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Klassenausflug

von

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Kapitel 1

Gedankenverloren lief Ventus mit seiner Sporttasche über der Schulter durch die Straßen. Es war Samstag und eigentlich wäre er dieses Wochenende wieder zu seinem Bruder gefahren. Aber dieser sollte morgen los auf Klassenfahrt, weswegen es sich nicht lohnte.

So konnte er wenigstens heute ins Dojo. Das Dojo war die Kampfsportschule, in welcher er seit Jahren trainierte. Dort hatte er auch seine einzigen zwei Freunde Terra und Aqua kennengelernt. In seiner Klasse war er eher der Außenseiter, aber im Dojo gehörte er dazu. Sein Vater freute sich zwar, dass er dort solchen Spaß hatte, allerdings waren Aqua und Terra beide fast sieben Jahre älter, was er nicht so toll fand. Er meinte, Ven bräuchte auch ein paar Freunde in seinem Alter. Ven sah das nicht so.

Er bog um eine Ecke und sah das riesige Gebäude vor sich mit der Aufschrift „Dojo“. Die Kampfsportschule war ein großer Komplex mit mehreren Räumen für die verschiedenen Kampfsportarten, aber es gab auch Fitnessräume, Sportanlagen und einen Außenbereich. Angeschlossen war auch ein Hotel. Sein Lehrer hatte die Schule immer weiter vergrößern können und so kamen regelmäßig Schulen mit Klassenfahrten und Sportvereine für Ausflüge bei ihm in die Schule. Deswegen hatte er noch ein kleines Hotel mit angeschlossen.

Ven war samstags selten im Dojo, da er ja alle zwei Wochen zu Roxas fuhr und dieser zu ihm. Aber da er heute sonst nur zu Hause in seinem Zimmer vergammelt wäre, lief er kurzentschlossen los. Aqua und Terra waren auch da.

Er trat durch die Eingangstür und bog in der kleinen Eingangshalle direkt nach rechts zu den Umkleiden ab. Er schmiss sich schnell in seine Trainingsklamotten und ging durch den Flur zu einem Fitnessraum. Durch die Fensterscheibe konnte er Terra sehen, welcher Klimmzüge an einer Reckstange übte, und Aqua, die mit einer Wasserflasche auf einer Bank daneben saß. Ven öffnete die Tür: „Hey Leute.“

Aqua drehte sich um. „Hey, was machst du denn hier?“ Ven grinste sie an. „Ich kann auch wieder gehen.“ Sie lachte und klopfte neben sich auf die Bank. Der Blonde ließ sich darauf fallen und nahm die angebotene Flasche. Terra nickte ihm bloß zu. Sein Gesicht war zusammengekniffen und rot. Er schien schon etwas länger diese Klimmzüge zu machen, die Adern an seinen Armen traten bereits deutlich hervor.

„Übertreibt er es mal wieder?“, fragte Ven und gab Aqua die Flasche nach einem Schluck zurück. „Hast du was anderes erwartet?“ Ven schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich.“ Mit einem ächzenden Geräusch ließ Terra sich fallen. „Du bist doch nur neidisch.“, keuchte er. Zur Antwort zog sich Ven sein T-Shirt hoch. Er hatte sich in den letzten Monaten ein Sixpack antrainiert. Mit einer ausladenden Geste deutete er darauf und zog die Augenbrauen nach oben. Immer noch außer Atem winkte Terra ab und griff nach seiner Trinkflasche. „Ein Sixpack kann doch jeder.“ Aqua verdrehte die Augen.

„Was machst du eigentlich hier? Solltest du nicht zu deinem Bruder?“, fragte Terra. Ven seufzte. „Der fährt morgen auf Klassenfahrt.“ „Oh, wie schön. Wohin denn?“, fragte Aqua. Ven zuckte mit den Achseln. „Wie du weißt das nicht?“ „Die machen an dieser Schule immer die Abschlussfahrt als Überraschungsfahrt. Die Zwölfte und Dreizehnte fährt immer alle zwei Jahre irgendwo hin und die Schüler wissen nicht, wohin es geht. Nur die Eltern. Die Schüler packen ihren Koffer soweit und die Eltern müssen dann das, was fehlt noch selber nachpacken, ohne dass ihre Kinder das sehen dürfen.“ Aqua lachte. „Das ist ja aufregend. Ich wäre ja richtig nervös.“ „Rox spricht auch von nichts anderem mehr.“, Ven verdrehte die Augen, „Es ist schon fast lästig.“

„Aqua, weißt du noch unsere Abschlussfahrt?“, fragte Terra grinsend. Aqua und Terra waren bereits vierundzwanzig und studierten, ihre Schulzeit war schon etwas her. Lachend winkte Aqua ab. „Du hast dich total abgeschossen.“ „Ja…“, hing Terra seinen Gedanken nach.

Die Tür wurde erneut geöffnet und ein schwarzer Haarschopf steckte den Kopf hindurch. „Hallo.“, flötete das Mädchen. „Hey Xion.“, grüßte Ven. Sie trat ein mit einigen Blättern in der Hand. „Was hast du denn da?“, fragte Terra und versuchte einen Blick darauf zu erhaschen. Sie grinste. „Morgen kommt wieder eine Schule und ich soll für Papa die Zimmerverteilung aufhängen.“ Ihr Grinsen wurde etwas fies. „Wollt ihr mitentscheiden, welche Mädchen das kleine Zimmer bekommen?“

„Ja!“, rief Terra aus und riss ihr direkt einen Zettel aus der Hand. „Wie heißen diese Dorfdeppen diesmal?“ Aqua und Ven konnten nur schmunzelnd den Kopf schütteln. Jedes Mal flippte der Braunhaarige völlig aus, wenn Schulklassen ins Hotel kamen. Meist waren es welche aus kleinen Städten, die überhaupt nichts mit der Großstadt anfangen konnten. Diese zog er dann besonders gerne auf. Xion lächelte beschwichtigend. „Sie kommen diesmal nicht aus einem Dorf, sie kommen aus Twilight Town. So deppig können sie nicht sein.“ Ihr Blick wanderte zu Ven, welcher schon neben Terra stand und versuchte, ebenfalls auf den Zettel zu schauen.

Aqua zog die Augenbrauen zusammen. „Wohnt dein Bruder nicht in Twilight Town?“, fragte sie langsam, „Und… fährt er nicht morgen auf Klassenfahrt?“ Der Blonde antwortete gar nicht, er hing förmlich an Terras Arm und wollte mit auf den Zettel gucken. Xion setzte sich neben Aqua und hielt ihr die anderen Zettel so hin, dass sie beide darauf gucken konnten. „Ich hab‘ die Zimmer einfach den Wünschen aus der Anmeldung verteilt. Das hier-“, sie sortierte einen Zettel nach vorne, „ist sein Zimmer.“

Terra und Ven hörten auf sich zu kabbeln und liefen zu den Mädchen. Zu viert schauten sie auf die Namen, Sora und Roxas würden zusammen mit einem Hayner und einem Pence das Zimmer teilen. Terra schaute nun in Ruhe auf seinen Zettel. „Naminé, Kairi, Olette. Die sind nur zu dritt. Die bekommen das kleine Zimmer.“, bestimmte er. Xion stand wieder auf. „Kommt ihr mit, die Zettel aufhängen?“

Zusammen liefen sie in den ersten Stock, in dem die Hotelzimmer waren. Sie waren in einem Viereck angeordnet, man konnte in dem Flur im Kreis laufen. Der Flur selbst war eine Galerie, man konnte von dort auf den Essenraum schauen, die Nordseite war offen zu der großen Trainingshalle. Sie liefen an den Türen vorbei und fingen mit den Mädchen an, sodass die Jungen und Mädchen jeder eine eigene Seite hatte.

Bei der letzten Tür wurde Ven ganz still. Auf diesem Zettel stand der Name von Vanitas. Daran hatte er gar nicht gedacht, aber Roxas hatte ja erzählt, dass die Zwölfte immer mit der Dreizehnten zusammen auf Klassenfahrt fuhr. Es war vier Monate her, vor vier Monaten hatte er das letzte Mal Kontakt mit Vanitas. Es war Silvester gewesen, da hatten sie sich noch ein frohes Neues gewünscht und danach war der Kontakt irgendwie abgebrochen. Vorher hatten sie sich auch schon nicht mehr besonders oft geschrieben. Ven musste an sein einsames „Hey.“ Im Nachrichtenverlauf denken, dass zwar gelesen, aber nicht mehr beantwortet worden war.

„Hey Ven, was ist los?“, fragte Terra und hatte sein Gesicht direkt vor Vens geschoben. Schnell setzte der Blonde ein Lächeln auf. „Nichts, wieso?“, fragte er. Terra schaute zweifelnd. Dann schaute er auf das Namensschild. Er klopfte mit dem Fingerknöchel auf dieses und sah seinen besten Freund nun skeptisch an. „Das-“, wieder klopfte er gegen das Schild, „Das ist doch nicht der Vanitas?“ Ven zuckte mit den Schulten. „Und wenn schon.“, lächelte er weiter. Der Braunhaarige schnaubte, sagte aber nichts weiter.

Der Blonde wusste ganz genau, dass da noch etwas kommen würde. Terra war nicht ohne Grund sein bester Freund. „Warum wusstest du eigentlich nicht, dass dein Bruder herkommt?“, fragte Xion nun aus heiterem Himmel. Ven war ganz froh über den Themenwechsel. „Bei denen ist die Abschlussfahrt immer Überraschung. Er weiß selbst gar nicht, dass er morgen hierherkommt.“, grinste er. Die Schwarzhaarige lachte. „Das sind ja komische Methoden. Dann wissen die ja gar nicht, dass sie hier Sport machen müssen.“ Ven lachte. „Und Roxas ist so schlecht in Sport.“

„Lasst uns doch morgen herkommen und uns das Schauspiel angucken.“, schlug Aqua vor. Ven nickte. Sein Bruder würde Augen machen, wenn er ihn sah. Terra grinste zweideutig. „Dann können wir schon mal die Mädels abchecken.“, sagte er und lief gleich zwei Schritte weg, um Aquas Hand auszuweichen. „Du lässt schön die Finger von denen. Die sind viel zu jung für dich.“, schimpfte sie und versuchte im eine Schelle auf den Hinterkopf zu geben. „Man wird ja noch mal gucken dürfen. Die Mädels stehen bestimmt auf diese Prachtexemplare.“ Zum Beweis spannte er seine Arme an und stellte sich in lächerliche Bodybuilderposen. Xion musste lachen, genauso wie Aqua. Auch Ven konnte nicht anders als zu grinsen. Terra mochte für sein Alter vielleicht albern sein, aber trainiert er war, da konnte keiner was gegen sagen.

„Ich soll morgen Papa sowieso helfen, die Zimmer einweisen und für Fragen da sein. Es sind zu viele krank.“, sagte Xion. Es war nicht immer von Vorteil, wenn der Vater der Chef der Anlage war. Zwar konnte sie auf eine sehr gute Privatschule gehen, das hatte aber auch aktuell den Nachteil, dass ihre Ferien anders langen, als bei den öffentlichen Schulen und so hatten alle noch Unterricht und sie schon Ferien. Sie würde wohl die ganze Woche im Dojo aushelfen müssen.

„Keine Sorge, wir unterstützen dich morgen.“ Die Schwarzhaarige fiel Ven um den Hals. „Danke, Veni.“ „Kein Ding.“ Er klopfte ihr etwas unbeholfen auf den Rücken. „Erzählst du Roxas eigentlich von seinem Glück, die ganze Woche Sport machen zu dürfen?“, grinste Terra. Ven lachte. „Nein, dann wäre die Überraschung ja hin.“

 

-~*+*~-

 

Hallo und herzlich Willkommen zur Fortsetzung von „Inselausflug“

Ich hoffe, alte und neue Gesichter zu sehen. Ich versuche auch, die Kapitel diesmal länger zu gestalten =)

Kapitel 2

Ven hatte seine große Sporttasche gepackt und war schon deutlich vor der Zeit auf dem Weg ins Dojo. Nachdem der Meister gestern noch mitbekommen hatte, dass sie heute vorbeikommen wollten, hatte er sie gebeten, doch ihre volle Trainingsmontur anzuziehen, um einen guten Eindruck zu vermitteln. Vor dem Dojo warteten bereits Terra und Aqua. Sie begrüßten sich kurz und gingen dann direkt zu den Umkleiden.

Terra zog sich eine weite Stoffhose an und ein enges Muskelshirt, Ven trug ebenfalls ein enges Muskelshirt dazu aber eine seiner üblichen Dreiviertelhosen. Beide blieben barfuß und gingen mit einigen Bandagenrollen und ihren Trinkflaschen in den Hauptraum. Aqua wartete bereits. Sie trug eine Radlerhose und ein Top und war ebenfalls barfuß. Zusammen setzten sie sich auf eine Bank und fingen an, ihre Füße mit den Bandagen zu umwickeln.

„Wo ist eigentlich Xion?“, fragte Ven, als er fertig war. „Die rennt hier geschäftig hin und her. Sie will alles richtig machen.“, sagte Xion und bandagierte nun ihre Hände. Terra und Ven beließen es bei den Füßen. Sie wollten noch mit den Kendostöcken üben und da waren bandagierte Hände eher hinderlich. Die Halle war leer außer ihn dreien. „Wann kommen die eigentlich an?“, fragte Terra ungeduldig. Ven antwortete: „Roxas hat mir vor einer Stunde geschrieben, dass sie wohl die letzte Pause machen. Da waren sie bestimmt schon sieben Stunden unterwegs.“ „Dann kommen sie bald an. Dann siehst du ja deine heißen Mädels.“, ärgerte Aqua ihn. Terra winkte ab. „Ach, darum geht es doch gar nicht.“ Er stand auf und schritt auf die Musikanlage zu, die in einer Ecke stand. „Worum denn dann?“, fragte die Blauhaarige. Doch Terra winkte wieder ab und gab keine Antwort.

Ven beschlich ein leicht ungutes Gefühl. Terra hatte gestern schon mürrisch auf Vanitas‘ Erwähnung reagiert. Nach den Sommerferien hatte Ven seinen beiden besten Freunden alles von dem Schwarzhaarigen erzählt. Sie hatten sogar das ein oder andere Foto gesehen. Er war verliebt gewesen, so richtig verknallt wie ein kleines Mädchen. Er hatte auch jeden Tag mit Vanitas geschrieben und war sogar an eigenen nicht Bruderwochenenden nach Twilight Town gefahren, um Vanitas extra zu besuchen. Einmal war Vanitas auch zu ihm gefahren. Eigentlich hatten sie immer eine schöne Zeit zusammen gehabt. Doch irgendwann hatte Vanitas‘ Vater angefangen, ihren Treffen ab und an zu untersagen, da der Schwarzhaarige für sein Abitur lernen sollte. Er war halt wie Vens Vater sehr streng.

