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Meine Reise

Kein Traum, Hexer gibt es wirklich
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ja, ihr seht richtig, endlich geht es weiter. Zumindest irgendwie ^^.

Dieses Kapitel beinhaltet, was in Novigrad passierte, ehe wir das Schiff erreichten. Ich hoffe ihr habt trotz der langen Wartezeit, spaß beim lesen. Komplett anzeigen

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Bonuskapitel

„Sind hier immer so viele Soldaten unterwegs?“, fragte Hjalmar leise, als wir das Tor passiert hatten. Letho schüttelte den Kopf, „Nein, normalerweise nicht.“

„Wer weiß, was hier schon wieder los ist“, zuckte ich mit den Schultern.

Nach einigen Schritten seufzte Letho genervt auf, „Radovid ist hier“, grummelte er. Mit gerunzelter Stirn sah ich ihn an, „Wie kommst du drauf?“, wollte ich von ihm wissen.

„Hab die Leute dahinten drüber sprechen hören“, er nickte in die Richtung, wo sich ein paar Männer und Frauen zusammen gefunden hatten und scheinbar am Tuscheln waren. Hexersinne, Fluch und Segen zu gleich.

„Dann sollten wir schauen, dass wir möglichst schnell ein Schiff bekommen, ehe es hier mehr als ungemütlich wird“, murmelte ich.

„Was wird passieren?“, entgegnete Letho direkt.

„Etwas, das ich hier sicherlich nicht laut aussprechen werde“, flüsterte ich energisch.

„Warum sollte er nicht hier sein?“, wollte Hjalmar wiederum wissen.

„Weil Novigrad eigentlich eine freie Stadt ist, sie gehört keinem Königreich an“, erklärte Mäussack.

„Nur verhält sie sich nicht so neutral, wie sie sollte. Selbst Radovids Wappen hängt an den Stadtmauern. Auch in den Wappen der Hexenjäger ist der redanische Adler zu finden“, flüsterte ich.

„Es ist definitiv kein gutes Zeichen, wir sollten weiter, bevor es einen Tumult gibt“, nickte Letho und deutete auf verschiedene Gruppierungen, die sich gegenseitig anfuhren. Die einen für Radovid und die anderen gegen ihn. Selbst die Wachen waren bereits auf die Pöbelei aufmerksam geworden und beäugten sie verächtlich, vermutlich würden sie demnächst eingreifen.

„Gut, Letho sagte, ihr müsst noch etwas besorgen, währenddessen werden Hjalmar ein Schiff suchen, wir treffen uns am Hafen, lasst euch aber nicht zu viel Zeit“, bat Mäussack.

„Keine Sorge, wird schnell gehen“, erwiderte Letho und übergab den Karren an den Druiden.

„Passt auf euch auf“, verabschiedeten sich die beiden vorerst von uns.
 

Bei den vielen Menschen, die gerade in der Stadt unterwegs waren, wollten wir das Risiko nicht eingehen, unsere Pferde irgendwo anzubinden, lieber nahmen wir sie mit und einer von uns würde immer bei ihnen bleiben.

Ungefähr auf Höhe der Taverne zum goldenen Stör trennten wir uns dann wirklich von den beiden.

Wir machten uns von dort auf in Richtung Platz des Hierarchen. Doch bereits an der Abzweigung blieb ich stehen, zwei Soldaten der Stadtwache hatten einen Jungen in die Enge getrieben und schienen wütend auf ihn einzureden.
 

Ich wollte schon zu ihnen hinüber gehen, als Letho mich am Arm packte, „Nicht, wir können ihm nicht helfen“, knurrte Letho.

Ich seufzte, er hatte leider recht. Es gab zu viele andere Wachen und auch Hexenjäger, die sich hier in der Gegend rumtrieben. Wir würden vermutlich nur mehr Ärger heraufbeschwören, wenn wir uns einmischten.

Doch der Junge schien sich auch alleine helfen zu können, gerade als die eine Wache in abführen wollte, riss er sich los und lief davon. Schnell war er zwischen den Menschen in der Straße verschwunden. Die Wachen versuchten, ihm zu folgen und riefen das man den Dieb festhalten solle, doch der Junge wich geschickt den Händen aus, die nach ihm greifen wollten.

„Komm, folgen wir ihm. Vielleicht kann er uns ein bisschen was erzählen“, schlug Letho vor. Erstaunt sah ich ihn an.

„Ich weiß doch, dass du ihm helfen möchtest, außerdem interessiert mich, was die Wachen von ihm wollten“, zwinkerte er mir zu und reichte mir einen kleinen Beutel mit Lebensmitteln, was mich lächeln ließ.

