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Ocarina of Time

von

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In Ganondorfs Reich

Nachdem die Weisen sich wieder in das Heilige Reich zurückgezogen hatten, beeilte sich Navi wieder zu ihrem Schützling aufzuschließen. Sie konnte sich gut vorstellen, wie aufgewühlt sich Link nach diesem unerfreulichen Aufeinandertreffen mit seinen ehemaligen Freunden fühlen musste, und wollte ihn nur ungern sich selbst überlassen.

Der einzig sichtbare Weg ins Innere der Festung führte durch einen imposanten Torbogen, der von drachenförmigen Wasserspeiern mit weit aufgerissenen Mäulern gesäumt war. Die spitzen Zähne der steinernen Bestien wirkten so real, dass es Navi bei diesem Anblick eiskalt den Rücken herablief.

Dennoch verharrte die Fee einige Herzschläge lang in dem Durchgang und späte vorsichtig in den Eingangsraum der Festung, um eventuelle Gefahren ausmachen zu können. Sie war sich sicher, in Ganondorfs Heiligstem würde es von Fallen nur so wimmeln.

Zu ihrer großen Überraschung erwies sich der kurze Flur vor ihr jedoch als völlig friedlich und leer. Es waren weder Wachen noch Anzeichen für Fallen zu entdecken.

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend schwebte Navi ins Innere der Festung.

Bedeutete das Fehlen von Wachen, dass Link diese bereits ausgeschaltet hatte oder fühlte sich Ganondorf dermaßen überlegen und siegessicher, dass er es nicht für nötig erachtete, Soldaten zum Schutz seiner Festung abstellen zu müssen?

Oder wollte der Großmeister des Bösen sie gar ins Innere locken?

Mit heftig schlagendem Herzen flog Navi durch den mit einem blutroten Teppich ausgelegten, dunklen Flur. Die nackten Wände bestanden aus dem gleichen, fast schwarzen Gestein wie die Außenfassade der Festung und schienen alles Licht zu schlucken, was die Fee angesichts des Hausherrn als absolut passend empfand.

Sie folgte einer kurzen Treppe nach unten und zuckte heftig zusammen, als im Licht einer Fackel der metallene Mantel eines Stahlzyklopen aufblitzte. Navi presste sich flach an die Wand und rechnete jeden Augenblick damit vom Laserstrahl des Zyklopen erfasst und zu einem Häufchen Asche verbrannt zu werden.

Nur mit Verzögerung bemerke die Feenfrau, dass das verräterische Zischen des Lasers überhaupt nicht zuhören war. Zögernd hob sie ein Augenlid und blinzelte zu dem vermeintlichen Angreifer hinüber.

Erst jetzt fiel ihr auf, dass der Körper des Stahlzyklopen seltsam deformiert und ihm der Kopf vom Rumpf gerissen worden war.

Link…, dachte Navi, verwarf diese Erklärung jedoch gleich wieder.

Link hätte sich doch sicherlich einer seiner Bomben bedient, um einen Stahlzyklopen auszuschalten, aber sie hatte keine Explosion gehört. Außerdem wäre der Körper des Monsters dann deutlich stärker zerfetzt gewesen.

Dieser Zyklop sah vielmehr so aus als hätte ihn jemand mit übermenschlichen Kräften zusammengeknüllt wie eine Papierkugel.

Da das Monster in diesem Zustand keine Gefahr mehr darstellte, flog Navi näher an es heran, um es besser in Augenschein nehmen zu können.

Tatsächlich konnte man auf der polierten Oberfläche des Zyklopen viele unterschiedlich große Dellen erkennen, die aussahen als wären sie durch Faustschläge oder Finger entstanden, die sich tief in das Metall gegraben hatten. An einer Stelle konnte Navi sogar einen fast kompletten Handabdruck entdecken und fröstelte bei diesem Anblick.

Die Größe des Abdrucks passte perfekt zu der von Links Händen…
 

Unterdessen hatte Link die zentrale Halle des Erdgeschosses erreicht und blickte sich staunend um. In der Mitte des gewölbeartigen Raumes schraubte sich ein imposanter Turm in die Höhe, der mit dem wie ein Drachenmaul aussehenden Torbogen wahrlich bedrohlich aussah. Rund um den Turm waren in gleich bleibendem Abstand sechs Türen verteilt, die in den Farben der Weisen gestrichen waren.

Link überlegte gerade, ob es sich bei der Farbwahl um Absicht oder Zufall handelte, als plötzlich leise Orgeltöne an seine Ohren drang. Um sich besser auf die Musik konzentrieren zu können, schloss der Herr der Zeiten die Augen und spitzte angestrengt die Lauscher.

Die Melodie war schaurig-schön und wurde offenbar von begabten und versierten Fingern gespielt. Das Wichtigste war jedoch, dass sie aus dem Turm zu kommen schien.

Augenblicklich war sämtliches Interesse an den farbigen Türen vergessen und Link strebte mit langen Schritten auf das weit aufgerissene Drachenmaul zu.