Auch Vens Vater hatte mal ein Treffen verboten. In der Zeit hatten sie nur noch Nachrichten geschrieben und Videogechattet. Doch auch das war dann weniger geworden. In der Zeit begann er auch so etwas wie Liebeskummer zu entwickeln. Terra hatte es natürlich sofort gemerkt, genauso wie Aqua. Während Aqua ihm aber einfach Zeit gab, versuchte Terra ihn abzulenken und Vanitas schlecht zu machen. Darauf war Ven bis heute schlecht zu sprechen. Zwar hatte Ven in dieser Zeit angefangen, mehr zu trainieren, sodass er nun ein Sixpack hatte und auch seine Armmuskeln deutlich definierter, aber seelisch hatte es ihn doch sehr mitgenommen. Der Tiefpunkt kam dann im Januar, als Vanitas auf seine Nachricht nicht mehr antwortete. Davor hatten sie nur noch „Hallo, wie geht’s?“ „Gut, was machst du so?“ „Lernen, gleich noch mal los oder so.“ geschrieben, aber daran hatte sich der Blonde irgendwie geklammert und sich über jede Nachricht gefreut. Als er dann das Gelesen-Zeichen gesehen hatte, hatte er sich erst eingeredet, bestimmt würde er noch antworten, er hätte bestimmt nur aktuell keine Zeit. Doch eine Antwort kam nie. Ven hatte Nächte lang geweint.

Inzwischen war er ziemlich darüber hinweg, aber der Blonde hatte da trotzdem noch irgendwie Gefühle. Terra konnte das gar nicht verstehen, Aqua schon. Sie hatte ihm zugehört und ihn sich einfach ausheulen lassen, während Terra anfing, gegen Vanitas zu hetzen, dass Ven viel zu gut für ihn war und dass er was Besseres verdient hatte und er sich eine Freundin oder Freund in der Nähe suchen sollte. Das war natürlich auch nicht hilfreich, besonders wenn man noch verliebt war.

Ven hatte letzte Nacht noch sehr lange wach gelegen. Er würde Vanitas zwangsläufig über den Weg laufen. Vielleicht nicht unbedingt heute, aber spätestens am Montag, wenn er ganz normal Kurs hatte. Wenn er es sich eingestand war die Chance, ihn heute nicht zu treffen verschwindend gering.

 

Eine halbe Stunde später lang Ven auf dem Hallenboden und hörte der lauten Musik zu, die Terra angeschaltet hatte. Aqua war zu Xion verschwunden, um sie etwas zu beruhigen. Die Jungs warteten. Es war langweilig. Der Blonde fing schon an einzudösen, als ihm etwas auf den Bauch geworfen wurde. Er öffnete die Augen und sah einen Kendostock auf sich liegen. Er legte den Kopf in den Nacken und sah Terra an der Musikanlage, die er noch etwas lauter drehte.

Er nahm den Stock und stand auf. „Wir haben die ganze Halle für uns.“, grinste Terra. Ven grinste zurück und sah sich um. Hinter ihm war die Eingangstür, darüber im ersten Stock die Galerie. Ihm gegenüber war ein fünf Meter langer Schwebebalken mit weichen Fallmatten darunter. Rechts davon waren Matten auf dem Boden verteilt. Links war ein Boxring. Der Blonde wusste, was nun folgen würde. Sie würden sich mit den Stöcken taktieren und dabei alles nutzen, was ihnen zur Verfügung stand. Die laute Musik sorgte dabei für die richtige Stimmung und einen Takt. Das konnten sie nur machen, wenn keiner da war, ihr Meister sah es nicht gern, wenn sie die anderen störten.

Ven stellte sich in eine lockere Pose und zeigte mit dem Stock auf seinen besten Freund. „Ladys first.“, grinste er, worauf Terra seinen Stock mit beiden Händen fest umfasste und auf ihn zustürmte.

 

Roxas saß im Bus neben Sora und zusammen starrten sie wie die letzten Touristen aus dem Fenster. Sie hatten das Ortsschild von Radiant Garden, der Hauptstadt, bereits vor einiger Zeit passiert. Sora war noch nie hier gewesen, was Roxas müde lächeln ließ. Schließlich kam er seit Jahren einmal im Monat hier her. Sein Bruder hatte ihm schon so einige coole Ecken gezeigt. Ven mochte vielleicht schüchtern sein, aber er war Hauptstädter und die tickten nun mal anders als die Kleinstädter. Inzwischen waren sie sogar in dem Stadtteil angekommen, in dem sein Vater lebte. Viele Straßen kamen ihm bekannt vor.

Ihre Clique saß ihm Bus zusammen, er war für etwas über fünfzig Personen, sodass die zwei Klassen sich den Bus teilen konnten. Roxas und Sora saßen von der Clique vorne, sodass der Blonde sich umdrehte und sagte: „Mein Vater wohnt hier in der Nähe.“ Er bekam interessierte „Echt?“ „Cool.“ „Hausparty!!!“ zurück.

Der Bus fuhr auf einen Parkplatz und einer der Lehrer sagte durch das Mikrofon: „So. Wir sind da. Bevor ihr jetzt alle rausstürmt. Dies ist eine Sportschule. Wir werden die nächsten anderthalb Wochen hier verbringen und viel für unseren Geist und Körper tun. Ihr nehmt draußen bitte gleich jeder seinen Koffer und wartet hier auf dem Parkplatz.“ Damit gingen die Türen auf und die Schülermasse floss nach draußen.

Es dauerte etwa zwanzig Minuten, bis sich alle wieder beruhigt hatten, sie sich die Beine etwas vertreten hatten und nun erwartend in Grüppchen auf dem Parkplatz standen und auf das große Gebäude schauten. Ein schwarzhaariges Mädchen in ihrem Alter kam aus der doppeltflügeligen Tür geschritten, ging zu ihrem Lehrer und sagte etwas zu ihm. Danach verschwand sie wieder nach drinnen.

„Schüler! Kommt mit nach drinnen!“, rief er und ging vor. Die Klassen folgten ihm und die anderen Lehrer bildeten die Nachhut, damit niemand zurückblieb.

Sie gingen durch einen kurzen, breiten Flur und fanden sich dann in einem Essensaal wieder. An der Stirnseite stand das schwarzhaarige Mädchen auf einem Stuhl, neben ihr eine junge Frau mit blauen Haaren. Sie warteten, bis alle drinnen waren, dann fing die Schwarzhaarige an zu reden. „Hallo~.“, flötete sie, „Ich bin Xion, meinem Vater gehört diese Schule. Dies hier-“, sie deutete in die Runde, „ist der Speisesaal, hier gibt es Frühstück, Mittag und Abendbrot. Eure Zimmer befinden sich oben.“ Sie deutete nach oben und alle folgten dem Zeig, sie konnten die Galerie sehen und Türen. „Ihr könnt sie nachher über diese zwei Treppen erreichen.“ Sie zeigte links und rechts hinter sich auf zwei Treppen. „An den Türen hängen Schilder mit euren Namen drauf. Ihr bringt jetzt gleich eure Sachen nach oben und könnt euch schon etwas einrichten. In anderthalb Stunden, also halb vier, gibt es dann Kaffee und Kuchen zur Stärkung, wieder hier.“ Sie klatsche in die Hände. „Dann bis nachher.“

Sie sprang von dem Stuhl hinunter. Das war das Zeichen zum Aufbruch, die ersten strömten bereits zu den Treppen. Roxas blieb erstmal auf der Stelle stehen, er wollte die erste Flut abwarten und sah sich wieder um. Er hörte, wie die Musik, die erst gar nicht wahrgenommen hatte, lauter gedreht wurde. Er hörte wie die Schwarzhaarige, Xion, zu der Blauhaarigen sagte: „Oh nein, die machen doch nicht-“ und die andere „Oh doch, genau das.“ Wer auch immer die waren. Roxas kam nicht umhin, das Gefühl zu haben, schon mal hier vorbeigelaufen zu sein.

„Roxas, wo bleibst du denn? Wir haben ein Zimmer zusammen.“, rief Sora von oben herunter. Er zeigte an, ihn gehört zu haben und ging nach oben. An der Tür, vor der Sora hampelnd wartete, hing ein weißer Din-A-4-Zettel mit vier Namen. Hayner und Pence würden auch mit hier schlafen. Sie gingen in das Zimmer. Es befanden sich zwei Schränke und zwei Etagenbetten. Sora sprang auf ein oberes Bett und klatschte mit Hayner ein, der das andere obere Bett beschlagnahmt hatte.

Roxas stellte seinen Koffer auf seinem Bett ab und öffnete ihn. Ganz oben auf langen verschiedene Sportklamotten. Die musste seine Mutter eingepackt haben. Oh Gott, er würde Sport machen müssen, die ganze Zeit.

Sie packten ihre Koffer aus und gingen dann wieder aus dem Zimmer. Axel stand mit einigen aus seiner Klasse am dem Geländer, wo die Musik herkam. Roxas ging zu ihnen und folgte ihrem Blick. Unter ihm erstreckte sich eine große Halle. Jemand hatte dort die Musik sehr laut aufgedreht und zwei Personen standen auf einem Schwebebalken und schlugen mit Holzstöcken nach einander. Der eine war sehr groß, hatte dunkle Haare und sehr ausgeprägte Armmuskeln. Der andere war deutlich kleiner, war blond und… sein Bruder.

Roxas schlug sich innerlich auf die Stirn. Natürlich war er schon mal hier gewesen, zwar nicht drinnen, aber Ven hatte ihm seine Kampfsportschule mal gezeigt. Der Braunhaarige musste dann Vens bester Freund Terra sein.

Dieser stand breitbeinig auf dem Balken und hatte seinen Stock in der rechten Hand weit vor sich ausgestreckt. Ven hielt seinen Stock ebenfalls mit der rechten, allerdings irgendwie verkehrt herum und konnte sich nur verteidigen. Als er am Ende des Balkens nicht weiter zurückweichen konnte, sprang er mit einem Salto herunter und lief einige Schritte, Terra war ihm auf den Fersen.

Die Musik wurde plötzlich leise gedreht und Xion trat mit der Blauhaarigen in die Halle. Sie wechselten ein paar Worte und die beiden Jungs legten die Stöcke beiseite. Sie gingen zu einer Bank, wo Wasserflaschen standen. Terra wischte sich das Gesicht mit einem Handtuch ab, Ven zog sich sein Shirt hoch und wischte sich das Gesicht damit ab. Dabei konnten sie oben auf der Galerie deutlich sehen, dass dieser ein Sixpack hatte. Davon hatte Roxas gar nichts gewusst.

Axel stieß ihn mit dem Ellbogen an. „Warum hast du nicht so einen Body?“ Sprachlos plusterte der Blonde die Wangen auf. Da lachte Axel aber auch schon los und zog ihn halb in eine Umarmung. Roxas sah an seinem Freund vorbei und konnte etwas entfernt Vanitas sehen. Er stand etwas vom Geländer entfernt mit den Händen in den Hosentaschen und sah mit undefinierbaren Blick in die Halle hinunter.

 

Kapitel 3

Ven stand auf dem Schwebebalken, seinen Kendostock in Verteidigungshaltung und parierte die Schläge von Terra. Dieser trat mit jedem Schlag einen Schritt vor und Ven einen zurück. Dann spürte der Blonde unter seine Ferse keinen Widerstand mehr. Schnell drehte er sich zur Seite und sprang mit einem Salto auf die Matte. Er landete auf den Füßen und machte zwei Schritte vorwärts, dabei sah er über die Schulter. Terra sprang mit angewinkelten Knien hinterher. Schnell drehte Ven sich wieder nach vorne und setzte zu einem Sprint an, als er aus dem Augenwinkel Aqua an der Musikanlage sah. Sie drehte die Lautstärke herunter und kam dann mit Xion in ihre Richtung.

„Wie laut wollt ihr die Musik denn noch machen?“, fragte die Blauhaarige. Terra lachte und nahm von Ven den Kendostock entgegen. Er stellte sie in die Halterung zurück und folgte dem Blonden dann zu der Bank, wo ihre Trinkflaschen standen. „Ist doch eh keiner da.“, sagte Terra und wischte sich mit einem Handtuch über das Gesicht. Neidisch schaute Ven ihm dabei zu. Er hatte sein Handtuch vergessen. Also wischte er sich das Gesicht schnell mit seinem eigenen Shirt ab.

„Hab‘ ich dich so aufgeheizt, dass du dich ausziehen musst?“, grinste Terra mit der Wasserflasche am Mund. Schockiert riss der Blonde die Augen auf und schlug ihm gegen die Brust. Terra verschluckte sich und musste gleichzeitig lachen und husten. „Er versucht doch nur, die Mädels vor dir aufzureißen.“, grinste Xion. Die beiden Jungen schauten sie fragend an und sie deutete unauffällig auf die Galerie. Sie schauten nach oben und sahen mehrere Personen am Geländer stehen.

Ven erkannte seinen Bruder sofort. Zaghaft hob er die Hand und winkte kurz. „Ist das dein Bruder?“, fragte Xion, „Welcher denn?“ Terra grinste schief. „Der Große mit den roten Haaren.“ Verblüfft drehte die Schwarzhaarige sich um. „Ich dachte, du wärst ein Zwilling?“ Terras Grinsen wurde breiter. Sie schaute irritiert wieder auf die Galerie und sah einen blonden Jungen neben dem Rothaarigen zurückwinken. „Hä?“, machte sie intelligent, „Müsste das nicht dein Bruder sein?“ Ven lächelte leicht, als Terra versuchte, sein breites Grinsen hinter der Flasche zu verstecken. Aqua war diejenige, die sich erbarmte. „Ja, Xion. Der Blonde ist sein Bruder und sie sind Zwillinge. Terra hat nur wieder seinen lustigen heute.“

Ven trank seine Flasche zur Hälfte aus, während Xion sich mit Terra kabbelte. Dann sagte er zu Aqua: „Ich geh mal Hallo sagen.“ Mit der Flasche in der Hand schritt er Richtung Ausgang. Dabei schaute er hinauf zu seinem Bruder, zeigte erst auf sich und dann nach oben. Roxas nickte. Schnell ging Ven zur Treppe und übersprang beim Hinaufsteigen jede zweite Stufe.

Oben befand sich neben Roxas und Axel auch noch Sora und ein paar Jungs, die er nicht kannte. „Hey.“, grüßte er und schloss seinen Bruder kurz in die Arme. „Ven! Wir sind hier! Bei dir!“, rief Roxas fröhlich aus. Ven grinste nur müde. „Offensichtlich.“ „Hast du das gewusst?“ Ven nickte. „Ich habe die Schilder mit an die Türen gehängt.“ „Warum hast du mir nichts erzählt?“ „Wäre es dann noch eine Überraschung gewesen?“ Roxas schüttelte den Kopf. „Deswegen hast du so oft nachgefragt, wo wir sind und das alles?“, fragte er. Nun musste Ven etwas grinsen. „Ja. Wir mussten doch abpassen, wann ihr ankommt, damit wir schon da sind.“

Nun begann Roxas zu erzählen, wie die Busfahrt war. Ven schaute sich auf der Galerie um. Es wuselten einige Personen über die Gänge. Er erkannte lediglich einen großen Jungen mit blonden Haaren. Den Namen hatte er allerdings vergessen. Er kam auf sie zu. „Axel. Kommst du? Zexion ist mit der Bettaufteilung nicht einverstanden.“ Axel stieß sich vom Geländer ab und ging mit einem kurzen Gruß. Die anderen in ihrer Nähe waren auch verschwunden. So waren die beiden Brüder alleine.