Unauffällig folgten wir dem Jungen durch die Gassen. Über den Platz des Hierarchen, am Eisvogel vorbei, bis er schließlich in einem Hinterhof in den Scherben verschwand.
 

Letho hatte glücklicherweise keine Probleme den Spuren des Jungen zu folgen, im Gegensatz zu der Wache, die ihn spätestens auf dem großen Platz zwischen all den Menschen verloren hatten.
 

Wir wollten gerade auf den Hinterhof treten, als ich stockte, es war scheinbar nicht nur der Junge, sondern eine ganze Bande von Straßenkindern. Sie schienen nicht sehr erfreut zu sein, dass er mit leeren Händen zurückkam und auch noch beinahe erwischt wurde.

Die Bande sprang erschrocken auf, als Tetris unsere Anwesenheit mit einem Schnauben verkündete. Alle sahen sich panisch um, doch es gab keinen weiteren Zugang zu dem Hof und somit keinen Fluchtweg für sie. Sofort machten sie den Jungen dafür verantwortlich, warfen ihm sogar vor, dass er sie verraten hätte.
 

„Hey ganz ruhig, wir wollen euch nichts tun!“, rief ich ihnen zu. Viel brachte es jedoch nichts. Ein Mädchen versuchte sogar, zu flüchten, indem es zwischen mir und Letho hindurch lief, doch ein Schritt zur Seite und sie lief genau in Lethos Arme.

Hektisch versuchte sie, sich zu befreien, schrie sogar ängstlich auf, als sie Lethos Augen sah.

„Ein, ein Hexer!“, stotterte sie panisch.

„Lass sie los! Du wirst keinen von uns mitnehmen!“, forderte eines der älteren Kinder mutig. Letho ließ das Mädchen wirklich los und schnell rannte sie zu der Gruppe zurück.

Ich schob meine Kapuze zurück, um ein wenig vertrauenserweckender zu wirken, doch es hatte eher den gegenteiligen Effekt.

„Ich kenne dich! Du hast Janne verhaftet und ihn angezündet!“, rief ein anderer Junge. „Haltet euch fern, sie gehört zu den Hexenjägern!“, warnte er die anderen und zeigte mit dem Finger auf mich.

Seufzend strich ich mir durchs Gesicht, jetzt hatten sogar schon Kinder angst vor mir.
 

„Wir wollen euch nur ein paar Fragen stellen, keinem wird etwas passieren. Wir haben gesehen, wie die Wachen ihn verhaften wollten“, Letho nickte in die Richtung des Jungen, dem wir gefolgt waren.

„Wir haben ein paar Fragen zu dem Diebstahl, warum stiehlt ihr Lebensmittel? Geben euch eure Eltern nicht genug zu essen?“, versuchte er uns zu erklären.

„Ich habe Hunger!“, hörte ich ein kleines Mädchen weinen, „Meine Mami ist weg und mein Vati auch“, schluchzte sie herzzerreißend.

„Komm her, ich gebe dir etwas“, bot ich ihr an und griff in den Beutel. Vorsichtig kam das kleine Mädchen auf mich zu, obwohl die anderen sie davon abhalten wollten.

Ich ging vor ihr in die Hocke und hielt ihr ein belegtes Brot hin.

„Für mich?“, fragte sie ganz schüchtern, ich nickte und hielt es auf der flachen Hand hin. Sie nahm es sich mit ausgestrecktem Arm, so das, selbst, wenn ich gewollt hätte, nicht nach ihr greifen konnte.

„Iss langsam, sonst bekommst du Bauchschmerzen“, warnte ich sie leise, als sie in das Brot biss.
 

Die anderen Kinder waren hin und her gerissen, zum einen schienen sie angst zu haben und zum anderen hegten sie Hoffnung, ebenfalls etwas zu essen zu bekommen.

Langsam kamen auch die anderen Jüngeren aus der Gruppe immer näher. Man konnte ihnen deutlich ansehen, dass sie bereits seit längerer Zeit auf der Straße lebten. Ihre Kleidung war zerrissen und ihre Haut mit Schmutz bedeckt.

Jedem von ihnen gab ich etwas von unserem Proviant ab, wir würden uns Neuen besorgen müssen, bevor wir auf das Schiff stiegen, aber darüber machte ich mir im Moment keine Sorgen.

Nach langem Zögern kamen auch die Älteren aus der Gruppe und ließen sich etwas zu Essen geben, wobei sie uns immer noch misstrauisch ansahen.
 

