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Übungssache

von

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How To Baby


 

“Having children is like living in a frat house - nobody sleeps, everything's broken, and there's a lot of throwing up.”

― Ray Romano
 

Mit ineinander gefalteten Händen betrachtete er das Geschehen vor sich. Seine Augen verengten sich, jede Bewegung wurde genauestens beobachtet und katalogisiert. Wer wusste schon, wofür ihm diese Information einmal nützlich sein könnte? Nun, die wahrscheinlichste Antwort darauf war „Für nichts“, aber gut, man konnte nie wissen, richtig?

Ein leises Seufzen entrann seiner Kehle, wozu hatte er eigentlich noch einmal unzählige Leute, die sich um so etwas normalerweise kümmerten, wenn er jetzt doch selbst die Verantwortung dafür trug? Manchmal hasste er es, dass er sich diese Bürde selbst auferlegt hatte, aber jemand Anderen – jemand Besseren – würde er für diesen Job wohl nicht finden.

„Ugh, lass das augenblicklich bleiben, das ist einfach nur widerlich.“

Das Kleinkind, dass gerade versuchte, seinen eigenen Fuß zu essen, gluckste bei seinen Worten nur leise und fuhr dann unbeirrt damit fort, sich selbst die Zehen zu besabbern und in den Mund zu stecken und großer Gott, das war so unvergleichlich furchtbar und er hatte das dringende Verlangen, sich die Augen mit einem Löffel aus dem Schädel zu hebeln, um diesen Anblick zu vergessen.

„Was soll ich bitteschön mit einem Baby anfangen?“

„Du könntest ihn im Arm halten.“

Was für ein schlechter Scherz. Er war Pagan Min. Ein König, kein Kindermädchen! Und trotzdem war er machtlos dagegen, wenn ihn eine hübsche, wenn auch intrigante und viel zu intelligente Frau - in die man zugegebenermaßen ein klein wenig verliebt war - darum bat, auf ihren Sohn Acht zu geben, während sie Dinge tat, von denen sie nichts berichten wollte. Spionagearbeit wahrscheinlich. Er grinste immer wieder selbstzufrieden in sich hinein, wenn er daran dachte, dass sie vor nicht einmal einem Jahr hierher geschickt worden war, um ihn auszuspionieren und jetzt war sie nicht nur die brillanteste Doppelagentin, die das Land jemals gesehen hatte, sondern auch diejenige, die die beste Bindung vom Volk hatte. Die Leute hörten ihr zu, im Gegensatz zu seinen Reden kamen sie zu ihren sogar freiwillig und ohne, dass er jemanden im Vorfeld erschießen musste, und das verletzte ihn ein ganz klein wenig. Männliche Egos waren eben zerbrechliche Konstrukte.

Wie auch immer, Ishwari war fort, hatte ihren Sohn bei ihm gelassen und er saß hier und betrachtete dieses kleine, schmutzige Wesen, das sich jetzt lieber eine Ecke seiner Tagesdecke in den Mund stopfte und Pagans Mundwinkel zuckten ob des anwidernden Anblicks, der sich ihm bot.

Ein wenig Ablenkung könnte dir guttun“, hatte sie behauptet. „Und wenigstens widerspricht er dir noch nicht.“

Noch nicht. Wenn er auch nur ansatzweise wurde wie seine Mutter (ein Umstand, auf den er sehr hoffte, denn es wäre eine furchtbare Verschwendung, würde er genauso ein Fickfrosch wie sein Vater werden), dann würde er ihm irgendwann widersprechen. Es würde ihn nicht wundern, würde sein erstes Wort „Nein“ werden, denn sobald er Luft holte, um einen wundervollen Plan zu erläutern, der nur teilweise zu tun hatte mit Mord, Blut und fehlenden Körperteilen, unterbrach Ishwari ihn normalerweise damit.

Das können wir nicht tun, Pagan. Wir müssen uns um die Leute kümmern, Pagan. Sie müssen uns vertrauen, Pagan.