„Suchst du wen?“, fragte Roxas plötzlich. Langsam schüttelte Ven den Kopf. „Nein.“ Roxas stützte sich am Geländer auf und schaute seinen Bruder energisch an. „Doch, du schaust dich immer um.“ „Ich werde ja wohl gucken dürfen.“ Roxas zuckte mit den Schultern. „Klar… aber du suchst doch jemanden.“ Ven schaute nun auf den Boden. Er wusste genau, wen Roxas mit jemanden meinte. Sein Bruder sah ihn abwartend an, aber Ven drehte lediglich die Flasche in seinen Händen und sah zu Boden. Also machte Roxas Nägel mit Köpfen. „Du guckst doch, ob du Vanitas siehst.“ Schnell schüttelte Ven den Kopf. „Gar nicht.“ Aber er wusste, dass sein Bruder ihm nicht glauben würde.

Deswegen hob er auch gar nicht den Kopf, um zu sehen, wie sein Bruder reagierte. „Hey, hör mal.“, sagte Roxas, „Mir ist das egal, auf wen du stehst, aber du solltest nicht an Vanitas festhalten. Wie lange habt ihr jetzt nicht mehr geschrieben? Fünf Monate?“ „Vier.“, korrigierte Ven ganz automatisch. „Du zählst ja sogar noch die Tage.“ Ven zuckte mit den Schultern. „Du klingst wie Terra. Es reicht, wenn einer so redet.“ „Aber ich bin dein Bruder, ich will doch nur dein Bestes.“ „Und Terra ist mein bester Freund und will auch nur mein Bestes. Das ist meine Sache.“ „Ich kann doch nicht zusehen, wie du dich kaputt machst.“ „Ich mach mich nicht kaputt. Lass mich doch.“ Ven lief einige Schritte Richtung Treppe, dann drehte er sich aber noch einmal um. „Wir sehen uns morgen, ich habe Kurs.“

Ven ging schnell die Treppe hinunter und direkt in die Umkleiden. Er wollte nicht über sein Liebesleben reden, mit niemanden. Alle sagten ihm, dass er aufhören sollte. Aber man konnte genauso sagen, hör doch einfach auf dich vor Spinnen zu fürchten. Es war ja nicht so, dass er nicht selber auch schon gedachte hatte, dass es dumm war, immer noch Gefühle für Vanitas zu hegen. Aber er konnte irgendwie nicht anders. Er hatte sogar bewusst andere Jungs abgecheckt, aber immer hatte er sie sofort mit dem Schwarzhaarigen verglichen. Es kam ganz automatisch. In seinen Nachrichtenverlauf schaute er auch nicht mehr, er hatte ja keine Antwort bekommen und wenn er eine hätte, hätte sein Handy ihn darauf aufmerksam gemacht. Aber trotzdem… trotzdem war dieses einsame „Hey.“ Immer präsent, trotzdem dachte er ständig an ihn. Vanitas war anhänglich gewesen, liebevoll. Ihre Beziehung war von Anfang an überwiegend körperlich, aber er hatte sich geborgen gefühlt, geliebt und begehrt. Und das, obwohl er so schüchtern und unnahbar war normalerweise. Er würde sich auch heute niemals trauen, jemanden anzusprechen. Terra sagte ihm öfter, dass er doch ganz gut aussah und es bestimmt den einen oder anderen Typen gab, der ihn interessant fand. Aber sein Herz meinte dennoch, nö, wir bleiben bei Vanitas. Ven hatte für sich festgestellt, dass er dunkle Haare bevorzugte. Was dafür sorgte, dass er wieder alle mit Vanitas verglich. Ein Teufelskreis.

In der Umkleide setzte er sich auf eine Bank und wickelte die Bandagen von seinen Füßen. Roxas regte ihn auf. Er freute sich, seinen Bruder jetzt öfter sehen zu können, aber dass er gleich mit Vanitas anfing. Nur weil er sich umgesehen hatte, wer da alles die nächste Woche durch das Dojo laufen würde. Er mochte sich selbst nicht eingestehen, dass er wirklich nach dem Schwarzhaarigen Ausschau gehalten hatte, aber er hatte ihn nicht gesehen. Es ärgerte ihn etwas. Er hatte die letzten Monate wirklich hart trainiert. Seine Arm- und Beinmuskeln waren definiert, er hatte natürlich nicht die Muskelberge wie Terra, dafür war er gar nicht der Typ, aber man konnte deutlich sehen, dass er im Training war. Und er hatte ein Sixpack, wer konnte das schon von sich behaupten?  Er hätte Vanitas gerne unter die Nase gerieben, was ihm entging.

Zu seiner Schande musste er sich eingestehen, dass sofort wieder mit Vanitas eine Beziehung führen würde, wenn dieser ankäme. Dafür hasste er sich. Er hatte einfach kein Rückgrat. Wütend warf er die Bandagen in seine Tasche, ohne sie aufzuwickeln. Morgen würde er sich ärgern, aber er hatte dazu keine Nerven mehr. Er zog seine Sportsachen aus und seine Straßenklamotten wieder an. Als Ven seine Tasche schulterte, überlegte er noch kurz, ob er sich bei seinen Freunden verabschieden sollte. Aber dann müsste er wieder in die Halle gehen und dann traf er vielleicht wieder seinen Bruder oder, noch schlimmer, auf Vanitas. So ging er lieber gleich nach Hause.

Er schritt aus der Umkleide und trat durch die kleine Eingangshalle. Ven blieb stehen, sein Herz machte einen Hüpfer. Hatte er jetzt Glück und einfach unsagbar riesiges Pech? In der Eingangshalle gab es einen kleinen Beistelltisch mit Prospekten und einigen Stühlen und genau auf diesen Stühlen saßen Vanitas und ein paar andere, die er nicht kannte. Okay, Ven, sagte er sich, du gehst jetzt einfach an ihm vorbei. Er straffte die Schultern und ging zügig durch die Halle. Sie war nur fünf Meter lang, da konnte dieser Gang nur einige Sekunden dauern. Aber das Schicksal sagte, dass er Pech haben sollte. Einer der Jungen, ein großer Typ mit langen, rosafarbenen Haaren, sprach ihn an.

„Hey, du warst doch vorhin in der Halle am Kämpfen.“, sagte der Typ. Ven blieb stehen. „Ja, und?“, antwortete der Blonde. Er war über sich selbst erstaunt, wie aggressiv es klang. Seine angestaute Wut musste größer sein, als er gedacht hatte. Er warf einen kurzen Blick auf Vanitas, aber dieser beobachtete die Situation ziemlich ausdruckslos. „Wir haben das gesehen. Das sah echt cool aus. Vanitas meinte, du bist der Bruder von Roxas.“, sagte er Rosahaarige weiter. Ven nickte. Vanitas hatte ihn also doch gesehen und sich verzogen, bevor Ven nach oben gegangen war. „Ja, Roxas ist mein Bruder.“, schloss er noch an. Der Typ nickte verstehend und die anderen machten ebenfalls anerkennende Kommentare über seinen Kampfstil. Ven bedankte sich und ging dann nach draußen.

Er musste sich anhalten, nicht schneller zu werden. Langsam, Ven, langsam, du bist nicht auf der Flucht. Das hier ist deine Stadt, dein Territorium. Er würde sich jetzt nicht die Blöße geben und weghechten, dass die anderen Gott weiß war denken würden. Als er um die Ecke war, atmete er tief aus. Er hatte es geschafft. Vanitas hatte ihn also gesehen. Ein Lächeln flog um seine Lippen, er hatte ihn gesehen. Er hatte gesehen, was er draufhatte. Ven wusste zwar nicht, wie lange Vanitas zugesehen hatte, aber die anderen hatten es cool gefunden, also war es wohl schon etwas länger gewesen. Vielleicht hatte er sogar sein Sixpack gesehen. Er hatte sich eigentlich gar nichts dabei gedacht, als er sich das Gesicht mit seinem Shirt abgewischt hatte. Jetzt fand er die Aktion gar nicht mehr so schlecht. Mit wieder deutlich besserer Laune lief er nach Hause.

 

Kapitel 4

Roxas stand mit seiner Gruppe in einem kleinen Trainingsraum und übte eine Art Yoga. Es war Montagnachmittag. Gestern waren sie angekommen und waren in Gruppen aufgeteilt worden. Ob da irgendwelche Kriterien wichtig gewesen waren, wusste er nicht. Er wusste bloß, dass Mädchen und Jungen getrennt waren und jede Gruppe etwa zehn Mann groß war. Leider hatte Roxas bei der Verteilung Pech gehabt. Er war, abgesehen von Hayner, nur mit Jungs aus der Dreizehnten in einer Gruppe gelandet. Axel und Riku waren auch in der Dreizehnten, aber sie waren in einer anderen Gruppe. Er war mit Vanitas und seinen Freunden zusammen. Hayner konnte sie genauso wenig leiden wie er, was sie beide schnell zu Trainingspartnern gemacht hatte.

Sie hatten seit heute Morgen Selbstverteidigungsübungen gemacht und nun verrenkten sie sich zu komischen Figuren. Xion war seit heute Nachmittag ihre Übungsleiterin. Sie stand in einer Yogahose und Top vor ihnen und machte die Übungen vor. Dabei konnte Roxas sehen, wie einige der Jungs ihr deutlich öfter auf den Hintern starrten, als es Not tat. Er fand das peinlich, er schämte sich richtig fremd. Ob Xion das mitbekam, konnte er nicht sagen, wenn doch war sie wirklich gut darin, es sich nicht anmerken zu lassen.

Nun sollten sie in Schrittstellung gehen, das linke Bein vorne, und die rechte Ferse gen Boden drücken. Es zog ordentlich in rechten Wade. Hayner stöhnte etwas und Xion grinste. „Nicht nachlassen, Hayner. Das muss so ziehen. Ihr müsst die Muskeln dehnen, damit ihr morgen keinen Muskelkater habt.“ „Ja-ja.“, seufzte er nur.

Da hörten sie ein lautes Klirren, als hätte jemand ein ganzes Tablett Gläser fallen gelassen. Sie alle lösten sich aus ihrer Stellung und auch Xion drehte sich verwundert Richtung Flur um.

 

Ven lief durch den Flur zu dem Trainingsraum, in dem er montags immer seinen Kurs hatte. Er kam drei Mal die Woche her: montags waren immer Nahkampftechnik dran, mittwochs Kendo und samstags war es unterschiedlich. Aqua kam ihm entgegen. „Wir haben heute keinen Trainer.“ Ven blieb vor ihr stehen. „Wieso denn?“ „Xion sagte ja schon, dass so viele krank sind. Es werden alle für die Urlauber gebraucht.“ Ven nickte verstehend. „Was machen wir denn dann?“ Aqua zuckte mit den Schultern. „Kannst du dir aussuchen. Terra ist wieder im Fitnessraum. Ich geh in die Halle, Meister Eraqus helfen.“ Damit verschwand die Blauhaarige auch schon wieder.

Ven entschied sich, zu Terra zu gehen. Aqua schien es ihm schon mal nicht krumm zu nehmen, dass er gestern einfach verschwunden war. Der Blonde lief zum Fitnessraum und sah Terra auf einer Matte Liegestützen machen. „Na.“, grüßte er und dehnte etwas seine Arme und Schultern. Der Dunkelhaarige sah auf und grüßte zurück. „Na.“, dann setzte er sich hin, „hast schon gehört, dass wir heute keine Stunde haben?“ Ven nickte. „Wir können ja ein paar Gewichte stemmen oder so.“, schlug er vor.

So verbrachten sie eine Viertelstunde schweigend, Terra machte weiter seine Liegestütze und Ven übte sich an Klimmzügen. Der Dunkelhaarige setzte sich auf eine Bank und nahm einige Schlucke aus seiner Flasche. „Du bist gestern ganz schön schnell verschwunden.“, stellte er fest. Ven ließ die Stange los. „Ich habe mich mit Roxas gestritten.“ Fragend sah Terra ihn an. „Naja, es war eher eine Meinungsverschiedenheit.“ „Worum ging es denn?“ „Ach.“, winkte der Blonde ab, „Nichts Wichtiges. Ich wollte nur Roxas nicht noch mal über den Weg laufen.“

Der Dunkelhaarige wollte etwas erwidern, wurde aber abgelenkt. Er winkte durch die Fensterscheibe zum Flur jemanden zu. Ven drehte sich um und sah einen großen Typen mit schwarzen Haaren. „Zack.“, murmelte Ven und winkte ebenfalls. Der Schwarzhaarige winkte wild zurück und strahlte ihn an. Ven konnte nicht anders, als zurückzulächeln. Zacks Grinsen war immer ansteckend. Da war der Schwarzhaarige auch schon vorbeigelaufen.

Terra grinste Ven zweideutig an. „Was denn?“, fragte der Blonde. „Zack freut sich immer ganz besonders, wenn er dich sieht.“ Ven zog die Augenbrauen zusammen. „Quatsch, der ist immer so.“ „Ja, immer bei dir.“ „Der ist doch auch bei anderen so.“ Terra schüttelte den Kopf. „Wenn du ihn mal nach einem Date fragen würdest, würde er bestimmt nicht nein sagen.“ Ven schnaubte. „Ich brauche keine Dates.“ Er spürte schon, wie sich sein Geduldsfaden spannte. „Du brauchst ganz dringend ein Date.“ Der Blonde schaltete auf Durchzug und übte wieder Klimmzüge. „Du brauchst jetzt auch gar nicht so tun, als ob es dich nicht interessiert. Ich weiß, dass es dich stört. Und weißt du, was mich stört? Dass du wie ein Trauerkloß rumrennst, obwohl du jemanden direkt vor der Nase hast, der nur darauf wartet, dass du aus deinem Liebeskummer rauskommst.“

Mit harten Aufschlag ließ Ven sich von der Stange fallen und sah Terra aggressiv an. „Und das sagst ausgerechnet du?“ „Ja, ich.“ „Du, der jedes Wochenende eine andere abschleppt und schon zig-duzende Frauen in seinem Bett hatte?“ Terra stand auf und stellte sich vor seinen Freund. „Wetten, du bist gestern nicht wegen Roxas abgehauen?“ „Wetten doch?“ „Wetten nicht?“ „Wetten doch?“ Ihre Stimmen wurden lauter, noch schrien sie sich nicht an, aber sie hatten beide eine wütende Tonlage. „Gut, dann bist du wegen Roxas abgehauen. Aber wetten, weil er Vanitas angesprochen hat?“ Ven lief rot an und kniff den Mund zusammen.