Wir ließen sie in Ruhe essen und hofften, dass sie danach vielleicht bereit waren, mit uns zu sprechen. Plötzlich zog das Mädchen, dem ich zuerst ein Brot gab, an meinem Umhang, „Darf ich die Narbe sehen?“, fragte sie so leise, das ich Probleme hatte, sie zu verstehen.

„Welche Narbe?“, wollte ich von ihr wissen. Schließlich hatte ich bereits ziemlich viele. „Die vom Vampir“, bat sie zögernd. Erstaunt zog ich eine Augenbraue hoch, woher wusste sie davon? Hatte sich selbst das bereits soweit rumgesprochen?

Seufzend nickte ich, als ich ihre bettelnden Augen sah. Ich lockerte die Schnürung am Ärmel und zog ihn soweit hoch, wie es ging.

Mit gerunzelter Stirn besah sich das kleine Mädchen meinen Unterarm. Sie fuhr sogar die Konturen der Narbe nach, ehe sie sich hektisch zu mir umdrehte.

„Du bist sie, nicht wahr? Die Auserwählte, von dem der Prediger sprach? Du trägst das Zeichen des Feuers“, hauchte sie aufgeregt.

Schnell zog ich meinen Ärmel runter. „Psst“, bat ich sie eilig und legte einen Finger auf meine Lippen.

Das Mädchen grinste breit, nickte aber. Ich blickte zu Letho, der nur kurz lächelte und sich dann wieder dem Jungen zu wandte. Er hatte angefangen, mit ihm zu sprechen und versuchte herauszufinden, warum die Wachen ihn wegen eines alten Brots verhaften wollten.
 

„Ich würde gerne mit dem Prediger sprechen, kannst du mir vielleicht sagen, wo ich ihn finde?“, wollte ich von dem Mädchen wissen. Doch sie schüttelte den Kopf. Ich war aber erstaunt, als sie die anderen Kinder in meinem Namen fragte und diese sofort aggressiv reagierten.

„Bist du verrückt? Wir werden das bestimmt nicht verraten. Sie will ihn bestimmt nur verhaften. Ohne den Prediger wären wir schon längst verhungert!“, erboste sich eines der älteren Kinder.

„Hey, ganz ruhig. Wir wollen ihm nichts tun. Ich möchte nur mit ihm reden“, erwiderte ich.

„So, wie du mit Jane reden wolltest?“, spuckte der Junge. Ich schüttelte den Kopf. Es würde vermutlich nichts bringen, ihnen erklären zu wollen, das es einen Hexervertrag auf den Kopf des Dopplers gab. Sie würden vermutlich auch nicht verstehen, dass ich den Scheiterhaufen gar nicht anzünden wollte. Es würde nur die Tatsache gelten, dass ich es getan hatte, egal ob freiwillig oder gezwungen.
 

„Sei nicht traurig, er ist immer so. Er mag Erwachsene nicht“, versuchte Lina, das kleine Mädchen, mich zu trösten, als ich seufzte.

Ich lächelte sie schwach an. Ich strich ihr durch das schmutzige Haar. Sie war so lieb und süß, sie sollte nicht auf der Straße leben müssen, zu schnell könnte ein Mann sie ausnutzen wollen.

Mir kam eine Idee, vielleicht konnte ihr geholfen werden. „Du solltest in den nächsten Tagen zur Botschaft von Nilfgaard gehen. Vielleicht kennen sie eine Dame, bei der du als Magd anfangen kannst. Du würdest ein Dach über dem Kopf haben und nicht mehr hungern müssen“, schlug ich ihr leise vor.

„Ich soll zu den Schwarzen gehen?“, fragte sie verwundert. Ich nickte, „Ja, der Krieg ist nicht aufzuhalten, der Kaiser hat eine viel zu große Armee, früher oder später wird er gewinnen. Es ist besser, wenn du und deine Freundinnen dann nicht mehr auf der Straße leben. Aber frag nur in der Botschaft, ob sie etwas wissen, wo du arbeiten könntest, nicht die Soldaten, das ist ganz wichtig“, versuchte ich ihr klar zu machen. Die Soldaten hätten vermutlich ganz andere Ideen, wie sie sich etwas zu Essen verdienen könnte und ein Kind sollte niemals zu so etwas gezwungen werden.

„Und die anderen?“, wollte sie dann wissen.

„Sie können auch fragen, die Kavallerie braucht bestimmt Knechte, die sich um die Pferde kümmern oder anderweitig helfen“, lächelte ich.

