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Camp Kawacatoose

Boston Boys 1
von

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Der sich nicht traut

Noch immer schwer atmend setzte ich mich oberhalb von Peters Kopf auf die Couch und streichelte ihm über den verschwitzten Rücken. Er legte den Kopf auf meinen Oberschenkel, während ich nach den Zigaretten auf dem Couchtisch griff. „Ich darf hier doch rauchen, oder?“

Er nickte und begann über mein Knie zu streicheln. „Klar, hat sich nicht geändert.“
 

Ich nahm kurz meine Hand weg, um mir die Zigarette anzünden zu können. Indem ich sie Peter vor die Nase hielt, bot ich sie ihm an, er schüttelte jedoch den Kopf. Nachdem ich wieder eine Hand frei hatte, streichelte ich erneut seinen Rücken. „Wollte nur höflich sein. Ist immerhin schon ’ne Weile her, dass ich das letzte Mal hier war.“

Er drehte sich auf den Rücken und sah zu mir hoch in mein Gesicht. „Stimmt. Hat sich einiges geändert in den letzten drei Jahren, hmm?“
 

Nachdenklich nickte ich und zog an der Zigarette. Ja, er hatte recht. Mittlerweile war keiner von uns mehr Schüler. Er studierte seit September Gesang an der Boston University, Mat arbeitete beim Rettungsdienst und ich jobbte in einem Fitnessstudio als Trainer. Ich hatte nach der High School keine Lust aufs College gehabt und mir daher dort eine Stelle gesucht.

Diese Änderungen hatten auch dafür gesorgt, dass wir uns seltener sahen als zu Anfang. Immerhin arbeiteten Mat und ich in Schichten. Genauer gesagt, hatten wir uns im Juli zuletzt gesehen. Im September hatte es einfach nicht geklappt. Jedoch war Mats einundzwanzigster Geburtstag ein Termin gewesen, für den ich mir einfach hatte Zeit nehmen müssen, auch wenn es bedeutete, dass ich für nicht mal zwei Tage in Boston war.
 

Da wir uns so lange nicht gesehen hatten, kannte ich auch das Tattoo auf Peters rechter Schulter noch nicht, über das ich nun strich. „Steht dir gut.“

„Ja, es ist wirklich gut geworden. Aber einmal muss ich noch, damit nichts mehr zu sehen ist.“ Peter hatte vor zwei Jahren angefangen seinen Körper nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Zuerst hatte er sich Tunnel stechen lassen – sie waren ein Geschenk von Chris zum achtzehnten Geburtstag gewesen –, dann hatte er sich zum neunzehnten seinen gesamten linken Arm tätowieren lassen und nun sollte ein weiteres Tattoo auch die Narben an seiner rechten Schulter verdecken. Er wollte endlich nicht mehr jedes Mal an seine Vergangenheit erinnert werden, wenn er sich im Spiegel sah oder mit kurzen Ärmeln in die Öffentlichkeit ging. Mat hatte da etwas weniger Probleme, ihm war noch einiges an Körperbehaarung gewachsen, die seine Narben zumindest oberflächlich fast unsichtbar machte.
 

Peter drehte sich etwas auf die Seite und strich mir mit der Hand über den rasierten Intimbereich. „Das steht dir aber auch gut.“

„Danke. Ja, war nur mal ’n Test.“ Hastig nahm ich einen Zug von der Zigarette in der Hoffnung, er würde die Lüge nicht bemerken.
 

Vermutlich wäre es besser gewesen, ihm die Wahrheit zu sagen. Nämlich, dass ich es für einen anderen Mann getan hatte. An sich wäre es nicht das Problem gewesen, immerhin hatten wir uns, als wir vor ziemlich genau drei Jahren das erste Mal miteinander geschlafen hatten, darauf geeinigt, dass es völlig in Ordnung war, wenn wir mit anderen schliefen, da wir nicht zusammen waren und uns nicht so häufig sahen.

Das Problem war nur, dass dieser Mann zu Hause in New York alles durcheinanderwirbelte. Er stellte mein Leben völlig auf den Kopf. Er schaffte es, dass ich ihm die Führung überließ. Er hatte es sogar geschafft, dass ich ihm zuliebe weniger rauchte. Er war es auch gewesen, der mir aufgetragen hatte, dort für unsere Treffen rasiert zu sein. Ich hatte mich nach einem sehr spontanen Stelldichein dann dafür entschieden, dass es ein Dauerzustand sein sollte. Ich hatte nicht vor, wegen so etwas, noch einmal auf ihn zu verzichten.
 

