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Auf der anderen Seite des Lichts

von

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Supernova

Trotz seiner veränderten Beziehung zu Zelda zog Link nicht ins Dorf. Er besuchte die Ortschaft zwar jeden Tag, um für die Bewohner kleinere Arbeiten zu erledigen und sich mit Shadow über ausstehende Missionen auszutauschen, kehrte aber jeden Abend zu seiner Höhle zurück.

Zelda begleitete ihn dabei regelmäßig, auch wenn dies bedeutete, dass sie am nächsten Morgen sehr früh aufstehen musste, um rechtzeitig für ihre täglichen Pflichten wieder im Dorf zu sein.

Shadow, der schnell bemerkt hatte, was vor sich ging, kommentierte die Liebe zwischen seiner Tochter und seinem Schüler nicht – selbst dann nicht, wenn Link während eines Auftrags, der die beiden Assassinen zwang, sich weiter als einen Tagesmarsch von ihrer Heimat zu entfernen, kaum stillsitzen konnte.

Auf diese Weise gingen die Jahre ins Land.

Link blühte nicht zuletzt wegen seines neuentdeckten Liebesglücks und der stetigen Zuwendung seines Meisters immer mehr auf und wurde allmählich zu einem umgänglichen, jungen Mann mit ausgeprägtem Verantwortungsbewusstsein.

Dennoch waren ihm die langen Jahre der Einsamkeit noch immer anzumerken. Vor allem unter fremden Menschen fühlte er sich unsicher und unwohl und er war sich absolut sicher, niemals in ein Dorf zu ziehen, bis Zelda ihm kurz vor seinem achtzehnten Geburtstag eine vollkommen unerwartete Frage stellte:

„Wann wirst du eigentlich bei meinem Vater offiziell um meine Hand anhalten?“

Die junge Frau saß auf einer Steinbank, die Link erst kurz zuvor vor dem Eingang zu seiner Höhle errichtet hatte, und nähte an einem Wams aus edlem Samt, das Link bei den Feierlichkeiten zu seinem Eintritt ins Erwachsenenalter am nächsten Tag tragen sollte. Ohne aufzublicken bemerkte Zelda wie ihr Freund, der vor ihr kniete und versuchte, ein Lagerfeuer zu entzünden, sich versteifte.

„Öh… ähm… öhm…“, stammelte Link, während er krampfhaft auf das trockene Holz vor sich starrte, um seine Freundin nicht ansehen zu müssen.

Diese seufzte tief auf und sagte: „Darüber hast du noch nie nachgedacht, oder?“ Obwohl sie es wie eine Frage formulierte, war es eigentlich eine Feststellung. Sie kannte Link nun seit fast drei Jahren, er konnte ihr nichts mehr vormachen.

Link legte die Holzstücke auf den Boden und setzte sich neben Zelda, wo er seine langen Beine ausstreckte und auf seine Hände starrte, um ihrem Blick noch immer ausweichen zu können.

„Es ist nicht so, dass ich dich nicht heiraten will“, setzte er schließlich an, „ich hab nur Angst vor dem, was danach kommt.“

„Wieso?“ Zelda ließ ihre Näharbeit ruhen und legte den Kopf schief, um ihrem Freund zumindest ein wenig ins Gesicht sehen zu können, auch wenn er seine langen Ponysträhnen wie einen Vorhang zwischen ihnen hängen ließ.

Als versuche er, ein unangenehmes Gewicht abzuschütteln, kreiste Link mit den Schultern. „Wenn Leute heiraten, bekommen sie kurz darauf auch Kinder. Aber es erscheint mir falsch, neues Leben in diese Welt zu setzen. Ich meine… Sieh dich doch um! Schau dir deine Vergangenheit an oder meine. Guck dir die Kinder im Dorf an. Zeig mir einen einzigen Menschen, der eine glückliche Kindheit hatte; der nicht Hunger, Verlust und Leid erleben musste.“

Zelda setzte sich ein wenig um, bis sie schräg auf der Bank saß, und legte ihrem Freund einen Finger unters Kinn, um ihn sanft zu zwingen, sie anzusehen.

Die blauen Augen, derer sie ansichtig wurde, spiegelten all die Schmerzen und Entbehrungen, die er in seinem Leben hatte erdulden müssen.

Mit einem warmen Lächeln, das seine düsteren Erinnerungen vertreiben sollte, antwortete sie: „Wir müssen keine Kinder bekommen, wenn du das nicht möchtest. Ich kann weiterhin die Tricks der alten Hexe anwenden. Ich will dich nur endlich meinen Mann nennen dürfen. Ich möchte ganz offiziell zu dir gehören.“

Sie zog Links Gesicht am Kinn zu ihrem heran und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Ich liebe dich.“

Endlich huschte ein Lächeln über Links Züge und er legte Zelda eine seiner großen, rauen Hände auf die Wange, um ihr mit dem Daumen übers Jochbein zu streichen, während sein Blick sich mit dem ihren verwob. Dann küsste er sie auf die Stirn und zog sie in seine Arme. „In Ordnung. Ich werde Shadow morgen nach den Feierlichkeiten fragen.“

Für einen Moment schmiegte Zelda sich dankbar noch dichter an ihn und genoss das Geräusch seines gleichmäßig schlagenden Herzens unter ihrem Ohr, bevor sie ihre Handarbeit wieder aufnahm. „Dann mach ich mal dein Wams fertig, damit du morgen so umwerfend gut aussiehst, dass Vater dir nichts abschlagen kann.“

Link schwang sich lachend wieder auf die Füße, um zu seinen Holzscheiten zurückzukehren und entgegnete: „Dafür brauch ich keine edlen Kleider. Ich sehe immer fabulös aus!“

Zelda rollte genervt tuend mit den Augen, lächelte jedoch in sich herein.

Sie liebte es, wenn Link scherzte.

Dann wirkte er für einen Moment als hätte er die Schattenseiten seines Lebens vergessen.

Die junge Frau hoffte inständig, dass sie ihrem Freund dabei behilflich sein konnte, irgendwann das Gewicht der Vergangenheit endgültig abschütteln zu können.
 

Die Festivitäten rund um seine Volljährigkeitszeremonie überraschten Link.

