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Akai Tsuki no mukou ~ Beyond the Red Moon

Eine Dir en grey-/Merry-/MUCC-/Kagerou-Story / Final chapter 24 uploaded!
von

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05. [Doloria]

Gomen - ich war lazy und steckte tief tief im Kreatief! ^.~

Aber hier ist er nun, der 5. Teil...
 

Seltsam, als ich diese Geschichte angefangen hatte, wusste ich nicht, wo sie hinführen sollte - und nun scheint sich ein Ende abzuzeichnen, welches gar nicht so sehr davon abweichen wird, was (vielleicht?) in der Realität geschehen wird?
 

Aber keine Sorge - auch wenn ich mich schon damit befasse, ist ein Ende noch lange nicht abzusehen...
 

So, nun aber genug gelabert - viel Spass beim Weiterlesen! ^.^
 

+ + +
 

Auf einmal fröstelte er. Trotz des immer noch warmen Wassers. Als ob die namenlose Furcht, die ihn seit Tagen verfolgt hatte, sich nun endlich herauskristallisierte.

Der Schaum knisterte immer noch, dröhnte laut in seinen Ohren.

Und das bisher ungehörte Tropfen des Hahns drang in sein Bewusstsein.

Er war Akiko dankbar für ihr Schweigen und dafür, dass sie nichts weiter tat, als immer noch seine Arme zu streicheln.

Gedankenwirbel in seinem Kopf.

Sein Gesicht noch genauso ausdruckslos wie Minuten zuvor.

Draussen das Dröhnen eines Presslufthammers.

"Toshiya?".

Nein. Doch nicht.

Seine Zähne. Sie klapperten wild aufeinander.

"Toshimasa?!".

Verwirrtes, träges Blinzeln.

In die leeren Augen kehrte wieder Leben.

"Alles in Ordnung? Hörst du mir zu?".

Sie hatte gesprochen? Zu ihm? Wann?

Ratloser Blick.

Kein Presslufthammer mehr jetzt. Sein Kiefer folgte wieder seiner Kontrolle.

Doch das klamme Pochen in der Brust blieb.
 

Urplötzlich bewegte sich Akiko, stemmte sich auf, stand in voller Grösse und ihrer ganzen Schönheit vor ihm, stieg aus der Wanne auf das am Boden ausgebreitete Tuch.

Ihre langen, leicht gebräunten Arme streckten sich ihm entgegen.

"Komm. Du frierst".

Wie eine Puppe folgte er ihrem Kommando, liess sich von ihr in einen flauschigen, noch ganz frisch gewaschen duftenden Bademantel wickeln.

Die Wirklichkeit hatte ihn wieder.

Doch...woran hatte er gerade eben gedacht?

War es überhaupt wichtig gewesen?

Eine Bewegung zu seiner rechten Riss ihn vollends aus seinen Grübeleien.

Seine Augen fixierten Akiko.

Sie hatte nicht gerade das Massageöl vom Regal genommen, oder?

Ihre warme Hand nahm seine kühle, zitternde, zog ihn mit.

"Gleich wird dir wieder warm...".
 

* * *
 

"Willst du nicht etwas anziehn?".

Yoshies zarte Hand legte sich auf seine Schulter. Bernsteinfarbene Augen wanderten zum Aschenbecher. Die helle, von dunkelbraunem Haar gesäumte Stirn legte sich für den Bruchteil einer Sekunde in leichte Falten, glättete sich sogleich wieder.

Die sah zu seiner Freundin auf, zerknüllte dabei die leere Zigarettenschachtel, führte mit der anderen Hand die letzte Salem an seine Lippen.

Anziehn?

Ja, stimmt, es war früh kalt geworden, nun, da die Nacht sich jeden Tag eher senkte. Und er sass hier nur in Boxershorts und T-Shirt, seine nackten Füsse steckten in blau-weissen Adidas-Latschen.

Doch das Essen brannte noch in ihm. Und die Neuigkeiten.

Mit einem Seufzer setzte Yoshie sich neben ihn.

Unter ihnen blinkten die Lichter Tokyos. In allen Farben. Die Strassen frassen sich kilometerweit ins Dunkel, verschwanden zwischen Häuserblocks, die wie gesprenkelte Leuchtpfeiler in den bereits nachtschwarzen Himmel ragten.