Dabei war er sich sicher, dass nichts mehr Vertrauen aufbaute als eine ordentliche Schießerei und strategisch platziertes C4, aber wer war er schon, außer der Herrscher dieses kleinen, zurückgebliebenen Staates mitten im Himalaya, der stets adrett gekleidet war und generell großartig aussah?

Nun, offensichtlich ja auch noch ein verfickter Babysitter.

 

„Zur Not liest du ihm einfach etwas vor.“

Na sicherlich. Ishwari hatte ihm ein Märchenbuch dagelassen. Er nannte es jedenfalls so, im Grunde war es ein Buch voller Mythen und Legenden rund im Kyrat, von Shangri-La und Kyra und wie sie nicht alle hießen, aber da die meisten Geschichten quasi schon ab dem ersten Satz  „Bullshit“ schrien, war es für ihn einfach nur ein Märchenbuch. Nein, fiel aus. Am liebsten würde er es im hohen Bogen und locker aus dem Handgelenk ins Feuer werfen, aber auf jeden Fall gab es keine Vorlesestunde für dieses kleine Häufchen Mensch, dass ihn mit großen Augen ansah.

„Hörst du bitte damit auf? Ich weiß, dass ich ansehnlich bin, aber das ist gruselig, als würde mich eine Miniatur-Version deiner Mutter anglotzen. So lange du dir noch in die Hosen scheißt, hast du kein Recht, mich so anzusehen.“

Er deutete mit dem Zeigefinger auf Ajay, und das Balg nahm sich die Dreistigkeit heraus, einfach so zu lachen, so, als wäre diese Situation ungemein erheiternd. Und er wollte mit seinen kleinen, dreckigen Fingern nach seinem greifen.

„Und deine Grabbelhändchen behältst du bitte auch bei dir. Nein. Stopp.“

Es war zum Mäuse melken mit diesem Kind. Konnte er nicht einfach schlafen? Taten Kinder das nicht normalerweise? Er wusste nicht mal, ob er es ab und an mal von einer Seite auf die andere drehen musste, falls es sich sonst wund lag. Ein Märchenbuch hatte die Frau, aber keins mit dem hilfreichen Titel „How to Baby“. Er fühlte sich verraten.

Schweigend stand er auf und strich sich die Haare aus der Stirn, ehe er zu seinem Schreibtisch hinüber ging und nach ein paar Papieren griff, die wüst darauf verteilt lagen. Berichte, Briefe, Verträge, säuberlich durcheinandergewürfelt, weil ihm die meisten davon ohnehin egal waren. Für die schmutzige Arbeit hatte er immerhin seine Leute, und er war ja nicht König geworden, um sich um irgendetwas zu kümmern, sondern eher, weil es sich ergeben hatte – und vielleicht auch, weil ihm die halbe chinesische Mafia am Arsch gehangen hatte und er irgendwohin hatte fliehen müssen, wo ihn niemand kannte.

„Sehen wir mal“, meinte er dann, als er sich dennoch ein Blatt aus der Menge zog und dann zu Ajay hinüber sah. „Oho, hör dir das an. Offensichtlich hat dein Vater, dieser – Pardon – kleine Drecksack, einen Vertrag mit den USA ausgehandelt, wohl in der Hoffnung, mich endlich stürzen zu können. Er bekommt Waffen von ihnen. Keine Soldaten, nur Waffen. Dass diese Dilettanten vom Goldenen Pfad sich andauernd selbst in die Füße schießen, scheint ihm noch gar nicht aufgefallen zu sein. Vermutlich muss ich Ronald mal fragen, was der Mist soll. Ist der überhaupt noch Präsident? Eh, egal.“

Er ließ den Zettel achtlos fallen und blickte auf den Schreibtisch, und schon jetzt waren die restlichen Schreiben ihm so egal, dass er sie gar nicht mehr weiter betrachtete. Gott, er war so genervt vom Goldenen Pfad und Mohan Ghale, der glaubte, er könne ein besserer Herrscher sein, wenn er nur den Westen auf seiner Seite hatte. Dabei konnte er ja nicht mal auf seine Frau Acht geben. Oder auf seinen Erben.

Verlierer.

