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Die Karten legt das Schicksal

von

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Ein Gutachten?

Unzufrieden verließ mich Paul an diesem Abend. Wäre es nach ihm gegangen hätte er nur zu gerne bei mir geschlafen. Doch ich wollte es nicht. Ich wollte immer noch schauen wie es sich entwickelte, ohne meine Tochter zu überfordern. Wenn morgens der Fremde vom Abend am Küchentisch saß, hätte ich es nicht vernünftig erklären können.

Madeline hatte schon einmal erwähnt, dass sie mich nicht teilen wollte, also konnte ich auch erst schauen, ob die Beiden sich anfreunden könnten. Ich hatte genug Zeit, sie lief uns nicht weg. Wenn wir uns öfter trafen, war das sicherlich der bessere Weg. Dann, so glaubte ich, würden die Beiden sich sicherlich gut verstehen. Ich war wirklich froh, dass sie mit Paul gut zu Recht kam. Wenn sie von Beginn an eine Antipartie gegen ihn gehabt hätte, würde es sicherlich schwerer werden. Doch sie schien ihn nicht zu nerven und auch ihre etwas überdrehte Art war für ihn in Ordnung. Ich konnte nur hoffen, dass es so blieb, wenn sie wusste, dass ich für Paul mehr empfand als Freundschaft. Schließlich wäre dies für sie auch eine neue und ungewohnte Situation. Doch Paul mochte Hunde, eindeutig ein Pluspunkt für ihn. Was man an diesen Tieren nur mögen konnte? Sie brauchten ständig Zuwendung und was noch schlimmer war, sie mussten jeden Tag raus, egal wie beschissen das Wetter war. Irgendwie glaubte ich, dass ich früher oder später dann auch mit ihm eine Diskussion über Hunde führen würde. Ich würde mich weiter weigern, denn ich sah es schon kommen, dass ich derjenige war, an den das Tier dann abgegeben wurde. Jedoch blieb ich auch wegen Pauls Handicap davon verschont. Doch diesen Gedanken verdrängte ich weit in meinem Kopf. Es wird in der nächsten Zeit sicher keinen Hund geben.

Ich beobachtete, wie sich Paul seinen Parka überzog und ein letztes Mal drückte ich den kräftigen Mann an mich. Automatisch glitt meine Hand tiefer und kniff in das feste Gesäß des Mannes vor mir. Frech schmunzelnd betrachtete ich ihn und klaute mir noch einen letzten Kuss.

„Nun geh besser, bevor ich es gar nicht mehr schaffe…“, meinte ich leise. Überrascht sahen mich die so geliebten dunklen Augen an. „Du willst, dass ich gehe“, entgegnete er frech und löste sich langsam von mir. Kurz fuhr er mir durch die schwarzen Haare und ich spürte meinen Puls deutlicher Schlagen als sonst. „Träum was Schönes“, meinte Paul süffisant und langsam ging er zu seinem Wagen.

Ich erwischte mich dabei, wie ich ihm nachsah als er ging und mein Blick glitt zu seinem Hintern. Der gefiel mir tatsächlich einfach ziemlich gut, doch ich wollte nicht, dass jedes Treffen in Sex endete. Wobei es natürlich nicht schlimm wäre. Ich hatte mir diesbezüglich nie selbst Regeln gestellt und damit würde ich jetzt auch nicht anfangen.

Schnell schlich ich hinauf in mein Schlafzimmer. Ich war zufrieden und doch spürte ich, dass der lange Tag seinen Tribut zollte. Schnell fand ich in einen tiefen und traumlosen Schlaf und erst das schrille Piepen des Weckers riss mich aus dessen Fängen.
 

Wir schrieben immer wieder während des Tages. Leider schaffte es Paul am nächsten Tag nicht zu mir. Er hatte einen Physiotermin und natürlich war dies wichtiger. Zudem war mir bewusst, dass er sicher auch Freunde und Familie hatte, ich konnte ihn nicht jeden Tag bei mir haben. Auch wenn ich das gerne gewollt hätte. Er schickte mir ein Selfie von sich im Fitnessstudio und ich schmunzelte, als ich es betrachtete. Doch ich verstand nicht, weswegen er sich selbst so schlecht annehmen konnte. Er war schließlich ein trainierter Mann. Ob mit einem oder zwei Beinen, war eigentlich vollkommen egal. Ich selbst hatte zwei gesunde Beine und war nicht halb so sportlich wie Paul.