Der betäubende Lärm, der einen unten im Gewühl beinahe besinnungslos machte, klang hier vergleichsweise leise, unbedeutend.

Die streckte sich, rollte die verkrampften Schultern, überliess den leblosen Stummel dem Wind, der aufgekommen war. Der Salzgeruch zeugte von der Nähe des Meeres, von endloser Weite, Freiheit.

Doch er fühlte sich eingesperrt. Eine Mauer der Unsicherheit und der Angst umgab ihn.

Voller Bedauern musterte er die leere, zerknüllte Zigarettenschachtel in seiner Hand.

Starrte dann wieder geradeaus.

"Wann will sie es ihm sagen?".

Yoshie regte sich lange nicht. Zuckte dann die Schultern.

"Wenn der richtige Zeitpunkt da ist...?".

Leises Schnauben.

"Den gibt es nicht. Und sie kann ihm nicht ewig aus dem Weg gehen. In einem Monat wird es sowieso offensichtlich. Und dann wird sie bereuen, nicht schon eher mit ihm geredet zu haben".

Langsam wurde es doch kühl.

"Tut mir leid - ich hätte dir das nicht auch noch aufhalsen sollen".

Empfindlich kühl.

"Es hängt alles zusammen und brodelte schon eine ganze Weile. Aber allmählich blicke ich durch".

Nicken.

"Und es wird wohl Zeit, dass wir endlich begreifen, dass man nicht alles totschweigen kann".

Erneutes Nicken.

"Erstaunt es dich, dass Yumi sich schon vor einem halben Jahr Gedanken gemacht hat? Und ich mir seit ein paar Wochen auch?".

Ein ein Grinsen andeutendes Verziehen der Lippen.

"Wie sagt man so schön? Weibliche Intuition?".

Yoshie lehnte sich an Die, legte ihre Hand auf sein nacktes Knie, liess sie zärtlich darüber gleiten.

"Wohl eher gesunder Menschenverstand und die Fähigkeit, negative Stimmungen auch dann zu spüren, wenn alle anderen versuchen, diese zu vertuschen".

"Ich hätte damit schon viel eher zu dir kommen sollen, was?".

"Möglich. Viel gebracht hätte es wahrscheinlich trotzdem nichts".

"Kaoru ist verdammt stur, wenn's drauf an kommt".

"Eben".

Der Wind blies rauer. Der leichtbekleidete Gitarrist verschränkte nun endgültig fröstelnd die Arme, rieb sie aneinander. Und fasste nach einem Seitenblick auf seine vor sich hin sinnierende Freundin einen Entschluss.

"Ich muss mal telefonieren...".
 

* * *
 

Das penetrante Klingeln seines Keitais riss ihn aus dem Halbschlaf.

Blinzelnd versuchte er, wach zu werden, setzte sich langsam auf, tastete im Dunkel nach dem vibrierenden Mini-Telefon auf dem Tischchen neben dem Bett und verliess dann auf etwas unsicheren Beinen das Zimmer, um Akiko nicht zu wecken.

Wer zum Teufel...?

Die?

Binnen Millisekunden begann sein Herz zu rasen, schlug ein schnelles Stakkato hinter seinen Rippen.

Wie betäubt liess Toshiya sich auf einen der hellgrauen Ledersessel im Wohnzimmer sinken.

Und schüttelte enerviert den Kopf. Er benahm sich ja als wäre er auf dem Weg zur Schlachtbank. Wovor hatte er solche Angst? Es war schliesslich nichts aussergewöhnliches, dass Die ihn mitten in der Nacht anklingelte.

Oder?

Sein zitternder Daumen drückte den grössten der Knöpfe.

"Moshi moshi".

Seine Stimme klang selbst für ihn fremd.

"Toshiya, endlich...".

Schwang da Erleichterung in Dies Stimme?

Der Bassist schwieg.

Nein, heute würde Die ihn bestimmt nicht überreden wollen, noch wegzugehn.

"Hab schon gedacht, du seist irgendwo in nem Club versumpft...".

Gezwungenes Grinsen in der Stimme.

Auch er war nervös.

Das Stakkato wurde schneller.

"Wir waren schon im Bett - und ich musste mir grad eben gut überlegen, ob ich mit dir reden will. Dein Name auf dem Display erschien mir bedrohlich...".