Pagan wusste wenigstens, dass er ein Mistkerl war. Ein cleverer noch dazu, ansonsten hätte er sich das alles hier auch nie erarbeiten können. Dazu gehörte eine Menge Heimtücke, eine Handvoll Wahnsinn  und eine Prise Selbstbeweihräucherung. Aber nichts war schlimmer als jemand, der glaubte, dass er alles zum Wohle seines Volkes tat und dabei selbst einfach nur ein egoistischer Bastard war, der glaubte, mit ein wenig mehr Macht würde er alles schaffen.

„Siehst du, genau das ist der Grund, warum ich meinen Vater umgebracht habe. Zu große Egos mit zu kleinen Visionen. Ist dir noch nie der Gedanke gekommen, ihn mit deinem Schnuller zu ersticken? Nein? Denk noch mal drüber nach.“

Ajay sah ihn so aufmerksam an, als würde er jedes Wort verstehen. Das war unheimlich. Un-heim-lich. Seine kleinen Händchen kneteten die Decke durch, die über ihm lag und seine braunen Augen fixierten Pagan unablässig.

Hoffentlich kam Ishwari bald zurück. Aber der Blick auf die Uhr verriet ihm leider, dass sie erst seit einer knappen Stunde weg war.

„Gruselige Scheiße.“

„Oh, und versuch bitte, nicht allzu viel zu fluchen.“

Hier war er, der König von Kyrat, mit einem Baby, einem Buch, und der Bitte, nicht alle Schimpfwörter, die er kannte, auf einmal vom Stapel zu lassen. Dabei hatte fluchen etwas an sich, das so befreiend war! Aber er war sich sicher, dass er sich von seinen königlichen Kronjuwelen würde verabschieden können, wenn Ajays erstes Wort irgendwann „Scheiße“ oder „Hodenkobold“ wäre. Und das konnte er nun wirklich nicht riskieren.

Gerade, als er intensiv darüber nachdachte, ob Hodenkobold wirklich eine Beleidigung war, begann Ajay zu weinen. In Pagans Kopf schrillten alle Alarmglocken zur gleichen Zeit, warum zur Hölle weinte er denn jetzt? Aus heiterem Himmel? War er kaputt gegangen? War es doch das Schimpfwort gewesen? Keine Ahnung! Was machte man überhaupt mit einem schreienden Kind? Es in den Arm nehmen? Dieses kleine, unhygienische, sabbernde… Dingens?

Pagans Mund verzog sich zu einer schmalen Linie, als er vorsichtig nach dem Baby griff. Es war eine Mischung aus der Art, wie man eine zerbrechliche und unfassbare teure Vase berührte und der Art, wie man etwas anfasste, das man selbst ganz furchtbar fand. So etwas wie billige geschneiderte Hosen. Oder stinkende Socken. Gott, er hasste stinkende Socken und apropos…

„Auch damit könntest du deinen Vater umbringen, lieber Himmel.“ An den Einsatz von Biowaffen hatte er bisher noch keinen Gedanken verschwendet gehabt. Pagan konnte sich nicht einmal die Nase zuhalten, als der Geruch bereits sein Büro flutete und versuchte daher, gar nicht zu atmen, ein Plan, der nur etwa 20 Sekunden lang Bestand hatte. Bis dahin hatte er allerdings atemlos nach einer Dienerin verlangt, der er das Baby ohne Umschweife in die Hand drückte, ehe er Würgereiz noch stärker wurde.

Wild gestikuliert er mit den Händen, wies sie an irgendetwas mit dem Kind zu tun, ihm war es egal, so lange es nicht mehr so stank. Keine Ahnung, was Leute taten, die dafür keine Diener hatten. Hielten sie das Baby über den Balkon und schüttelten es, bis alles draußen war? Verbrannte man danach die Kleidung? Dinge verbrennen hatte immer etwas Beruhigendes an sich, weswegen er sich diese Methode vormerkte für den Fall, dass so etwas noch einmal passieren würde.

Er hoffte inständig, dass es nicht noch einmal so weit kommen würde..