Vorsichtig nickte sie. „Ich werde dran denken!“, versprach sie mir.
 

„Krümel? Wir sollten langsam los“, konnte ich Letho hören. Lina kicherte, als sie meinen Spitznamen hörte. Grinsend gab ich ihr einen Beutel mit frischen Lebensmitteln und steckte ihr ein paar Münzen zu.

Zum Abschied umarmte sie mich noch einmal, ehe ich mich Letho zuwandte, der bereits am Hofausgang wartete.

Ich nahm ihm die Zügel von Tetris ab und folgte ihm. An der Ecke schaute ich noch einmal zurück. Seufzend beobachtete ich, wie die Kinder sich um das Essen stritten.

„Wir können nichts weiter für sie tun“, murmelte Letho.

„Ich weiß und vermutlich haben sie es auf der Straße besser, als wenn man sie in ein Waisenhaus sperren würde“, nickte ich und dachte mit schaudern an das Waisenhaus von Oriana.

„Na komm, wir ersetzen die Lebensmittel und suchen dann nach Ermion und Hjalmar, sie werden sicherlich schon einen Kapitän gefunden haben, der uns mit nimmt“, versuchte mich mein Hexer aufzumuntern.

„Was hast du von dem Jungen erfahren?“, wollte ich dann von ihm wissen.

„Die Wachen haben ihn beschuldigt, ein Paket für den König gestohlen zu haben. Auch wenn ich mich frage, wie die überhaupt darauf kamen, dass ein so ausgemergeltes Kind einen Boten ausrauben können soll“, seufzte er. „Das Paket war wohl von dem neuen Kult, zumindest war der Junge sich sicher, deren Symbol darauf gesehen zu haben, als er an dem Boten vorbei ging. Aber er hat nicht mitbekommen, wie es gestohlen wurde. Er wurde beschuldigt, weil er in der Nähe das Brot gestohlen hatte und erwischt wurde“, erzählte Letho.

„Ein Hinweis darauf, was drin war?“, hakte ich nach, doch mein Hexer schüttelte nur den Kopf, „Nein, aber die Kinder erwähnten, dass aus dem neuen Kult scheinbar immer wieder Leute verschwinden, keiner weiß, was mit ihnen geschieht. Nur das es immer die traf, die zu Laut gegen Radovid gesprochen haben.“

Ich nickte nur, mit sowas war schon zu rechnen gewesen. Politische Gegner verschwanden sehr schnell mal, wenn der Falsche sie hört.
 

Schweigend folgte ich ihm durch die Gassen der Stadt und war froh, als wir die Scherben hinter uns gelassen hatten. Denn auch wenn ich meine Kapuze trug, war ich mir nicht sicher, ob mich nicht der ein oder andere hier nicht doch erkannt hatte und überlegte, wie er sich für den Doppler oder den Bettlerkönig rächen könnte.
 

Auf dem Markt überließ ich Letho das verhandeln und bald hatten wir wieder genug essen für die Überfahrt und vielleicht auch für die ersten Tage auf der Insel.

Zu meinem Unglück sah ich aber auch, wie er jede Menge Trockenfisch kaufte. Ich würde mich wohl in naher Zukunft irgendwie mit diesem Lebensmittel anfreunden müssen und mit jeder Menge anderem Fisch.
 

Wir waren bereits auf den Weg zum Hafen, als Letho mich auf etwas hinwies.

„Krümel, dort, ist das nicht der Kerl, der deinen Segen wollte?“, grinste er mich an. Ich versuchte, seinem Blick zu folgen, doch mit den vielen Menschen hier, war das kaum möglich, zumal ich deutlich kleiner als der Hexer war.

„Da hinten, er verschwindet gerade in der Gasse dort“, lenkte er meinen Blick. Jetzt sah ich ihn. Entschlossen drückte ich Letho die Zügel in die Hand und drängte mich durch die Menge.

„Alanya, kein Blutvergießen!“, hörte ich Letho mir noch nach rufen.
 

Ich beeilte mich, doch ich konnte nur noch sehen, wie sich die Tore, der ehemals stinkenden Hecke, hinter ihm schlossen.

Grummelnd blieb ich vor ihnen stehen, verdammt, natürlich würde es so kommen.

Kräftig klopfte ich gegen das Holz. Zuerst passierte nichts und ich klopfte immer weiter. Aber entweder wurde ich nicht gehört oder sie ignorierten mich ganz einfach.
 

„Mach das verdammte Tor auf! Ich muss mit dem Prediger sprechen!“, brüllte ich das Tor an. Kurze Zeit später wurde tatsächlich die Luke geöffnet und ein Mann schaute mich grimmig an.

