Zum Inhalt der Seite

„Sag es nicht.“

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Teil 2: Himmelsgeist

Manjira war vor einigen Monaten aufgetaucht. Jayala hatte sie auf dem Weg zum Markt getroffen, wo sie einige der Mangos, die sie auf der Farm geerntet hatten, hatte verkaufen wollen. Sie war ihr direkt ins Auge gefallen, trugen doch die meisten Frauen hier in der Gegend wie sie einen Sari – es sei denn, sie waren Touristen oder waren von einer der Hilfsorganisationen, wie auch die, die die Farm ursprünglich angelegt hatten. Doch Touristen und Helfer stachen oft genug auch durch ihre Hautfarbe heraus.

Manjira hatte dieselbe dunkle Haut, wie die meisten Leute hier im Süden Indiens. Ihre Haut fiel einzig dadurch auf, wie unnatürlich eben sie erschien. Wie die meisten hatte sie langes, schwarzes Haar. Doch hatte sie dennoch nur ein einfaches T-Shirt und eine Hose – noch dazu eine Hose in einem männlichen Schnitt – getragen.

Jayala hatte nicht umher gekonnt, sie zu bemerken. Sie hatte gestarrt und dann hatte Manjira sie angesprochen und ihr gleich alle der Mangos abgekauft, nur um ihr dann zu versprechen, die Hälfte des Geldes später zu bezahlen.

Manjira hatte nicht viel Geld und woher das Geld, was sie hatte, kam, wusste Jayala nicht. Manjira sagte es ihr nie. Vielleicht bezahlten manche Leute sie dafür, Monster – meistens waren es Rakshasa – zu jagen. Speziell wenn es darum ging, etwaige Geliebte oder Kinder aus den Klauen von einem dieser Dämonen zu befreien. So jedenfalls stellte Jayala es sich vor.

So wirklich angefangen hatte alles damit, als sie Manjira etwas Obst und Reis gebracht hatte und sie verletzt vorgefunden hatte. Sie hatte erst gedacht, dass Manjira sich mit einem Tiger angelegt hatte. Es war auch das Naheliegendste. Immerhin war das Dorf von Dschungel umgeben und in diesem lebten nun einmal Tiger – und andere Tiere, die unschöne Kratzspuren hinterlassen konnte. Doch Manjira hatte sie eines Besseren belehrt und irgendwie – ja, irgendwie – hatte Jayala ihr geglaubt.

Und seither … Seither war es doch immer dasselbe …
 

„Ich werde wieder für ein paar Tage nicht da sein“, meinte Manjira und steckte ihr Messer in die Scheide.

Jayala war gerade angekommen. Sie hatte ein paar Bananen mitgebracht, sowie einen Topf mit etwas übrig gebliebenem Curry vom Vortag, wusste sie doch, dass Manjira selbst selten kochte. Sie war nicht einmal ganz sicher, ob Manjira kochten konnte.

„Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte Manjira.

„Ich habe einen Anruf aus Thiruvananthapuram bekommen.“

Oh, sogar aus einer der größeren Städte. „Wieder ein Rakshasa?“

„Nein, dieses Mal ein durchgedrehter Kumbhanda.“

Jayala runzelte die Stirn. Sie wusste nicht einmal was ein Kumbhanda sein sollte. Sie wusste wenig über Mythologie oder Religion. Vielleicht hatte sie vieles davon verdrängt, seit sie auf dem Hof lebte. „Ist es gefährlich?“

„Nicht gefährlicher, als die Rakshasa“, erwiderte Manjira und lächelte sie an. Ihr Lächeln wirkte jedoch nicht besonders aufrichtig. Ihre goldenen Augen fixierten Jayalas für einen Moment, doch dann senkte sie den Blick und wandte sich ihrem Gürtel zu.

Da war etwas. Irgendetwas, worüber sie nachdachte. Doch Jayala wusste nicht, wie sie fragen sollte. Noch immer wusste sie nicht genau, warum Manjira das alles machte. Wenn sie so weiter machte, würde sie irgendwann bei einem dieser Aufträge sterben und dann  … Ja, dann würde sie einfach nicht zurückkehren und sie – Jayala – würde nicht einmal wissen, was genau passiert war.

„Wann kommst du wieder?“, fragte sie leise.

„Morgen“, erwiderte Manjira. „Vielleicht übermorgen.“

Jayala nickte stumm und erntete ein Lächeln, das wohl aufmunternd gemeint war, aber nicht ganz so wirkte. Manjira ging zu ihr und legte kurz die Arme um sie. „Mir passiert nichts.“

Ja, das sagte sie immer und doch kam sie am Ende mit Wunden zurück. Wunden, die schnell heilten, aber dennoch Wunden.

„Was?“, fragte Manjira. Sie wirkte irritiert, wenngleich nicht wütend.

„Ich mache mir Sorgen um dich, Manjira.“ Jayalas Stimme war zittriger, als sie es beabsichtigt hatte. „Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Ich …“ Sie verstummte.

„Ich weiß“, flüsterte Manjira. Sie seufzte schwer. „Aber irgendjemand muss etwas tun.“

„Gibt es nicht noch andere?“

„Natürlich“, erwiderte Manjira. „Aber nicht alle davon sind die Tochter einer Apsara.“

Jayala sah sie an, runzelte schon wieder die Stirn. Sie konnte nicht anders. „Aber wenn es andere gibt …“

„Jeder hat seine Aufgabe“, erwiderte Manjira. „Ich erfülle nur meine.“

Und dann würde sie kämpfen, bis sie irgendwann einmal starb? War das wirklich, was sie plante? Konnte es wirklich so sein? Jayala sah sie an, wusste aber nicht, was sie sagen wollte. „Musst du sofort los?“ Ihre Stimme war leise. Sie hob den Topf in der Tüte an. „Ich habe noch etwas Curry von gestern mitgebracht. Willst du nicht erst etwas essen?“ Sie war sich dessen bewusst, dass ihre Stimme kleinlaut und etwas verzweifelt klang.

Für einen langen Moment stand Majira einfach nur da. Ihr Mund war leicht geöffnet, wie um was zu sagen und ihre Augen wanderten von der Tüte zu Jayalas Gesicht. Kurz runzelte sich auch ihre Stirn – eine Mimik, die bei ihr so selten zu sehen war – doch dann seufzte sie. „Ja, natürlich.“ Noch immer sah sie Jayala an.

Jayala bemühte sich um ein Lächeln und ging nun endlich in das Haus hinein. Sie war die ganze Zeit bei der Tür gestanden.

Da es hier keinen richtigen Ofen gab, weder Gas, noch Elektrizität oder auch nur einen Campingkocher, würde Manjira wohl noch eine Weile hier bleiben müssen. Sie musste immerhin das Essen erst warm machen. Ja, das würde etwas Zeit verbringen.

Gleichzeitig spürte sie ein schlechtes Gewissen. Wenn der Auftrag etwas gefährliches war, dann würde sie vielleicht jemanden gefährden. Das war nicht der richtige Weg. Das war egoistisch und sie sollte nicht so egoistisch sein. Und doch, sie wollte nicht, dass Manjira immer in Gefahr war. Sie wollte nicht, dass sie losging, ohne etwas zu essen. Sie wollte nicht, dass ihr etwas geschah.

Sie begann, kleinere Holzscheite in die Feuerstelle, die noch immer schwelte, nachzulegen, und stellte dann den Topf in die Mitte.

Mitesh, der auf Manjiras Nachtlager lag, beobachtete sie stumm und mit einem – wie es Jayala vorkam – verurteilenden Blick. Ach, sie bildete es sich nur ein.

„Du machst dir zu viele Sorgen um mich, meine liebe Jayalakshmi“, sagte Manjira, als sie sich breitbeinig neben sie setzte.

Jayala sah in die Flammen und zog ganz unbewusst die Unterlippe hoch.

Dann griff sie neben sich und befreite eine Banane aus der Tüte: „Hier.“

„Jala …“, seufzte Manjira, nahm ihr aber die Banane ab. Sie öffnete die Banane und biss hinein, ließ sie dann aber sinken.

„Was ist?“, fragte Jayala.

„Nichts.“ Manjiras Blick war in die müde züngelnden Flammen gerichtet. Es war schwer zu sagen, woran sie gerade dachte. Sie seufzte leise.

„Wirst du das für immer machen müssen?“, fragte Jayala schließlich. Sie hatte über die Frage nicht nachgedacht, hatte eigentlich nur irgendetwas sagen wollen.

„Was?“

„Dämonen jagen“, erwiderte Jayala.

Manjira zuckte mit den Schultern. Sie biss in die Banane und kaute bedächtig. Dann: Ein weiteres Schulterzucken. „Vielleicht.“ Etwas schweres lag in ihrer Stimme.

„Wer sagt, dass du das machen musst?“, fragte Jayala.

Erneut erwiderte Manjira nichts. Sie aß die Banane und sah weiter in die Flammen. Wollte sie es ihr nicht sagen? Durfte sie es ihr nicht sagen? So gern hätte Jayala weiter gefragt, doch kam es ihr respektlos vor.

Mitesh' Pfote ließ sie zusammenzucken, als er sie ihr auf das Bein legte und sie vorwurfsvoll ansah. Der schwarze Kater sah wirklich immer Vorwurfsvoll aus. Er wartete kurz und kletterte dann auf ihren Schoss, um sich hinzulegen.

„Mitesh. Du kannst gerade nicht …“, begann sie, doch der Kater rührte sich nicht. Er wartete darauf gekrault zu werden. Er war wirklich schlecht erzogen, doch es war wohl unmöglich eine Katze zu erziehen. Immerhin war er kein Tiger. Ein Tiger wäre schlimmer gewesen, da war sie sich sicher. Immerhin hatte sie sich auch als Kind immer vor den großen Katzen, die durch den Dschungel schlichen, gefürchtet.

Mit einem Seufzen gab sie dem Wunsch des Tieres nach und begann den Kater sanft am Nacken zu kraulen. Der einzige Ort, an dem er sich verlässlich kraulen ließ. Er war so ein störrisches, so ein launisches Tier.

„Es gibt eine Gruppe, weißt du?“, meinte Manjira schließlich.

Überrascht sah Jayala zu ihr. Sie hatte nicht mehr damit gerechnet, dass sie etwas sagte. „Eine Gruppe?“

Manjira nickte. „Leute, die dafür sorgen, dass …“ Sie schüttelte den Kopf. „Ach, einfach, das Rakshasa und ähnliche Wesen nicht zu viele Menschen töten, weißt du?“

Stumm nickte Jayala. Wieso so kryptisch? Konnte Manjira ihr nicht mehr sagen? Vielleicht vertraute sie ihr auch nicht genug.

Als könne sie ihre Gedanken lesen, seufzte Manjira. „Ich darf darüber nicht reden.“

Jayala nickte und wandte sich dann dem Curry zu. Sie nahm vorsichtig mit einem Tuch den Deckel vom Topf und fühlte danach. „Ich denke, es ist fertig“, sagte sie leise.

Manjira lächelte matt und ging dann zum Verschlag, um Schüsseln zu holen.

Sie aßen schweigend. Jayala kam nicht umher, Manjira die ganze Zeit zu beobachten. Was machte sie nur hier? Sie sah nicht aus, als würde sie hierher gehören. Warum war sie überhaupt hierher gekommen?

Immer wieder glitten auch Manjiras Augen zu ihr, doch jedes Mal senkte sie schnell den Blick und wandte sich wieder dem würzigen Curry zu. Dann stellte sie die Schüssel auf dem Boden ab. Sie sah zu Jayala. „Danke für das Essen.“

Jayala nickte. Vorsichtig hob sie Mitesh an, um ihn von ihrem Schoss zu entfernen.

Der Kater fuhr seine Krallen aus, um sich festzuhalten, musste schließlich aber nachgeben. Mit einem wütenden Blick rollte er sich neben dem Feuer zusammen, während Jayala aufstand.

„Pass auf dich auf, ja?“, flüsterte sie.

Manjira nickte. Sie ging zur Tür.

Jayala folgte ihr.

„Mache ich doch immer.“ Manjira sah sie an.

Unsicher blieb Jayala bei ihr stehen, sah sich um und streckte sich dann, um sie auf die Wange zu küssen. Sie holte Luft, doch bevor sie etwas sagen konnte, legte Manjira ihr den Finger auf die Lippen.

„Sag es nicht“, flüsterte sie und küsste sie kurz. Dann wandte sie sich ab, stieß sich vom Boden ab und flog davon.

Sie flog tatsächlich. Etwas, das – so viel zumindest wusste Jayala – eine Fähigkeit der Apsara war. Apsara waren Windavatare, bekannt für ihre Schönheit. Sie hatte nie angezweifelt, dass Manjira die Tochter eines solchen Avatar war.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Taroru
2018-02-14T18:14:49+00:00 14.02.2018 19:14
ui... wann geht es weiter? :-)
ich mag die beiden XD
und wu wirst einige dinge auf... ich warte auferklärungen! also los los los :-p
Antwort von:  Alaiya
14.02.2018 19:36
Wird relativ schnell kommen. Keine Sorge!
Antwort von:  Taroru
14.02.2018 19:40
sehr gut :-D
ich freu mich drauf :-D


Zurück