Vermutlich wäre das der richtige Zeitpunkt gewesen, Peter von ihm zu erzählen. Denn das hatte ich mir für den Besuch vorgenommen: Peter von dem Wirbelwind zu erzählen, ihn darauf vorzubereiten, dass ich nach all der Zeit endlich eine Entscheidung getroffen hatte. Noch immer ließen wir es „langsam angehen, lernten uns kennen“. Dass war völlig absurd! Ich hatte nur einfach nicht den Mut, Peter zu sagen, dass ich mich nicht in ihn verlieben würde, egal wie lange wir uns näherkamen.
 

Der Grund, warum ich es nicht konnte, war einfach: Ich wusste, dass Peter sich verliebt hatte. Es war nicht zu übersehen und ich konnte ihm nicht das Herz brechen. Nach und nach hatten er und Mat mir in den letzten Jahren von ihrer Vergangenheit erzählt und ich fürchtete das, was passieren konnte, wenn ich Peter nun sagte, dass er für mich nie mehr als ein Freund mit Vorzügen werden würde.

Selbst wenn ich mich durchaus mal für eine Weile in ihn verknallt hatte, ich kam nicht mit dem klar, was diese Vergangenheit für Peter bedeutete. Es war mir einfach zu viel und zu kompliziert. Denn sie war eindeutig nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Wie auch? Immerhin hatte er sich und seinen Körper verkauft, um seine Drogen zu finanzieren. Das konnte nicht einfach ungeschehen gemacht werden. Auch nicht, indem man die Narben kaschierte. Von den Erlebnissen, die überhaupt erst dazu geführt hatten, ganz zu schweigen.
 

Peters Lippen an meinen Genitalien rissen mich aus den Gedanken. Offensichtlich wollte er es auf eine zweite Runde ankommen lassen, die ich ihm sicher nicht verwehren wollte. Damit war dieser Zeitpunkt aber auch definitiv der falsche, um ihm so etwas zu sagen. Ich hatte ja noch fast vierundzwanzig Stunden, um mit ihm zu reden, da würde es auf die halbe Stunde auch nicht ankommen.

Meine Hand vergrub sich in seinen Hinterkopf, während ich die Zigarette im Aschenbecher ausdrückte.
 

Nachdem wir uns endlich dazu hatten aufraffen können, den Probenraum im Keller zu verlassen – das Zimmer von Mat und Peter war für Zweisamkeiten einfach denkbar ungeeignet – und duschen zu gehen, war doch schon mehr Zeit vergangen als gedacht. Wir beeilten uns, damit wir den Raum noch aufräumen und für die weiteren Übernachtungsgäste herrichten konnten. Außerdem mussten wir noch Chris helfen, zwei Biergarnituren in den Club zu räumen und ihn zu dekorieren. So blieb uns bis zum Beginn von Mats Party gar keine Zeit mehr, zu zweit in Ruhe zu reden. Außerdem wäre es dem Geburtstagskind gegenüber nicht fair gewesen, seinem Bruder die Laune zu verderben.
 

Wirklich viele Gäste gab es nicht. Mat tat sich noch immer schwer neue Leute kennenzulernen. Daher waren neben der Band, die die beiden mit Chris’ Unterstützung auf die Beine gestellt hatten, nur ein paar Stammgäste des Clubs anwesend, die es sich nicht nehmen lassen wollten, dem Sohn des Besitzers zu gratulieren. Doch diese hatten es sich am Nebentisch bequem gemacht.
 

Anthony, den Bassisten der Band, kannte ich schon von anderen Feierlichkeiten. Er war mit den Brüdern zur High School gegangen und schon dort mit ihnen in einer Band gewesen. Ich verstand mich recht gut mit ihm, auch wenn er nicht wirklich viel redete.

Den neuen Sänger der Band kannte ich jedoch noch nicht. Peter hatte ihn am College kennengelernt, woraufhin dieser Peters Platz am Mikro eingenommen hatte. Jener spielte stattdessen nun Gitarre. Ihr früherer Gitarrist, Quentin, war fürs College an die Westküste gezogen. Zumindest war es das, was mir Peter am Telefon erzählt hatte. Da ich nie wirklich mit ihm warm geworden war, war das aber in meinen Augen kein großer Verlust. Luke war deutlich sympathischer und sah uns noch nicht einmal merkwürdig an, als ich die Gelegenheit nutzte, mal wieder mit Peter zu tanzen.
 

„So, du bist also die Inspiration für Peters neuesten musikalischen Erguss?“, fragte er mich über die Musik hinweg, als wir uns wieder an den Tisch begaben. Ich öffnete zwei Flaschen Bier und gab eine davon an Peter weiter. Fragend sah ich ihn dabei an.