 

Die Dienerin brachte Ajay gute 30 Minuten später zurück, viel früher, als er erwartet hatte. Dabei war er gerade dabei gewesen zu überlegen, ob er nicht die Steuern auf den Ernteertrag erhöhen sollte. Nicht, weil es dem Staat an Geld fehlte oder dergleichen, sondern einfach aus Prinzip, um diesen Spaten vom Goldenen Pfad noch mehr Zunder für ihren Hass zu liefern. Und weil er es eben konnte. Diese Entscheidung - und damit auch viele weitere - überließ er im Übrigen ein paar Dartpfeilen, die er in Richtung der gegenüberliegenden Wand warf, an der eine Scheibe mit vielen JA und NEIN befestigt war. Mit einem geschlossenem Auge warf er den Dartpfeil und -

„Oh, Junge. Das wird ein schwieriger Winter für euch.“

Aber solche Überlegungen und vor allem Handlungen waren schwierig zu tätigen, wenn man plötzlich ein frisch gewickeltes Baby in die Hand gedrückt bekam, das nicht mehr nach Elefantendung roch, sondern so, als hätte man es einmal komplett einer Grundreinigung unterzogen. Was ungemein gut war, weil er Ajay sonst im Wald bei den Tieren hätte aussetzen müssen und das wäre für keinen Beteiligten gut ausgegangen. Außer, der Junge hätte sich überraschenderweise als entfernter Verwandter von Mogli entpuppt, aber die Wahrscheinlichkeit war wohl verschwindend gering.

Stattdessen saß er hier, mit dem Baby im Arm, das glücklich lachend mit dem Kragen seines Hemds spielte und ihn noch immer ungemein überforderte. Was sollte er den ganzen restlichen Tag mit dem Gör machen, um es zu bespaßen?

„Ich sag dir was, Ajay, ich werde jetzt diesen Dartpfeil werfen – Nein, Pfoten weg – und wenn er auf einem Ja landet, dann überlege ich mir noch mal, ob ich dir nicht doch was vorlese. Die Staatsverfassung oder so was. Und bei einem Nein werde ich dich ganz sanft dort hinten abparken und dann wichtige Dinge tun. Elefanten pink anmalen zum Beispiel. Irgendetwas, das auf keinen Fall warten kann. Wichtige Dinge.“

Ein zustimmendes Glucksen. Na, wenigstens widersprach er wirklich nicht. Also warf er den Pfeil auf das Brett und blieb dann einen Moment unbewegt stehen, ehe er seufzend ausatmete.

„Dreck.“

 

Aus Frust hatte er später einen Diener dazu aufgefordert, ihm einen Elefanten liefern zu lassen, um diesen mit feierlich kyratischen Mustern bemalen zu lassen. Vielleicht hatte Ishwari irgendwann mal Bedarf daran, auf einem Elefanten durch die Menge zu reiten und Reden zu schwingen. Es wäre ein Anblick für die Ewigkeit, so viel war sicher. Er war immer noch betrübt, dass es damals mit den Bären nicht so gut geklappt hatte, und Ishwari hatte eine Woche nicht mit ihm gesprochen, egal, wie oft er versucht hatte ihr zu erklären, dass zwei pinke Bären ihr Ansehen um die Hälfte steigern würden.

Er selbst hatte inzwischen dieses unsäglich grausame Buch in der Hand, blätterte immer wieder vor und zurück, in dem verzweifelten Versuch, eine Geschichte zu finden, die nicht vollkommen hanebüchen klang, aber das schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.

Ajay nahm ihm die Entscheidung irgendwann ab, als er mit seinen kleinen Patschern auf eine der Seiten schlug, die einen weißen Tiger und einen Krieger zeigten, umgeben von roten Pflanzen, alten Türmen und hinduistischen Zeichen.