Stille.

"Die...? Tut mir leid, ich...bin übernervös...".

"Da bist du nicht der einzige. Irgendwelche Gründe?".

"Meine eigenen Beobachtungen und eine, die Akiko heute gemacht hat...".

"Du zuerst."

"Sie hat Yumi gesehn - und ich weiss nicht, ob mir der Ort gefällt, wo sie sie gesehen hat...".

Am anderen Ende blieb es ruhig.

"Und was hast du so wichtiges, das nicht bis morgen hätte warten können?".

"Yoshie hat sich heute mit Yumi getroffen".

"Ja?".

"Sie ist schwanger, und Kaoru weiss von nichts, sie haben sich...getrennt".

Das war viel auf einmal.

Toshiya umklammerte sein Handy fester. Es drohte, ihm aus der feuchten Hand zu rutschen.

Dann fand er seine Stimme wieder.

"Und ich habe gehofft, es war alles nur ein schlechter Traum und meine Befürchtungen purer Unsinn...".

"Tut mir leid...".

"Was können wir tun?".

Der Bassist konnte Dies hilfloses Schulterzucken direkt vor sich sehen.

"Ich wünschte, ich wüsste es...".

"Wollen wir Shinya und Kyo da reinziehen?".

"Es geht nicht mehr darum, was wir wollen - die Dinge kommen so oder so ins Rollen...".

"Shinya macht sich grosse Sorgen...".

"Und Kyo...lebt in seiner eigenen Welt - was aber nicht bedeutet, dass er sich nicht bewusst ist, was um ihn herum vorgeht".

"Yumi kann ihn nicht einfach so verlassen, oder? Sie wird doch wieder zu ihm zurückgehen?".

"Ich...weiss es nicht...".

"Er ist der Fels in der Brandung - aber was wird nun, da er seine Substanz verloren hat?".

"Manchmal hörst du dich an wie Kyo".

"Aber es ist doch so, oder?".

"Zugegeben, ja".

"Ich bin dafür, dass wir Yukies Rat befolgen...".

"Yukie steckt da auch schon mit drin?".

Unüberhörbares Erstaunen.

"...wir müssen nun gegenseitig füreinander da sein und Kao zeigen, dass nicht nur alles auf seinen Schultern lastet!".

"Das wird ihm nicht gefallen...".

"Dann wird er sich dran gewöhnen müssen...".

"Und Tommy?".

"Was soll mit ihm sein?".

"Kann er uns helfen?".

Kurzes Nachdenken.

"Ich glaube kaum, dass ihn das alles interessiert."

"Sollte es aber!".

"Ich wage zu behaupten, dass er sogar froh wäre, wenn Yumi aus Kaos Leben verschwinden würde...".

"Ach komm, so ist er nicht...".

"Aber du musst doch zugeben, dass er nie glücklich über diese Beziehung war".

"Ja, aber...".

"Genauso wenig, wie er unsere Beziehungen gern sieht! Die, er lebt von unserem Erfolg - je ernster das alles mit unseren Mädels wird, umso grösser wird die Chance..."

"...dass wir ausbrechen...?!".
 

* * *
 

Er zeigte keinerlei Anzeichen von Ermüdung. Doch das leichte Kratzen in der Stimme des Sängers zeigte ihm, dass es Zeit war.

"Kyo?".

Der Blondschopf fing durch das Glas seinen Blick auf, entledigte sich der Kopfhörer.

"Ich glaube, das reicht für heute...".

Ein gutmütiges, etwas genervtes und doch erleichtertes Grinsen.

"Wie du befiehlst, oh Kaoru-sama...".

Der Leader schaltete die Gegensprechanlage aus, lehnte sich zurück und massierte sich die Schläfen.

Ein langer Tag und eindeutig zuwenig Schlaf. So langsam aber sicher begann alles an ihm zu zehren. Doch heute waren sie gut voran gekommen - die beiden noch fehlenden Songs waren im Kasten; zumindest so gut wie. An ein paar Kleinigkeiten wollte er noch feilen. Und ein paar der bereits fertiggestellten Songs bedurften auch noch einer minimalen Überarbeitung. Aber bis Ende der Woche würde das Baby geboren sein, sobald das Master-Tape bei der Plattenfirma war, alles Schlag auf Schlag gehen. Ohne Pause. Immer weiter. Immer schneller.
 

Das Klicken eines Zippos liess ihn den Kopf wenden.

Da stand Kyo, bereits eingemummelt in seinen Parka, bereit zu gehen.

"Okay, bis morgen dann...".

Sofort war Kaoru auf den Beinen.

"Ich wollte was essen gehn - kommst du mit?".

Verdatterter Blick. Unwillig verzogene Lippen.

"Ich weiss nicht...".

Bettelnde Augen.

"Ach komm, bitte...".

"Ich hab keinen Hunger...".

Hochgezogene Augenbrauen.

"Lügner!".

Resignation.

"Also gut, du Heulbaby...".

Befriedigtes Grinsen.

"Aber nur, wenn du mich danach nicht dazu verknurrst, mit dir hier zu pennen!".

Erstaunen. Doch der Leader fing sich sofort wieder.

"Dazu wird's nicht kommen - du ratzt eh schon in Restaurant weg...".

Demonstratives Gähnen.

"Gut möglich, du langweilst mich schon jetzt...".

Verletztes Blinzeln.

Sofort bereute Kyo seine Worte.

"Baka!". Versöhnlich knuffte er Kaoru in die Seite. "Los, komm jetzt, bevor ich's mir anders überlege...".
 

* * *
 

"Du bist so still...".

"Ich muss mein Image pflegen".

"Haha...".

Schlanke, muskulöse Arme schlangen sich um einen zierlichen Körper.

"Sorry, ich hab nachgedacht".

Sanft, versöhnlich.

"Willst du drüber reden?".

Der Schlagzeuger kämpfte mit sich, wägte in Gedanken ab.

"Ich weiss nicht...".

Täuschte er sich oder zuckte Enttäuschung über ihr Gesicht?

"Akemi...bitte...ich bin mir nicht sicher, ob das klug wäre...".

Seufzen.

"Du weißt, dass ich dich nie zu etwas drängen würde, ich vertraue dir. Manchmal frage ich mich aber, inwiefern du mir vertraust, wenn überhaupt...".

Entsetzen.

"Akemi! Nein! So ist es doch nicht...ich...möchte dir alles erzählen...aber...ich möchte dich nicht in etwas reinziehen, was...".

"...mich nichts angeht...?".

Ihre Stimme klang traurig, verloren. Sie entzog sich seiner Umarmung.

Shinya rang um Worte.

"Nein...nein...im Himmels Willen...".

Zitternd liess er seine Arme sinken, starrte seine Freundin an.

"Was dann?".

Die sonst so fröhliche Stimme widerhallte hohl im stillen Raum.

Der Drummer fasste sich ein Herz.

"Es ist wegen Kaoru, mehrheitlich...".

Akemi sah ihn mit grossen Augen an und zog ihn schliesslich zum Sofa, wo Miyu friedlich vor sich hindöste.

"Ja?".

Shinya setzte sich vorsichtig, um das schlafende Tier nicht zu stören.

"Er kapselt sich ab. Er ist rastlos. Es scheint fast so, als würde ihn alles immer mehr überfordern. Aber natürlich würde er niemandem sein Herz ausschütten oder um Hilfe bitten. Seit Tagen übernachtet er im Studio, als ob er kein Zuhause hätte. Nicht, dass er das früher nie getan hätte, aber Yumi kommt nicht mehr vorbei. Sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Er spricht nicht einmal mehr von ihr. Erwähnt sie nicht. Tut so, als ob alles in bester Ordnung wäre. Und nimmt Schlaftabletten...".

Akemis Augen waren während seines Monologes immer grösser geworden. Sie hatte sich nicht hingesetzt, war aber, während Shinya gesprochen hatte, vor ihm auf die Knie gesunken und streichelte nun tröstend seine Knie und blickte unsicher zu ihm auf.

"Hört sich nicht allzu gut an...".

Ein schwaches Kopfschütteln.

"Ihn zum Reden zu zwingen wird nichts bringen, oder?".

Trockenes Lachen.

"Wir sprechen hier von Kaoru...null Chance...".

"Hontou ni?".

"Huh?".

"Vielleicht müsste nur die richtige Person mit ihm reden...".

"...".

"Ihr habt es noch nicht einmal versucht, oder?".

"Er lässt uns nicht...".

"Dann müsst ihr seine Mauern einreissen".

"So wie's aussieht, werden sie demnächst von selbst einstürzen...".

"Und dann?".

Die breiten Schultern zuckten hilflos.

"Ich weiss es nicht, Akemi, ich weiss es nicht...Kaoru war immer da, er war die treibende Kraft...".

Stirnrunzeln.

"...und nun...entfernt er sich von uns...Toshiya weiss es, spätestens seit Die sich ihm zugewendet hat...die beiden hängen in letzter Zeit so oft zusammen...Die vermisst Kaoru, aber er braucht einen Freund, keinen Konkurrenten...".

Akemis Augen verengten sich. Auf einmal kamen Dinge zutage, von denen sie nicht wusste, ob sie sie hören wollte.

"Und Kyo...spürt es wahrscheinlich...hat aber genug eigene Probleme, um sich wirklich damit zu beschäftigen...".

Fragender Blick.

"Was ist denn mit Kyo?".

Erst jetzt fiel ihr auf, wie wenig sie eigentlich über den kleingewachsenen, so niedlich anmutenden Sänger wusste.

"Ach, das Übliche...Unlust, leichte Depressionen, Einsamkeit, er denkt zu viel nach, fühlt sich ungeliebt...er sollte nicht allein sein...da kommen ihm noch mehr unnötige Gedanken...".

"Wie wär's mit einer Gruppentherapie? Und einer Verkupplungsaktion für Kyo?".

Akemis, mit einem breiten Grinsen vorgebrachter Vorschlag lockerte die triste, schwermütige Stimmung auf. Der Schlagzeuger kicherte plötzlich.

"Aber nur, wenn der Psychiater es schafft, mit einer Horde alternder Rockstars klarzukommen, und wir uns, nachdem wir Kyos Zukünftige auf ihn angesetzt haben, sofort ins Exil absetzen können...".

Akemis helles Lachen schallte durch den Raum. Miyu sprang erschrocken auf und musterte mit ihren grossen, braunen Hundeaugen forschend und vorwurfsvoll ihren Meister und seine Freundin.
 

* * *
 

Lustlos stocherte er in seinem Reis herum. Häufte ein paar Körner auf seine Stäbchen, liess diese jedoch wieder sinken, bevor er sie an seinen Mund hob.

Kaoru schaute dem eine Weile zu, bis er es schliesslich nicht mehr aushielt.

"Kyo, wir sitzen schon eine Viertelstunde vor dem Essen und du hast noch nicht einen Bissen davon...".

"Ich sagte dir doch, ich hab keinen Hunger!".

Trotz.

"Natürlich nicht - du hast auch nur den ganzen Tag nichts gegessen!".

"Hab ich wohl...heute früh...".

Der Gitarrist seufzte und widmete sich wieder seinen Soba-Nudeln.

"Wie du meinst - geht mich ja nichts an...".

Ein paar Minuten verstrichen. Keiner der Beiden sagte ein Wort. Als er fertig war, stiess Kaoru die kleine Schale von sich und lehnte sich zurück. Kyos Schale war immer noch voll. Die Falte auf der Stirn des Sängers zeugte davon, dass er über irgendetwas brütete, die Welt um sich herum vergessen hatte.

Kaoru klaubte in der Brusttasche seiner viel zu weiten Kapuzenjacke, holte seine Zigaretten hervor, zündete sich gemächlich eine an.

Genau so gut hätte er hier allein sitzen können - es hätte keinen Unterschied gemacht. Stattdessen sass er hier mit Kyo - und so seltsam es auch war, es war schön, sich für einmal, trotz allem, nicht allein zu fühlen.

Er hob seinen Blick und liess die Augen durch das Lokal schweifen. Mit Yumi war er öfter hierher gekommen, der Inhaber kannte ihn, führte ihn immer automatisch in den ruhigeren, hinteren Teil des Restaurants. Hier waren sie ungestört. Zumindest so gut wie. Die wenigen anderen Gäste waren wohl ebenfalls froh, für einmal ihre Ruhe zu haben. In einem der älteren Herren am nächsten Tisch glaubte er, einen Politiker zu erkennen. Doch sicher war er nicht.

Bilder aus vergangenen Tagen tanzten vor seinen Augen.

