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Wie Hund und Katze

von

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3. Kapitel

Sie flitzten um ein paar Straßenecken, bis John plötzlich abrupt stoppte. So überraschend, dass Sherlock fast auf ihn geprallt wäre und ihn verärgert anfauchte.

John zog erschrocken den Schwanz ein und schleckte ihm entschuldigend über das Mäulchen. Sherlock konnte ihm einfach böse sein.

„Da vorn“, hechelte John. „Da ist es.“

Sherlock schaute in die angegebene Richtung.
 

Das Haus, um das ging, wimmelte von Polizei, natürlich. Ein gelb schwarzes Absperrband verwehrte Schaulustigen den Zutritt.

Sherlock schleckte sich nachdenklich die Pfote. „Ich muss da rein“, sagte er leise.

Sie sahen sich an. John seufzte.

„Ich werde sie ablenken“, sagte er.

Sherlock nickte seinem Freund zu. „Ja, das ist eine gute Idee. Ich bin sicher, dass du das hervorragend hinbekommst.“
 

John lief schwanzwedelnd und fiepend auf die Beamtin zu, die hinter dem Absperrband stand. Sie trug keine Uniform, gehörte also offenbar zur ermittelnden Brigade.

Johns Niedlichkeit war eine wirksame Waffe. Die Frau beugte sich zu ihm, kraulte ihn hinter den Ohren und sagte: „Na, wer bist du denn?“

„John“, bellte John, der zu höflich war, um sich nicht vorzustellen, „aber ich weiß schon, dass Sie mich ohnehin nicht verstehen.“

„Donovan?“, rief jemand von der Tür des Hauses. „Komme!“, rief Donovan.

Sie strich John noch mal über den Kopf und rief den den beiden uniformierten Beamten in der Nähe der Tür zu:

„Passen Sie auf, dass der kleine Kerl hier keine Unsinn anstellt!“

Somit hatte John nun die Aufmerksamkeit der beiden Männer.
 

Sherlock hatte die Ablenkung genutzt, um in das Gebüsch nahe der Haustür zu schleichen. Und nun gelang es ihm tatsächlich, beinahe unter den Augen der Polizisten ins Haus zu wischen. Menschen waren aber auch unaufmerksam. Wie zum Himmel wollten sie so einen Mordfall lösen? Wenn es denn Mord war ...

Sherlock huschte hinter den kleinen Schuhschrank im Flur und machte sich ganz schmal. Wie gut, dass Katzen in der Lange sind, sich auch in eigentlich viel zu kleine Lücken zu zwängen.

Seine feinen Ohren orientierten sich und so bekam er bald einen Überblick über die Lage.
 

Die Tote lag im Wohnzimmer. Es war nicht ihr Haus, um genau zu sein war dieses Haus hier unbewohnt und stand zum Verkauf. Die Frau hatte keinen Bezug hierher gehabt, sah man einmal davon ab, dass sie, wie die Watsons und die Holmes, in der Nachbarschaft wohnte.

Nun, es half nichts, er musste in den Raum, wo sich das Opfer befand.

Zwei Männer in Zivil befanden sich im Zimmer, einer davon offensichtlich der leitende Ermittler und der andere trug so einen merkwürdigen Schutzanzug und machte sich an der Leiche zu schaffen, er schien also von der Spurensicherung zu sein. Sherlock wusste ein bisschen Bescheid, dank des morgendlichen Zeitungsvorlesens durch Mycroft.
 

Getreu dem Motto „Frechheit siegt“ spazierte Sherlock in den Raum, maunzte, so dass sich die Köpfe zu ihm drehten, lief zum Fenster und sprang auf die breite, sonnenbeschienene Fensterbank. Dann nahm er geradezu majestätisch Platz, leckte sich die Pfote und begann sich zu putzen, als wäre es das selbstverständlichste von der Welt.

„Lestrade? Was macht die Katze hier?!“, sagte der Typ im Schutzanzug.

„Na Hoppla, wer bist du denn?“, fragte der andere, Lestrade, in Sherlocks Richtung.

„Wohnst du hier?“

Sherlock musste sich zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen.

