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Nimrod

Der Kronpriz von Babylon
von

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"Happy Birthday, Cyrus"

Ich weiß nicht mehr genau, wann es angefangen hatte. Heute Mittag erst oder doch schon heute Morgen? Eigentlich schon gestern abend, als meine Eltern mir ungewöhnlich sanft und besorgt eine gute Nacht gewünscht haben. Ich weiß noch, dass ich sie gefragt hatte, was denn los sei, doch sie hatten mich nur traurig angesehen.

"Geh schlafen, mein Schatz.", hatte meine Mutter nur gesagt. Ich hatte noch lange wach gelegen und gehört, wie sie sich im Wohnzimmer leise unterhalten haben und schließlich sehr, sehr spät abends ins Bett gegangen sind. Heute morgen waren sie nicht da, als ich aufgestanden bin. Normalerweise hätte ich mir darüber keine weiteren Gedanken gemacht, ich meine, meine Eltern arbeiten beide, mein Vater ist Arzt und meine Mutter Anwältin. Da kann es vorkommen, dass sie sehr früh und sehr lange arbeiten.

Aber heute war mein sechzehnter Geburtstag, irgendwie hatte ich schon erwartet, dass sie zu Hause waren. Auf meinem Platz lagen ein kleines, quadratisches Paket und ein Brief, auf dem in der geschwungenen Handschrift meiner Mutter mein Name stand. Verwundert hob ich das Paket an, es war ungefähr so groß wie meine Handfläche und in altes Papier eingewickelt, das mich ein wenig an Pergament erinnerte, und wog es. Es war nicht schwer, hatte aber schon ein seltsames Gewicht. Ich beschloss allerdings, weder den Brief noch das Päckchen zu öffnen, bevor meine Eltern nicht zu Hause waren. Also legte ich beide Sachen auf das Fensterbrett. Ich sah mich in der Küche um, ob ich mich vielleicht versehen und die anderen Geschenke einfach übersehen hatte, doch ich fand nichts. Nicht einmal einen Kuchen oder Muffins, dabei backte meine Mutter leidenschaftlich gerne, zu jeder Gelegenheit, und an Geburtstagen gab sie sich immer besonders viel Mühe.

Ich zuckte mit den Schultern, wahrscheinlich hatten sie in der Eile den Rest der Sachen vergessen hinzu legen oder sie hatten auch daran gedacht, bis heute abend zu warten. Ich schnappte mir die Toastpackung, die auf dem Kühlschrank lag, und schob zwei Scheiben in den Toaster. Dann holte ich mir eine Müslischale aus dem Schrank, schüttete eine ordentliche Menge meiner Lieblingscornflakes hinein und kippte den letzten Rest Milch hinzu. Als der Toast fertig war, beschmierte ich ihn mit Nutella, stellte das Brett neben meine Schüssel und setzte mich.

"Happy Birthday, Cyrus.", murmelte ich leise zu mir selbst und tat so, als würde ich eine Kerze auspusten. Dann schlang ich die Cornflakes und den Toast in mich hinein, denn viel Zeit hatte ich nicht mehr, in einer Viertel Stunde musste ich los zur Schule und ich musste auch noch meine Schulsachen zusammen packen.

Als ich fertig war mir essen, ließ ich mein Geschirr in der Spüle stehen, ich würde es abwaschen, wenn ich heute Mittag nach Hause kam. Ich lief aus der Küche ins Wohnzimmer, wo immer noch meine Mathesachen auf dem Tisch lagen. Minus saß mitten auf dem Tisch und schnurrte fröhlich, unter seinen schwarzen Pfoten lugte ein Aufgabenblatt hervor.