Überall waren kleine Lagerfeuer verteilt, über denen sich Spieße mit verschiedenen Braten drehten. Offenbar waren alle Jäger des Dorfes ausgezogen, um für ein opulentes Festmahl zu sorgen. So wie es aussah, waren sogar ein paar der wenigen verbliebenen Hühner geschlachtet worden.

Auch die Bewohner hatten sich ordentlich herausgeputzt und trugen ihre besten Gewänder zur Schau. Sobald sie Link erblickten, grüßten sie ihn überschwänglich, während der junge Mann verlegen an seinem Samtwams zupfte und schüchtern zurücklächelte.

Warum wurde seinetwegen ein solcher Aufriss veranstaltet?!

Als stünden ihm seine Gedanken auf die Stirn geschrieben, beantwortete ihm plötzlich eine von hinten kommende Stimme seine unausgesprochene Frage: „Es gibt so selten einen Anlass zu feiern, dass die Menschen hier es ein wenig übertreiben, wenn es mal einen Grund gibt.“

Link wandte sich mit einem Lächeln um und blieb mit offenem Mund stehen.

Vor ihm stand Zelda und war schöner als er sie je gesehen hatte.

Ihr athletischer Körper steckte in einem enganliegenden, schwarzen Seidenkleid mit Glockenrock und irgendjemand hatte sich die Mühe gemacht, ihr unzählige, kleine Glasperlen in das kunstvoll hochgesteckte Haar zu flechten. Die vielen Feuer ringsum ließen ihre Frisur blitzen und blinken als hätten sich vom Himmel gefallene Sterne in den blonden Locken verfangen.

„Was hast du?“ Die junge Frau zog fragend die Augenbrauen hoch und musterte ihren Freund besorgt. „Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen.“

Link schüttelte leicht den Kopf, so als würde er aus einer Trance erwachen und müsste die letzten Nebelschwaden aus seinem Geist vertreiben. Dann nahm er Zeldas Gesicht in beide Hände, küsste sie sanft und flüsterte gegen ihre Lippen: „Mir geht es gut. Ich war nur mal wieder von deiner Schönheit geblendet.“

Rot anlaufend wand Zelda sich aus der Umarmung ihres Freundes und sagte: „Mein Vater sucht dich.“ Sie wusste selbst nicht, warum, aber es machte sie jedes Mal verlegen, wenn Link sie schön nannte.

Dieser nickte nun und nahm ihre Hand. „Na, dann bring mich doch am besten gleich zu ihm.“
 

Shadow stand auf dem zentralen Dorfplatz und unterhielt sich mit einem kleinen, runzeligen Mann, den Link als den Dorfältesten identifizierte. Der Alte sollte, so erinnerte Link sich dunkel, die Zeremonie leiten und ihm die Kanäle für seine Stahlkreolen, die Insignien seines Erwachsenenstatus, stechen. Allein bei dem Gedanken daran pochten die Ohrläppchen des jungen Mannes und seine langen Ohrmuscheln schienen vollständig in Flammen zu stehen.

Als sie an ihren Vater und den Ältesten herantraten, wollte Zelda ihre Hand aus Links lösen, dieser hielt sie jedoch weiterhin fest. Ein wenig überrascht sah die junge Frau zu ihrem Freund hoch.

Die Beiden hatten sich nie wirklich Mühe gegeben, ihre Beziehung geheim zu halten, doch bislang waren sie in Anwesenheit anderer zumindest körperlich ein wenig auf Abstand gegangen.

Offenbar gedachte Link wirklich, ihre Beziehung offiziell zu machen.

Lächelnd drückte Zelda seine Hand und atmete innerlich auf.

Sie hatte zwar nie an der Ernsthaftigkeit seiner Worte gezweifelt, aber dieses nonverbale Zeichen seiner Aufrichtigkeit bedeutete ihr trotzdem mehr als sie sich eingestehen wollte.

Shadows Mundwinkel zuckten beim Anblick ihrer umschlungenen Hände kaum merklich nach oben, bevor er sich an seinen Schüler wandte: „Ah, da ist er ja, unser Mann des Tages.“

„Du hattest mich gesucht?“

„Ja. Ich wollte dir den Ablauf des Abends erklären.“

Als Link daraufhin das Gesicht verzog, lachte Shadow laut auf. „Keine Angst. Es wird nicht viele Formalitäten geben. Sobald die Sonne ganz untergegangen ist, werden sich die Bewohner hier auf dem Dorfplatz einfinden. Dann werde ich eine kurze Ansprache halten und Fidias“, Shadow deutete auf den Dorfältesten, der Link leicht zunickte, „wird dir deine Kreolen in die Ohren stechen.“

Der Alte grinste und entblößte dabei eine löchrige Reihe schiefer Zähne. „Wenn du es schaffst, dabei nicht zu schreien, hast du den Test bestanden und darfst dich fortan einen Erwachsenen nennen.“

Links verwirrter Gesichtsausdruck ließ Shadow und Fidias lachen, während Zelda ein Kichern unterdrückte und ihrem Freund zuraunte: „Entspann dich. Das war ein Scherz. Es gibt keinen Test.“

Breit grinsend klatschte Shadow einmal in die Hände. „Und dann kommt der beste Teil des Ganzen: die Feier! Dann essen, trinken und tanzen wir, bis zum Umfallen!“

Link nickte ein wenig zögerlich.

Er wusste, dass sein Meister eine begeisterte Reaktion oder einen zotigen Spruch erwartete. Stattdessen kamen jedoch ganz andere Worte aus seinem Mund: „Es gibt da etwas, das ich dich fragen wollte, Shadow.“

Zelda warf ihrem Freund, dessen Handflächen plötzlich schwitzten, einen schnellen Seitenblick zu.

Würde er es wirklich jetzt schon tun?

Fidias hob überrascht die buschigen Augenbrauen und Shadow grinste wie ein Honigkuchenpferd, was Link ziemlich verwirrte.

Worüber amüsierte sein Lehrer sich so?

„Ich…“, setzte Link mit brüchiger Stimme an, bevor er sich räusperte und einen weiteren Anlauf wagte. „Ich wollte dich fragen, ob du etwas dagegen… ob du mir deinen Segen gibst, Zelda zu heiraten. Ja. Shadow, ich möchte deine To–“, versuchte Link seinen Satz zu komplettieren, doch Fidias unterbrach ihn mit einem lauten Stöhnen des Unmuts.