Immer wieder, wenn ich einen ruhigen Augenblick hatte, drang das Wort Krüppel in meinen Kopf. Er selbst hatte ich so bezeichnet. Ich verstand einfach nicht, weswegen er dies tat. Er stand schließlich seinen Mann. Besser als manch anderer. Er war nicht nur sportlich, er war auch witzig, er war charismatisch, das einzige was anders war, war das fehlende Bein. Nachdenklich strich ich mir über das Kinn und blickte an meinen Schreibtisch sitzend runter zu meinen Füßen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es aufnehmen würde. Wie es mir gehen würde, wenn ich nur noch ein Bein hätte. Vermutlich sah er nicht, was er noch alles konnte und was nicht. Er war für sich selbst ein Krüppel geworden. Wenn er sich selbst so nannte, war ich mir sicher, dass er sich tatsächlich so sah. Es war sicherlich kein Scherz von ihm gewesen. Tief atmete ich durch und dachte darüber nach, wie man ihm diesen so schrecklichen Gedanken austreiben konnte.

Doch vielleicht konnte ich es auch nicht. Vermutlich schaffte er es nur selbst, sich aus dieser Situation zu befreien. Ich konnte ihm einzig die Hand reichen. Wenn er jedoch wieder aufstehen wollte, musste er sie freiwillig ergreifen. Vermutlich war er einfach noch nicht so weit. Ich hoffte, dass es ihm gut tat, dass wir es mit einander versuchten. Wenn er genauso verknallt oder verliebt war wie ich, musste es ihn schließlich auch beflügeln. Das Klingeln des Telefons riss mich aus meinen Gedanken und brachte mich zurück in die Realität. Schnell griff ich nach dem Hörer und war wieder in der Arbeitswelt angekommen.

Später am Nachmittag schaffte ich es wieder zu spät am Kindergarten zu sein. Wieder war Madeline die Letzte und wieder einmal meckerte sie darüber. Doch schnell konnte ich sie ablenken und nachdem sie mir zeigte, wie toll sie bereits zählen konnte, war das Meckern vergessen. Schnell briet ich etwas Hähnchenbrust und wärmte TK-Gemüse auf. Madeline beschwerte sich nicht über das Essen, denn sie kannte schließlich nur meine Kochkünste. Ich badete Maddy und spielte etwas in der Badewanne. Sie wollte diskutieren, dass sie heute länger wachbleiben dürfe, doch ich hatte keine Lust darauf und schüttelte nur den Kopf. Ich brauchte Zeit für mich. Ohne ein klingelndes Telefon, nervige Klienten und auch mal Zeit ohne meine Tochter. Sie meckerte leise und beschwerte sich, doch ich blieb eisern. Zudem brauchte eine fast vierjährige nicht bis neun unter der Woche wachbleiben. Schmollend lehnte sie sich an mich. Es war lustig zu sehen, dass sie trotz ihres Meckerns nicht von meiner Seite weichen wollte. „Maddy“, flüsterte ich ihr leise zu und rieb meinen kratzigen Bart an ihrer Wange, „Du gehörst einfach in dein Bett. Und ich muss auch gleich ins Bett. Am Wochenende kannst du gerne länger wach bleiben.“

„Du kratzt“, beschwerte sie sich und drückte mein Gesicht von ihrem weg. Doch ich konnte das Schmunzeln auf ihrem Gesicht deutlich sehen. Leise lachend drückte ich sie an meine Seite und gerade als ich etwas sagen wollte, klingelte es an der Tür.

Mit Entsetzen stellte ich an diesem Tag fest, dass meine Schwester es ernst gemeint hatte mit ihrem Geschenk. Ich war dankbar, dass ich ihren Namen las, denn so konnte ich das braune Packet in eine Ecke stellen, unbeachtet von meiner Tochter. Als Madeline endlich im Bett war ging ich runter und betrachtete das Geschenk. Marieanne konnte es nicht ernst gemeint haben?! Doch leider hatte sie es ernst gemeint.