Yumi im Kimono am Geburtstag ihrer Mutter - da hatten sie ganz hinten im Séparée gesessen.

Yumi mit nassen Haaren - damals waren sie im Frühling in einen Platzregen geraten und hatten sich beim Eintreten erst mal geschüttelt wie Hunde, sehr zum Unwillen einiger Gäste.

Und dann...letztes Mal...der Streit...und seither....kein Wort mehr...

Zerknirscht blickte der Bandleader auf die stetig kleiner werdende Zigarette in seiner Hand. Und bemerkte dabei gar nicht, wie Kyo ihn forschend anstarrte.

Erst nachdem dieser ihn regelrecht mit Blicken aufspiesste, nahm er wieder Notiz von der Welt um sich.

"Kyo...hast du was gesagt?".

Kopfschütteln.

"Nein - ich rede prinzipiell nicht mit Leuten, die mich ignorieren".

"Tut mir leid...hey, du hast ja was gegessen!".

Tatsächlich war die Schale nun halbleer.

Der Sänger verzog die Lippen.

"Ja...mit etwas muss ich mich ja beschäftigen, wenn du nicht mit mir redest...aber von nun an lass ich mich nicht mehr hinhalten - was ist los?".

Kaoru betrachtete ihn nachdenklich. Er hatte Kyo eigentlich nicht hierher mitgenommen, um über sich zu reden.

"Nichts, warum?".

Die haselnussbraunen Augen wurden binnen Sekunden zu dünnen Schlitzen.

"Weißt du, Kaoru, eigentlich kann es mir ja egal sein, was du treibst. Es braucht mich nicht zu kümmern, dass du das Studio kaum noch verlässt. Es könnte mir egal sein, dass wir Yumi seit Wochen nicht mehr gesehen haben, und dass du dich immer mehr zurückziehst und versuchst, uns für dumm zu verkaufen...".

Betroffenes Schweigen.

"...aber es ist mir nicht egal! Ich hab versucht, drüber hinweg zu sehen, aber ich schaffe es nicht. Du machst mir Angst, Kaoru. Und du weißt, dass ich mir nicht allzu oft Sorgen um jemanden mache. Nun hast du die Gelegenheit, Ballast abzuwerfen, oder es sein zu lassen. Ganz wie du willst...".

Der Bandleader seufzte.

Das war direkt.

So ganz ungewöhnlich für Kyo.

Was bewies, wie wichtig ihm die Sache war,

Kaoru holte tief Luft und zündete sich eine neue Zigarette an - er brauchte etwas, um sich dran festzuhalten.

"Yumi...ist weg...wir haben uns vorläufig getrennt...".

Obwohl er so etwas erwartet hatte, stutzte der Sänger.

"Vorläufig?".

Trauriges Lächeln.

"Du weißt ja, wie das läuft...".

Nein. Wusste er nicht. Trennungen waren für ihn immer endgültig. Und für die Frauen, die ihn verliessen, waren sie das auch. Wer sollte so etwas wie ihn jemals zurück haben wollen?

Doch er nickte gefällig, heuchelte Verständnis.

"Was ist passiert?".

"Streit...das Übliche...sie fühlte sich vernachlässigt, allein gelassen...sagte, ich würde zu viel arbeiten...warf mir vor, die Band sei mir wichtiger als sie...".

Kaoru steckte die Zigarette in den Aschenbecher und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. Bei ihm eine Geste der Verzweiflung, der Erschöpfung.

"Womit sie aber nicht ganz Unrecht hat...".

Die müden Augen musterten den Sänger.

"Ja, klar...ich dachte, ich würde alles hinkriegen...ich dachte, ich könne sie vielleicht auf Tour mitnehmen...aber Tommy...naja, du hast ihn ja gehört...".

"Jetzt versteh ich - darum ging's, als ich euch überrascht hab...".

Schwaches Nicken.

"Er will unsere Freundinnen nicht dabei haben - nicht die ganze Zeit. Sie würden uns zu sehr ablenken...und die Fans...die ewig gleiche Diskussion...".

Nun zündete sich Kyo ebenfalls eine Zigarette an.

"Du hast Yumi gesagt, du würdest sie auf die Tour mitnehmen, bevor du Tommy und Inoue gefragt hast? Und nun ist sie ausgerastet, weil alles nur leere Versprechungen waren...?".