„Ha!“, Terra stieß ihm den Zeigefinger gegen die Brust. „Siehst du? Es macht dich immer noch fertig. Du kannst ja nicht mal darüber reden!“ „Das kann dir doch egal sein!“, fast schrie Ven, er fühlte sich in die Ecke gedrängt. „Nein! Du bist mein bester Freund! Das ist mir nicht egal! Du bist mir nicht egal!“ „Wenn ich Vanitas lieben will, dann tu ich das!“ „Ach, komm.“, Terra warf die Hände in die Luft und ging ein paar Schritte von ihm weg, „Hast du ihn gestern gesehen? Hat er sich gemeldet?“ Ven ballte die Fäuste. „Hab‘ ich.“, knurrte er. „Was?“ „Ich hab‘ ihn gestern gesehen.“, sagte der Blonde schnippisch. „Und? Hat er etwas gesagt?“ Ven schaute stur zu Boden und kniff den Mund zusammen. „Na, sag schon.“ Ven erwiderte nichts und behielt den Blick auf den Boden. „Er hat dich nicht beachtet, oder?“ Ven spürte wie ihm Tränen in die Augen stiegen. „Ich hab‘ Recht? Ich hab‘ Recht! Du hältst an ihm fest und dieses Arschloch-“

Es ging alles ganz schnell. Ven war der Geduldsfaden gerissen. Er hob seine Faust und schlug Terra damit gegen die Rippen. Dieser starrte ihn einen kurzen Augenblick perplex an, aber er sah nur Vens wütenden, tränenverschleierten Blick. „NENN IHN NICHT SO!“, schrie er. Terra verzog wütend sein Gesicht. „IST DOCH SO!“, schrie er, „DIESES ARSCHLOCH BRINGT DICH IMMER NOCH ZUM WEINEN!“

Ven stürzte sich auf seinen besten Freund und dieser versuchte es gar nicht abzuwehren. Er umfasste Vens Taille und schmiss ihn zu Boden. Doch Ven stand genauso schnell wieder auf den Beinen und schlug in Terras Gesicht. Terra schlug zurück. Sie schlugen sich und trafen Oberkörper, Arme und ab und an das Gesicht. Dann schmiss Terra sich auf Ven und dieser verlor das Gleichgewicht. Er spürte, wie sein Rücken gegen die Fensterscheibe zum Flur stieß und Terra, der sich nicht mehr abfangen konnte, flog ihm mit seinem gesamten Gewicht gegen die Brust. Die Scheibe zerbarst und mit einem lauten Klirren und Krachen flogen sie durch die Scheibe und landeten hart auf den Dielen.

Benommen bleiben beide stumm und starr liegen. Terra lag auf Ven und beide rührten sich nicht, sie waren viel zu geschockt. „Ven?“ „Ja?“ „Alles in Ordnung?“ „Ich denke schon und bei dir?“ „Ich glaube auch.“ Vorsichtig stützte Terra sich auf und sog zischend die Luft durch die Zähne. „Alles in Ordnung?“, fragte der Blonde gleich. „Beweg dich nicht, du landest direkt in den Scherben.“ Doch zu spät, Ven hatte sich bereits auf seine Unterarme gestützt und stöhnte auf, die Scherben drückten sich durch die Haut. Schnell setzte er sich hin und besah sich seine Arme. Terra hatte sich auf die Knie gesetzt. Sie sahen sich an.

Terra entwickelte bereits eine ordentliche Blaufärbung unter dem linken Auge und er hielt sich die Seite. Ven wollte sich am liebsten auch die Rippen halten, aber seine Unterarme pochten von den Schnitten zu sehr. Er spürte auch wie eine warme Flüssigkeit aus seiner Nase lief. Überraschenderweise tat ihnen beiden aber nichts richtig weh, sie standen noch zu sehr unter Schock. Terra besah sich seine Handflächen, sie ähnelten Vens Unterarmen.

„Scheiße.“, stieß der Dunkelhaarige aus und Ven musste fast lachen, er brachte aber nur ein Husten zustande.

Was habt ihr denn getan?“, ertönte die entsetzte Stimme ihrer besten Freundin. Aqua stand mit hektischem Blick am Ende des Flurs und wusste nicht, ob sie jetzt zu ihnen laufen sollte oder nicht. Terra zeigte auf das zerstörte Fenster. „Wir sind durch die Scheibe gesprungen.“, erklärte er sachlich. „Bitte?!“, der Laut kam schrill aus ihrem Mund und Ven verzog das Gesicht. „Ven und ich haben gewettet, dass die Scheibe hält, aber das hat sie nicht. Wir haben damit nicht gerechnet.“

Ven wollte weinen bei dieser Erklärung. Terra erzählte es so trocken und ernst, als meinte er es wirklich so. Aber er kannte seinen besten Freund und wusste genau, dass es einer von Terras schlechten Witzen war und Aqua wusste das auch.

„Ich hol den Meister.“, sagte sie mit verengten Augen und zusammengekniffenen Mund. Sie verschwand um die Ecke. „Wir kriegen richtig Ärger.“, kommentierte Ven es. „Japp.“

Kapitel 5

Weit musste Aqua nicht laufen. Der Meister kam ihr schon entgegen und er sah nicht amüsiert aus. Er wollte auch keine Erklärung von Aqua, er ließ sich von ihr direkt an den Ort des Geschehens führen. Er trat um die Ecke und sah seine beiden Schüler zwischen den Scherben auf dem Boden sitzen.

Terra hatte in blaues Auge und die Handflächen bluteten. Vens Unterarme waren voll mit kleinen Schnitten und das Blut lief ihm aus der Nase. Sie trauten sich nicht, ihn anzusehen. „Aqua, hol einen Besen.“, sagte er leise und als die Blauhaarige losgelaufen war, rief er laut: „Xion!“ Er wusste, dass seine Tochter nur zwei Räume weiter war und einen Kurs gab. Diese kam auch sofort aus der Tür geeilt. „Rufst du bitte einen Krankenwagen? Die beiden müssen ins Krankenhaus.“

Ven und Terra tauschten einen Blick. Sie waren sich einig, keinen Krankenwagen zu brauchen. Aber sie sagten nichts. Xion fragte auch nicht weiter nach. Sie schien die Situation auch so aufgefasst zu haben. Sie sprach ein paar Worte an ihre Gruppe und lief dann ebenfalls los.

Ven warf einen kleinen Seitenblick auf seinen Meister. Meister Eraqus war immer ruhig. Er war der Meinung, dass man mit Schreien keine Lösungen fand. Aber Ven konnte jetzt ganz deutlich sehen, dass die Augenbrauen zusammengezogen waren und dass er tief Luft holte. Und dann polterte er tatsächlich los: „WAS HABT IHR EUCH DABEI GEDACHT?“ Terra und Ven zogen die Köpfe ein. Sie trauten sich jetzt aber auch nicht mehr, wegzusehen. Es war ein Zeichen des Respekts, jemanden in die Augen zu sehen, wenn er mit einem redete… oder schrie. „Wisst ihr eigentlich, wie gefährlich das war? Ihr könnt Gott weiß wo Scherben haben, in den Haaren, in den Wunden! Ihr hättet euch den Kopf aufschlagen können, euch was brechen können! So wie ihr dasitzt, geht es euch gut. Aber ich dulde keine Prügeleien in meinem Haus! Und dann seid ihr auch noch so geistesgegenwärtig und schmeißt euch durch die Scheibe! Es gibt niemals einen Grund sich zu schlagen und schon gar nicht, jemanden durch eine Scheibe zu werfen!“

Er machte eine Pause. Eine sehr eindrucksvolle Pause. Ven hatte schuldbewusst den Blick gesenkt, Terra ebenso. Sie murmelten beide eine Entschuldigung.

 

Roxas stand mit seiner Gruppe abwartend im Trainingsraum. Xion hatte auf den Ruf ihnen gesagt, dass sie hier warten sollten, bis jemand etwas anderes sagte. Was wohl passiert war? Dann hörten sie, wie der Besitzer des Dojos anfing, zu schreien. Da bekam jemand gehörigen Anschiss. Hayner befand sich der Tür am nächsten und lugte vorsichtig um die Ecke. Nach nur ein paar Sekunden drehte er sich mit großen Augen zu Roxas um.

„Was ist denn?“, fragte er. Hayner entfernte sich etwas von der Tür und es bildete sich sofort eine Traube. „Dein Bruder und so ein anderer Typ sitzen in einem Haufen Scherben und kassieren richtig. Die sehen aus, als hätten die sich geprügelt.“, erklärte Hayner schnell. Sofort lugten alle um die Ecke. Roxas war etwas geschockt. Da saß sein Bruder tatsächlich auf dem Boden, neben ihm Terra und der Meister hatte sich vor ihnen aufgebaut und las ihnen die Leviten. Ven blutete aus der Nase, sein halbes Gesicht war rot. Es schien ihn aber nicht so zu stören, außer dass er durch den Mund atmen musste.

Vens Freundin Aqua lief an ihnen vorbei mit einem Besen und einem Kehrset. Der Meister trat zur Seite und sie begann das Gröbste zur Seite zu fegen. Auch Xion kam wieder. „Der Krankenwagen kommt gleich.“, sagte sie. In der Gruppe entstand leises Gemurmel. Was hatte Ven getan, fragte Roxas sich. „Bitte warte auf sie draußen und zeige ihnen den Weg.“, sagte ihr Vater zu ihr. Damit lief sie wieder davon.

Dann ging alles ganz schnell. Die Sanitäter kamen und begutachteten die Verletzungen. Recht zügig führten sie die beiden Verunfallten nach draußen zum Rettungswagen. Der Meister hatte ihnen noch mit auf den Weg gegeben, dass er sie heute nicht mehr sehen wollte und sie morgen aber gefälligst hier aufzutauchen hatten. Danach scheuchte der Meister sie aus dem Trainingsraum in die Halle, wo sie mit Xion ihre Übungen zu Ende machen sollten. Es klappte auch so semi-gut, denn der Unfall oder was es gewesen war, sprach sich schnell herum und es kamen immer wieder andere vorbei, die fragten, ob Ven und Terra wirklich durch eine Scheibe gesprungen waren. Xion war es sehr unangenehm, aber sie führte die Stunde zu Ende.

 

Geschafft lag Ven in seinem Bett. Im Krankenhaus hatte man ihre Wunden desinfiziert und gereinigt. Zum Glück musste keiner von ihnen in den OP, um dort die Splitter chirurgisch entfernt zu bekommen. Auch hatten sie ihm Watte in die Nase gestopft, nachdem festgestellt wurde, dass sie nicht gebrochen war. Allerdings pochte seine Lippe ordentlich. Als das ganze Blut aus seinem Gesicht gewaschen war, stellte sich raus, dass er auch eine aufgeplatzte Lippe hatte. Terra hatte zu seinem blauen Auge, dass sich über seinen linken Wangenknochen erstreckte, eine Rippenprellung.

Nachdem sie behandelt worden waren, durften sie gehen… beziehungsweise Terra durfte gehen. Ven war noch minderjährig und musste auf seinen Vater warten. Dieser hatte ihn angesehen mit einem komischen Blick und ohne Kommentar zum Auto gebracht. Erst zu Hause hatte er gefragt, was passiert war. Ven hatte es ihm kurz erzählt. Überraschenderweise hatte es keinen Ärger gegeben. Sein Vater war der Meinung, er sah schon schlimm genug aus.

Nun lag er in seinem Bett und daddelte am Handy. Mit Terra hatte er ausgemacht, dass dieser ihn morgen von der Schule abholen würde und sie dann zusammen direkt ins Dojo gehen würden. Immerhin hatte Meister Eraqus gesagt, dass sie morgen wiederkommen sollten. Ven überlegte schon die ganze Zeit, wie teuer so eine große Scheibe war. Es würde bestimmt eine Menge kosten. Er sah sein Taschengeld dahingehen.

„Veni?“, ploppte eine Nachricht auf. Er öffnete sie, sie war von Roxas. „Hey.“, schrieb er zurück. „Was hast du gemacht!?!“, es folgte ein entsetzter Smilie. Ven schmunzelte. „Terra und ich haben uns gestritten, da hat er mich am Ende durch die Scheibe geschmissen.“ Der Text fasste es ziemlich kurz zusammen, klang aber auch so abgeklärt, als wäre es normal bei ihnen. Es folgte auch prompt ein Smilie mit aufgerissenen Augen und „Hat er sie noch alle???“ Ven gluckste. „Naja… Er hat Vanitas ein Arschloch genannt, da hab ich zuerst zugeschlagen. Dann ging irgendwie alles ganz schnell.“ „Aber er kann dich doch nicht durch die Scheibe werfen!!!“ „War ja nicht mit Absicht. Er hat auch ordentlich was abgekriegt.“ Es dauerte kurz, bis Roxas antwortete. „Was hat Papa gesagt?“ „Irgendwie nichts…“ „Wie nichts?“ „Ja, er hat gar nichts dazu gesagt. Nur, dass ich die Scheibe selber zahlen muss.“ „Okay…“ Ven konnte genau hören, wie sein Bruder dieses „Okay…“ aussprach, langgezogen und mit totalem Unverständnis. „Kommst du morgen wieder ins Dojo?“, folgte noch eine weitere Nachricht von Roxas. Ven seufzte. „Muss ja.“ Er setzte noch einen Smilie mit zusammengekniffenen Augen dahinter. „Gut, dann seh ich dich ja morgen. Ich geh schlafen, bin voll fertig.“ „Gute Nacht, bis morgen.“

 

Endlich ertönte die Schulklingel und sie konnten ihre Sachen zusammenpacken. Zum Glück war heute nicht einer dieser Ich-beende-den-Unterricht-und-nicht-die-Klingel-Tagen. Es war für Ven schon schlimm genug gewesen mit den verbundenen Unterarmen zur Schule zu gehen. Die meisten hatten ihn in Ruhe gelassen, aber so ein bis zwei Kommentar à la Ritzkind und Selbstmord verkackt musste er sich schon anhören.

Vor dem Gebäude sah er sofort Terras Auto und ging darauf zu. Auf dem Weg konnte er ein paar jüngere Mädchen hören, die tuschelten, wie gut der Typ in dem Auto aussah. Er wusste nicht, ob er die Augen verdrehen oder schmunzeln sollte. Terra sah aus wie immer und daddelte auf seinem Handy rum. Aus ihrer Perspektive konnten sie den dunklen Fleck in seinem Gesicht auch nicht erkennen. Der Blonde klopfte an die Scheibe und setzte sich dann auf den Beifahrersitz.

„Hey.“, sagte er. „Na.“, erwiderte der Dunkelhaarige und legte sein Handy in die Mittelkonsole, „Hättest du dich nicht etwas beeilen können?“ „Hallo? Ich bin sofort los.“ Terra winkte ab. „Ich weiß, aber die schauen mich schon alle die ganze Zeit komisch an und mit diesem Gesicht ist das voll peinlich.“ Ven lachte leise. „Also die dahinten-“, er zeigte auf die Gruppe der Mädchen, „Die finden dich total heiß.“ Das brachte Terra ein müdes Grinsen auf das Gesicht. „Na immerhin.“

Er startete den Motor und sie fuhren los. Sie merkten, dass sie beide ordentlich Muffensausen vor dem Treffen mit Meister Eraqus hatten. Ven erzählte von seinem Tag und den Kommentaren der anderen, worauf Terra lachen musste. Allerdings fing er sofort an zu husten, was Ven zum Lachen brachte. „Gott, wir sind im Arsch.“, sagte Terra. Lachend bestätigte Ven dies: „Das war die dümmste Aktion, die wir je gebracht haben.“

Sie fuhren auf den Parkplatz und stiegen langsam aus. Zusammen schlichen sie zur Eingangstür und gingen in die große Halle. Dort spielten die beiden Klassen Völkerball gegeneinander. Xion saß am Rand und beaufsichtigte es. Mit eingezogenen Köpfen gingen sie zu ihr. Sie stand auf und begrüßte sie. „Hey, wie geht es euch?“ „Ganz gut.“, sagte Terra. „Was ist denn passiert gestern?“, fragte die Schwarzhaarige. Sie erzählten ihr die Kurzfassung, ließen aber aus, dass es angefangen hatte, weil Terra Vanitas beleidigt hatte. Ein bisschen belustigt grinste Xion. „Ihr habt sie doch nicht mehr alle. Papa war gestern noch richtig sauer.“ Die Jungs zogen die Köpfe ein. „Am besten geht ihr direkt zu ihm. Er ist in seinem Büro.“ Sie nickten und gingen durch die Mensa zum Büro.