Als ich das Packet öffnete sah ich einen Barbie Schmink und Frisurenkopf. Wütend schickte ich ihr eine Nachricht und musste dennoch darüber lachen. Als ob ich jetzt üben würde diesen dämlichen Zopf zu flechten.

Stillschweigend verschwand er im Schlafzimmerschrank und tatsächlich übte ich an dem Abend diese dämlichen Flechtfrisuren, obwohl ich es eigentlich nicht wollte. Was man nicht alles für sein Kind tat. Tatsächlich schaffte ich es bei dieser hässlichen Puppe auch mehr schlecht als Recht. Es würde noch dauern, bis ich meiner kleinen die Haare so flechten konnte.
 

Es war ruhig im Büro und als ich wieder im Kindergarten war, war Madeline erneut das letzte Kind dort. Sie meckerte und beschwerte sich darüber und unzufrieden ließ ich mich am Küchentisch nieder. Wieder sagte sie, dass ich keine Zeit für sie habe. Ich holte mein Handy aus der Hosentasche und öffnete den Taschenrechner. Ich schrieb die laufenden Kosten auf und verglich sie mit meinem Einkommen. Ich wollte auf 30 Stunden in der Woche runter und hoffe, dass mein Chef da mitspielte. Doch ich wollte mir nicht anhören, dass ich nie Zeit für mein Kind hatte und wenn dies bedeutete einmal weniger im Jahr zu meinen Eltern zu fliegen, dann sollte es so sein!

Als ein Windstoß mich erfasste blickte ich überrascht auf und bemerkte, dass die Terrassentür angelehnt war. Ich konnte mich nicht entsinnen, dass ich sie aufgemacht hatte. Mir gerunzelter Stirn erhob ich mich und rief nach Madeline. War ich so in Gedanken versunken, dass ich nicht gemerkt, hatte wie sie in den Garten gelaufen war? Unschlüssig ging ich ins Wohnzimmer. Nichts fehlte und nichts schien durcheinander. Ich trat auf die Terrasse und blickte mich unschlüssig um, doch niemand war im Garten zu sehen. Es war kein großer Garten. Eine Schaukel stand dort und ein kleiner Sandkasten, welcher aufgrund des Wetters abgedeckt war. Zwei drei Sträucher standen in einer Ecke und ein Grill war neben die Treppe geschoben worden. Alles wie immer. Etwas schlammig war der Boden und aufgeweicht von dem vielen Regen der letzten Tage. Stirnrunzelnd betrachtete ich die Tür.

Vermutlich hatte Madeline sie bereits gestern Abend aufgemacht und ich hatte es nicht mitbekommen, dachte ich und zog die Tür hinter mir zu. Ich blickte mich um, denn ich hatte Sorge, dass ein Tier sich jetzt in unserem Haus wohl fühlte. Einen Waschbären bekam man nämlich kaum noch aus dem Haus raus. Ich hörte hastige Schritte die Treppe hinunterpoltern und Madeline erschien im Wohnzimmer. „Hast du mich gerufen?“, wollte sie ungeduldig wissen, als störe ich sie bei etwas wichtigem. Ich schüttelte nur den Kopf und meinte streng: „Die Terrassentür war auf. Du weißt doch, dass du Bescheid sagen sollst, wenn du in den Garten gehst. Jetzt war die Tür vermutlich die ganze Nacht offen.“

Entsetzt blickte sie zu mir und schüttelte den Kopf. „Ich war nicht im Garten“, plapperte sie und ein wenig zickig verzog sich ihr Mund. „Ja, der schwarze Mann hat sie wieder aufgelassen“, meinte ich sarkastisch und verdrehte die Augen. Ich hatte einfach keine Lust auf eine Diskussion. Schließlich war ich eigentlich mit meinen Zahlen beschäftigt. „Das ist unfair“, beschwerte sie sich lauter als ich es gewohnt war. „Ich war das nicht!“, rief sie und stemmte ihre kleinen Hände in ihre Hüfte.