Fast zeitgleich schnippte Shadow mit den Fingern, deutete auf den Alten neben sich und triumphierte lachend: „Ich hab dir gesagt, dass er’s heute tut. Du schuldest mir ein Huhn!“

Link und Zelda wechselten verwirrte Blicke, bevor die junge Frau fragte: „Von was redet ihr Beide da?“

Während Shadow so breit grinste, dass seine Backenzähne zu sehen waren, antwortete Fidias mit brummigem Gesichtsausdruck: „Ich hab mit deinem Vater gewettet, wann Link endlich um deine Hand anhält.“

Den beiden Verliebten klappten die Kinnladen herunter, doch Shadow setzte sogar noch einen drauf: „Tatsächlich hat fast das ganze Dorf gewettet, dass ihr so schnell wie möglich heiratet wollt, sobald unser Kleiner endlich alt genug ist, ein Familienoberhaupt zu werden. Deswegen auch der ganze Rummel. Die Meisten hoffen, heute eine Hochzeit feiern zu können und nicht nur eine Volljährigkeit.“

Link starrte mit noch immer offen stehendem Mund seine Freundin an, die abwehrend die Hände erhob. „Ich schwöre dir, ich wusste von nichts!“

Ihren Vater und die überneugierigen Dorfbewohner stumm verfluchend schickte Zelda ein nonverbales Stoßgebet zu den Göttinnen. Hoffentlich bekam Link ihr gestriges Gespräch nicht in den falschen Hals und glaubte, sie habe ihn in eine Falle locken wollen.

Für einen langen Moment, während dem sämtliche Blicke auf ihm lagen, sagte Link nichts.

Doch dann verzogen sich seine Lippen zu einem Lächeln und er sah Zelda mit einem verliebten Ausdruck in die Augen, bevor er sich wieder an Shadow und Fidias wandte. „Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, so schnell zu heiraten, aber egal. Wozu aufschieben, was man sich wünscht?“

In einer Geste der Resignation warf er die Hände in die Luft und zog anschließend Zelda in seinen Arm. „Lasst uns eine Hochzeit feiern.“

Während die junge Frau sich an ihn schmiegte, nickte ihr Vater begeistert. Er liebte Link wie einen Sohn und konnte sich keine bessere Wahl seiner Tochter vorstellen.

Fidias stützte sich auf seinen Gehstock und schickte sich an, zu gehen. „Ich werde dann mal alles vorbereiten, was man für eine Trauung braucht.“

Shadow nickte und machte die Verblüffung der beiden jungen Leute perfekt: „Und ich werde schon mal Zeldas Sachen in euer neues Heim schaffen.“

„Neues Heim?!“ Link hatte das Gefühl, den Anschluss zu verlieren.

Von was redete sein Meister da?

Auch Zelda riss überrascht die Augen auf. „Ich fürchte, ich kann dir nicht folgen, Vater…“

„Ihr kennt die leerstehende Hütte am Dorfrand?“

Die beiden Verliebten nickten zögernd.

Wann genau hatte man ihnen die Planung ihres Lebens aus der Hand genommen?

„Wir dachten uns, das wäre der perfekte Ort für euch, eine Familie zu gründen. Als Eheleute könnt ihr nicht mehr unter meinem Dach leben – ihr braucht etwas Eigenes. Und ihr könnt auch nicht in Links Höhle leben, wie die Tiere.“

„Ey!“ Der junge Mann protestierte halbherzig. Er stimmte seinem Meister zwar zu, dass die Höhle kein Ort war, um eine Familie zu gründen, doch er verbat sich, dass man ihm unterstellte, den Großteil seines Lebens wie ein Tier gehaust zu haben. Die Höhle hatte immerhin Möbel!

Als hätte er Links Einwand gar nicht gehört, fuhr Shadow unbeirrt fort: „Die Hütte erschien uns als passender Ort für euch. Dort wärt ihr nicht zu weit weg, aber gleichzeitig weit genug außerhalb, dass Link keinen Koller kriegt.“

„Klingt ja als hättet ihr an alles gedacht…“ Zelda zog nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne.

Ihr gefiel der Gedanke an ein eigenes Heim und die Hütte schien wirklich perfekt zu sein. Link hätte viel Rückzugsraum und sie selbst hätte es nicht weit bis ins Innere des Dorfes, um mit den Alten und Kindern zu helfen. Außerdem war die Hütte groß genug, um früher oder später ein Kinderzimmer einzurichten, sollte Link seine Meinung irgendwann ändern.

Doch Zelda fürchtete, ihrem Freund könnte es sehr sauer aufstoßen, dass Shadow und die anderen hinter seinem Rücken für ihn entschieden hatten.

Tatsächlich hatte ein Teil von Link das dringende Bedürfnis, das Angebot aus Trotz abzulehnen. Als er einen Blick in Zeldas hoffnungsvolle Augen warf, schluckte er seinen Widerwillen jedoch herunter und nickte seinem Schwiegervater in spe zu. „Wir werden dir tragen helfen. Dann können wir uns unser neues Zuhause gleich von innen ansehen.“
 

Das kleine Häuschen stand auf einem Hügel, sodass man von dort aus das ganze Dorf überblicken konnte. Früher hatte die alte Hexe hier gelebt, seit ihr das Gehen immer mehr Probleme machte, war sie jedoch zu ihrer im Dorfzentrum wohnenden Schwester gezogen.

Link schleppte eine Kleidertruhe den Weg hinauf und ließ sich von Shadow die Haustür aufhalten. Von außen machte die Hütte nicht viel her, doch ihr Inneres versetzte den jungen Mann in Staunen.

Durch die Fronttür trat man in einen großzügigen Wohnbereich mit einer in den Boden eingelassenen Feuerstelle. Direkt neben dem Eingang befand sich eine Treppe, über die man zu den Schlafräumen im ersten Stock gelangte, und auf der gegenüberliegenden Seite führte eine weitere Tür zu einem kleinen Garten und den noch leerstehenden Hühnerställen.

Was Link jedoch wirklich verblüffte, war das Mobiliar.