Dort durften sie sich eine halbe Stunde anhören, was sie alles falsch gemacht hatten, wie sie ihn enttäuscht hatten und dergleichen. Am Ende kam heraus, dass sie die Scheibe nicht bezahlen mussten, aber sie mussten sie quasi abarbeiten. Sie sollten jeden Tag, soweit es ihre Schule und Universität zu ließen, ins Dojo kommen und kleinere Arbeiten verrichten, angefangen mit heute, Terra sollte die Fitnessgeräte putzen und Ven den Geräteraum aufräumen. Morgen ging es dann weiter, da würden sie vor ihrer Kendostunde bereits kommen. Alles im allen waren sie gut weggekommen. Meister Eraqus hatte ihnen geglaubt, dass es ihnen wirklich leidtat und es bestimmt auch nicht noch einmal tun würden. Sie mussten auch versprechen, sich nicht mehr im Dojo zu prügeln.

Deutlich erleichtert traten Terra und Ven wieder in den Flur. Zu laut wollten sie sich aber nicht freuen, nicht dass der Meister es noch hören würde. Sie grinsten sich an. „Ich hol mir dann mal das Putzzeug.“, sagte Terra und bog nach links ab. Ven nickte und ging nach rechts Richtung Mensa. Dort saßen einige von der Klassenfahrt. Aus den Augenwinkeln konnte er genau erkennen, wie Vanitas an einem der Tische saß und mit einer Blondine herumschäkerte. Das Mädchen hatte sich auf seinen Schoß gesetzt und hatte einen Arm um seine Schultern gelegt. Es saßen noch die Freunde von Vanitas mit am Tisch, die Ven schon am Sonntag gesehen hatte, und sie unterhielten sich. Schnell schritt Ven durch den Raum und begab sich direkt in den Geräteraum.

 

Zack ging durch den Flur zum Geräteraum. Er hatte von Xion gehört, dass Ven dort aufräumen musste. Die Geschichte von der Prügelei gestern hatte natürlich bereits die Runde gemacht. Er wollte aber selbst von Ven hören, wie es ihm ging. Terra hatte er schon kurz gesehen und sie hatten ein paar Worte gewechselt. Aber dieser hatte nicht viel zum Grund gesagt, nur, dass sie eine Meinungsverschiedenheit gehabt hatten.

Vor der Tür zum Geräteraum traf Zack auf einen schwarzhaarigen Jungen. Dieser erschreckte sich, versuchte es aber zu verbergen. Das musste bestimmt einer dieser Urlauber sein. „Kann ich dir helfen?“, fragte er freundlich. Der Junge machte einen Schritt rückwärts, um ihm Platz zu machen und sagte: „Nein, ich… ich bin wohl falsch abgebogen.“ Mit einem letzten Blick auf die Tür ging er wieder. Zack zuckte mit den Schultern.

Er öffnete die Tür und sah Ven die Medizinbälle in einen Kasten räumen. Dabei wirkte er alles andere als ruhig, er warf die Bälle mehr von sich, als dass er sie legte. „Hey Ventus.“, grüßte er. Der Blonde schrak zusammen und drehte sich um. „Zack.“, antwortete er. „Hab‘ ich dich erschreckt?“ Ven zuckte mit den Schultern. „Ich war in Gedanken.“ „Habe ich gesehen.“ Ven hob einen weiteren Medizinball auf und legte ihn den Kasten. „Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht.“, sagte Zack und lehnte sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen. „Gut, wieso?“, fragte der Blonde und räumte weiter auf ohne Zack anzusehen. „Naja, inzwischen habe alle von eurer Aktion gestern gehört. Und die Pappe an der Scheibe ist auch nicht zu übersehen.“ Wieder zuckte Ven mit den Schultern. „Ich hab‘ nur ein paar Kratzer. Alles okay.“

Sie schwiegen und Zack beobachtete den Blonden. Dann sagte er: „Du siehst aber nicht okay aus.“ Ven seufzte und wandte sich dem Schwarzhaarigen zu. „Es ist alles okay. Ich muss zur Strafe den Geräteraum aufräumen und morgen dann irgendetwas anderes. Es ist wirklich alles okay.“ Zack musterte ihn. „Du siehst trotzdem nicht glücklich aus.“ Genervt drehte Ven sich halb weg. „Was hältst du davon-“, lenkte Zack schnell ein, „wenn wir morgen ein Eis essen gehen. Der Sommer kommt so langsam und ich kenne da eine tolle Eisdiele.“ Ven schaute ihn an und zog etwas die Augenbrauen zusammen.

Zack setzte sein charmantestes Lächeln auf. Er sah, wie Ven überlegte und schließlich sagte er doch zu. Sie verabredeten sich für drei Uhr an der Eisdiele für den nächsten Tag. Fröhlich lief Zack in die Halle zu der Gruppe, die er unterrichten sollte. Er half Meister Eraqus aus, solange die Krankheitswelle noch rollte.

Kapitel 6

Ven stand an der Eisdiele. Er war nach der Schule kurz nach Hause, hatte seine Schultasche gegen die Sporttasche getauscht und war wieder los. Er war etwas nervös. Zack hatte ihn nach einem Date gefragt. Es kam so unerwartet. Er hatte erst gar nicht gewusst, was er antworten sollte, aber dann musste er an diese dämliche Blondine auf Vanitas‘ Schoß denken und hatte zugesagt. Wenn Vanitas Dates haben konnte, konnte er das schon lange! Er fühlte sich aber auch ein kleines bisschen schuldig, er wollte nichts von Zack und Terra hatte gemeint, dieser würde auf ihn stehen. Naja, er könnte ja ein Date machen und Zack dann sagen, dass es wohl nicht werden würde. War vielleicht auch nicht ganz fair, aber besser als nichts.

Ven blickte sich um und sah Zack die Straße entlanglaufen. Er winkte bereits von weitem und Ven winkte zurück. War Zack wirklich immer nur einer Gegenwart so? Er kannte Zack eigentlich gar nicht anders als fröhlich.

Als der Schwarzhaarige bei ihm ankam, begrüßten sie sich kurz und nahmen sich einen Tisch. Kurz darauf kam ein Kellner und sie bestellten sich jeder einen Eisbecher, welche auch schnell gebracht wurden. Zack erzählte viel von seiner Arbeit und von der Berufsschule. Er machte eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker. Ven musste sogar ein paar Mal lachen, als Zack erzählte, was er für dumme Fehler in der Schule gemacht hatte oder was Kunden in der Werkstatt so alles für selbstverständlich hielten. Ven erzählte selbst gar nicht viel, er hörte nur zu und kommentierte es ab und zu.

Zack war richtig nett. Er verlor über niemanden ein böses Wort. Mit Vanitas war Eis essen ganz anders abgelaufen, überlegte Ven. Vanitas war eher still und hatte meist nur ihn und die anderen Gäste beobachtet, während Ven von seinen Erlebnissen erzählt hatte. Manchmal hatte Vanitas gemeine Kommentar über das Verhalten oder die Kleidung anderer abgegeben. Da musste Ven auch immer lachen, denn er hatte fast immer Recht. Was der Schwarzhaarige wohl so über die Großstädter sagen würde? Hier trug man immerhin ganz andere Kleidung als in der Kleinstadt.

„Ven?“, fragte Zack und wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht. „Was?“, fragte er sehr schlau. „Du hast mir gar nicht zugehört.“ „‘Tschuldige, war in Gedanken.“ „Ich wollte fragen, ob ich mal dein Eis probieren darf.“ „Äh, klar.“, sagte Ven und schob seinen Becher über den Tisch. Zack löffelte sich von jeder Kugel etwas auf den Löffel und steckte ihn in den Mund. Er nickte, als wäre das Eis genehmigt. Dann schob er seinen Becher über den Tisch. Ven sah ihn verwirrt an. „Du darfst auch probieren.“ „Ach so.“ Er steckte seinen Löffel in Zacks Eis und probierte ebenfalls. Es war okay, viel Frucht, was nicht so sein Fall war, aber okay.

„Was wird das?“, ertönte eine Stimme neben ihnen. Ven sah auf und sah einen Jungen in seinem Alter. Er war blond und hatte eine ähnliche Frisur wie er. Ein Lächeln breitete sich über Zacks Gesicht aus und er quietschte fast: „Cloud!“ Dieser schaute ihn allerdings nur finster an und verlangte stumm nach einer Antwort. Zacks Lächeln schrumpfte etwas. „Das ist Ventus aus dem Dojo. Ich hab‘ dir doch von ihm erzählt.“ Der Typ schaute nun Ven finster an. „Äh… hallo.“, nuschelte dieser. Der Typ schaute nun Zack wieder böse an. „Was wird das?“

Ven zog den Kopf ein. Er hatte keine Ahnung, wer das war, aber eigentlich wollte er das auch gar nicht mehr so genau wissen. Der Typ schien ziemlich sauer zu sein wegen was auch immer. Zack merkte dies auch und versuchte ihn zu beschwichtigen. „Aber ich hab dir doch erzählt, dass ich mich mal mit Ven treffen wollte… das war jetzt auch ganz spontan… gestern… und wir haben nicht mehr mit einander gesprochen…“ Der Typ, der offensichtlich Cloud hieß, verschränkte die Arme und kniff die Augen gefährlich zusammen. „Kein Date.“, sagte er nur. „Wah?“, machte Zack nur. „Du hast nicht gesagt, dass du ein Date mit ihm haben wolltest.“

Ven wollte am liebsten verschwinden. Er wusste nicht, wo er da hineingeraten war, aber ob es besser wäre, wenn er es wusste, war ihm auch ein Rätsel. Beschwichtigend hob Zack die Hände. „Das ist doch kein Date.“ Cloud zog bloß eine Augenbraue hoch. „Nein, wirklich. Ventus hat Liebeskummer und ich wollte ihn doch auf andere Gedanken bringen. Damit er wieder ein bisschen fröhlicher wird.“, versuchte Zack es weiter.

Cloud schnaubte, aber seine Miene entspannte sich etwas. „Ich muss weiter. Wir sehen uns heute Abend.“ Es klang wie eine unumstößliche Tatsache und dass Zack dabei auch kein Mitspracherecht hatte. Dieser nickte darauf auch nur wild. Dann beugte Cloud sich runter und drückte Zack einen Kuss auf die Lippen. Als er sich wiederaufrichtete, warf er Ven einen eindeutigen Blick zu, hier war Revier markiert worden. Dann ging er.

Zack atmete erleichtert auf, Ven ebenfalls. „Was war das?“, fragte der Blonde. Zack grinste entschuldigend. „Das… war mein Freund.“ „Dein Freund? Also so richtig…“ Zack nickte. „Ich habe gestern gar nicht mehr mit ihm gesprochen und konnte ihm gar nicht erzählen, dass wir uns heute treffen.“ Ven nickte und dann schwiegen sie.

Schließlich sagte Ven: „Ich hab also Liebeskummer.“, stellte er fest und es gefiel ihm nicht, wie sich diese Worte anhörten. Zack wurde ernst. „Naja, es ist doch so.“ Ven schwieg. Er hatte nie mit irgendjemanden darüber geredet, außer mit seinem Bruder und mit Aqua und Terra. Und er hatte es selbst noch nie als Liebeskummer betitelt. „Du hast bis vor ein paar Monaten immer von diesen einem Typen geredet, mit dem du dich triffst und nach Silvester war das irgendwie vorbei und du wurdest immer stiller und unglücklicher. Du warst auch immer öfter im Dojo. Da fällt das schon auf.“ Ven sah auf die Tischplatte. War er so durchschaubar. „Du hast mich damit total an Cloud erinnert. Der guckt auch immer so traurig und verschlossen drein, wenn ihn was bedrückt und sowas kann ich nicht sehen. Ich wollte dich aufmuntern.“

Ven schwieg. So langsam machte es etwas Sinn. Warum Zack immer so überfröhlich in seiner Gegenwart war, er wollte ihn damit einfach nur anstecken. Terra hatte das einfach falsch interpretiert und geglaubt, Zack würde auf ihn stehen, und Ven selbst hatte wirklich gedacht, er hätte hier ein Date. Er kam sich so blöd vor. Er schüttelte den Kopf und musste sogar etwas lachen, was Zack irritierte.

„Terra meinte, du stehst auf mich.“, erklärte er und musste wieder lachen. Es klang so doof. Als würde er auf ihn stehen, als würde das überhaupt jemand tun. Immerhin hatte sogar Vanitas ihn abserviert. Obwohl nein, er hatte ihn nicht abserviert, er hatte ihn einfach ignoriert. Er war sogar so unwichtig, dass man nicht mal Schluss mit ihm machen musste. Er wurde einfach nicht mehr beachtet, als wäre er nie da gewesen. Bei diesen Gedanken stiegen ihm die Tränen in die Augen. Das ärgerte ihn noch mehr, dass er jetzt auch noch Stimmungsschwankungen hatte wie ein pubertäres Mädchen.

Zack bemerkte es und reichte ihm eine Serviette rüber. „Ich wollte dich nicht verletzen.“ Ven tat es mit einem Kopfschütteln ab und schüttete ihm dann sein Herz aus. Warum er ihm alles erzählte, wusste er nicht, aber es musste einfach raus. Er musste es jemandem erzählen, der noch keine Meinung von Vanitas hatte. Er erzählte von dem Inselurlaub letztes Jahr, den er eigentlich gar nicht machen wollte, wie Vanitas sich ihm einfach aufgezwungen hatte, wie sie sich jeden Tag angerufen, videogechattet und sich Nachrichten geschickt hatten. Wie das ganze um Weihnachten einschlief, was Ven aber verstehen konnte, auch er hatte da viel um die Ohren gehabt und nicht jeden Tag Zeit. Er erzählte auch von seiner Nachricht nach Silvester, die gelesen aber nie beantwortet worden war.

„Und das schlimmste ist eigentlich, dass er jetzt auf Klassenfahrt im Dojo ist und noch nicht ein Wort mit mir gewechselt hat.“, schloss er, „Er ignoriert mich einfach.“ Zack überlegte einen Moment, dann sagte er: „Hast du ihn denn angesprochen?“ Ven stutzte. „Nein…“ „Wieso nicht?“ Darauf wusste er keine Antwort, jedenfalls nicht so wirklich. „Weil… er hat mir ja nicht geantwortet. Also… müsste er den ersten Schritt machen… glaube ich.“ Zack verschränkte die Arme und sah Ven bloß an. Der Blonde konnte dem Blick nicht standhalten. Vielleicht hatte Zack ja Recht. Vielleicht sollte er einfach Vanitas darauf ansprechen und… und vielleicht bekam er eine Antwort auf irgendwas.