Lust auf Streit hatte ich nicht und so meinte ich ruhiger: „Ist ja nichts passiert. Du weißt ja jetzt, dass du mir Bescheid sagen sollst. Nachher haben wir eine Maus oder einen Waschbären im Haus.“ Immer noch schmollte sie und ich war tatsächlich überrascht. Vielleicht lag es auch daran, dass sie wieder die Letzte im Kindergarten war. Ich konnte schließlich nicht jede Gefühlregung meiner Tochter richtig deuten oder gar verstehen.

„Darf ich jetzt wieder rauf“, wollte sie mürrisch wissen und als ich leicht nickte verschwand Madeline aus dem Wohnzimmer. Überrascht sah ich ihr nach. Sie stellte sich sonst auch nicht so an. Ich verdrehte die Augen und schüttelte nur den Kopf darüber und wandte mich wieder meinen Berechnungen zu. Wieder war Paul an diesem Abend meine kleine Flucht aus dem Alltag. Wir telefonierten und es tat gut seine Stimme zu hören, auch wenn mir lieber gewesen wäre, dass er hier war.
 

Genervt trat ich aus dem Gerichtsgebäude. Wieso musste der Richter nun auch noch ein Gutachten anfordern. Ich fand es bei meinen Klienten klar, was geschehen war, da brauchte man kein Gutachten, dachte ich genervt und verabschiedete mich höflich von meinem Mandanten. Ich trat über die Straße und blickte gerade von meinem Handy auf als ich Paul hinter einer Scheibe erblickte. Ich wusste, dass er bereits frei hatte, denn er war schließlich immer noch in der Wiedereingliederung und es war viertel nach drei am Nachmittag. Entspannt saß er neben einem Mann und unterhielt sich mit diesem. Ich kannte diesen Menschen nicht. Sie lachten und ich sah wie der Fremde gerade dem Mann etwas auf seinem Handy zeigte. Ein zufriedenes Schmunzeln glitt über meine Lippen als ich Paul sah und sofort war mir leichter ums Herz. Ja, vielleicht klang das kitschig doch genauso fühlte ich mich. So musste es sich anfühlen, wenn man Drogen nahm. Zwar hatte ich mal einen Joint probiert, doch das war Jahre her. Entspannt saß der trainierte Polizist auf seinem Stuhl und lehnte sich gelöst zu dem anderen Mann. Er lachte auf und nickte, während er auf das Smartphone schaute. Sofort schienen meine schlechten Gedanken aus meinem Kopf zu verschwinden. So präsent das Gefühl der Verliebtheit war musste ich mir langsam immer mehr eingestehen, dass ich nicht mehr nur verknallt war in diesen sportlichen Mann.

Ich betrat das Café und entspannt ging ich zu den Beiden. „Hey“, rief ich freundlich und überrascht weiteten sich die Augen des Polizisten. Auch der Fremde wandte sich zu mir. Er hatte dunkelblonde Haare und sehr helle graue Augen. Taxierend war sein Blick und abschätzend betrachtete er mich. Seine Kleidung war gepflegt und er trug ein dunkelblaues Poloshirt. Eine strenge Linie war auf dem Gesicht des Mannes und er blickte zwischen Paul und mir hin und her. Er schien nicht gut drauf zu sein.

Paul schob mir einen Stuhl hin und als ich mich setzte, wollte der Mann von Paul wissen, wer ich sei. Noch bevor Paul etwas sagen konnte hielt ich ihm meine Hand entgegen und sagte: „Ich bin Richard Prescot. Paul und ich treffen uns nun schon seit einer Weile.“ Ungerührt sah er mich an und skeptisch blickte er von meiner Hand über mein Gesicht. Zu lange dauerte es, bis er nach meiner Hand griff und diese schüttelte. Was ist denn mit dem los, schoss mir durch den Kopf und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. „Michael Anderson. Ich hab bereits von Ihnen gehört“, raunte er und drückte fest meine Hand, vielleicht etwas zu fest. „Ich bin ein Arbeitskollege von Paul und ein guter Freund. Woher wusste Sie, dass wir hier sind?“ Überrascht sah ich ihn an und erklärte: „Ich komme aus dem Gericht. Hab Paul durch das Fenster erkannt. Wenn ich störe, dann sagt das, ja?“ Sofort schüttelte Paul den Kopf doch Michael schaute mich weiterhin ungerührt aus seinen eisgrauen Augen an. „Du störst nicht. Michael komm schon… Er arbeitet hier, da kann das passieren“, mahnte Paul ihn, doch weswegen er dies tat, das wusste ich nicht. Skeptisch sahen wir einander an und ich bekam den Eindruck hier ziemlich fehl am Platz zu sein.

