagon wieder unten ankam, stiegen wir aus und gingen weiter über den Rummel. Es war eine sternenklare Nacht und ein wenig fröstelte es mich. Ich schauderte leicht und prompt fragte Sebastian: „Ist dir kalt?“ Ich nickte und er legte mir einfach seine Strickjacke über die Schultern, die er die ganze Zeit um die Hüfte gebunden hatte. Überrascht sah ich ihn an: „Brauchst du die nicht selbst?“ „Nein, ich finde es sehr angenehm so“, sagte Sebastian lächelnd und ich war mir nicht sicher, ob sich das auf die Temperatur oder den Abend bezog.
 

Irgendwann traten wir doch den Rückweg an, es war schon recht spät und ich wurde müde. Wir unterhielten uns und ich genoss jede Minute. Als wir an meinem zu Hause ankamen, gab ich Sebastian seine Strickjacke wieder und bedankte mich leise. Wir standen vor der Tür und ich wusste nicht, ob ich einfach aufschließen und reingehen sollte, oder ob noch etwas passieren würde. Unsicher spielte ich daher mit meinem Schlüssel. „Es war ein sehr schöner Abend.“ „Das war er“, bestätigt ich atemlos und mit schnell schlagendem Herz. Sebastian schaute mir tief ins Auge und strich eine aschblaue Strähne hinter mein Ohr. Dass er damit meine unschöne Augenbinde etwas mehr freilegte, war mir in diesem Moment egal. Mein Herz pochte heftig in meiner Brust und ich befürchtete, Sebastian könnte es hören. Dann nähert er sich langsam meinem Gesicht und nach einem kurzen, bestätigenden Blick in mein sichtbares Auge legte er seine Lippen sanft auf meine. Mein ganzer Körper begann zu kribbeln und ich schloss mein Auge und erwiderte den Kuss vorsichtig. Sebastian vertiefte ihn noch ein bisschen, ohne seine Zunge einzusetzen. Als wir uns voneinander lösten lächelte ich verträumt und nachdem wir uns verabschiedet hatten, bekam ich noch einen kurzen Kuss, dann ging Sebastian.

Mit stark klopfendem Herzen öffnete ich die Haustür und ging in mein Zimmer, wo Celest mich schon breit grinsend erwartete. Natürlich hatte er gesehen, wie wir zur Tür gingen und nach der Dauer, bis ich in mein Zimmer kam, war der Ausgang des Dates wohl positiv. Und wie er das war!
 

~~~~~~~~~~~~~~~
 

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in London keinen Rummel gibt, aber es passt gut als erstes Date, daher hab ich ihn mir ausgedacht ^-^



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück