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þau hafa upphof verit

Dies waren die Anfänge ...
von

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Einundzwanzig


 

Die Pfeilspitze zwischen ihnen glänzte im Licht des Bivrost blutig rot.

Alles um sie herum glänzte blutig rot. Die feuchten Nadeln der jungen Kiefern, die sich um die Lichtung zogen wie Schatten. Der Schnee, der sich wie ein brüchiger Schleier über den Boden zog. Das Eibenholz in seinen kalkweißen Händen.

Es war nur ein kurzer Moment, den es brauchte. Die Sehne spannen. Vergessen, dass es kein Reh war, auf das er zielte. Kein Fuchs. Kein Hase. Ausatmen.

Der Moment kam.

Der Moment ging.

Sævarr wusste das – und sein Gegenüber wusste es auch.

Ein Lächeln kroch auf die Lippen des Anderen. Es war ein breites Lächeln, das halb unter dem wuchtigen, roten Bart verschwand, selbstzufrieden und schadenfroh. Dort, wo ihn schon vor Jahren ein Zauber erwischt haben mochte, entblößte es einen Blick auf zwei halb herausgebrochene Zähne.

»Ich habe einen eindrucksvolleren Tod erwartet.«

Er sprach den Dialekt, den die Beamten von Wessex ins Land gebracht hatten, doch Sævarr hörte den Dänen dahinter in jedem Wort.

Noch vor ein paar Jahren hatte er Lobgesänge über Alric von Raculfceastre gehört. Das Kind zweier Nichtmagier und selbst entsprechend unkundig, aber talentiert für drei. Als er seinen Weg zu den Magiern von Lundenburh fand, hexte er bereits mehr mit seinen Händen, als so mancher mit seinem Stab.

Seitdem war Alric vieles geworden – Mönch von Baethum, Magier am Hofe König Edgars, eine Geißel aller Magier diesseits des Humber.

Hinter seiner Bogensehne erwiderte Sævarr das Lächeln.

»Enttäusche ich Euch?«

»Gewiss! Wo sind die Explosionen? Das fliegende Feuer? Die taghellen Blitze? Wo die Furunkeln? Das verwesende Fleisch?«

»Ein Magier fällt nicht durch glänzende Tricks.«

Sein Gegenüber seufzte in einem Tonfall, der nicht darauf schließen ließ, dass sich noch immer die Spitze eines Pfeils zwischen ihnen befand.

Mehr hörte Sævarr nicht.

Mehr brauchte er nicht hören.

Mit der Erfahrung aus dutzenden von Duellen – Duelle gegen Schwarzmagier, gegen Kobolde, gegen den verdammten Goldenen Greif von Wessex – warf er den Bogen hinter sich. Die Hand voll Magie, ließ er sich fallen. Es war die größte der Kiefern zu seiner Linken, mit ausladenden Ästen und einem festen Stamm. Sie hätte einer der größten Bäume des Waldes werden können. Sie knickte über ihm zusammen wie eine morsche Weide in den Fens.

Der Birkenschössling, neben dem er im Schnee aufgeschlagen war, war schneller. Zwei Zoll. Zehn. Drei Dutzend. Nur wenige Zoll neben ihm bohrte sich ein Ast in den Boden. Nadeln prasselten wie eisiger Schneeregen über ihm nieder. Der Stamm seiner Birke barst unter der Wucht. Er kaufte Sævarr genug Raum, um nach seinem Zauberstab zu greifen.

»Ein Magier fällt auch nicht durch Worte.«

Die Worte waren laut, doch nicht laut genug. Die Tarnung nicht gut genug. Sævarr hörte das unselige Knacken, noch während er sein Ziel beschwor, erst vor sein inneres Auge, dann um sich her-

Krack.

Das Bersten der nächsten Kiefer übertönte ihn. Die Apparation. Den ersten Schritt im Schnee. Jedes Wort auf seinen Lippen.

Es war kein Furunkelfluch, der die Spitze seines Zauberstabs verließ.

Alrics magischer Schild hielt, doch Sævarr spürte den Schaden, der sich durch die Magie des Anderen zog. Er hob die Hand, für die nächste Geste, sah die Bewegung in Alrics Arm, apparierte stattdessen. Er sah den Ast noch, wie er mit allen Nadeln, die er hatte, durch die Kiefern schoss.

Sævarrs Fuß stieß gegen den Bogen, gerade genug, um sich seiner Anwesenheit zu vergewissern. Er atmete ein, den Blick auf den Mann gerichtet, der durch die Kiefern zurück auf die Lichtung trat. Das Licht des Bivrost spiegelte sich in der Magie, die ihn umgab.

Drei Zauber, entschied er. Und einen Bombarda.