"So sieht's aus".

"Und wo ist sie jetzt?".

"Keine Ahnung...bei Freunden, bei ihren Eltern, bei ihrer Schwester...sie wird schon nen Platz gefunden haben...".

"Und es interessiert dich nicht, wo sie ist? Hast du rumtelefoniert?".

Kaorus Kopfschütteln schockierte Kyo.

Damals...

Damals war er beinahe wahnsinnig geworden vor Angst. Er hatte sie tagelang gesucht. Nicht mehr geschlafen. Nichts mehr gegessen.

Und hier sass sein Freund und tat so, als ob das alles ihn nichts anginge? Oh Kaoru, was war bloss aus ihm geworden...

"Nein...sie hat gesagt, ich solle sie in Ruhe lassen...sie wolle allein sein...sie müsse nachdenken...auf andere Gedanken kommen...".

"Und dass sie sich vielleicht doch über eine Nachricht freuen würde, hast du dir nicht überlegt?".

"Kyo, bitte, ich bin kein Arschloch! Was denkst du, wie oft ich versucht hab, sie zu erreichen? Sie meldet sich nicht! Obwohl sie meine Anrufe auf ihrem Keitai sieht...".

"Dann ruf ihre Freunde an! Mach die Nummern ausfindig...".

"Kyo...".

"Oder die ihrer Familie!".

Die runtergerauchte Zigarette starb im Aschenbecher einen schnellen, quallosen Tod.

"...".

"Was ist?".

"Ich...hab Angst...".

Beinahe hätte der Sänger laut losgelacht.

"Du? Wovor denn?".

"Ich will sie nicht verlieren - ich liebe sie. Aber...wenn ich sie jetzt bedränge, wird alles nur noch schlimmer. Und ich möchte mich mit ihr persönlich unterhalten, ihr dabei in die Augen sehen...".

"Und trotzdem musst du ihr jetzt schon zeigen, dass dir noch etwas an ihr liegt...".

"Ach Kyo...".

"Spring über deinen Schatten, Leader-sama...".

"Das sagst gerade du..."

Sofort verschwand alle Offenheit von Kyos Zügen. Angriffslustig funkelte er den Bandleader an.

"Was soll das denn heissen?".

Nun hatte es keinen Sinn mehr, zurückzukrebsen. Vielleicht würde ja die volle Offensive helfen...

"Du solltest nicht allein sein".

"Wer sagt das?!".

Täuschte er sich oder funkelten die Augen noch gefährlicher als vorhin?

"Ich...".

Notlügen mussten manchmal sein, um Schlimmeres zu verhindern.

"Ist ja lieb von dir - aber mir geht's ganz gut so...und überhaupt, weich nicht vom Thema ab!".

"Lass den Sarkasmus. Denkst du, ich habe dich einfach nur so hierher eingeladen? Es war nur Zufall, dass du mich zuerst gelöchert hast...jetzt will ich auch mal...".

Die vollen Schmolllippen kräuselten sich. Darüber musste der Sänger erst eine Weile nachdenken.

"Kaoru, wirklich, es geht mir gut...meinst du allen Ernstes, ich könnte im Moment mit einer Freundin am Rockzipfel leben? Ich sehe doch, dass es nur Probleme gibt...".

Damit musterte er sein Gegenüber vielsagend.

"...also, weshalb sollte ich eine Beziehung erzwingen wollen, wenn ich's mir doch holen kann, bei wem und wann immer ich will?".

Breites, freches Grinsen. Doch Kaoru hatte bereits Übung darin, hinter die Maske zu sehen.

Ein müdes, trauriges Lächeln umspielte seine Lippen.

"Auf die Gefahr hin, dass ich kitschig und naiv klinge, aber...wo bleibt da die Befriedigung? Die tiefe Befriedigung, meine ich?".

Verständnisloser Blick.

Stille.

Der Sänger nippte vorsichtig am Sake, der vor ihm stand. Er, der so gut wie nie Alkohol trank.

"Brauch ich nicht..."

Unbefangen.

Kaoru rutschte unbehaglich auf seinem Kissen herum, runzelte die Stirn.

Es gab keine Hilfe für diejenigen, die sie nicht wollten. Und doch...