Mit offenstehendem Mund strich er über die kunstvolle Schnitzerei des schweren Esstischs und drehte sich fassungslos zu Shadow um. „Ich hab diesen Tisch erst letzten Monat für den Bäcker verziert. Er meinte, er wolle etwas Besonderes haben, das er irgendwann seinem Enkel vererben kann…“

Shadow trat grinsend an ihn heran und zuckte mit den Achseln. „Sieh es als Hochzeitsgeschenk.“

„Aber er hat mich für die Arbeit bezahlt!“

„Und du hast ihm schon oft etwas zu Essen gebracht, ohne eine Gegenleistung zu verlangen.“

Der Assassine legte seinem Schüler eine Hand auf die Schulter. „Du hast es vielleicht selbst nicht gemerkt, aber du hast viel Gutes für die Dorfbewohner getan. Sie freuen sich, dass sie dir und Zelda auf diese Weise ein wenig zurückgeben können. Denk nicht zu viel darüber nach und freu dich einfach.“

Link nickte und wandte sich ruckartig ab, als ihm Tränen der Dankbarkeit in die Augen stiegen. Dann fasste er seine Truhe fester und stieg schnell die Treppe nach oben.

Das kleinere Zimmer neben dem Treppenabsatz war noch unmöbliert und schien als Kinderzimmer gedacht zu sein.

Ein Schauer lief Link über den Rücken, als er daran dachte, dass das ganze Dorf erwartete, dass Zelda und er Kinder bekamen. Sicher, es wäre bestimmt faszinierend, ein Baby großzuziehen und zu sehen, zu was sich Zeldas und seine Anlagen vermischt hatten.

Doch wie konnte man vor einem Kind verantworten, dass man ihm ein Leben in dieser kargen Welt zumutete?

Als er die Tür zu dem großen Schlafzimmer aufstieß, entdeckte Link Zelda, die gerade dabei war, das breite Bett neu zu beziehen. Bei seinem Anblick ließ sie sofort von ihrer Arbeit ab und legte ihm von hinten die Arme um die Hüften.

Eine Wange gegen seinen Rücken gelehnt, fragte sie: „Alles in Ordnung mit dir? Du siehst ziemlich mitgenommen aus.“

Link stellte die schwere Kleidertruhe auf einem Tisch neben sich ab und legte seine Hände auf Zeldas, bevor er nickte. „Ich fühle mich ziemlich überrumpelt, das ist alles.“

„Ja, es kam alles sehr schnell. Wenn ich gewusst hätte, was mein Vater und die anderen planten, hätte ich dich nie gedrängelt.“

Link drehte sich vorsichtig in der Umarmung seiner Freundin, sodass er sie ansehen konnte, und lächelte zu ihr herunter. „Ist schon gut. Ich weiß, dass du keine Hintergedanken hattest.“

Bevor Zelda etwas entgegnen konnte, rief Shadow von unten: „Hey, ihr zwei Turteltäubchen, es wird Zeit. Links Typ wird auf dem Dorfplatz verlangt!“

Link stupste Zeldas Nasenspitze mit seiner an. „Ich muss los. Sonst komm ich noch zu spät zur Verstümmelung meiner Ohren.“

Zelda lachte und schlug ihm spielerisch gegen den Oberarm. „Dummkopf.“

Die Beleidigung mit einem Grinsen quittierend löste Link sich aus der Umarmung und schickte sich an, den Raum zu verlassen.

Zelda blickte an sich herunter und murmelte: „Eigentlich sollte ich die Zeit der Zeremonie nutzen, um mich für die Trauung herauszuputzen. Aber das hier sind bereits meine edelsten Kleider…“

Link, der den Raum schon fast verlassen hatte, drehte sich im Türrahmen noch einmal zu ihr um. „Du bist perfekt so wie du bist.“

Dann streckte er ihr einen Arm entgegen und sagte: „Vergiss Traditionen und Etikette. Ich würde dich selbst in Lumpen heiraten. Komm mit und halt mir die Hand, wenn Fidias mir Löcher in die Ohrläppchen bohrt. So alt und zittrig wie er ist, wird er dafür bestimmt einige Anläufe brauchen…“

Beim Anblick der Grimasse, die ihr Freund bei diesem Gedanken zog, musste Zelda unwillkürlich lachen und sie ergriff die ihr dargebotene Hand. Ihre Finger mit Links verschränkend nickte sie. „Ich bin an deiner Seite.“

„Immer?“ Links Blick hatte eine Intensität, die Zelda eine Gänsehaut über den Körper jagte.

Dennoch antwortete sie ohne zu zögern: „Immer.“
 

Wenig später fanden Link und Zelda sich neben einem niedrigen Podest wieder, das einige Dorfbewohner auf dem zentralen Platz errichtet hatten. Hinter dem bühnenartigen Gebilde prasselte das größte Lagerfeuer des Dorfes, sodass Shadow und Fidias von hinten in rotgoldenes, flackerndes Licht gehüllt waren. Über ihre Gesichter tanzten lange, unförmige Schatten, die ihnen ein erhabenes, aber auch irgendwie bedrohliches Aussehen verliehen.

Die Dörfler hatten sich inzwischen vollzählig auf dem Platz versammelt und sahen erwartungsvoll zu ihren Anführern auf.

Shadow trat an den Rand des Podests und hielt Link die Hand hin, um ihn hochzuziehen. Dieser atmete noch einmal tief durch und ließ sich unnötigerweise auf hochhelfen, bevor er sich umwandte und Zelda neben sich hob.

Normalerweise durften bei einer Volljährigkeitszeremonie nur die Dorfältesten und der ins Erwachsenenalter Übertretende auf der Bühne stehen. Angesichts von Links ungewöhnlichem Schachzug ging ein Tuscheln und Raunen durch die Reihen und die beinah greifbare Vorfreude schien die Luft zum Vibrieren zu bringen.

Die Dorfbewohner wussten nur zu gut, was Zeldas Anwesenheit zu bedeuten hatte…

Shadow führte Link, der allen Traditionen zum Trotz die Hand seiner Freundin stur festhielt, neben Fidias, der die jungen Leute mit einem erhabenen Nicken grüßte.

Link und Zelda erwiderten den Gruß, bevor Shadow sich an das Publikum wandte: „Liebe Dorfgemeinde, wir sind heute hier zusammengekommen, um Links Eintreten ins Erwachsenenalter zu feiern und ihm die Insignien seines neuen Status zu verleihen. Link hat in der Vergangenheit schon häufig bewiesen, dass er ein wertvolles Mitglied unserer Gemeinde ist, auf das wir uns stets verlassen können. Deswegen freuen wir uns ganz besonders, ihn in den Reihen unserer Stimmberechtigten begrüßen zu dürfen. Ab heute darf er offiziell über die Zukunft des Dorfes mitentscheiden.“

Shadow machte eine Pause und Link stellte sich innerlich bereits auf das Durchstechen seiner Ohrläppchen ein. Er war sich sicher, den Schmerz mit stoischer Ruhe ertragen zu können – er hatte schon ganz andere Verletzungen weggesteckt.