„Kalinag und sein Himmelstiger? Bei ihrer Reise durch Shangri-La? Also bitte. Ich meine, ich will deinen Geschmack weiß Gott nicht kritisieren, aber… fein, hör auf zu schluchzen, ja?“

Es stellte sich heraus, dass Kalinag ein furchtbarer Idiot war, der bei nahezu jedem Kampf hopps gegangen wäre, hätte er nicht seinen allmächtigen Tiger gehabt. Keine Ahnung, welche Lehren Kinder daraus ziehen sollten, aber es hieß hoffentlich nicht, dass man sich einen persönlichen Tiger zulegen musste, um zu überleben. Nicht, dass sich Pagan diese Idee nicht dennoch vormerkte, irgendwann hatte das Kind schließlich auch mal Geburtstag.

 

„Mach dir keine Sorgen, er wird auch sehr viel schlafen.“

Das war die größte Lüge der Menschheitsgeschichte, so viel war sicher. Keine Ahnung, warum dieses Kind so viel Ausdauer hatte, aber selbst die Geschichten von Kalinag überstand er nahezu ohne Schlummerpause und Pagan wusste nicht, ob er ihn darum beneiden oder dafür verachten sollte. Er selbst konnte jemand anderem ja nicht mal mehr als fünf Minuten zuhören, ohne mit den Augen zu rollen oder ein zweistündiges Nickerchen zu wollen. Ajay hatte ihm definitiv etwas voraus.

„Du siehst gut aus mit einem Kind im Arm.“

Er hatte gar nicht gehört, dass sich die Tür geöffnet hatte, weil er damit beschäftigt war, das Baby in seinem Arm hypnotisierend anzusehen, und es per Gedankenübertragung dazu zu bringen, endlich zu schlafen. Aber der Scheiß klappte offensichtlich nicht, wenn man nüchtern war. Und nicht mal ein Stück weit high.

Ishwari stand in der Tür und normalerweise wäre Pagan jetzt sehr beleidigt darüber gewesen, dass er mit einem Mal nicht mehr der schönste Mensch in diesem Raum war, aber… tja, es gab eben immer Ausnahmen. Immer.

„Das heißt, dass man mir die letzten Stunden voller nackter, panischer Angst nicht ansieht, in denen ich gefürchtet habe, dass ich ihn fallen lasse?“  Pagan warf das Buch auf den Tisch, und ihm entging nicht der zufriedene Blick, den Ishwari auf den Umschlag warf. Ja, er hatte aus dem blöden Buch vorgelesen. Gezwungenermaßen. Er war nicht stolz darauf.

Sie kam zu ihnen hinüber, lehnte sich gegen seinen Arm, als wäre ihre Beziehung das Normalste der Welt und nicht ein weiterer Grund für den Goldenen Pfad, um Pagan zu hassen. Immerhin hatte er ihrem großen Führer Mohan Ghale die Frau ausgespannt. Hah. Zwar war Pagan sehr oft der Meinung, dass sie damit einen Verrückten gegen einen anderen, besser aussehenden eingetauscht hatte, aber er war nichtsdestotrotz stolz auf diesen Umstand. Am Ende hatte sie eben ihn gewählt und nicht ihren geistig unbewaffneten Mann.

Ishwari betrachtete gerade ihren Sohn mit zufriedener Miene, ehe sie dann zu Pagan nach oben sah, und sie schien überaus erfreut über den Umstand zu sein, dass niemand verschwunden oder verletzt war. Oder in Flammen stand.

„Die Angst sieht man tatsächlich nicht“, bestätigte sie dann leise, und irgendetwas in ihrer Stimme ließ ihn aufhorchen. Ein Unterton, den er nicht wirklich deuten konnte. Und er hasste es, wenn er dazu nicht in der Lage war, denn das bedeutete, dass er nachhaken musste. Hatte er schon erwähnt, dass Ishwari gut darin war, Geheimnisse zu bewahren?