„Naja... Größtenteils, ja.“ Verlegen kratzte Peter sich.

„So? Worum geht es denn?“ Fast drohte mir das Herz aus der Brust zu springen. Er hatte doch hoffentlich kein Liebeslied für mich geschrieben! Das würde alles nur noch komplizierter machen.
 

Grinsend stand Mat auf, ging zur Anlage und legte nach einigem Suchen eine Kassette ein. Er startete das Gerät und einen Moment später war der Raum wieder von Musik erfüllt. Einige der älteren Herren schienen ziemlich irritiert von dem Lied. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Die Lieder, die sonst hier im Club liefen, waren zum Teil recht explizit, aber wenn dann ein so explizites Lied lief, wie das gerade, während die dafür Verantwortlichen nur einen halben Meter entfernt saßen, konnte das schon mal peinlich werden.

Als es zu Ende war und Mat die Kassette wieder herausnahm, räusperte Peter sich verlegen. „Es ist noch nicht so ganz fertig.“
 

Ich war etwas perplex von dem Lied. Galt das jetzt als Liebeserklärung? Immerhin hatte er ein ziemlich intimes Lied geschrieben, bei dem er zugab, dass ich es größtenteils inspiriert hatte. Andererseits konnte man es auch einfach nur als Fantasie sehen, die er gerne erleben würde, da das Lied nur bedingt etwas widerspiegelte, dass zwischen uns passiert war.

Der Text spiegelte wohl eher seine Träume und Gedanken in den Nächten des Ferienlagers wieder. Nein, das war ganz sicher kein Liebeslied. Dennoch erleichterte mir das mein Vorhaben nicht wirklich. Zügig trank ich mein Bier aus und danach noch ein weiteres.
 

Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile und tranken dabei. Irgendwann hatte ich meine Sorge einfach vergessen. Aber das Lied war noch immer in meinem Kopf präsent. Mit einem Lächeln auf den Lippen legte ich meinen Arm um Peters Schulter und beugte mich zu ihm herunter. Mittlerweile war das auch im Sitzen nötig, da ich noch einige Zentimeter gewachsen war. Leise raunte ich direkt an sein Ohr: „Wollen wir das Lied Wirklichkeit werden lassen? Die anderen bleiben sicher noch ’ne Weile hier, wir könnten ja schon mal runtergehen und die Zeit noch nutzen.“
 

Während ich gesprochen hatte, hatte ein heller Blitz den Raum erhellt, und als ich aufsah, stand Chris mit einer Kamera an unserem Tisch. War ja klar gewesen, dass er das Ding irgendwann holen würde, immerhin gab es von jeder Feier wenigstens ein solches Foto, wo fast alle Gäste drauf waren. Er schien grundsätzlich damit zu warten, bis alle etwas angeheitert waren und nicht mehr auf so etwas achteten.
 

Peter nickte zur Antwort leicht und leerte sein Glas. Dann stand er auf und hielt mir seine Hand hin. Hastig stürzte auch ich mein Getränk hinunter und nahm sie beim Aufstehen an. Er verkündete dabei: „Ich geh schon mal schlafen. Feiert noch schön.“

Natürlich verstanden die anderen Jungs, was wir vorhatten und verabschiedeten sich entsprechend feixend.
 

Als ich am nächsten Tag wieder im Flugzeug auf dem Weg zurück nach New York saß, hatte ich ihm immer noch nichts von dem Orkan erzählt, der in mein Leben gefegt war. Die Zeit, bis die Band in den Proberaum gekommen war, um dort zu schlafen, hatten wir noch bis zum Schluss ausgenutzt und waren dann auch schnell eingeschlafen. Am Morgen hatte ein gemeinsames Frühstück mit Chris und der Band angestanden, danach half ich den Brüdern und ihm beim Aufräumen, bis ich los musste, um meinen Flug zu erreichen. Morgen musste ich früh wieder arbeiten, daher hatte ich einfach nicht länger bleiben können. Es war dadurch gar keine Zeit gewesen, Peter in Ruhe davon zu erzählen.
 

Vermutlich wäre das eh eine blöde Idee gewesen. Ich war doch bisher erst drei oder vier Mal mit dem Mann, dessen sturmgraue Augen mich so gefangen nahmen, im Bett gelandet. Vermutlich war es für den Moment einfach nur die Neugier darauf, etwas Neues zu erleben. Das Erlebnis, sich selbst völlig hingeben zu können und die Kontrolle abzugeben. Bald würde es mir wahrscheinlich sowieso zu viel und zu langweilig werden. Er hatte schließlich deutlich gemacht, dass er die Führung nicht abgeben würde. Immerhin war es doch meiner Erfahrung nach immer so, dass es dann irgendwann für den Geführten zu viel wurde.
 