 

Vanitas stand in der Sporthalle und hatte so gar keine Lust auf die Sportstunde. Sie hatten den Nachmittag frei bekommen, da wohl viele der Trainer krank waren und der Besitzer die Trainingsstunden für seine Schüler nicht ausfallen lassen konnte, da er am Montag schon die Kurse hatte ausfallen lassen. Allerdings hatte er erlaubt, dass zehn Personen an der heutigen Kendostunde am Abend mitmachen konnten, sie mussten sich nur in eine Liste eintragen. Vanitas‘ Freunde waren immer noch geflasht von dem Auftritt am Sonntag, dass sie unbedingt mitmachen wollten und Vanitas einfach auch mit auf die Liste gesetzt hatten.

Zu seiner Befriedigung erging es Roxas nicht ganz anders. Dieser stand mit Axel, Riku, Sora und noch so einem komischen Typen aus seiner Klasse in seiner Nähe und maulte, dass er auf Sport so gar keine Lust hatte. Vanitas grinste dabei etwas. Schadenfreude war eben doch die beste Freude. Sein Bruder hatte Roxas einfach mit aufgeschrieben, weil Ventus ebenfalls in diesem Kurs war.

Aber genau deswegen hatte Vanitas keine Lust. Er wollte nicht auf den Blonden treffen. Seine Miene verdunkelte sich, nur wenn er daran dachte. Gestern hatte er sich fast überwunden, Ven anzusprechen, aber dann kam da dieser große, schwarzhaarige Typ, der auch zu dem Blonden wollte, da war er wieder gegangen.

„Maaaan! Ich hab aber keine Lust!“, beschwerte Roxas sich laut. Alle schauten kurz zu ihm rüber, ignorierten dann aber sein Gebocke. Axel tätschelte ihm den Kopf. „Du bist aber noch so klein, da mussten wir die Entscheidung für dich übernehmen.“ Roxas schaute ihn böse an. „Am Samstag werde ich auch achtzehn, dann könnt ihr diese Sprüche vergessen!“, fauchte er. Die anderen in seine Gruppe lachten.

Vanitas schaute auf den Boden. Ja, Roxas hatte am Samstag Geburtstag, was hieß, dass Ven auch am Samstag Geburtstag hatte. Natürlich wusste Vanitas das, dafür brauchte er keine Erinnerung. Deswegen war er auch heute alleine in die Stadt gegangen. Er hatte Ven ein Geburtstagsgeschenk gekauft. Nachdem er sich gestern schon nicht getraut hatte, ihn anzusprechen, hatte er sich überlegt, ihm Samstag einfach was zu schenken. Er hatte rausgefunden, dass der Blonde samstags einen Kurs im Dojo hatte und da alle seine Freunde ebenfalls im Dojo Mitglied waren, hoffte er, dass er auftauchen würde. Dann könnte er ihm das Geschenk geben und sich entschuldigen. Es war etwas lahm, aber so schlecht hatte er die Idee nicht gefunden… bis vorhin. Als er von seinem Einkauf auf dem Rückweg gewesen war, hatte er Ven entdeckt. In einer Eisdiele. Mit diesem schwarzhaarigen Typen. Der Typ hatte sogar etwas von Vens Eis geklaut. Da war er schnell weitergegangen. Offensichtlich hatte Ven sich schon getröstet und einen neuen Freund.

Das war eine Tatsache, die Vanitas nie in Betracht gezogen hatte. Dass Ven eine neue Beziehung haben könnte. Es ärgerte ihn richtig. Gestern hatte er diesem Typen gar nicht weiter beachtet, aber heute… Hätte er gestern doch Ven angesprochen. Dieser Typ wollte gestern bestimmt auch zu Ven. Hätte er gestern nicht diesen Rückzieher gemacht, dann hätte er Ven gestern schon sagen können, dass er…

Seine Gedankengänge wurden unterbrochen, als die Kendogruppe eintrudelte. Es waren Jugendliche ab fünfzehn Jahren. Die Jugendlichen beäugten sie. Offensichtlich hatten sie schon gehört, dass sie heute mitmachen würden. So wie sie gemustert wurden, hatte Vanitas noch viel weniger Lust. Zwar war jetzt ab und an im Fitnessstudio gewesen, nachdem er keinen Kontakt mehr mit Ven hatte, aber Kampfsport hatte er noch nie gemacht.

Nach ein paar Minuten trudelten auch Ventus und sein Freund Terra ein. Vanitas musterte den Blonden. Sie hatten sich so lange nicht gesehen, da sog er jedes Detail ein. Ven wirkte so viel selbstbewusster, er lief ganz entspannt. Ven war früher nur entspannt gewesen, wenn sie alleine gewesen waren. Vielleicht lag es an der Kampfsportschule, der Blonde hatte viel davon erzählt.

„Ventus! Terra!“, ertönte eine laute Mädchenstimme und drei Mädchen um die dreizehn Jahre eilten auf die beiden zu. Die beiden schauten sie verwirrt an. Die drei stellten sich vor ihnen hin und ein Mädchen mit blonden Haaren stemmte die Hände in die Hüfte. „Habt ihr die gleiche Freundin?“ Die beiden Jungen schauten nun verwirrt und auch alle anderen aus der Kendogruppe verstummten. Sie wollten unbedingt hören, was da gesprochen wurde.

„Wie kommt ihr denn darauf?“, fragte Terra. Das blonde Mädchen plusterte sich auf. „Wir haben gehört, ihr habt euch wegen einem Mädchen geprügelt.“ Nun wurde es auch bei Vanitas‘ Freunden und Roxas‘ Gruppe still. „Wegen einem Mädchen?“, echote Terra immer noch verwirrt. Die Blonde nickte eifrig. „Ja, Yuni hat euch gehört!“, sagte sie. Beide rissen die Augen auf und starrten das braunhaarige Mädchen an, dass schüchtern hinter der Blonden stand. „Was hast du denn gehört?“, fragte Ven vorsichtig. Doch die Braunhaarige mochte nicht antworten, also sagte die Blonde wieder: „Sie hat gehört, dass Terra es gar nicht toll findet, dass du auf eine Vanessa stehst.“ „Vanessa…“, sagte Ven. Terra zog eine Augenbraue hoch. Das blonde Mädchen drückte Ven ihren Zeigefinger in die Brust. „Man nimmt seinem besten Freund nicht die Freundin weg!“, schimpfte sie.

Da fing Terra an zu lachen. „Rikku.“, sagte er, „Da habt ihr etwas falsch verstanden. Ven nimmt mir nicht meine Freundin weg. Ich bin Single.“ Er lachte immer noch. Ven schaute ihn etwas hilflos an. „Und warum bist du dann so sauer gewesen?“, fragte Rikku nun verwirrt. „Das-“, der Dunkelhaarige wuschelte ihr über die Haare, „geht euch gar nichts an.“ Beleidigt schwirrte die Mädchengruppe ab.

Vanitas sah ihnen nach. Jetzt verstand er gar nichts mehr. Wer war Vanessa? Ven hatte doch ein Date mit diesem Schwarzhaarigen gehabt. Seit wann war er so ein Playboy geworden?

Kapitel 7

Vanitas lag in seinem Bett. Die Kendostunde war nicht so schlimm gewesen, wie er vermutet hatte. Meister Eraqus hatte sie zu Zweierpaaren zusammengestellt und die Grundzüge üben lassen. Das war gar nicht so schlimm gewesen, allerdings hatte er diesen großen, schwarzhaarigen Typen als Partner bekommen. Er hatte sich als Zack vorgestellt. Er war sehr zuvorkommend gewesen und hatte alles ausführlich erklärt. Das hatte Vanitas noch mehr genervt, als die Tatsache, dass er sowieso keine Lust hatte. Er wollte Vens neuen Lover nicht nett finden. Einen kurzen Moment hatte er gehofft, dass Ven ihm zugeteilt werden würde. Dann hätte er irgendetwas sagen können.

Seine Freunde unterhielten sich immer noch über die Unterrichtsstunde. Diesen hatte es sehr zugesagt und sie überlegten nun, ob sie auch einen Kampfsport machen sollten, wenn sie wieder zu Hause waren. Der Schwarzhaarige hatte sich mit den Rücken zu ihnen hingelegt, um gar nicht erst den Anschein zu erwecken, mitreden zu wollen. Er war richtig angepestet. Erst kaufte er Ven ein Geburtstagsgeschenk, dann sah er Ven bei einem Date mit einem anderen Typen, zudem war er gegen seinen Willen zu dieser Kendostunde angemeldet worden und musste dann mit Zack, dem Typen, der mit seinem Ven ein Date hatte, auch noch zusammenarbeiten.

Wütend knüllte er sein Kissen zusammen und platzierte seinen Kopf neu darauf. Hoffentlich schlief er bald ein, bevor er sich noch mehr hineinsteigerte.

 

Gelangweilt und frustriert hatte Ven seinen Kopf aufgestützt und scrollte durch sein Handy ohne wirklich hinzuschauen. Er hatte eine Freistunde und saß in der Mensa. Das war nicht so schlimm, das kam öfter vor, vor allem, weil er keine Freunde an der Schule hatte. Allerdings hatte er eben eine Nachricht von Terra bekommen. Dadurch, dass sie jeden Tag jede freie Minute diese Woche im Dojo verbracht hatten oder es noch tun würden, um die Scheibe abzuarbeiten, war Terra mit seinem Lernstoff hinterher. So hatte er für Freitagabend abgesagt. Dabei wollte Ven da seinen Geburtstag feiern, so richtig schön reinfeiern. Man wurde immerhin nur einmal achtzehn.

Aqua hatte sich bereits abgemeldet, sie musste irgendwen aus ihrer Familie babysitten. Deswegen hatten er und Terra gesagt, sie würden einen richtigen Männerabend machen mit Club und allem drum und dran. Und jetzt sagte er auch ab. Es war schon alles geplant gewesen. Was sollte er denn jetzt machen? Er konnte doch einfach nicht nicht feiern.

 

Vens Laune besserte sich auch nicht, als er im Dojo war. Er feudelte den Boden in der Mensa, während Terra die Tische putzte. Sein bester Freund hatte sich bereits einhundert Mal entschuldigt, dass er für Freitag absagen musste. Aber er hatte die ganze Woche keine Zeit gefunden, an seiner Hausarbeit zu schreiben, sodass er das Freitagabend nachholen musste, wie er sagte, nicht wollte, nein musste. Ven konnte eh nichts anderes machen, als es zu akzeptieren.

Es wurde aber nicht besser, als Roxas ihn entdeckte. „Veni!“, rief er laut und lief zu ihm. „Was denn?“, fragte dieser genervt zurück. „Hallo erstmal.“, grinste Roxas. Ven konnte nicht anders als innerlich mit den Augen zu rollen. „Hallo.“, sagte er, nachdem er merkte, dass sein Bruder auf eine Begrüßung wartete. „Weißt du, was die uns heute erlaubt haben?“ Gott, warum hatte Roxas so gute Laune? „Nein, was denn?“, fragte Ven. Sein Bruder würde so lange um den heißen Brei reden, bis er nachfragte, er wusste es. „Die haben uns erlaubt, in meinen Geburtstag hinzufeiern. Also wir dürfen nach zehn immer noch draußen sein und in der Halle Musik anmachen und so.“ Roxas grinste wie ein Honigkuchenpferd.

Einerseits freute sich Ven für seinen Bruder, aber andererseits auch nicht. Seine eigene Party hatte sich verabschiedet. „Das ist ja cool.“, sagte er deshalb bloß. „Ja.“, freute Roxas sich weiter und wippte auf der Stelle, „Kommst du auch?“ Irritiert hörte Ven auf zu feudeln. „Was?“ „Kommst du auch morgen feiern?“

Ven überlegte. Auf der einen Seite hatte er keine Feier mehr. Auf der anderen Seite sollten Roxas und seine Freunde nicht glauben, er hätte keine Freunde, mit denen er feiern könnte. Denn, wenn er morgen ins Dojo gehen würde, dann würde er alleine kommen. Terra und Aqua hatten ja nun mal keine Zeit. „Ne du. Ich geh schon mit Terra in einen Club.“ „Echt?“, Roxas bekam große Augen, „Wir wollten das auch, aber die Lehrer erlauben das nicht. Alkohol und so.“ Ven klopfte sich innerlich auf die Schulter. Er hatte es tatsächlich geschafft, dass sein Bruder neidisch war, zumindest ein bisschen. „Ich bin ja auch nicht auf Klassenfahrt.“, sagte er. „In welchen Club geht ihr denn?“ „Ins Nobody.“ Das war der Club, in den sie wirklich hatten gehen wollen.

Sie hörten, wie Roxas gerufen wurde. „Der nächste Kurs fängt gleich an.“, stöhnte er. Ven grinste und boxte ihm auf die Schulter. „Du schaffst das schon.“ Mit einer Schnute zog sein Bruder von dannen.

Terra zog eine Augenbraue hoch. „Wir gehen ins Nobody?“ Der Blonde zuckte mit den Schultern. „Hätte ich sagen sollen, dass keiner meiner Freunde Zeit hat, meinen achtzehnten Geburtstag zu feiern? Das wäre voll peinlich.“ „Aber wir feiern doch Samstag. Hier im Dojo.“ „Klar.“, rollte Ven mit den Augen, „Aber das macht jeder hier. Seinen Geburtstag am nächsten Kurs feiern. Der einzige Unterschied ist, dass ich am Samstag Geburtstag habe. Und ich habe nichts besseres zu tun, als zum Training zu gehen.“ „Aber es sind doch alle deine Freunde hier. Da passt das doch gut.“ „Ja. Aber bei Roxas wird sowas wie Training ausfallen gelassen, um zu feiern. Nicht mal mein Vater ist da, weil er morgen auf Geschäftsreise muss.“ „Aber dafür hat er sich entschuldigt.“ „Natürlich und wir feiern nächstes Wochenende auch nach. Aber ich muss es meinem Bruder trotzdem nicht auf die Nase binden, dass mein einziger Lebensinhalt das Training ist und ich sonst nichts mache.“

Terra nickte verstehend. „Aber es macht dir doch Spaß hier?“ „Natürlich.“ „Dann ist ja gut.“

 

Vanitas saß als einziger auf seinem Zimmer und prüfte seine Kleidung. Alle anderen saßen in der Mensa oder in der Halle. Es war Freitagabend und sie feierten Roxas‘ Geburtstag. Naja, das taten nicht alle, aber alle nutzten es aus, dass sie laut Musik hören konnten, eine Halle als Tanzfläche hatten und bis in die Puppen auf sein konnten. Er selbst hatte vor, sich aus der Kampfschule zu schleichen.

Er hatte gehört, wie Ven Roxas erzählt hatte, dass er seinen Geburtstag in einem Club namens Nobody feiern würde. Diesen hatte er gegoogelt und gesehen, dass er gar nicht so weit entfernt war. Er konnte ihn bequem zu Fuß erreichen. Schnell zog er sich eine Jacke über und steckte das Geschenk in die Tasche. Dass er sich ein bisschen aufgestylt hatte, würde gleich gar nicht auffallen. Die meisten Mädchen und ein paar Jungs hatten dies auch getan.