„Okay“, begann er dann leise, während er die Frau neben sich eindringlich musterte. Das dunkle Haar, die braunen Augen, die ihn gerade aufmerksam ansahen, das Zeichen der Göttin Kyra auf ihrer Stirn. „Was ist los? Steht dein leider-noch-Ehemann vor der Tür, bereit, mich umzulegen? Ein wütender Mob, der mich mit Fackeln und Mistgabel durch den Palast jagen will? Irgendwas in der Art?“

„Ich dachte nur, es wäre schon mal eine gute Übung, wenn du etwas Zeit mit Ajay verbringst.“

„Eine Übung wofür?“, fragte Pagan irritiert. Weil sich auch Kyrats Volk benahm wie ein Kleinkind, dass sich gerade in die Hose geschissen hatte und dann lautstark weinte, weil es stank? Denn das war er sowieso schon gewohnt, darin hatte er Übung. In dem Fall konnte er es nämlich gut mit Ignoranz strafen.

Mit einem wissenden Lächeln löste sie sich von ihm, nahm ihm Ajay ab, der jetzt natürlich endlich eingeschlafen war und dabei ausgiebig und selbstzufrieden vor sich hin sabberte. Nachdem er ihn vorher so auf Trab gehalten hatte. Was für ein mieser, kleiner Verräter. Das hatte er definitiv von seinem Vater.

„Du weißt schon, was manchmal passiert, wenn Leute miteinander schlafen?“ Ishwaris Frage war von einem Lachen begleitet, offensichtlich war sie fasziniert davon, dass er nicht wirklich wusste, worauf sie hinaus wollte.

„Na, in unserem Fall haben sie dabei immer jede Menge Spaß.“ Bei ihrem leicht vorwurfsvollen Blick und dem darauffolgendem Augenrollen zuckte er nur die Schultern, was erwartete sie denn für eine Antwort von ihm? Es war die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. „Wo wir gerade davon sprechen, da der kleine Scheißer jetzt schläft-“

„Pagan, das meinte ich nicht“, sagte sie dann, während sie Ajay zurück in seine Wiege legte, wo er zufrieden vor sich hin sabbern konnte. „Weißt du, wo ich heute war? Beim Palastarzt. Ich wollte dir nichts sagen, weil ich mir noch nicht sicher damit war, aber… jetzt bin ich es.“

Es war beschämend, dass die Information so lange brauchte, um zu ihm durchzusickern. Normalerweise war er wirklich ein sehr kluger Mann, und bescheiden dazu, aber in diesem Augenblick sah er Ishwari einfach nur an, bis die Erkenntnis dann endlich gesackt war. Tief gesackt.

Er sollte Übung haben, weil…

Heilige Scheiße.“

Mit drei schnellen Schritten war er bei ihr, direkt vor ihr, nahm ihr Gesicht in beide Hände, hielt sie fest, ein breites Lächeln auf den Lippen. Ein Kind. Also, noch ein weiteres Kind. Ein Erbe. Ihr gemeinsames Kind. Er konnte nicht in Worte fassen, wie überrascht und stolz er gerade zu gleichen Teilen war. Wie sich Erkenntnis und Aufregung und Sorge in ihm die Hand reichten.

Was hatte er denn nur für ein un-fucking-fassbares Glück mit dieser Frau an seiner Seite, die gerade lächelnd zu ihm hinauf sah, ehe sie ihn leicht in die Seite boxte.

„Was hatten wir über das Fluchen gesagt?“

„…Ich übe noch.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  BexChan
2018-07-22T16:08:05+00:00 22.07.2018 18:08
Oh mein Gott, wie zuckersüß das einfach mal ist XDDDDDDDDDDDDD
Memo an mich: Ich muss das Spiel unbedingt weiterspielen, du hast mir gerade Lust auf mehr gemacht :D
Ich kenne leider die gesamte Hintergrundgeschichte noch nicht aber ich finde es einfach so niedlich, wie krass überfordert Pagan mit dem kleinen Ajay ist und ich mag deinen Schreibstil, er ist flüssig und gut zu lesen <3
Bei der Stelle mit den Bären, die pink angemalt waren hätte ich mich am liebsten bekniet vor lachen XDDDDDDDDDDD
Aber auch das Pair ist einfach mal urst niedlich, bin mal gespannt, wie es im Spiel weitergeht.
Auf jeden Fall sehr gut geschrieben, hat mir echt Spaß gemacht die Story zu lesen :D Keep up the good work, Zugteilchen <3


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