Richtig, damit hätte ich Peter nur unnötig verrückt gemacht und ihm sinnlos wehgetan. Ich könnte es ihm ja immer noch erzählen, wenn aus der Sache tatsächlich mehr werden würde. Genau, das würde ich tun. Ich würde Peter von dem Chaoten, der mein Leben durcheinanderbrachte, erzählen, wenn sich unerwarteter Weise mehr mit ihm ergab.
 

Ob er wohl wieder einen seiner farbenfrohen Briefe mit dem nächsten Termin für ein Treffen zu zweit in unseren Briefkasten geworfen hatte? Ich hoffte es, denn dann hätte ich einen Grund, ihn direkt anzurufen, wenn ich nach Hause kam. Wobei das eher unwahrscheinlich war. Immerhin sahen wir uns ja am Wochenende noch bei unseren Freunden. Dennoch hoffte ich, Roger bald mal wieder allein treffen zu können.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und wieder geht eine Geschichte zu Ende O_O Bis auf „Danke für eure Unterstützung!“ bleibt mir eigentlich auch nicht mehr viel zu sagen.
Ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen und euch hat diese kleine Geschichte gefallen. Natürlich würde ich mich zum Schluss auch wieder über die ein oder andere Rückmeldung freuen :-)

Wer mehr über Peters Vergangenheit erfahren möchte, jedoch Samsas Traum nicht gelesen hat, findet in Kapitel 28 (letztes Viertel) Peters Erklärung dazu.

Zum Schluss wieder einmal die Aussicht darauf, was als nächstes passiert: Ab April wird es eine weitere Geschichte aus Tobys Sicht geben. Na, wer kann erraten, worum es gehen wird? ;-) Diesmal wird es auch eine deutlich längere Geschichte werden.
Doch auch für diejenigen, die darauf warten, etwas Neues von Samsa zu erfahren, habe ich eine gute Nachricht: Es wird bereits vor dem Herbst weitergehen! Wann genau das jedoch sein wird und wie ich das dann mit den zwei Geschichten parallel händeln werde, steht noch nicht sicher fest. Im Moment sieht es danach aus, dass ab spätestens Juni/Juli dann wohl beide Geschichten jeweils im Zwei-Wochen-Rhythmus aktualisiert werden. Aber ich kann und will da noch nichts versprechen.

Bis dahin wünsche ich euch alles Gute und ich hoffe, wir lesen uns wieder.
Liebe Grüße,
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  diab67
2018-03-14T16:24:27+00:00 14.03.2018 17:24
Huhu,
schade das die Story vorbei ist. Ich hab sie sehr gerne gelesen. Ich werde mich jetzt auch ganz fix der anderen widmen. (:
Ich mag Toby immer noch *g* auch wenn er mir im letzten Kapi gar nicht gefallen hat. Fernbedienungen sind immer schwer, wenn es nicht klappt ist es so, aber er hätte es Peter unbedingt sagen sollen, das es da jemand anderen gibt ... Denn ich ja so gar nicht mag GRUMMLE GRINS
Hatte ich schon erwähnt ;) Er hätte ja auch mit Mat sprechen können, oder so ... Aber egal, es ist deine Story und sie hat mir trotzdem vom ersten bis zum letzten Kapi super gefallen. Freue mich schon auf folge Storys von dir.
So aber jetzt werte ich erst mal die erste ff von dir weiter lesen.
LG
Antwort von:  Vampyrsoul
15.03.2018 03:34
Abend,

zum Schluss von mir noch einmal ein ganz großes DANKE an dich für die regelmäßigen Kommentare. Das war unglaublich motivierend.

Ja, Tobys Entscheidung ist sicher nicht für jeden nachvollziehbar und ich fürchte auch so im Nachhinein, dass ich es nicht ganz geschafft habe, klar zu machen, warum er sich so entschieden hat. Bzw. Peter nichts sagt. Da spielen eben doch eine ganze Menge Ängste mit.

Dann hoffe ich, dass du dich vielleicht doch noch für Roger erwärmen kannst. Doch auch wenn nicht, wünsche ich dir auf jeden Fall viel Spaß mit Samsa. Ich bin wirklich gespannt, was du dazu sagst :)

LG
Vampyrsoul
Antwort von:  diab67
01.04.2018 15:36
Nun ja, aber selbst wenn du mich nicht für Roger erwärmt bekommst ... Sag mir bitte trotzdem Bescheid, wenn du deine neue Story anfängst zu posten *gg*
LG


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