„Kein Passwort, kein Zutritt!“, murrte er und schlug die Luke wieder zu.

Oh, dieser verdammte, ....

Ich schlug erneut gegen das Tor, „Mach verdammt nochmal auf!“, rief ich.

„Kein Zutritt und schon gar nicht für Anhänger des ewigen Feuers!“, konnte ich von der anderen Seite hören.

„Du Elender! Ich geb dir gleich Anhänger des ewigen Feuers! Lass mich rein!“, brüllte ich ihn durch die Tür an.

„Kein Zutritt!“, rief er erneut.

Von der anderen Seite hörte weitere Stimmen, konnte aber leider nicht verstehen, was gesprochen wurde, sie waren zu leise dafür.

Die Luke wurde wieder geöffnet, aber dieses Mal nur ein kleines Stück.

„Nein, sie ist alleine“, meinte der Mann und sprach eindeutig nicht mit mir. Als sich die Luke erneut schloss, war ich kurz davor, aus lauter Frust, laut aufzuschreien. Doch dann öffnete sich das Tor.

„Gut, du kannst reinkommen“, grummelte der Torwächter. Als ich eintrat und die Tür direkt hinter mir zu schlug, konnte ich sehen, was seine Meinung geändert hatte. Der Prediger stand dort, vermutlich hatte er dem Wächter gesagt, dass er mich rein lassen solle, als klar war, dass ich keine Meute an Hexenjägern dabei hatte. Als der Prediger mein Gesicht sah, lächelte er mich erfreut an.

„Kein Wort! Wir werden jetzt ein ernstes Gespräch unter vier Augen führen!“, warnend hob ich meinen Zeigefinger.

Überrascht sah er mich an und wollte schon den Mund auf machen.

„Unter vier Augen!“, knurrte ich.

Er ließ seine Schultern fallen, „In Ordnung, folge mir“, bat er mich und ging vor. Ich folgte ihm durch die Menschen, die mich allesamt misstrauisch anstarrten. Ich hoffte nur, es würde nicht eskalieren, ich konnte Letho schon meckern hören, dass ich nicht immer so unüberlegt handeln sollte.

Er würde sowieso schon nicht begeistert davon sein, dass ich alleine hier rein bin, statt auf ihn zu warten.

Ich schüttelte den Gedanken vorerst ab und folgte dem Prediger in eines der Häuser, wenn ich mich richtig erinnerte, war dies der Raum, in dem Geralt Triss beim Bettlerkönig traf.

Kaum hatte er die Tür hinter uns verschlossen und ich mich versichert, dass wir tatsächlich alleine waren, wirbelte ich zu ihm rum und packte den Mann am Kragen.

„Sag mal, bist du von allen guten Geistern verlassen? Ich hatte recht, als ich sagte, die Menschheit sei noch nicht bereit, das hast du sehr gut bewiesen!“, zischte ich ihn an.

„Ich weiß nicht, was du meinst! Ich habe das gemacht, was du mir gesagt hast!“, versuchte er sich zu verteidigen.

„Ich sagte, es sei ein Geheimnis, nicht das du eine verdammte Sekte gründen sollst! Du solltest deinen nächsten lieben, nicht ihn zwingen, an das Gleiche zu glauben oder ihn auszugrenzen und zu verfluchen, weil er es eben nicht tut!“, ich hielt mich zurück, ihn nicht direkt ins Gesicht zu brüllen.

„Außerdem habe ich nie gesagt, dass jemand verflucht wird, der nicht meinen Worten folgt!“, fügte ich noch hinzu, ehe ich ihn wieder losließ.
 

Räuspernd glättete er seine Kleidung und sah mich mit gerunzelter Stirn an. „Das einzig Gute, was ich bisher von dir gehört habe, war das über Hexer, außer das sie versklavt werden“, lenkte ich dann doch ein.

„Du warst dort? Ich habe dich nicht bemerkt, du hättest dich den Gläubigen Offenbaren sollen, selbst ein paar Worte sprechen können!“, warf er mir vor.

Finster starrte ich ihn an und zog nur eine Augenbraue hoch.

Verwirrt starrte er mich an, bis er einwenig erbleichte. „Der Hexenjäger mit den zwei Pferden!“, stammelte er. Ich deutete ein Nicken an.

„Ich, ... es tut mir leid, ich wusste es nicht!“, versuchte er sich zu rechtfertigen.