Vanitas ging aus dem Zimmer, lief die Treppe hinunter und ohne jemanden zu beachten Richtung Ausgang. Er schaute sich nicht um, es wäre zu auffällig, wenn er sich ständig umdrehen würde. So kam er unbehelligt an die Tür und trat schnell nach draußen. Bevor es auffiel, schritt er schnell über den Parkplatz auf den Bürgersteig und ging die Straße entlang. Nach zwanzig Minuten kam er am Club an. Es war zum Glück keiner, wo man sich anstellen musste und nur reinkam, wenn man Körbchengröße C plus hatte. So war er schnell drinnen. Jetzt musste Vanitas nur noch Ven finden.

 

Ven war so richtig angekotzt von sich selbst. Er saß tatsächlich im Nobody und das ganz allein. Sein Bruder hatte ihm eine Nachricht geschickt, dass sie sich beide um Mitternacht ein Bild von ihrem Anstoßglas schicken sollten, um so wenigstens imaginär anzustoßen. Das konnte er nicht abschlagen. Es gab ja keinen Grund, es nicht zu tun. Deswegen hatte Ven den ganzen Abend zu Hause gesessen und überlegt, wie er seinem Bruder mit dem Foto auch vermitteln konnte, wirklich im Club zu sein. Er konnte kein Foto schicken, in dem die Wohnung im Hintergrund war, das wäre aufgefallen. Auch wollte er kein Foto schicken, in dem er ein Bild von einem Club aus dem Internet heraussuchte und sich mit seinem Glas irgendwie so positionierte, dass es aussah, als wäre er im Club. Sein Computerbildschirm war dafür einfach zu klein. Er hatte überlegt, das Bild auf einen USB-Stick zu ziehen und auf dem Fernseher im Wohnzimmer anzeigen zu lassen, aber das war ihm für eine Lüge ein zu großer Aufwand.

Er hatte sogar kurz überlegt, seinem Bruder die Wahrheit zu sagen, aber es war ihm zu peinlich. Roxas würde es nicht verstehen. Also kam er zu dem Schluss, einfach ins Nobody zu gehen, dort um Mitternacht ein Foto zu machen und dann wieder zu verschwinden.

So ganz hatte Vens Plan nicht funktioniert. Er war im Nobody, aber er hatte sich an die Bar gesetzt und einen Drink nach dem nächsten bestellt. Er war gut angeheitert. Um Mitternacht hatte er ein Bild von Roxas bekommen, wie dieser mit all seinen Freunden anstieß. Ven hatte daraufhin betrunken ein Bild von den leeren Gläsern auf dem Tresen und wie er selbst einen in der Hand hielt geschickt. Damit glaubte Ven wenigstens, dass er nicht allein war. Danach hatte er weiter getrunken.

Mit einem Blick auf seinem Handy sah er, dass es bereits kurz vor halb eins war. Er sollte gehen. Doch bevor er sich erheben konnte, stellte eine Person im ein neues Getränk hin. Darauf hatte er jetzt wirklich keine Lust, dass da irgendein Mädchen oder vielleicht auch Typ ihm einen ausgab und eventuell auch anflirtete. Also sah er auf und wollte bereits dankend ablehen, als ihm alles im Hals stecken blieb: „Vanitas?!“

Kapitel 8

Ven starrte auf das Glas vor ihm. Was machte Vanitas hier? Roxas hatte ihm doch erzählt, dass sie das Dojo nicht verlassen durften. Deswegen feierte er doch dort. Wie kam der Schwarzhaarige hier her? Sein Herz pochte wie verrückt und seine Handflächen kribbelten. Ein Blick auf Vanitas brachte ihn komplett aus dem Konzept. Er rieb seine Hände an seiner Hose, um das Kribbeln zu unterdrücken.

„Was machst du hier?“, fragte er und sah Vanitas an. Dieser sah ihm direkt in die Augen. „Ich wollte dich sehen.“ Ven schnaubte. Er wollte ihn sehen? Das konnte er jemand anderen erzählen! Wütend griff er nach dem Glas, was Vanitas vor ihm abgestellt hatte und trank es in einem Schluck aus. Was glaubte der Typ eigentlich, wer er war? „Wer sagt denn, dass ich dich sehen will?“, sagte er eingeschnappt. Er erhob sich von seinem Hocker und schob sich an Vanitas vorbei. Was sollte das denn? Er hatte sich seit vier Monaten nicht mehr gemeldet und jetzt wollte er ihn wiedersehen?

Ven ging schnell durch den Club Richtung Ausgang. Er wollte nur noch nach Hause. Was für ein Geburtstag. Erst sagte Terra ab, dann kam er doch hierher wegen so einem doofen Foto und dann tauchte Vanitas auch noch auf. Draußen schlug im die kalte Luft entgegen. Es war tagsüber zwar bereits warm genug, um keine Jacke mehr mitnehmen zu müssen, aber nachts war es doch noch kühl. Wäre Ven nicht so angetrunken, hätte er bestimmt gefroren.

„Jetzt warte doch mal.“, ertönte Vanitas hinter ihm. Der Blonde blieb stehen und drehte sich um. Er sah Vanitas an. Er trug eine schwarze Jeans und eine dunkle Sweatshirtjacke. Seine Haare waren wie immer zerzaust und die goldenen Augen blickten ihn stechend an. Er hatte diesen Blick vermisst, wie Vanitas ihn immer so bewusst angeschaut hatte und nur ihn zu sehen schien. Er hatte alles an ihm vermisst. Er musste den Drang unterdrücken, sich ihm einfach in die Arme zu werfen.

„Es tut mir leid.“, sagte der Schwarzhaarige leise. Ven verengte die Augen. Auf der einen Seite wollte er ihm alles verzeihen und einfach da weitermachen, wo sie aufgehört hatten, aber auf der anderen Seite war er wütend, auf eine solche Art und Weise abgewiesen worden zu sein. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass er überhaupt wütend war. „Es tut dir leid?“, fragte er deshalb. Vanitas nickte und trat einen Schritt auf ihn zu. Ven schnaubte und drehte sich um. Er ging weiter und hörte wie Vanitas ihm folgte. Aber er versuchte es zu ignorieren.

Nach einer viertel Stunde drehte Ven sich um. „Was willst du?“, fragte er. Vanitas war ihm die ganze Zeit gefolgt. „Ich will mich entschuldigen. Bitte hör mir zu.“ „Warum sollte ich? Du hast mit mir Schluss gemacht. Obwohl nein, du hast einfach beschlossen, dass es mich nicht mehr gibt.“, zischte der Blonde. Wäre er nicht angetrunken gewesen, hätte er sich das bestimmt nicht getraut. Damit lief er auch schon wieder weiter. So langsam kroch ihm die Kälte doch in die Knochen, aber er versuchte es auszublenden. Eigentlich hatte er ja ein Taxi nehmen wollen, so hatte er es geplant. Aber als der Schwarzhaarige aufgetaucht war, war einfach Hals über Kopf geflohen. Vor einer Weile war ihm aufgefallen, dass er in die falsche Richtung lief. Aber einfach umdrehen konnte er nicht, die Blöße würde er sich nicht geben.

 

Vanitas seufzte. Es war schwerer, als er gedacht hatte. Aber er hatte auch nicht damit gerechnet, dass Ven sich zulaufen ließ. Eigentlich nahm der Blonde ziemlich Abstand von Alkohol, er trank nur, wenn er sich ablenken wollte und das eskalierte meistens auch. Deswegen war ihm auch unerklärlich, warum er sich an seiner Geburtstagsfeier so abschoss und warum er einfach den Club verlassen hatte. Er feierte doch eigentlich mit seinem besten Freund, dass hatte er aus Vens eigenen Mund gehört. Der Blonde würde diesen doch nicht einfach alleine lassen, ohne sich zu verabschieden.

Aber er wusste auch, dass Ven sich mit Terra geprügelt hatte und das nicht gerade sanft. Vanitas konnte die kleinen Schnitte an den Unterarmen sehen, da Ven nur ein T-Shirt trug. Es sah aus, als hätte er einen Dornenbusch umarmt. Vielleicht hatte Terra ja diese Vanessa gefunden und sich mit der beschäftigt. Bei dem Gedanken an diese Unbekannte verfinsterte sich alles bei Vanitas. Wer war dieses Mädchen, das dafür sorgte, dass sein Ven sich mit seinem besten Freund schlug? Ven sollte sich nicht in jemand anderen verlieben. Er war immer noch da.

Vanitas war aber auch bewusst, dass er es vielleicht versaut hatte. Er hatte sich wirklich lange nicht gemeldet. Aber was hätte er denn tun sollen?

Er bemerkte, wie sich Ven über die Arme rieb. Bestimmt war ihm kalt. Nach kurzem Überlegen, zog der Schwarzhaarige seine Jacke aus und schloss schnell zu dem Blonden auf. Er legte ihm die Jacke über die Schultern. Dieser blieb verdutzt stehen und steckte dann die Arme durch die Ärmel. „Danke.“, sagte er leise mit seinem Rotschimmer auf den Wangen. Das sah schon mehr nach seinem Ven aus. Zufrieden nickte Vanitas und unterdrückte den Drang, nach Vens Hand zu greifen. Ven lief wieder stumm weiter, aber wenigstens lief der Schwarzhaarige jetzt nicht mehr hinter, sondern neben ihm.

 

Ven starrte stur auf den Boden, als er weiterging. Hoffentlich unbemerkt kuschelte er sich tiefer in die Jacke. Er sog Vanitas‘ Geruch ein. Er hatte ihn so vermisst. Er wollte ihm verzeihen, ihn umarmen und ihm sagen, dass er ihn vermisst hatte. Aber Vanitas hatte sich vier Monate nicht gemeldet und ihn ignoriert. Auch im Dojo hatte er ihn nicht angesprochen und sich dafür so eine blöde Blondine auf den Schoß gezogen. Sie waren sich immerhin ein paar Mal über den Weg gelaufen.

Er hatte sogar mit Vanitas‘ Freunden gesprochen am ersten Tag und der Schwarzhaarige hatte ihn nur angesehen. Er hatte nicht mal Hallo gesagt. Aber er war jetzt da, an seinem Geburtstag, und wollte ihn wohl wirklich sehen. Er war verwirrt. Sie schwiegen sich wieder an und Ven bog an zwei Kreuzungen so ab, dass er wieder auf dem richtigen Weg war. Trotzdem würden sie jetzt eine halbe Stunde Umweg laufen.

Die Stille ließ Ven nachdenken. Vanitas hatte ihn links liegen gelassen und sich eine neue Freundin gesucht. „Ist sie wenigstens gut?“, fragte er plötzlich. Vanitas schreckte hoch. Er hatte bestimmt nicht mehr damit gerechnet, dass Ven etwas sagen würde. „Was?“ „Ist sie gut? Diese Blondine? Ist sie gut im Bett?“ „Bitte?!“ Ven blieb stehen. „Ich will wissen, ob diese Schlampe es dir richtig besorgt!“, zischte er. Der Schwarzhaarige blieb ebenfalls stehen. Er starrte ihn fassungslos an. Dieser fragende Blick fachte die Wut in ihm mehr an. „Hast du so viele, dass du gar nicht weißt, von wem ich spreche?“ Vanitas sah ihn immer perplex an und sagte kein Wort. „Ich meine diese blonde Schlampe, die Dienstag auf deinem Schoß gesessen hat.“ Da leuchtete so etwas wie Verständnis in Vanitas‘ Augen auf und er sagte: „Das war Larxene und da war gar nichts. Die zieht immer so eine Nummer ab.“ „Ja klar.“, maulte Ven und stürmte weiter.

 

Vanitas beeilte sich hinterher zu kommen. Sie waren inzwischen in einem Wohngebiet angekommen und er war sich sogar fast sicher, die Gegend zu kennen. Er war nur einmal bei Ven zu Hause gewesen, aber er glaubte, dass sie dort fast angekommen waren.

War Ven eifersüchtig auf Larxene? Er hatte sie immerhin Schlampe genannt. Dabei hatte Ven überhaupt kein Recht eifersüchtig zu sein. Er packte den Blonden an der Kapuze und zwang ihn, stehen zu bleiben. „Stell dich mal nicht so an!“, sagte er. Ven antwortete nicht und verengte nur die Augen. „Du gehst doch auf Dates mit diesem Zack!“ Nun riss der Blonde die Augen verblüfft auf. „Wer sagt das?“, fragte er. Vanitas schnaubte. „Das braucht keiner sagen. Ich habe euch gesehen!“, der Schwarzhaarige wurde immer lauter zum Ende hin. „Ich habe gesehen, wie ihr in diesem Eiscafé gesessen habt! Und ich habe gesehen, wie ihr gelacht habt! Er hat sogar von deinem Eis gegessen!“, nun schrie er.

Ven riss sich los und trat einen Schritt zurück. „Du hast dir doch auch eine neue Blondine gesucht, die auf dich steht! Da war es nur mein Recht!“, schrie er zurück. „Da suchst du dir einfach einen Neuen!?“ „Du hast das doch auch gemacht!“ „Hab ich nicht!“ „Doch!“ „Du hast doch an jedem Finger einen neuen!“ „Was?“, die Frage von Ven kam nicht mehr geschrien.

„Ja! Erst diesen Zack und dann prügelst du dich mit Terra um eine Vanessa. Wer hat denn zig Neue?“, murrte Vanitas. Ven lief rot an und schaute auf den Boden. Der Schwarzhaarige verschränkte die Arme und wartete ab. Da hatte er wohl einen Nerv getroffen.

 

Ven merkte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Das alles hatte Vanitas mitbekommen? Es war ihm peinlich, so unendlich peinlich. Er war ja wirklich mit Zack auf ein Date gegangen, nur dass Zack es nicht als Date gesehen hatte. Und die Schlägerei mit Terra…

„Ich…“, setzte er an, verstummte aber gleich wieder. Was sollte er sagen? Er sah kurz über die Schulter. Sie standen bereits vor seinem Haus. Vanitas schien auf eine Erklärung zu warten. Nun merkte Ven auch zum ersten Mal den Alkohol in seinem Blut. Ihm traten Tränen in die Augen, das war einer dieser Stimmungswechsel, die hatte, wenn er betrunken war. Eben war er noch sauer und jetzt war es ihm peinlich, dass er auf diesem Date gewesen war und es tat ihm leid. Er wollte sich in Vanitas‘ Arme werfen und sich entschuldigen.

„Ja, ich wollte ein Date mit Zack.“, gestand er und starrte weiter stur auf den Boden. Hoffentlich sah Vanitas nicht, dass er fast weinte. „Aber ich wollte das erst, nachdem ich gesehen hab, wie diese Blondine auf deinem Schoß saß. Ich dachte, dass ist deine neue Freundin. Dass mir deswegen nicht mehr geantwortet hast, weil du eine neue Freundin hast.“

Allein der Gedanke, dass Vanitas eine neue Freundin haben könnte, ließ die Tränen fließen. Schnell wischte Ven sie wieder weg und wagte einen kurzen Blick auf den Schwarzhaarigen. Dieser hatte die Arme sinken lassen und schaute nun selber peinlich berührt.