„Wenn ich störe dann kann ich auch wieder gehen. Wir sehen uns ja eh sicher die Woche noch, oder?“, fragte ich Paul und er seufzte schwer und nickte. Sofort verstand ich, dass der genervte Unterton nicht mir galt, sondern den Mann neben mir. „Du störst nicht. Michael hat Mittagspause und wir haben uns hier getroffen“, meinte Paul freundlich und gerade als ich sagen wollte, dass dies schön sei, fiel mir Michael ins Wort: „Ja haben wir und ich hoffe, dass ist jetzt kein Drama für dich?!“ Überrascht sah ich ihn an und runzelte verwirrt die Stirn. Langsam schüttelte ich den Kopf und fragte: „Nein? Aber für dich anscheinend?“

Energischer als ich dachte sagte Paul: „Es reicht Michael! Hör auf so verdammt unhöflich zu sein!“ Ich hörte wie er vor sich hin grummelte und glaubte so etwas wie eine Entschuldigung herauszuhören. Überrascht sah ich Michael an und nickte leicht. Was ich davon halten sollte, dass wusste ich selbst noch nicht. Ich schwieg darauf und beließ es dabei. Vermutlich hatte er nur einen schlechten Tag, hoffte ich zumindest. „Na gut, wisst ihr was, ich verschwinde. Ich kann Madeline dann vielleicht heute pünktlich abholen. Telefonieren wir später?“, wollte ich wissen und Paul nickte leicht und schaute erneut zwischen mir und seinem Freund hin und her. Ich erhob mich und nickte Michael kurz zu, bevor ich mich auf dem Weg zum Ausgang machte.

Überrascht blickte ich mich um, als jemand leicht nach meinem Arm griff. Die braunen Augen Pauls blickten mit entschuldigend an und leise raunte er: „Tut mir echt leid wegen Michael, er ist etwas schwierig geworden. Nimm das nicht persönlich, ja?“ Leicht grinsend schüttelte ich den Kopf und fragte spöttisch: „Vielleicht ist er ja eifersüchtig.“ Auf Pauls zuvor noch zusammengepressten Lippen erschien ein gut gelauntes Grinsen und er schüttelte gelassen den Kopf. „Nein“, erwiderte er schmunzelnd, „Der ist nicht schwul… Er ist manchmal… nennen wir es kompliziert. Soll ich heute Abend vorbei kommen?“ Sofort wurde meine Laune schlagartig besser und natürlich nickte ich. „Geht klar. Ich plane dich zum Essen ein!“, meinte ich mit guter Laune, doch der Ausdruck auf Pauls Gesicht ließ mein Grinsen stocken. Unbegeistert blickten mich die warmen, braunen Augen des Polizisten an. Doch weswegen er so dreinblickte sollte mir sofort erläutert werden. „Wirklich, du willst kochen?“, fragte er mich skeptisch und betrachtete mich argwöhnisch. Tatsächlich ärgerte ich mich darüber, denn so schlecht kochte ich nun auch nicht! Vielleicht sollte ich wirklich mal meine Kürbissuppe kochen! Die Arme vor der Brust verschränkend meinte ich: „Wenn es dir nicht passt, dann…. Weiß nicht, koch doch du?“ Sofort stimmte Paul zu und irgendwie wusste ich nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder beleidigt war. Doch er ließ mir keine Zeit darüber nachzudenken. Denn er nickte zu seinem Freund und ich folgte seinem Blick. Immer noch musterte mich der blonde Polizist und als sich unsere Blicke trafen, verengten sich seine Augen tatsächlich zu Schlitzen. Was war mit dem denn los?! Doch schnell hatte Paul meine Aufmerksamkeit wieder. „Ich komm dann später gegen halb sechs zu dir.“ Spielerisch genervt, verdrehte ich meine grünen Augen und grummelte ein „Okay, aber denk dann ans Einkaufen.“ bevor ich das Café verließ.