„Genau, du wusstest es nicht! Seinen Nächsten zu lieben, heißt nicht, ihn zu verurteilen, ohne seine Motive zu kennen! Ich zum Beispiel führte das zweite Pferd, weil der alte Druide nach mehreren Tagen im Sattel nicht mehr sitzen konnte und zu Fuß gehen wollte. Das Hjalmar im Karren saß, erklärte sich von selbst, als er sein Bein vorzeigte. Deswegen urteile nicht über Menschen, über die du nichts weißt!“, seufzte ich und mir wurde mal wieder klar, wie wenig ich mich selbst an meine eigenen Ratschläge hielt.
 

Ich ließ mich auf einen Stuhl plumpsen. „Du solltest Radovid nicht gegen dich und deine Anhänger aufbringen. Ich habe gehört, dass bereits Menschen verschwunden sind“, mahnte ich ihn zur Vorsicht und rieb mir übers Gesicht.

„Das weiß ich selbst ganz gut, schließlich waren es gute Freunde von mir! Aber sie waren sich des Risikos bewusst und bereit es einzugehen. Aber die Menschen müssen wissen, dass Radovid Schuld an ihrer Lage ist! Er als König sollte dafür sorgen, dass es der Bevölkerung gut geht!“, fluchte der Prediger.
 

„Du solltest das nicht so leichtfertig hinnehmen! Niemand scheint zu wissen, was mit ihnen passiert ist. Sie könnten schon lange tot sein und in irgendeiner Ecke verrotten!“, entgegnete ich.

„Sie waren dafür bereit, sie hätten sich jeder Zeit freiwillig für unsere Sache geopfert! Rede nicht so abfällig über sie. Sie sind Märtyrer!“, brauste der Mann auf.

Ich kniff mir in die Nasenwurzel und konnte gedanklich nur den Kopf schütteln.

Seufzend schloss ich die Augen, „Märtyrertum ist nie eine gute Sache. Und schon gar nicht, in dieser Situation“, ich stand vom Stuhl wieder auf.

„Bedränge den König nicht, sei froh darüber, dass er offiziell die Hexenjäger und die Soldaten noch nicht an eure Fersen geheftet hat“, warnte ich ihn.
 

„Nein! Ich werde einem König nicht klein bei geben. Schon gar nicht Radovid! Er wird uns anhören und einsehen, das wir recht haben!“, widersprach er laut.

„Das war keine Bitte! Radovids Schicksal ist bereits besiegelt!“, wurde ich ebenfalls laut, ehe ich blass wurde und mir die Hand vor den Mund und Bauch presste. Diese verdammte Übelkeit. Ich habe doch noch gar nicht so viel verraten gehabt.

Diesmal half das Schlucken nicht und ich erbrach mich in einen nahen Blumenkübel. Keuchend lehnte ich mich gegen die Wand und verzog das Gesicht, bei dem üblem Geschmack im Mund. Ich sollte wohl tatsächlich besser drauf achten, was ich sagte.
 

„Ist alles in Ordnung? Bist du krank? Soll ich jemanden holen?“, wollte der Prediger wissen, der direkt an meine Seite geeilt war. Ich schüttelte seine Hand ab, „Fass mich nicht an!“, knurrte ich.

„Denk an meine Worte und verärgere den König nicht noch weiter!“, warnte ich ihn, ehe ich die Tür aufriss und nach draußen trat. Warum gab es in der Welt immer nur so viele Vollidioten.
 

Die Menschen draußen schreckten auf, als ich auf das Tor zu eilte.

„Die Witwe von Menge!“, „Was macht sie hier?“, „Wie kommt sie hier rein?“, „Was ist mit dem Prediger, ich habe laute Stimmen gehört!“ „Wir müssen nach ihm sehen, wer weiß, was sie mit ihm gemacht hat!“, hörte ich die Menge tuscheln.

Natürlich, ich hatte meine Kapuze nicht wieder aufgesetzt, stöhnte ich innerlich und hielt ruckartig an.

Ich drehte mich den Menschen mit finstren Blick zu, „Ich sage euch zum letzten Mal, ich war nie mit Menge verlobt und schon gar nicht verheiratet! Und ich bin kein verdammter Hexenjäger! Diese Gerüchte hören ab sofort auf!“, schrie ich schon fast, bevor ich mich wieder umdrehte und den Hof verließ.
 

Letho erwartete mich tatsächlich bereits draußen und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an.