Die Worte, die nach der kurzen Kunstpause aus dem Mund seines Meisters kamen, erwischten den jungen Mann jedoch kalt: „Von nun an gilt Link zudem als vollwertiger Assassine. Er ist nicht länger mein Schüler“, Shadow wandte sich mit einem Lächeln an Link, der zu nichts anderem in der Lage war als ihn völlig überrumpelt anzustarren.

Dass sich in seinem Verhältnis zu seinem Lehrer ebenfalls etwas ändern würde, hatte Link niemand gesagt!

Shadow legte ihm eine Hand auf die Schulter und beendete seine Rede: „Ab dem heutigen Tage wird Link mein Partner, mein Nachfolger und mein Schwiegersohn sein.“

Tosender Applaus brandete auf und Zelda drückte sanft Links Hand. Der junge Mann war etwas blass um die Nase geworden und sah vollkommen überfordert aus.

Zelda konnte es ihm nicht verdenken.

An diesem Abend war so viel passiert, hatte sich so viel Neues ergeben, dass auch sie selbst sich wie berauscht fühlte. Sie glaubte fast, wenn Link nicht ihre Hand umklammert gehalten hätte, hätte sie vor lauter neuen Eindrücken nicht mehr die Kraft gefunden, aufrecht zu stehen.

Fidias trat an Link und Shadow heran und reichte Letzterem einen kleinen Gegenstand, der im Feuerschein aufblitzte. „Eigentlich wäre es meine Aufgabe, dir die Ohren zu durchstechen“, setzte der Älteste zu einer Erklärung an, „doch ich fürchte, ich habe nicht mehr die dafür erforderliche Kraft in den Armen. Deswegen wird Shadow dir die Kanäle stechen, bevor ich dir deine Kreolen anlege.“

Link hatte kaum Zeit zu nicken, bevor Shadow sein Ohr packte und mit der ihm soeben ausgehändigten, dicken Nadel ein Loch hineinbohrte. Dank der Stärke des Assassinen und der Schärfe der Nadelspitze war der Kanal schnell gestochen.

Link biss die Zähne fest zusammen, um nicht versehentlich einen Schmerzenslaut von sich zu geben, und nahm das kleine Leinentuch entgegen, das Fidias ihm reichte, um die Blutung zu stoppen.

Shadow widmete sich unterdessen Links zweitem Ohr.

Beim Anblick des Blutes wurde Zelda ein wenig flau im Magen, obwohl sie genau wusste, dass die Verletzungen minimal waren und ihr Freund nicht übermäßig litt. Innerlich den Kopf über sich selbst schüttelnd drückte sie einen zweiten Leinenfetzen auf Links rechtes Ohr, um ihm zumindest auf diese Weise ein wenig behilflich zu sein.
 

Sobald die Blutung aufgehört hatte, trat Fidias vor Link und forderte: „Beug dich zu mir herunter, mein Junge.“

Der junge Mann tat wie ihm geheißen und kniff leicht die Augen zu, als der Älteste seine noch immer ein wenig schmerzenden Ohren berührte und ihm seine Kreolen anlegte. Der dunkle Stahl der kleinen Ringe war poliert worden und funkelte im flackernden Licht des Feuers als würde er aus flüssigen Rubinen bestehen.

Fidias klopfte Link auf die Schultern, um ihm zu verstehen zu geben, dass er sich wieder aufrichten durfte. Dann sagte der Alte laut genug damit der ganze Platz ihn hören konnte: „Damit ist es offiziell. Von nun an bist du ein Erwachsener.“

Erneut erklang das Geräusch vieler klatschender Hände, doch Shadow bat mit einer Geste um Stille. Als wieder ein wenig Ruhe eingekehrt war, rief er: „Dies ist nicht das Einzige, was wir heute feiern werden!“

Vereinzelte Jubelrufe ließen Link und Zelda lächelnde Blicke wechseln. Es war schön, dass sie anderen Menschen mit ihrer Liebe Freude bereiten konnten.

Mit einem Arm auf die Beiden deutend sprach Shadow weiter: „Denn meine Tochter und Link werden sich – wie ich es vorhin schon angedeutet habe – heute Abend vermählen. Seid unsere Gäste und feiert mit uns, bis der Morgen kommt!“
 

Von lautem Jubel und donnerndem Applaus begleitet, schob Shadow die beiden Brautleute vor Fidias, der geduldig wartete, bis die Dörfler wieder verstummten. Link strich mit dem Daumen zärtlich über Zeldas Handrücken, was ihr ein strahlendes Lächeln auf die Lippen zauberte.

Seit geraumer Zeit hatte sie immer wieder von diesem Moment geträumt und nun war er plötzlich da. Irgendwie fühlte sich auf einmal alles unwirklich an…

Um sich davon zu überzeugen, dass sie nicht träumte, kniff sich die junge Frau verstohlen in den Oberschenkel und betrachtete ihren Freund von der Seite.

Links Puls pochte gut sichtbar in seiner Kehlgrube, doch der Blick, den er ihr aus den Augenwinkeln zuwarf, war fest und so voller Liebe, dass Zeldas Herz vor Glück einen Satz machte.

Sobald wieder Stille auf dem Platz eingekehrt war, nahm Fidias die umschlungenen Hände der beiden Brautläute in seine und fragte ohne große Umschweife: „Seid ihr euch sicher, dass ihr euch das Eheversprechen geben und Verantwortung für einander übernehmen wollt?“

Ohne den Hauch eines Zögerns nickte Link und erwiderte mit fester Stimme: „Ja!“

Zeldas Mundwinkel schoben sich bei seiner Reaktion noch weiter nach oben, obwohl sie gedacht hatte, bereits das Maximum erreicht zu haben. Dann nickte sie ebenfalls und bestätigte: „Ja, ich bin mir sicher.“

Fidias schlang einen in Duftwasser getränkten Strick um ihre Hände. Zelda erinnerte sich, dass eine der alten Frauen ihr mal erzählt hatte, die Kräuter, aus denen dieses spezielle Parfum gewonnen wurde, sollten böse Geister fernhalten und Fruchtbarkeit bringen.