Er, hier wohnen? In einem leerstehenden Haus? Er war doch wohl ganz offensichtlich ein überaus gepflegter und wohlgenährter Hauskater und kein Streuner. Nicht, dass er etwas gegen Streuner gehabt hätte, im Gegenteil. Seine besten Informanten, wenn es darum ging, die Vorgänge in der Nachbarschaft im Auge zu behalten (und Sherlock war mit einer selbst für eine Katze ungewöhnlichen Neugier ausgestattet) waren die herrenlosen, die streunenden Katzen, die in leerstehenden Häusern, Kellern, Schuppen und ähnlichem lebten.

Nichtsdestotrotz konnte er nur den Kopf schütteln über die Annahme, er sei ebenfalls ein herrenloses Tier. Es war doch einfach offenkundig, dass er zum einen nicht von Abfällen lebte und außerdem regelmäßig das Fell gebürstet bekam.

Menschen. Sie hatten eben eine bemitleidenswert unterentwickelte Beobachtungsgabe.
 

Er rieb sein Köpfchen an Lestrades Hand, die dieser ihm vorsichtig entgegengestreckt hatte und schnurrte.

„Lestrade, schaffen Sie das Vieh hier raus!“, schimpfte der Typ im Schutzanzug.

„Nun machen Sie mal halblang, Anderson“, sagte Lestrade. Sherlock grinste. Anderson, so wie der widerliche Kater, den John ordentlich verdroschen hatte. Und dieser Mensch hier schien genau so sympathisch zu sein.

„Immerhin haben wir alle Spuren gesichert, also lassen wir das Tier einfach in Ruhe“, fuhr Lestrade fort.

„Er scheint hier ein trockenes Plätzchen gefunden zu haben. Das möchte ich ihm nicht nehmen. Sagen Sie dem Bestatter, das Mrs. Wilson abtransportiert werden kann.“

Aha, Mrs. Wilson hieß die Frau. Gut. Richtig; er erinnerte sich an Harriets Schulfreundin. Clara Wilson. Und das hier war nun ihre Mutter. Nun ja.
 

Der Bestatter würde gleich da sein, also musste Sherlock sich beeilen.

Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. Am liebsten wäre er näher an die Frau herangepirscht, aber das hätte selbst der freundliche Lestrade sicher nicht zugelassen.

Er sah sich also um.

Die Frau trug ein entsetzliches Pink, der Lack an ihren Nägeln und der Lippenstift waren darauf abgestimmt. Ein Bürojob, vermutlich Medienbranche. Werbeagentur oder etwas ähnliches, wer sonst lief so gestylt herum.

Der Mantel feucht; das sah man, da die nassen Stellen dunkler waren.

Hochgestellter Kragen, ebenfalls feucht. Also war sie in regnerischem, stürmischem Wetter unterwegs gewesen. In London hatte es nicht geregnet, weder heute, noch letzte Nacht.

Also auswärts gewesen.

Glänzend polierter Schmuck, nur der Ehehering nicht. Unglücklich in ihrer Ehe.

Anderson zog ihr den Ring ab, um ihn einzutüten; man sah, dass er innen glänzte. Aha, Liebhaber gehabt, daher regelmäßig abgezogen.

Nun gut.

Dann der Koffer. Die Spritzer am rechten ihrer mit Seidenstrümpfen bekleideten Beine zeigte das ... Moment.

Hier war kein Koffer zu sehen.
 

Nun blieb ihm nichts anderes übrig: Er sprang vom Fenster und lief durch den Raum. Dann in den Flur. In die Küche, ins Obergeschoss..

Es war kein Koffer da. Verdammt, es musste ein Koffer da sein!

„Hallo, Miez?“, hörte er Lestrade rufen. Ach sollte der doch rufen.

Er, Sherlock, würde nun erst mal wieder zu John huschen.

John war zwar lange nicht so klug wie er, aber manchmal stellte der die richtigen Fragen.

Und auf jeden Fall würde er ihm suchen helfen. Denn es musste einen Koffer geben.

Und wenn der nicht da war, gab es dafür sicher einen guten Grund.



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