„Sag nichts, ich weiß es selbst. Ich sollte lieber erst denken dann handeln, schließlich war es ziemlich leichtsinnig alleine reinzugehen, statt auf dich zu warten“, grummelte ich leise, als ich meine Kapuze wieder aufsetzte, vermutlich hatte er auch meinen letzten Ausbruch ziemlich deutlich gehört. Letho schüttelte nur den Kopf und reichte mir die Zügel meines Pferdes.

Still gingen wir zum Hafen, wo die beiden Skelliger bereits auf uns warteten.
 

„Wo wart ihr denn? Der Kapitän wollte schon ohne euch lossegeln!“, wollte Mäussack wissen. „Musste noch was klären“, seufzte ich und besah das Schiff, vor dem wir standen. Das neueste war es eindeutig nicht mehr, aber wenigstens waren die Segel nicht geflickt und der Rumpf sah auch stabil aus.

Doch ehe wir mir unseren Pferden an Board gehen konnten, wollte der Kapitän seine Bezahlung haben. Das finstere Gesicht von Letho verriet mir, das der Preis eigentlich viel zu hoch war, aber wir hatten keine andere Wahl, dies war vielleicht das letzte Schiff, das zu den Inseln segeln würde.

Ich schluckte daher meinen Ärger runter und gab meinen Anteil an der Bezahlung dem Kapitän.

„Ich will keinen Ärger unter meinen Männern, nur weil eine Frau an Bord ist, ist das klar?!“, hielt er mich auf, als ich an ihm vorbei gehen wollte.

„Keine Sorge, ich bin bereits vergeben“, knurrte ich und zog meinen Arm aus seinem griff. Vor mir konnte ich Letho leise grollen hören.

Ich folgte meinem Hexer unter Deck und versuchte, die Pfiffe und Kommentare der Besatzung zu ignorieren.
 

Wir mussten die Pferde durch den ganzen Frachtraum führen, der voll mit allerlei Kisten und Fässern war. Am Ende gab es einen kleinen Verschlag, in dem bereits andere Tiere standen und an altem Heu knabberten.

Schweigend nahmen wir unseren Tieren die Ausrüstung ab, wobei der Blick von Letho immer mal wieder auf mir lag.

„Keine Sorge, ich halte mich von den Männern fern, versprochen“, versuchte ich ihn zu beruhigen.

„Am besten, du bleibst immer in meiner Sichtweite, damit ich mit bekomme, falls etwas sein sollte. Auf so einem Schiff gibt es viele dunkle Ecken“, deutete er an und zog mich in seine Arme. „Ich möchte nicht, das dir etwas passiert Krümel, das Schiff gehört eher Piraten, als ehrlichen Händlern“, flüsterte er mir ins Ohr.

„Keine Sorge, ich werde ihnen keine Gelegenheit geben“, murmelte ich, obwohl mir ein kalter Schauer bei der Vorstellung über den Rücken lief.

Die Erfahrung mit der nilfgaardischen Wache hatte mir gereicht und ich hatte definitiv nicht vor, erneut in eine solche oder eine ähnliche Situation zu geraten.

Ich ließ mich noch kurz von ihm halten, ehe wir unsere Ausrüstung schulterten und wir uns zeigen ließen, wo wir schlafen würden.

Es war eine kleine Kammer, die sich an den Frachtraum anschloss, nur eine alte Matratze lag auf dem Boden.

„Du kannst auch gerne zu mir in meine Koje kommen, wenn dir dein Zimmer nicht gefällt, Prinzessin!“, lachte der Mann und ich schlug verärgert seine Hand weg, mit der er meinen Hintern betatschen wollte.

„Kein Bedarf, ich habe meinen Traumprinzen bereits gefunden“, erwiderte ich und lächelte Letho an.

„Falls du deine Meinung änderst, komm zu mir, ich und die Jungs haben gerne ein bisschen spaß“, grinste er noch, ehe er uns alleine ließ.

Ich verzog das Gesicht bei seinem Angebot, darauf würde ich nie ihm Leben freiwillig eingehen.

„Krümel, provozier sie nicht noch“, seufzte Letho und legte Kirans Sattel in eine Ecke. Ich schüttelte nur den Kopf, zum einem wegen seines Kommentars und zum andern, weil in dieser Welt scheinbar niemand eine Ahnung hatte, wie man vernünftig mit seiner Reitausrüstung umgeht.

Auch wenn sich die Sättel hier von denen in meiner Welt natürlich unterschieden, war die Bauweise doch ähnlich. Ich verstaute Tetris Sattel und legte meine restliche Ausrüstung zur Seite, dann nahm ich Kirans Sattel und platzierte ihn anders.