Er hatte keine Zeit zu verlieren – Zelda brauchte ihn.

Hyrule brauchte ihn.

Außerdem wollte er die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich hinter sich bringen, um endlich wieder selbst über sein Leben bestimmen zu können.

Er hatte es dermaßen satt der Herr der Zeiten zu sein…
 

Erst, als er nur noch wenige Zentimeter vom Eingang zum Turm entfernt war, fiel ihm plötzlich das Kraftfeld auf, das den Turm gänzlich einzuschließen schien. Die Luft vor ihm waberte und flirrte wie an einem heißen Sommertag und gelegentlich zuckte ein blauweißer Blitz über den Zugang zum Turm.

Wie hypnotisiert streckte Link eine Hand nach dem Kraftfeld aus – und bereute es sogleich schmerzlich!

Seine Hand war nur noch Millimeter von dem Energiefeld entfernt, als ein Blitz auf seinen Arm übersprang. Augenblicklich fing der Krafthandschuh Feuer und Link stieß einen spitzen Schrei aus.

Panisch versuchte der junge Mann, das lichterloh brennende Kleidungsstück auszuziehen, doch es saß so fest, dass es sich kaum vom Fleck bewegen ließ.

Unterdessen schmolzen die silbernen Verzierungen und die eingearbeiteten Drachenschuppen, die den Krafthandschuhen ihre sagenumwobene Macht verliehen, rollten sich zu kleinen Trichtern auf und fielen vollkommen verkohlt zu Boden.

Dabei entstand eine derartige Hitze, dass sogar der Ärmel von Links magisch verstärktem Kettenanzug schmolz. Das flüssige Metall fraß sich durch die bereits Brandblasen werfende Haut und versenkte ihm das Fleisch bis auf den Knochen.

Bis Link es endlich geschafft hatte, den Handschuh auszuziehen, war sein linker Arm vollkommen ruiniert. Vom Handrücken bis hinauf zum Ellbogen war sämtliche Haut verschmort und geschmolzen und dunkelrotes Blut tropfte aus dem rohen Fleisch zu Boden.

Die Schmerzen waren fast unerträglich, aber Link biss tapfer die Zähne zusammen und bemühte sich nach Kräften bei der Sache zu bleiben. Trotzdem drehte sich der Raum vor seinen Augen und es erforderte Links gesamte Willenskraft, nicht brüllend vor Qual auf dem Boden zusammenzubrechen.

Wie sollte er in diesem Zustand kämpfen?

In einem Anflug bitteren Zynismus‘ dachte der Herr der Zeiten, dass es einem Teil von ihm durchaus Vergnügen bereiten würde, zu versagen.

Sollte Rauru sich doch selbst um Ganondorf kümmern!

Aber dann sah er Malon und die anderen Bewohner der Lon-Lon-Farm sowie die Einwohner Kakarikos, Goronias, des Zora-Reichs und des Kokiri-Dorfs vor sich und schämte sich sogleich seiner Gefühle.

Egal wie verraten er sich fühlen mochte, er durfte Hyrule und seine Bewohner nicht im Stich lassen.

Es mochte ihm zwar nicht gefallen, aber das Heil unzähliger Seelen hing von seinem Erfolg ab…

Also zog er mit schmerzverzerrtem Gesicht das Master-Schwert aus seiner Scheide, nahm es in die rechte Hand und machte ein paar Probeschläge. Er war mit rechts nie so geschickt gewesen wie mit links, doch er hatte keine Wahl.

Entweder er schaffte es irgendwie, das heilige Bannschwert mit der rechten Hand zu führen oder alles war verloren.
 

Gerade, als Link sich umfassender in der großen Halle umsehen wollte, schloss Navi endlich zu ihm auf. Beim Anblick seines geschundenen Arms schlug die Fee eine Hand vor den Mund und sah ihren Schützling aus geweiteten Augen mitfühlend an.

Doch dann wich die Sorge ein wenig aus ihrem Gesicht und machte Platz für Zorn: „Also hast du Stahlzyklopen tatsächlich mit bloßen Händen bekämpft! Manchmal glaube ich fast, du willst unbedingt sterben!“

Link blinzelte seine Begleiterin irritiert an. „Was hat das eine denn mit dem anderen zu tun? Der Zyklop hatte mich nicht bemerkt und ich wollte die Gelegenheit nutzen, mich zumindest ein bisschen abzureagieren. Es bestand nie die geringste Gefahr.“

„Ja, das sehe ich!“, giftete Navi mit einem beredten Blick auf seinen linken Arm zurück. Link drehte den Oberkörper leicht, so als schmerzte es ihn, wenn sie sein nacktes Fleisch mit den Augen durchbohrte.

„Das war nicht der Stahlzyklop.“ „Sondern?“ Der Herr der Zeiten deutete mit dem Kinn in Richtung Turm und erklärte: „Ich hab wissen wollen, wie stark das Kraftfeld ist.“

„Und dafür hast du deinen Arm hineingesteckt?!“ Navi starrte ihn aus kreisrunden Augen fassungslos an. Sie sah aus könnte sie jeden Moment auf ihn losgehen.