Mit einem kleinen Stich im Herzen dachte sie daran, dass sie zumindest Letzteres wohl erst mal nicht brauchten…

„Kniet euch hin.“

Fidias hatte den Strick verknotet und schnappte sich nun eine Schüssel mit roter Farbe und einen Pinsel, die auf einem kleinen Schemel in der Nähe gelegen hatten. Dann legte er seine kühlen Finger auf Links Stirn und zwang den jungen Mann sanft, den Kopf schräg in den Nacken zu legen.

Mit flinken Pinselstrichen schrieb er Link die Wörter «Schutz», «Sorge», «Zusammenhalt» und «Liebe» auf die linke Halsseite, sodass sich die Lettern wie eine blutige Inschrift über seine Halssehne bis zum Schlüsselbein herabzogen. Dasselbe wiederholte der Alte bei Zelda.

Dann legte er seine Hände auf den zuvor geknüpften Knoten und sagte: „Der Strick wird gelöst werden und die Farbe verblassen. Doch ihr dürft niemals vergessen, für was diese Symbole stehen. Ihr seid nun für den Rest eurer Leben miteinander verbunden. Möget ihr euch gegenseitig beschützen, umsorgen und stets zusammenhalten. Und möge eure Liebe ewig währen.“

Mit diesen Worten durchtrennte er den Knoten und wies die frisch gebackenen Eheleute an, wieder aufzustehen. Shadow wischte sich verstohlen über die Augen und bemühte sich vergebens, den Kloß in seiner Kehle herunter zu schlucken.

Als Link und Zelda sich ihrem Publikum wieder zuwandten, war der Jubel ohrenbetäubend laut. Doch die Beiden sahen nur den jeweils anderen. Keiner von ihnen hatte sich in seinem bisherigen Leben so glücklich gefühlt wie in diesem Augenblick.

Link zog seine Braut fest in seine Arme und flüsterte: „Danke, dass du damals an mich geglaubt hast, obwohl ich solch ein Ekel war. Du lässt mich innerlich zur Ruhe kommen. Ich liebe dich.“

Bei diesem Bekenntnis schossen Zelda die Tränen in die Augen und sie suchte verzweifelt nach Worten, die ihren Gefühlen gerecht würden. Bevor sie antworten konnte, presste Link jedoch seine Lippen auf ihre und küsste sie mit überraschender Leidenschaft.

Die Dorfbewohner reagierten mit lautem Grölen und Gejohle, das erst recht angeheizt wurde, als Link anschließend eine Faust gen Himmel reckte und forderte: „Lasst uns feiern wie wir noch nie im Leben gefeiert haben!“
 

Wie erwartet wurde es ein rauschendes Fest, von dem die Dörfler noch Monate später sprachen. Für Link und Zelda waren die ersten Tage nach der Heirat jedoch deutlich einprägsamer.

Das Zusammenleben stellte das Paar vor ganz neue Herausforderungen, die manchmal sogar zu kleineren Streitigkeiten führten. Gemeinsam konnten die Beiden allerdings jedes auftauchende Problem lösen.

Mit der Zeit wurde aus der zarten Jugendliebe, die die Zwei verband, eine richtige Ehe mit einem gemeinsamen Alltag. Doch anstatt sich vom alltäglichen Trott gelangweilt auseinanderzuentwickeln, schien die Routine Link und Zelda nur noch näher zusammenzubringen.

So kam es auch, dass Link seine Frau eines Morgens gründlich überraschte:

Seit der Hochzeit war etwa ein halbes Jahr vergangen und die Beiden räkelten sich noch im Bett, um den Tagesanbruch ein wenig heraus zu zögern. Link schmiegte sich von hinten an Zeldas Rücken und schlang die Arme um sie.

Sie wandte den Kopf, um ihren Mann zu küssen und erinnerte ihn halbherzig: „Du musst aufstehen, Liebster. Mein Vater wartet sicher schon auf dich.“

Link stieß einen unartikulierten Laut des Unwillens aus und vergrub sein Gesicht in Zeldas Haar. „Nur noch ein paar Minuten.“

Zelda verwob ihre Finger mit seinen und fragte: „Wohin müsst ihr eigentlich dieses Mal?“

Da er gegen ihren Nacken sprach, klang Links Stimme gedämpft, als er antwortete: „In die Nähe von Garo. Im Gebirge sind ein paar Vogeldämonen aufgetaucht. Gegen Abend bin ich wieder hier.“

Zelda drückte glücklich seine Hand. „Das freut mich.“

Eigentlich dachte die junge Frau, das Thema sei damit beendet und ihr Mann würde innerhalb der nächsten Minute aufstehen und sich ankleiden.

Stattdessen fügte Link jedoch an: „Ich werde nur noch Aufträge annehmen, die in der Nähe sind.“

„Warum?“

Zelda blinzelte irritiert. Anfangs hatten sie einige Auseinandersetzungen gehabt, weil Link überbehütend gewesen war und sie nicht mal für einen Tag hatte allein lassen wollen. Sie hatte ihn erst in einigen hitzigen Diskussionen daran erinnern müssen, dass sie sehr gut in der Lage dazu war, auf sich selbst aufzupassen.

Als Link aufseufzte, kitzelte sein warmer Atem ihre Haut. „Ich…“, setzte er an, räusperte sich und versuchte es erneut. „Ich habe darüber nachgedacht, was ich über das Kinderbekommen gesagt habe.“

Überrascht warf Zelda sich in seinem Arm herum, bis sie ihm ins Gesicht sehen konnte. „Ja?“

Am liebsten hätte sie sich für die unverhohlene Anspannung in ihrer Stimme in den Hintern getreten. Doch warum sollte sie ihrem Mann etwas vormachen? Link wusste, dass sie sich ein Kind von ihm wünschte.

Obwohl seine Augen auf Zelda gerichtet waren, schien Link durch seine Frau hindurch zu sehen. Generell wirkte er als fechte er einen schweren inneren Kampf aus, als er sagte: „Ich halte es im Prinzip immer noch für einen Frevel, Leben in diese Welt zu setzen, aber…“

„Aber?“ Zelda nestelte vor Anspannung am Saum ihrer Bettdecke und sah mit wild schlagendem Herzen zu ihrem Mann herüber.

