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Letzte Worte

Damit nicht ungesagt bleibt
von

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In Frieden gehen

Ich sitze am Fußende deines Bettes und beobachtet wie deine Brust sich hebt und senkt, das Morphium schenkt dir einen schmerzfreien und tiefen Schlaf. Ich lasse meine Gedanken wandern und lächel.

Der Kreis schließt sich. So hast du vor 48 Jahren an meinem Bett gesessen und meinen Atemzügen gelauscht. Ich habe mich damals ins Leben gekämpft, du kämpfst um ein paar letzte Stunden. Du möchtest uns noch so viel sagen, doch das musst du nicht, zumindest nicht mir. Du hast alles gesagt was ich gebraucht habe.

"Mein Mädchen, ich habe dich lieb."

Gefühle waren in unserer Familie immer ein Zeichen von Schwäche. Der Kopf entscheidet, die Leistung zählt, doch an dem Punkt, an dem das alles nicht mehr zählt bleibt das: 'Ich hab dich lieb.'

Du hast uns alle zusammen gerufen um uns um Vergebung zu bitten. Vergebung für das was du getan oder unterlassen hast. Als die anderen da waren konnte ich nichts sagen, weil ich keine Worte habe und auch jetzt bleibe ich stumm, nur in gedankken rede ich mit dir.
 

Ich habe dir lange vorgeworfen, dass du mich abgelehnt hast, als ich zur Frau wurde. Ich wollte zu meinem Papa auf den Schoß und schmusen. Du hast mir gesagt dass ich dafür zu alt bin. Dass es sich nicht gehört. Du hast meinen Kopf gestreichelt und mich ins Bett geschickt. Ich habe meinen Papa gesucht und einen Vater gefunden. Ich fühlte mich so alleine. Abgelehnt. Ich wollte keine Frau werden, ich wollte deine kleine Tochter bleiben.

Vor ein paar Tagen hast mich in den Arm genommen und mir gesagt.

"Du bist zusehr wie ich, du machst zuviel mit dem Kopf."

In dem Moment ist mir klar geworden, dass du mich vielleicht auch in den Arm nehmen wolltest, doch es nicht konntest, weil du in der damaligen Zeit gefangen warst. Eine Zeit in der es auf der einen Seite schon Missbrauch war wenn ein Vater seine Tochter geküsst hat und auf der anderen Seite die Linksliberalen propagiert haben, das auch kleine Mädchen ein sexuelles Bedürfnis haben.

Ich weiß jetzt, dass du mich beschützen wolltest, auch vor dir.
 

Es wird noch eine Zeit dauern, bis ich in dem kleinen Mädchen die junge Frau sehe, die andere und vielleicht auch du gesehen haben, doch die Wut ist weg, sie ist Traurigkeit gewichen. Traurigkeit darüber, dass du erst im sterben liegen muss um die Wunde in mir zu heilen.

Ich spüre wie eine Träne über mein Gesicht läuft und ich schäme mich ihr nicht. Du bist mein Vater und ich bin von dir geliebt. Ich kann dich in Frieden gehen lassen.
 

Ich nehme dich in den Arm und gebe dir einen Kuss auf die Wange.

"Zwischen uns steht nichts, du kannst in Frieden gehen. "

Ich bleibe noch in der Tür stehen und sehe dir beim Schlafen zu . In meinen Gedanken formt sich der Satz.

'Du bist mein Papa und ich habe dich lieb.'

Ich weiß nicht ob ich das schaffe es dir zu sagen, doch wenn du morgen noch da bist will ich es versuchen.
 

Ich spüre die Unruhe in mir und drehe mich noch einmal zu dir um. Du hast nicht gewollt, dass etwas zwischen uns ungesagt bleibt. Ich erfülle dir deinen letzten Wunsch und gehe noch einmal zu dir. Du bist unruhig und ich nehme dich in den Arm und halte dich fest.

"Du bist mein Papa, ich habe dich lieb."

Du lächelst und ich spüre, dass du mich verstanden hast. Mit Kopf und Herz.

Jetzt kann ich in Frieden nach Hause fahren und du kannst in Frieden gehen.
 

Dein Mädchen


Nachwort zu diesem Kapitel:
Mein Vater hat 2 Tage später seine Augen für immer geschlossen. Komplett anzeigen

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