»Und ich dachte schon, du wolltest dich darauf verlassen, mir ein Schwert in die Brust zu rammen«, verkündete Alric über das nächste Knacken hinweg. »Oder eine Axt in mein Gesicht.«

»Es ist nicht Euer Gesicht.«

Der Angriff blieb aus. Er sah nicht, wie das Grinsen unter dem Bart des anderen erstarrte, doch Sævarr spürte es.

»So?«

Ein Wort. Keine Frage. Nur eine Lüge.

»Ihr seid nicht einmal ein Kundiger.«

Durch die Äste der ersten Kiefer, die kläglich zwischen ihnen aufragten, trafen sich ihre Blicke. Sævarr konnte das Lächeln des Anderen sehen. Es schwamm auf seinem Gesicht, wie Hippocampifett auf Wasser.

»Oh, aber ich bin sehr kundig!« Alric warf die Hände in die Luft. Bei einem anderen Gegner hätte Sævarr die Blöße genutzt, noch bevor er auch nur blinzeln konnte. Tatsächlich hatte er es ein paar Mal getan.

Heute Nacht wusste er es besser.

»Aber du hast recht.« Irgendwo zwischen diesen Worten verging die Gelegenheit. »Die Frage ist: Was gedenkst du, mit diesem Wissen zu tun? Glaubst du, mich niederstrecken zu können? Einen Gott?«

Ohne den Zauberstab zu senken, atmete Sævarr aus. Er öffnete die freie, linke Hand.

»Es gibt nur einen Gott. Und Ihr seid es nicht.«

Unter dem Bart seines Gegners zuckte etwas, das ein Grinsen sein mochte.

»Oh weh. Du klingst furchtbar entschieden.«

»Ich weiß.«

Sævarr senkte seinen Zauberstab und ließ ihn zurück in die Halterung an seinem Gürtel gleiten. Noch im selben Atemzug verließ der Zauber Sævarrs Fingerspitzen. Das Erlenholz sprang in seine Hand, trotz des Schnees warm unter seiner Haut, die Magie in ihm ein leichtes Kribbeln. Der Pfeil glitt von selbst in seine Hand. Er atmete ein. Der Rest war Routine.

Anlegen.

Zielen.

Spannen.

Die Sehne unter seinen Lippen.

Ausatmen.

Der Pfeil glitt durch den Schild wie durch das Fleisch, das er schützte.

Hand zum Köcher.

Einatmen.

Anlegen.

Spannen.

Einen Moment lang starrten beide auf die Gänsefedern, die aus Alrics Brust ragten.

»Es ist Euer Bogen.«

Unter dem Bart zuckten die Mundwinkel, dann war da kein Bart mehr. Das rote Haar fiel ihm aus, zurück blieben schwarze, schmierige Strähnen. Aus einer Narbe wurden ein Dutzend. Keine Fluchwunden. Nadelstiche. Noch mehr Narben oberhalb der Wangen. Nur dürftig verheilt. Zwischen ihnen sah Sævarr die Augen seines Gegenübers. Sie funkelten im Licht des Bivrost – kein gutes Zeichen angesichts der Distanz zwischen ihnen.

»Ich wusste, in deinen Kopf passt mehr als ein paar Bibelverse.«

»Was wollt Ihr?«

Die Mundwinkel des Anderen zuckten und mit ihnen die Narben.

»Manchmal muss man sich vor sich selbst retten.«
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Salix
2018-02-06T20:29:25+00:00 06.02.2018 21:29
Okay, ich gehe das Kommentieren jetzt Kapitel für Kapitel an.
Vielleicht komme ich dann zu einem etwas genauern Konklusion als: Ich mag die Geschichte sehr, aber sie verwirrt mich heillos.^^°

Also auf geht's. Hier sind meine Gedanken zum ersten Teil der Geschichte. Vielleicht sind sie sogar in irgendeiner Weise hilfreich.

Mir gefällt, wie du einen direkt in die Szene hineinwirfst. Es wird recht schnell deutlich, dass es sich um ein Magierduell handelt, welches in einem mittelalterlichen Setting stattfindet.
Sehr gut gelungen ist dir der Mix von historischen Setting und Mythologie. Besonders, die Anspielung darauf, dass in dieser Zeit das Christentum noch nicht durchweg verbreitet war, ist super.

Diese erste Szene ist es allerdings auch, die mich so stark an die Harry Dresden Files erinnert. Die Art, wie du den Kampf hier beschreibst, ist sehr grafisch und gut bildlich vorstellbar. Dennoch erwarte ich irgendwie eine Pistole statt einem Bogen… eben im Stil von Harry Dresden.
Aus irgendeinem Grund erzeugt dieser Kampf bei mir wenig Spannung. Den Grund kann ich dafür leider nicht nennen.
Mir ist aufgefallen, dass Seavarr ein schwer zugänglicher Charakter ist, was jedoch gut zu ihm passt.
Er ist jemand der Schwarzmagier jagt und vernichtet. Aus welchem Grund?
Und was meint Seavarrs Gegner mit: „Manchmal muss man sich vor sich selbst retten?“



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