"Minus!" Entsetzt zog ich das Blatt unter ihm hervor, woraufhin der Kater fauchend zu Boden fiel. Mit einer Mischung aus Entsetzen, Verzweiflung und Wut betrachtete ich das total zerknitterte Blatt. "Minus, du-" Ich stöhnte genervt, doch statt mich weiter darüber aufzuregen stopfte ich das Blatt zu den anderen Zetteln, die ich schon längst hätte einheften müssen, in meiner Mappe, stapelte meine Sachen übereinander und stopfte sie in meine Schultasche. "Ihr seid unmöglich! Wo ist überhaupt Plus, habt ihr denn keinen Hunger?" Als hätte er mich gehört, geschweige denn verstanden, kam Plus, der weiße Kater, in das Wohnzimmer getappt.

Nein, die Kater hießen nicht so, weil ich eine absolute Liebe zu Mathe entwickelt hatte (Nicht!). Als wir uns Plus gekauft hatten, hatten meine Eltern es mir überlassen, ihm einen Namen zu geben, und da man mit viel Fantasie in dem schwarzen Fleck in dem weißen Fell auf seinem Rücken ein Plus erkennen konnte, habe ich ihn ebenso genannt. Und als wir dann den zweiten kleinen, schwarzen Kater kurz danach gekauft hatten, brauchte er natürlich einen dazu passenden Namen. Minus, logisch. Ich weiß, typisch Kleinkind eben. Während andere Kinder ihren Haustieren Namen wie Futzi, Pauli oder Micky gaben, hießen meine Plus und Minus.

Als ich zurück in die Küche ging und den beiden Katzen ihr Futter in den Napf kippte, musste ich unwillkürlich grinsen. Wie hätten wohl Katze Nummer drei und vier gehießen, wenn wir denn noch welche geholt hätten? Mal und Geteilt?

Immer noch grinsend verabschiedete ich mich von den Beiden, indem ich jedem kurz über den Kopf streichelte, dann schnappte ich mir meine Schultasche, warf sie mir über die Schulter, schnappte mir meinen Hausschlüssel von der Kommode im Flur und verließ das Haus. Ich fuhr nicht gerne Bus, obwohl die Bushaltestelle nicht weit von unserer Wohnung entfernt war, nur ungefähr drei Minuten. Das eigentliche Probleme, warum ich nicht gerne mit dem Bus fuhr, waren die Jugendlichen, die jeden Morgen dort auf mich warteten. Normalerweise wäre ich gelaufen, aber da ich zu spät losgegangen war, würde ich Bus fahren müssen, um noch rechtzeitig zur ersten Stunde zu kommen. Missmutig sah ich den Jungen entgegen. Sie standen an der Bushaltestelle, genau im Weg in einer Reihe und grinsten hämisch. Einer von ihnen, ein großer, muskulöser mit einer abstoßenden Draco-Malfoy-Frisur trat mir in den Weg, bevor ich mich an ihnen vorbei quetschen konnte.

"Was willst du, Julien?", fragte ich genervt.

"Das weißt du ganz genau."

"Ich habe kein Geld.", gab ich zurück. Er grunzte.

"Wieso glaube ich dir das nicht?!"

"Weiß ich nicht. Vielleicht solltest du mal-" Bevor ich zu Ende gesprochen hatte, fuhr der Bus an die Haltestelle und öffnete direkt neben uns die Tür. Ich wand mich schnell aus Juliens Griff und sprang in den Bus.

"Danke!", murmelte ich dem kleinen, untersetzten Busfahrer zu, der mir aufmunternd zulächelte, dann ließ ich mich auf den Platz direkt hinter ihn fallen. Ich erlaubte mir einen Blick aus dem Fenster, nur um Juliens entäuschtes Gesicht zu sehen, was mich unweigerlich zum Grinsen brachte. Das hätte ich allerdings lassen sollen, denn jetzt sprach sein böser Blick klare Worte: Ich kriege dich schon noch, wenn nicht jetzt, dann später!

Ich ignorierte ihn und lehnte meinen Kopf müde gegen die Scheibe, als der Bus ratternd und brummend los fuhr.



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