Ich wünschte Paul noch viel Spaß mit seinem Freund und freute mich mit jedem Schritt mehr den ich tat schon auf den heutigen Abend! Sollte ich es Madeline sagen? Paul bedeutete mir etwas, das wusste ich nicht erst seit jetzt. War es der richtige Augenblick es ihr nun schon zu sagen? Doch wie ich darüber nachdachte, während ich zur Kanzlei fuhr, wurde mir bewusst, dass es vermutlich nie einen passenden Augenblick geben würde. Vermutlich war es einfach nur viel wichtiger, dass Paul und ich uns einig waren. Denn dann konnten wir Madeline alles erklären und vermutlich würde sie uns dann auch verstehen. Erneut erwischte ich mich dabei wie ich zufrieden lächelte als ich an den Polizisten dachte. Ja, ich war sehr verliebt!
 

Als ich in der Kanzlei war sah ich wie Ben sofort zu mir trat und ich ahnte was es bedeutete und so verschwand das gute Gefühl genauso so schnell wie es gekommen war. Wieso musste die Realität so grausam sein und konnte sich nicht bessere Augenblicke aussuchen. So wie er mich anschaute, wollte er sicherlich nicht privat mit mir sprechen. „Hat der Anwalt wieder geschrieben?“, fragte ich und sofort nickte Benjamin. Genervt stöhnte ich auf und strich mir durch meine schwarzen Haare. Ich folgte ihm in sein Büro und schloss die Tür hinter uns.

„Was will der denn?“, wolle ich nachdenklich wissen und setzte mich auf den Stuhl gegenüber seines Schreibtisches. Genervt seufzte Ben und meinte: „Er will, dass ein Gutachten erstellt wird. Aber das muss der Richter entscheiden, aber so was ist langwierig und kann sich ziehen.“ Dieser Anwalt, dieser Mensch, ich kannte ihn nicht und doch hegte ich einen wirklich Groll gegen diese Person. „Okay“, meinte ich langgezogen und verschränkte die Arme vor der Brust, „Das ist nervig, aber irgendwie habe ich damit schon gerechnet. Ich glaube kaum, dass Brian so einfach aufgibt, wenn er was will, dann ist er ziemlich… nervig.“ Achselzuckend betrachtete mich mein Kollege und kopfschüttelnd meinte er: „Ja, so etwas habe ich mir auch gedacht. Aber ich möchte erstmal das Gespräch im Jugendamt abwarten und wie ihr euch da einigt. Du solltest dir echt überlegen, wie und ob du Besuchskontakte zulässt. Wenn du natürlich so etwas anbietest und dich kooperativ zeigst, ist der Richter gewillt mehr auf deiner Seite zu sein. Außerdem umgehst du so vielleicht die Begutachtung.“

Fahrig strich ich mir durch das Gesicht. Es war das gleiche, was Paul mir bereits gesagt hatte, nur das Ben andere Argumente lieferte. Ich soll zulassen, dass Brian Madeline sehen darf. Das dieser Mensch Kontakt zu meinem Kind hat. Der Mensch, der sie einfach im Stich gelassen hatte. „Was genau ist so eine Begutachtung eigentlich? Ich meine eine Begutachtung bezüglich eines Unfallherganges kenne ich, aber ein Familiengutachten, da sagt mir nur das Wort etwas“, wollte ich wissen und gerade bereute ich es, dass ich mich nicht auf Familienrecht spezialisiert hatte.

„Familiengutachten sind… na ja wie der Name sagt Gutachten über eine Familie“, begann Ben langsam zu erklären, „Das sind Menschen…. Meistens Pädagogen oder Psychologen mit einer Zusatzqualifikation die diese Gutachten erstellen. Im klassischen Fall, wie er oft in den Lehrbüchern steht, ist es immer die Frage der Erziehungsfähigkeit. Aber der Richter gibt die Frage vor… In deinem Fall zum Beispiel: In welchem Haushalt ist Madeline am besten aufgehoben. Dann werden die Personen aufgesucht und interviewt. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube die kommen ein oder zweimal… Da werden dann oft autobiographische Fragen gestellt und auch Fragen des Alltages. Es werden auch andere Instanzen aufgesucht wie zum Beispiel Jugendamt und Kindergarten und, weswegen ich das vermeiden möchte, auch Madeline.“