Dieser seufzte erneut und würgte den Rest des Satzes in einem hervor, sodass er wirkte wie ein Knäul aus einem einzigen, langen Wort: „… kaum ein Ehepaar hat so gute Voraussetzungen wie wir. Unser Kind würde in einer Gemeinde aufwachsen, es hätte Freunde und dank deines Vaters, der anderen Jäger und mir haben wir verhältnismäßig viel Essen. Und da wir Beide kämpfen können, ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer von uns bei einer Dämonenattacke stirbt deutlich geringer als bei anderen Eltern.“

Link schlug für einen Moment die Augen nieder, bevor sich sein Blick in Zeldas bohrte. „Was ich sagen möchte ist: Ich würde gern ein Kind mit dir bekommen.“

Zelda hatte das Gefühl, ihr Innerstes müsste vor Glück zerspringen. Anstatt ihrem Mann zu antworten, schlang sie ihre Arme um seinen Nacken, zog ihn auf sich und küsste ihn stürmisch.

Es brachte ihren Vater schon nicht um, wenn er ausnahmsweise ein wenig länger auf seinen Partner warten musste…
 

Dieser ließ sich von Links Unpünktlichkeit tatsächlich nicht tangieren, konnte dessen Entschluss, nur noch Tagesmissionen anzunehmen, jedoch nicht akzeptieren. Nur Tage nachdem Link ihn darüber in Kenntnis gesetzt hatte, tauchte Shadow unangekündigt im Haus der jungen Eheleute auf und platzte in ihr Abendessen.

Während Zelda sich bemühte, aus den zur Verfügung stehenden Zutaten eine zusätzliche Portion zu zaubern und Link für Shadow eindeckte, redete dieser auf seinen ehemaligen Schüler ein: „Ich brauche dich, Link. Alleine ist die Mission eine Nummer zu groß für mich.“

„Dann schlag sie aus.“ Link stellte eine dritte Schüssel auf den Tisch und drehte sich zu seinem Schwiegervater um. „Zelda und ich planen Kinder. Ich will nicht mehr tage- oder gar wochenlang durchs Land streifen. Ich will hier sein.“

„Das verstehe ich ja. Aber noch ist sie nicht schwanger, oder?“, hielt Shadow dagegen. „Ich verspreche dir, es wird der letzte ferne Auftrag sein, mit dem ich dich belästige. Einer der Dorfjungen ist sehr geschickt mit dem Schwert. Ich werde ihn ausbilden mir zukünftig von ihm helfen lassen. Aber im Moment brauche ich dich noch.“

Link warf einen hilfesuchenden Blick zu seiner Frau, die mit grübelnder Miene neben der Kochstelle stand. Er wollte seinem ehemaligen Meister gegenüber nicht undankbar erscheinen, aber er hatte Zelda versprochen, keine langen Missionen mehr anzunehmen.

Als Zelda auch nur ratlos mit den Schultern zuckte, hätte Link am liebsten laut aufgeschrien. Er fühlte sich wie in einer Zwickmühle, so als könnte er sich nur falsch entscheiden.

„Ich weiß nicht“, antwortete er schließlich und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Was ist mit den Meldungen, dass hier in der Gegend immer mehr Dämonen gesichtet werden? Ich denke, wir sollten beide hierbleiben, um das Dorf notfalls gegen einen Angriff verteidigen zu können.“

Shadow grinste verstehend und legte seinem Schwiegersohn in einer väterlichen Geste eine Hand auf die Schulter. „Ich weiß, was in dir vor sich geht. Ich war auch mal frisch verheiratet. Aber Zelda kann auf sich selbst aufpassen. Nicht wahr, mein schwarzer Stern?“

Die junge Frau lächelte ein wenig verkniffen zu den beiden Männern herüber. Obwohl sie sich selbst nicht erklären konnte, warum, hatte sie irgendwie ein schlechtes Gefühl bei der Sache…

Dennoch nickte sie und sagte: „Sicher. Ich komm klar.“

Link zog die Unterlippe zwischen die Zähne und musterte sie intensiv, während Shadow zu ihr herüberging und sie in den Arm nahm. „Das ist mein Mädchen.“

„Bist du dir sicher?“ Links Zweifel waren seiner Stimme deutlich anzuhören.

Zelda lächelte ein wenig breiter und lehnte sich an Shadow. „Ja, ich bin mir absolut sicher. Begleite meinen Vater und bring ihn mir gesund und munter zurück.“

Der alte Assassine nickte, um die Worte seiner Tochter zu bestärken.

Für einen langen Moment sah es so aus als wolle er widersprechen, doch dann stieß Link mit einem resignierenden Seufzer Luft aus und gab nach: „Fein. Ich werde dich begleiten. Aber es ist das allerletzte Mal!“

Shadow nickte wieder. „Hoch und heilig versprochen.“
 

Als Shadow die beiden nach dem Essen wieder verließ, standen Link und Zelda noch eine Weile im Türrahmen und blickten ihm nach.

„Das gefällt mir nicht“, eröffnete Link mit grimmigem Gesichtsausdruck das Gespräch.

Zelda lehnte sich gegen ihn und legte ihren Kopf gegen seine Schulter. „Ich weiß. Mir auch nicht. Aber ich denke, das ist nur unsere Enttäuschung, weil doch nicht alles läuft wie geplant und wir uns noch mal für längere Zeit trennen müssen.“

Den Blick auf die Stelle geheftet, an der Shadow endgültig von der Dunkelheit der Nacht verschluckt worden war, brummte Link: „Ich hoffe, du hast Recht…“
 

Aller Befürchtungen und dunkler Vorahnungen zum Trotz verlief die Mission jedoch reibungslos. Weder Shadow noch Link wurden verletzt, sodass sie sich vergnügt auf den Heimweg machen konnten.