Es musste etwas geschehen...
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2004-09-08T18:39:15+00:00 08.09.2004 20:39
miiii euryy~~~
>.<
gomen!! hatte lang nich mehr weitergelesen, weil pc kaputt und so, weißt ja!
aber das kapitel is echt mal wieder erste sahne!
man kann so richtig mit den charakteren mitfühlen! das find ich irre! *-*
*froi*
und gerade weil du so viele beiläufigkeiten beschreibst wirkt das alles so lebendig! wie in einem film würde ich fast sagen. die bilder huschen einem so richtig vor dem inneren auge vorbei. >w< *schwärm*
auch vom storyverlauf sind diesmal wieder soviele neue aspekte dazugekommen. da is mir beim lesen schon einige male echt die kinnlade runtergeklappt. zum beispiel bei der sache mit yumi @@ woah!
weiß nich, das bleibt einfach durchweg spannend. es wird nie langweilig und man möchte am liebsten alle kapitel auf einmal lesen XD
also so gehts mir zumindest immer, deswegen mach ich mich auch gleich ans nächste!
^^
hoffe das bleibt weiter so toll!
*knuddelz*
baibai~

kaju.
Von: abgemeldet
2004-02-12T15:30:18+00:00 12.02.2004 16:30
eury, du ahnst gar nicht, wie sehr ich diese FF liebe!!
*schnief* So genial! Irgendwie gehen mir mit der Zeit wohl die umschreibenden Worte aus... *denk* Ach, du weißt sicher, was ich alles sagen würd, wenn's Worte dafür gäbe!
Schön langsam scheinen die Dirus ja auch auf eine "Lösung" zuzulaufen... bin mal gespannt wie's weitergeht ^^

Bai bai melL
Von: abgemeldet
2004-01-25T13:16:30+00:00 25.01.2004 14:16
*jetzt auch endlich gelesen hat*
Deine Story ist echt WOW... man leidet richtig mit den Jungs. *schnüff*
Sie ist auch so... echt geschrieben, als wäre es ihnen wirklich so ergangen. Vieleicht tuts das ja auch?

Wenn ich ne Note vergeben könnte wäre es ne eins (mit Stern ^.~) Bin schon sehr gespannt wies weitergeht... hoffendlich bekommen sie alles wieder in den Griff.
(gomen das ich son sch... schreibe __* aber Kommis schreiben liegt mir irgendwie ned) *eury knuffelZ*
Von: abgemeldet
2004-01-23T12:57:59+00:00 23.01.2004 13:57
Also ich habe die Geschichte gelesen und bin begeistert!
Ich mag die Glaubwürdigkeit, der Jungs auch wenn ich hoffe das sie in Wirklichkeit nicht solche Probleme haben.
Das Thema der Geschichte ist super, ich konnte mich richtig hinein fühlen und mir vorstellen was sie durchmachen.
Zu deinem SChreibstil sag ich nur eins: Fantastisch!
Mach bitte weiter so und ich bin schon auf die Fortsetzung gespannt.
Von:  Tisha
2004-01-22T16:19:15+00:00 22.01.2004 17:19
Endlich hast du uns alle mit deiner Fortsetzung erlöst ^^. Hach, ich liebe diese Geschichte. Du bringst einfach die richtige Stimmung rüber und schaffst es, dass sich glaube ich jeder in die Figuren hinein denken kann. Weiter so!!!
Von: abgemeldet
2004-01-22T16:05:20+00:00 22.01.2004 17:05
Ein neues Kapitel, wie schön.
Die Atmosphäre ist nach wie vor auf atemberaubende Weise beklemmend und... hmm, es ist schwer, etwas zur Geschichte an sich zu sagen, da sie sich ja noch in der Entwicklung befindet (aber was für eine Entwicklung...!), aber die Anordnung der Szenen gefällt mir ausnehmend gut... Ich hätte vorher wohl nie gedacht, dass Frauen als tatsächliche Partnerinnen der einzelnen Mitglieder solch dramatischen Einfluss hätten; durch sie wirkt alles so viel echter und dichter...
Ich denke, nichts, was ich jetzt noch sagen könnte, wäre noch von Belang, also beende ich meinen Kommentar jetzt; aufs Neue bezaubert von deiner Geschichte und wieder hoffend auf eine baldige Fortsetzung.

Purpur


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