Entsetzt sah ich Ben an und als ich sagte, dass sie dann erst vier sein wird, zuckte Ben mit den Schultern. „Trotzdem wird sie „Begutachtet“. Das ist bei kleinen Kindern nicht so schlimm. Ihr werdet dann beim gemeinsam Spielen beobachtet und sowas… Trotzdem ist es halt eine unangenehme Situation. Das Problem was ich hier einfach sehe ist, dass der Anwalt schon so konservativ ist, wenn dann noch der Gutachter so eine Einstellung hat, na ja, dann muss man das Gutachten anzweifeln und dann wird ein neues geschrieben…. Das kann ein endloser Kreislauf sein. Als ich noch als Familienanwalt tätig war, habe ich in einem Fall vier Gutachten lesen müssen und verdammt Rick ich sag dir eins, die sind lang! Die werden nach Seiten bezahlt… Aber darum geht es ja nicht… Ich will dir nur raten, vermeide es. Das habe ich bei meiner Ex-Frau auch gemacht und ich weiß selbst, dass es verdammt hart ist.“

Wieder verschränkte ich meine Arme vor der Brust und kniff wütend die Augen zusammen. Ich war nicht begeistert, überhaupt nicht. „Ja… Mein…. Ein Freund hat mir das gleiche geraten… Ich treffe mich nächste Woche mit meinem Ex-Mann im Jugendamt… Ich werde…. mir Gedanken machen“, zwang ich mich zu sagen. Und es war unglaublich schwer, hatte ich doch das Gefühl ich würde aufgeben, noch bevor ich zu kämpfen begann.

Ich konnte es nicht mehr rückgängig machen, dass Brian mir geschrieben hatte. Es war schwer die Situation so anzunehmen, wie sie jetzt war. Doch das musste ich akzeptieren und als ich mich auf den Weg machte meine Tochter abzuholen, zwang ich mich darüber nachzudenken, wie es sein könnte, wenn Madeline bei Brian war. Es war ein schmerzvoller Gedanke und doch musste ich diesen wohl zulassen, wenn ich nicht wollte, dass meine Tochter zum Spielball wurde.
 

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Hi,
 

tut mir leid, dass es länger gedauert hat. Ab September hab ich zwei Wochen frei. ich hoffe ich komme in der Zeit dazu in Ruhe weiter zu schreiben. Hab dennoch versucht fleißig zu sein. Könnt mir ja schreiben was ihr so davon haltet. ;)
 

LG ;)



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  chaos-kao
2018-08-17T17:17:55+00:00 17.08.2018 19:17
Oje, auch noch ein Gutachten. Unschön. Aber war ja auch irgendwie zu erwarten. Ich bin auch sehr gespannt ob man irgendwann erfahren wird, was Michael für ein Problem hat. Das wird sicher noch spannend! :)
Antwort von:  Strichi
30.08.2018 08:43
Ja... es können ihn ja nicht alle gleich toll finden. Also Rick :D
wäre ja sonst irgendwie langweilig.
Mal sehen, ob du das neue Kapitel auch spannend findest ^^
Von:  radikaldornroeschen
2018-08-17T09:55:35+00:00 17.08.2018 11:55
Hallöchen :)
Endlich habe ich Zeit gefunden, die zwei aktuellen Kapitel zu lesen.
Es war wieder sehr interessant.
Nur beim letzten Kapitel sind viele Tipp-/Grammatikfehler drin, so dass ich einfach mal behaupte, dir hat die Zeit gefehlt...?
Ist aber nicht schlimm, das Gesamtpaket überzeugt trotzdem ^.~
Antwort von:  Strichi
30.08.2018 08:44
hey,

keine ahnung... vielleicht ein wenig... also das mir die Zeit gefehlt hat. hab mir das neue Kapitel gerade ein paar mal durch gelesen und ich hoffe, dass da jetzt weniger Fehler drinnen sind.

Schön von dir gehört zu haben ;)
LG


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