„So ist die Gefahr, dass der Sattelbaum beschädigt wird oder gar bricht, deutlich geringer“, erklärte ich und ging auf seinen vorherigen Kommentar gar nicht erst ein.

Dann räumte ich die Satteltaschen zur Seite. Alles Wertvolle, das in meinen Münzbeutel passte, steckte ich in meine Gürteltasche und den Rest, den ich nicht bei mir tragen konnte, ganz unten in die Satteltaschen. Der Hexer tat es mir gleich, natürlich war auch ihm aufgefallen, dass wir keinen Schlüssel für die Kammer bekommen hatten, und Vorsicht war immer besser.

Zu schnell könnte sich jemand hier hereinschleichen, wenn wir oben an Deck waren. Wir legten eine der Pferdedecken über die Matratze, ehe wir unser Schlafzeug darauf platzierten. Ich würde drei Kreuze machen, wenn wir das Schiff verließen und dabei hatten wir noch nicht einmal abgelegt.

„Sollen wir nach Ermion und Hjalmar schauen?“, schlug Letho vor. Ich ließ mein Blick nochmal durch die Kammer schweifen und nickte dann. Alles Wertvolle war so sicher, wie möglich, verstaut und die ganze Überfahrt konnten wir schließlich nicht hier drin bleiben.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier natürlich die Aufgaben, die ich erhalten hatte:

~ Ihr erfahrt schnell, dass König Radovid vor Ort ist. Gerüchte und Unterhalten sind überall zu hören, obendrein sieht man überall Leute in roter Gewandung mit dem Wappen des rassistischen Herrschers.
- Hjalmar wird wenig über ihn wissen, erzählt ihm etwas über Radovid!
- Ihr stoßt auf zwei Soldaten, die einen Jungen von etwa 14 Jahren behelligen. Sie werfen ihm vor, eine Lieferung für den König gestohlen zu haben. Entscheidet, ob ihr eingreift. Der Junge wird entweder ohne oder mit eurer Hilfe flüchten. Ihn zu finden ist für Letho natürlich einfach.
- Der Junge gibt zu, dass er Brot gestohlen habe, aber das Päckchen, das nicht. Ganz bestimmt nicht! Er verrät euch aber, dass darauf ein Bild zu sehen war, das ein Lagerfeuer zeigt. Schon darum hätte er es nicht angerührt. Die Religiösen sind immer sehr nett zu ihm und seinen Freunden.
- Seine Freunde lernt ihr auch kennen: Eine Bande Straßenkinder, die sich als Diebe durchbringen. Lesen können alle nicht, aber sie haben Zugang zu vielen Gerüchten. Bestecht sie, dann erfahrt ihr, dass die neue Bewegung offenbar Radovids Politik kritisiert und mehrere Leute bereits „verschwunden“ sind.
- Entscheidet, ob ihr die Sache ruhen lasst, den Jungen guten Rat gebt, und/oder vielleicht die Anhänger der neuen Religion aufsucht, um sie zur Vorsicht zu raten (ob sie darauf hören, steht auf einem anderen Blatt. Einige sind bereit zum Martyrium). Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Daelis
2021-01-27T12:34:50+00:00 27.01.2021 13:34
Ich wette, Letho hätte die armen Straßenkinder selbst gerne alle aufgenommen, aber das hättet ihr zwei unmöglich stemmen können - schon gar nicht angesichts der anstehenden Reise! Man merkt, find ich, immer mehr, wie Letho und du zusammengewachsen seid. Dass du mal wieder vorprescht, kennt Letho ja inzwischen, da ist er nichtmal mehr erschrocken und schimpft ausnahmsweise nicht einmal. Aber ich find's herrlich, wie du dem Prediger einen Hinweis gibst und dann erstmal direkt kotzen musst :') Verdient, verdient.
Welche Folgen dein kleiner Ausbruch noch haben wird, erfährst du natürlich erst später ;D
Antwort von:  Vegetasan
28.01.2021 01:52
Ja, muss vielleicht doch endlich mal lernen, wann ich besser den Mund halten sollte 😅

Auch wenn ich Kinder eigentlich nicht mag, zumindest nicht dauerhaft, hätte ich das kleine Mädchen am liebsten mit genommen. Aber soviel besser wäre es vermutlich für sie auch nicht, wenn wir sie mit uns ständig unterwegs wäre.


Ich ahne schlimmes, bei dir muss man immer mit den schlimmsten Konsequenzen rechnen ^^'
Irgendwer Falsches wird das wohl auch gehört haben oder dem Falschen weiter erzählen. 😅
Ich hoffe, ich kann mich da dann wieder rauswinden 😶


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