„Das tut mir leid. Ich wollte dir antworten.“, sagte er leise und Ven starrte ihn nun offen an, auch wenn er immer noch nasse Augen hatte. „Ich wollte dir antworten, als du mir geschrieben hattest. Ich hatte die Nachricht ja auch schon geöffnet. Aber da hat mein Vater mir mein Handy weggenommen.“ Ven schaute ihn ungläubig an. Bevor er etwas sagen konnte, sprach Vanitas aber schon weiter, so als müsste er alles erzählen, bevor ihn der Mut verließ. „Ich weiß, das klingt jetzt unglaubwürdig, aber du kennst ihn ja. Er hat es weggenommen und gesagt, ich bekomme es erst nach den schriftlichen Prüfungen wieder, damit ich mich ganz aufs Lernen konzentriere. Die Prüfungen waren aber erst Anfang März. Er hat mir auch das Internet gekappt. Ich durfte zwei Monate gar nichts. Und dann hab ich mich nicht getraut, dir zu schreiben oder anzurufen. Immerhin hatte ich mich zwei Monate nicht gemeldet und du hattest auch nicht mehr geschrieben danach. Ich dachte, du bist bestimmt furchtbar sauer. Ich habe es hinausgezögert und dann waren es schon drei Monate und… ich hab gar nicht mehr damit gerechnet, dich wiederzusehen, aber dann sind wir hierher gefahren und du standst auf dem Balken und alle fanden dich so unglaublich cool… da kam ich mir so blöd vor, dass ich dir nicht geschrieben habe.“

Ven konnte nicht mehr böse auf Vanitas sein. Er kannte Vanitas‘ Vater. Er war zwar ganz nett, aber er verlangte Leistung und gewisse Ergebnisse. Es klang sehr plausibel, dass er das Handy und das Internet einkassiert hatte. Wahrscheinlich blühte Sora nächstes Jahr genau das gleiche.

„Das mit Zack war kein Date.“, platzte es ihm deshalb auch gleich raus. „Er hat einen Freund. Er wollte nur nett sein und mich von meinem Liebeskummer ablenken.“ Vanitas nickte leicht. „Also liebst du jetzt diese Vanessa? So wie diese Mädchen es gesagt haben?“ Der Blonde schüttelte heftig mit dem Kopf. „Nein. Es gibt keine Vanessa. Ich habe mich wegen dir geprügelt. Die haben das nicht ganz mitbekommen.“ Nun riss Vanitas die Augen auf. Ven lachte leicht: „Terra meinte, ich soll aufhören, dir nachzutrauern und dass du ein Arschloch bist. Da habe ich ihn geschlagen und-“

Weiter kam er nicht. Vanitas hatte sein Gesicht gepackt und küsste ihn stürmisch. Ven erwiderte sofort. Er hatte ihn so vermisst. Er krallte sich in das T-Shirt des Schwarzhaarigen und lehnte sich an ihn. Er hatte diese Küsse vermisst, diese besitzergreifende Art, dieses einfach-alles. Er hatte Vanitas vermisst. Und so wie sie sich küssten, hatte Vanitas ihn genauso vermisst. Sie ließen erst von einander ab, als sie keine Luft mehr bekamen.

„ich habe dich vermisst.“, nuschelte Ven leise. Vanitas schlang die Arme um ihn. „Ich dich auch. Es tut mir leid.“, er drückte ihn an sich. Ven genoss die Umarmung, sie war das Beste, was ihm in den letzten Wochen passiert war. Er löste sich etwas und schaute in diese goldenen Augen. „Kommst du mit rein?“ Vanitas zögerte. Ven lächelte ihn an: „Ich habe aber Geburtstag.“ Nun grinste auch der Schwarzhaarige. „Da kann ich wohl nicht nein sagen.“ Ven schüttelte lächelnd den Kopf.

Kapitel 9

Ven wurde wach, als ihm Licht ins Gesicht schien. Er blinzelte kurz und seufzte dann. Er hatte vergessen das Rollo herunter zu lassen. Er schaute auf seinen Wecker und stöhnte. Es war kurz vor sieben Uhr. Wann war er nach Hause gekommen? Müde kuschelte er sich tiefer in seine Decke. Er seufzte zufrieden, als der Arm um seinen Bauch, ihn fester drückte.

Er war doch tatsächlich gestern noch mit Vanitas im Bett gelandet. Ven lächelte selig. Es war so schön gewesen, er hatte sich so geborgen, zufrieden und gewollt gefühlt. Jetzt lag er wie früher im Bett, Vanitas hinter sich, der einen Arm um ihn gelegt und sein Gesicht in seine Haare gedrückt hatte. Als wäre es nie anders gewesen.

Er war glücklich, aber irgendwo auch unzufrieden. Der Schwarzhaarige wollte seine Vergebung und die hatte Ven ihm auch gegeben, sonst lägen sie jetzt nicht hier. Eigentlich wollte er es ihm nicht so leicht machen, aber jetzt war es so. Er hatte gestern zu viel getrunken, dann war es auch einfach zu spät und zu kalt gewesen. Er hatte gefroren und war müde gewesen und wollte einfach nur noch ins Warme und schlafen. Und er hätte Vanitas niemals einfach die Tür vor der Nase zu machen können, hatte er noch nie gekonnt.

Kurz drückte Ven den Arm um seinen Bauch enger an sich, bevor er sich aus der Umarmung schälte und aufstand. Er musste wenigstens das Rollo runterziehen, sonst könnte er nicht mehr schlafen. Als er sich wieder hinlegte, rührte der Schwarzhaarige sich.

„Warum stehst du denn auf?“, nuschelte er und schlang die Arme sofort um Ven, als dieser lag. „Das Rollo war oben.“ Der Blonde kuschelte sich an seine Brust. Vanitas machte ein verstehendes Geräusch.

Sie lagen einige Sekunden nur da und genossen die Zweisamkeit, als ein Handyklingeln ertönte. Es war das kurze Fiepen, wenn eine Textnachricht einging. Nach dem ersten Ton gab es eine kurze Pause, aber dann klingelte es mehrmals hintereinander. Da schien jemand Nachrichten zu spammen.

Genervt drückte Vanitas sein Gesicht an Vens Hals. Doch das Ignorieren machte es nur schlimmer. Es dauerte nur eine halbe Minute, als eine laute Melodie erschallte, ein Anruf. Genervt seufzend beugte der Schwarzhaarige über Ven und drückte den Anruf weg. Sein Blick blieb am Display kleben. Er wurde sofort wieder angerufen. Diesmal ging er ran.

„Ja?“, sagte er und klang fast wach, auch wenn sein Blick was ganz anderes sagte. Er sagte mehrmals „Ja.“ oder machte zustimmende Laute. Dann sah er Ven an. „Wie lange brauche ich zum Dojo?“ „Nicht lang, zehn bis fünfzehn Minuten. Wieso?“ Er antwortete seinem Freund nicht, wiederholte die Zahl nur, bestätigte eine Aussage und verabschiedete sich.

Der Schwarzhaarige ließ das Handy auf seine Brust fallen und wischte sich mit den Händen über das Gesicht. Ven sah ihn fragend an. „Um halb acht gibt es Frühstück und wegen der Feier gestern, kontrollieren die Lehrer, dass auch wirklich alle aufgestanden sind.“

Ven schaute reflexartig auf seinen Wecker, obwohl er das gerade eben erst getan hatte. Kurz nach sieben. Ven seufzte enttäuscht. Das hieß, Vanitas musste sofort los, wenn es keinen Ärger geben wollte. Kein gemeinsames Frühstück.

„Dann müssen wir ja sofort los.“, stöhnte der Blonde. Vanitas zog einen Mundwinkel hoch und grinste ihn schief an. „Wir machen gar nichts.“ „Hä?“, machte Ven intelligent. Der Schwarzhaarige setzte sich auf und drückte Ven zurück auf die Matratze, als dieser sich aufsetzen wollte. „Du bleibst liegen und schläfst aus, immerhin hast du Geburtstag.“, er drückte ihm einen Kuss auf, „Ich gehe alleine zurück.“

Damit stand Vanitas auf und suchte seine Klamotten. Ven setzte sich wieder auf und sah ihm dabei zu, wie er sich anzog. Wollte er ihn wieder alleine lassen? So tun, als wäre nichts geschehen? Er sagte aber nichts. Er bekam die Lippen nicht geöffnet. Sie hatten sich doch gestern vertragen. Wieso wollte Vanitas denn jetzt alleine… Er bekam keinen klaren Gedanken zusammen.

Vanitas zog sich seine Sweatshirtjacke über und setzte sich auf die Bettkante. Er umfasst Vens Gesicht mit beiden Händen und sah ihm tief in die Augen. „Was guckst du jetzt so?“ Ven konnte den Blick nicht abwenden, aber antworten konnte er auch nicht. Vanitas zog ihn in einen langen, sanften Kuss. Danach sah er ihn wieder an. „Du wirst dich ausschlafen und dann kommst du ins Dojo.“ Der Blonde musste lächeln. Vanitas‘ befehlender Satzbau, wie lange hatte er ihn nicht mehr gehört? Dann wurde ihm eine Schachtel in den Schoß gelegt. Verwirrt schaute er darauf seinen Freund an. War Vanitas noch sein Freund?

„Mach dein Geschenk auf.“ Ven starrte den Schwarzhaarigen an. „Du hast ein Geschenk für mich?“, fragte er dümmlich. Vanitas schnipste ihm gegen die Stirn. „Aufmachen.“ Schnell öffnete er die Schachtel und zog eine Kette hervor. Der Anhänger war silbern und sah aus wie ein Tribal. Ein Kreuz an dessen Spitze ein eckiges, umgedrehtes Herz hing. „Danke.“, mehr brachte er nicht hervor.

Vanitas nahm ihm die Kette aus der Hand und legte sie ihm um. „Die wirst du nachher tragen, wenn du ins Dojo kommst.“ Ven strahlte ihn an. „Ja.“ Sie küssten sich wieder.

 

Gehetzt lief Vanitas über den Parkplatz zur Seitentür, durch die sie am ersten Tag gegangen waren. Er zog sie auf und schloss sie leise hinter sich. Die Mensa war nur ein paar Meter entfernt und nur ein wirklich kleiner Flur trennte ihn davon. Vorsichtig schlich er sich zum Rand und sah auf die Uhr. Es war einige Minuten nach halb acht, er war zu spät. Jetzt war es auch egal. Er schlenderte zum Buffettresen und tat sich Frühstück auf. Danach ging er zu dem Tisch an dem seine Freunde saßen und setzte sich ganz selbstverständlich.

„Man, wo warst du?“, fragte sein Freund Marluxia auch gleich, „Du siehst richtig fertig aus.“ Vanitas antwortete nicht, sondern biss erst einmal in sein Brot. Saix, der neben Marluxia saß, stieß diesem mit dem Ellbogen in die Rippen und grinste breit. „Der hat bestimmt gestern jemanden abgeschleppt. Viel Schlaf scheinst du nicht gehabt zu haben.“ Vanitas zuckte bloß mit den Schultern und aß weiter. Das war seinen Freunden genug an Zustimmung.

„Vanitas, haben Sie sich endlich entschlossen, auch aufzustehen?“, ertönte neben ihnen die Stimme ihrer Lehrerin. Antworten musste der Schwarzhaarige zum Glück nicht, denn sie rauschte direkt weiter.

 

Gut gelaunt packte Ven seine Sporttasche. Nachdem Vanitas gegangen war, hatte er sich wieder hingelegt und noch ein paar Stunden gedöst. Richtig schlafen konnte er nicht mehr. Danach hatte er gefrühstückt und die erhaltenen Glückwünsche seiner Freunde beantwortet. Dabei fuhr seine Hand immer wieder zu dem Anhänger um seinen Hals.

Vanitas hatte ihm tatsächlich etwas zum Geburtstag geschenkt. Vor ein paar Tagen hatte er noch gedacht, er würde den Schwarzhaarigen nie wiedersehen und jetzt waren sie wieder zusammen.

Ven tippte eine kurze Nachricht an Terra, dass er sich auf den Weg macht und schnappte sich seine Tasche. Es war bereits nach Mittag und bald würden nächsten Kurse im Dojo anfangen. Ihr eigener Kurs war erst später, aber wenn jemand Geburtstag hatte, trafen sie sich früher und aßen zusammen noch Kuchen. Das Beste war, dass das Geburtstagskind nicht mitnehmen musste, es hatte immerhin Geburtstag.

 

Im Dojo hatte Ven sich schnell umgezogen und lief in die Mensa. Dort saßen bereits Aqua, Terra und Xion und vor ihnen auf dem Tisch stand ein selbst gebackener Marmorkuchen. Xion sprang Freude strahlend auf und warf sich ihm um den Hals. „Alles Gute zum Geburtstag.“, rief sie laut. Ven konnte nicht anders als lachen. Als Xion sich löste, beglückwünschten Aqua und Terra ihn ebenfalls so fröhlich. Auch entschuldigten sie sich noch einmal, dass sie nicht mit reinfeiern konnten.

„Setz dich, alter Mann.“, grinste Terra und drückte den Blonden an den Schultern auf einen Stuhl. Dann hielt Aqua ihm ein großes Geschenk unter die Nase. „Wir haben zusammengelegt.“, verkündete sie stolz und schnell riss Ven das Geschenkpapier auf.

Mit großen Augen schaute er seine Freunde an und dann wieder auf das Geschenk. Dann hielt er es in die Luft. Sie hatten ihm einen Trainingsoutfit gekauft, ein Shirt, welches ärmellos war und eine Dreiviertelhose.

„Das ist doch viel zu teuer.“, stammelte er los. Die drei lachten. „Wir haben doch zusammengelegt, da passt das schon.“, grinste Aqua. „Ich muss mich umziehen.“, grinste Ven und rannte zurück in die Umkleide.

Die Hose saß super, dort hatten sie wahrscheinlich einfach die Größe aus einer seiner Sporthosen genommen, aber das Shirt… das Shirt war wirklich eng. Es war lang genug, aber es klebte an ihm wie eine zweite Haut. So betonte es seine Oberarme sehr gut, auch ließ es sein Sixpack erahnen.

Er ging zurück in die Mensa. Terra pfiff anerkennend. Als Ven ihn erreichte, fasste er ihn am Oberarm an, zog die Hand aber ruckartig wieder weg, während er ein zischendes Geräusch machte. „Heiß?“, fragte Xion mit einem breiten Lächeln. „Absolut.“, grinste Terra. Ven wollte ihn schlagen, aber der Dunkelhaarige war bereits zur Seite gesprungen.

Sie setzten sich an den Tisch und taten sich Kuchen auf. Schweigend genossen sie den Kuchen, den Xion gebacken hatte. Irgendwann fragte Aqua: „Was ist das denn für eine Kette?“ Automatisch fuhr Vens Hand zu dem Anhänger und er lächelte: „Die habe ich geschenkt bekommen.“ „Von wem denn?“, fragte Terra interessiert.

Ven schluckte und sah ihm in die Augen. Sein bester Freund würde sich bestimmt furchtbar aufregen. Aber Vanitas war sein fester Freund und das musste er nicht verstecken. Also fasste er sich kurz und sagte: „Von Vanitas.“



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