Als sie nur noch etwa eine Stunde Fußmarsch von ihrem Dorf entfernt waren, fragte Link: „Wieso nimmst du diese Aufträge eigentlich noch an? Mit deinen Fähigkeiten im Fährtenlesen brauchst du die Bezahlungen überhaupt nicht, um zu überleben.“

Shadow lächelte versonnen und antwortete: „Darum geht es mir auch gar nicht. Es ist vielmehr so, dass ich ein schlechtes Gewissen hätte, wenn ich jemandem meine Hilfe verweigern würde. Ich hoffe, anderen Familien auf diese Weise vor dem Leid bewahren zu können, das meiner eigenen widerfahren ist.“

Seinem ehemaligen Meister freundschaftlich gegen den Oberarm knuffend, sagte Link: „Du bist wirklich ein verdammter Gutmensch. Ich persönlich möchte lieber für meine eigene Familie da sein.“

Shadow grinste daraufhin und legte seinem Schwiegersohn einen Arm um die Schultern. „Nichts anderes wünsche ich mir für meine Zelda.“

Link wollte gerade zu einer Entgegnung ansetzen, als am Horizont Rauchsäulen sichtbar wurden. Sofort zog sich alles in dem jungen Mann zusammen und seine Alarmglocken begannen laut zu schrillen.

Ohne darauf zu achten, ob Shadow ihm folgte, rannte er die vor ihm liegende Hügelkuppe hinauf, nur um oben abrupt stehen zu bleiben.

„Nein… Nein, das darf nicht sein…“

Mit Tränen in den Augen starrte Link auf sein völlig zerstörtes Heimatdorf herab.

Bereits von hier oben war zu sehen, dass während seiner Abwesenheit eine Horde Dämonen angegriffen hatte. Eine solche Zerstörungswut konnte nicht von Menschenhand kommen.

Mit sinkender Hoffnung ließ Link seinen Blick zu seinem Haus huschen, doch genau wie alle anderen Gebäude des Dorfes war es beinah bis auf die Grundmauern abgebrannt. Überall auf den Wegen lagen dunkle Schatten, die Link als Leichen identifizierte.

Obwohl es keinerlei Anzeichen von Leben gab, klammerte Link sich mit aller Kraft an die Hoffnung, Zelda könnte überlebt haben.

Sie war stark und konnte kämpfen.

Sie hatte es ganz sicher geschafft…
 

In dem Moment, in dem Shadow zu ihm aufschloss, erwachte Link wieder aus seiner Paralyse und er stürzte blindlings den Hügel herunter. Shadows Einwand, sie sollten sich für den Fall, dass die Dämonen noch im Dorf sein könnten, zuerst einen Plan überlegen, überhörte er völlig.

Atemlos hetzte Link zwischen den noch immer schwelenden Ruinen seiner Heimat umher.

Irgendwo hier musste Zelda doch sein.

Vielleicht war sie verletzt worden und hatte irgendwo Schutz suchen müssen?

Doch als Link den zentralen Platz erreichte, erlosch sämtliche Hoffnung.

Zelda lag auf dem Rücken, von den Leichen kleiner Kinder umringt und das Schwert noch in der Hand, und hatte einen erstaunten Ausdruck im Gesicht.

Heftige Schluchzer schüttelten Link durch wie Schluckauf, während er sich langsam neben seine tote Frau kniete und ihr blutbeflecktes Gesicht mit zitternden Fingern berührte.

Direkt unter ihrer Kehle, dort wo vor etwa einem halben Jahr die Schriftzeichen ihrer Trauung aufgepinselt gewesen waren, klaffte nun eine ausgefranzte Wunde, die aussah wie von Klauen gerissen.

Link zog ihren kalten, leblosen Leib auf seinen Schoß und weinte wie er es noch nie zuvor in seinem Leben getan hatte.

Er hatte das Gefühl, von innen heraus zu zerbrechen.

Die scharfkantigen Splitter seiner Seele schienen tief in sein Fleisch zu bohren und ihn innerlich verbluten zu lassen.

Er war sich sicher, so musste es sich anfühlen zu sterben…
 

„Oh, Zelda…“

Als Shadows Stimme in seinem Rücken erklang, kehrte plötzlich Leben in den jungen Mann zurück und er riss mit einem wahnsinnigen Glänzen in den Augen den Kopf herum. „Das ist allein deine Schuld!“

Zeldas Leichnam sanft ablegend hievte er sich auf die Füße und ging langsam auf seinen Schwiegervater zu. Seine gesamte Körperhaltung drückte dabei deutlich Aggression und Wut aus. „Wenn du nicht darauf bestanden hättest, dass ich dich begleite, wäre ich hier gewesen, um sie zu beschützen!“

„Link, ich…“, setzte Shadow mit unendlicher Trauer in der Stimme an, doch sein Schwiegersohn machte plötzlich einen Satz auf ihn zu und warf ihn gegen die wohl einzige noch stehende Wand des Dorfes.

Den Unterarm auf Shadows Kehlkopf gedrückt wiederholte der junge Mann zischend: „Es ist deine Schuld!“

„Link…“, versuchte Shadow erneut, jedoch ohne Erfolg.

Die einzige Reaktion, die er dafür erntete, war, dass der junge Mann noch mehr Druck ausübte. „Nenn mich nicht so!“

Für einen Moment wunderte Shadow sich über diese komische Forderung, doch dann schoss ihm ein heiß brennender Schmerz durch den Bauch, als sein Schwiegersohn ihm in einem Anfall alles vernebelnder Wut immer wieder eines seiner Wurfmesser in den Magen rammte.
 

Der Wahnsinn ließ erst von Link ab, als Shadow schon längst tot war.

Als hätte er sich plötzlich verbrannt, wich Link schlagartig zurück. Er ließ sein Messer fallen und taumelte einige Schritte rückwärts, während der Leichnam seines ehemaligen Meisters langsam an der Wand zu Boden rutschte.

Ätzender Magensaft brannte in Links Kehle und brachte ihn dazu, sich heftig zu übergeben, bevor er sich wie ein Häufchen Elend neben Zeldas Leiche zusammenkauerte und weinte, bis er keine Tränen mehr hatte.

Er fühlte sich plötzlich leer und hohl, so als hätte er alles, was ihn ausmachte, ausgeheult.

Während im Westen allmählich die Sonne unterging, breitete sich die altbekannte, tröstliche Eisdecke über das wunde Innere des jungen Mannes aus und verschloss die klaffenden Wunden in seinem Herzen. Als er schließlich wieder aufstand, hatte er seine frühere, kalte Ruhe zurück, die seinen Verstand blitzschnell arbeiten ließ und nahezu jede Emotion im Keim erstickte.

Dark war zurück und er sann stärker auf Rache als je zuvor.



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