Link zog unbehaglich die Schultern nach vorn. „Ich… Ich hab gedacht, im schlimmsten Fall würde es mich einfach zurückschleudern…“

„Du könntest tot sein – ist dir das überhaupt klar?!“ Navis Stimme überschlug sich vor ohnmächtiger Wut auf ihren Schützling.

Wie hatte er nur dermaßen dumm und unvorsichtig sein können?!

„Ich weiß!“, schrie dieser in einer für ihn ungewohnten Lautstärke zurück, bevor er die Schultern hängen ließ und in sich zusammenzusinken schien.

Dann sagte er mit gesenktem Haupt: „Ich war so wütend und so verletzt, dass ich nicht richtig nachgedacht habe. Ich wollte einfach nur so weit weg von Salia und den anderen wie möglich und dieses Kraftfeld war im Weg. Ich weiß, es war dumm, aber mir ist in diesem Moment überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass es ernsthaft gefährlich sein könnte.“

Als er den Kopf wieder hob, standen Tränen in seinen Augen und Navis Groll schmolz wie Eis in der Sommersonne.

Mit einem nachsichtigen Lächeln auf den fein geschwungenen Lippen legte sie ihrem Freund eine Hand gegen die Wange und sagte: „Shht. Ist schon gut. Es tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe. Ich mach mir halt…“ „… einfach nur Sorgen um mich“, fiel Link ihr ins Wort und erwiderte ihr Lächeln zaghaft. „Ich weiß.“

Die Fee zog ihre Mundwinkel noch ein wenig höher und nickte: „Genau. Und deswegen ist es jetzt auch viel wichtiger, dass wir uns etwas einfallen lassen wie wir deinen Arm wieder heilen können, anstatt uns darüber aufzuregen, dass dieses Missgeschick passiert ist.“

Link nickte und bedachte seine Freundin mit einem dankbaren Blick, der ihr Herz mit wohliger Wärme erfüllte. Dann überlegte der Herr der Zeiten laut: „Ob die Feenkönigin, von der wir Dins Feuersturm erhalten haben, noch immer hier in der Gegend ist?“

Bei diesem Gedanken leuchteten Navis Augen auf und sie klatschte begeistert in die Hände. „Aber natürlich, das ist es! Wir gehen zur Feenkönigin und lassen dich heilen! Durch den Fluch der Göttinnen kann sie schließlich nirgendwo anders sein als in ihrem Brunnen!“

Zu ihrer Überraschung schüttelte Link mit dem Kopf und korrigierte mit müde klingender Stimme: „Nein. Du fliegst zum Brunnen der Feenkönigin und fragst, ob sie eine Möglichkeit weiß, uns zu helfen. Vielleicht haben wir ja wieder Glück und du kannst mit einer Feenweisen zurückkehren. Ich werde unterdessen hier bleiben und schauen, ob ich irgendwie dieses Kraftfeld lösen kann.“

„Was? Nein!“, protestierte Navi. „Ich kann dich hier nicht allein lassen!“ „Doch, das wirst du müssen.“ In Links Augen stand ein resignierter Ausdruck, der Navi frösteln ließ. Es wirkte als hätte ihr Schützling akzeptiert, bei der Erfüllung seiner Pflicht zu sterben.

Allein.

Als sie daraufhin so heftig mit dem Kopf schüttelte, dass ihre Haare wie Peitschen durch die Luft flogen, nahm Link sie plötzlich in fest in die Hand und zwang sie ihn anzusehen. „Du musst, Navi! Ich kann diese Festung nicht verlassen, erinnerst du dich? Die Weisen haben ihre Brücke schon wieder zerstört. Du bist meine einzige Hoffnung. Lass mich jetzt bitte nicht im Stich.“

Die Fee sah ihren Begleiter erschrocken an.

Das hatte sie tatsächlich für einen Moment vergessen…

Dann schluckte sie den Kloß in ihrer Kehle herunter, straffte die Schultern und drückte den Rücken durch, bevor sie Link zunickte. „Du hast Recht. Und du kannst dich auf mich verlassen. Ich bin bald wieder da und dann heilen wir deinen Arm in Null Komma Nichts, damit du Ganondorf gehörig in den Hintern treten kannst!“

Mit diesen Worten erhob sie sich wieder in die Lüfte und sauste davon, ohne sich noch einmal nach Link umzusehen. Dieser lächelte ihr für einen Moment dankbar hinterher und fragte sich, was er ohne sie täte, dann wandte er sich wieder um und nahm die Halle genauer unter die Lupe.
 

Nach einigem Suchen entdeckte der junge Mann auf der Rückseite des Turms eine sonderbar anmutende Vorrichtung. Sie sah aus wie ein großes, metallenes Tablett mit Vertiefungen für sechs runde Gegenstände.

Link kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf und wünschte sich, Navi wäre noch bei ihm. Sie hätte vielleicht eine Idee, was dieses seltsame Ding sein mochte – und ob es womöglich von Bedeutung war.

Auf der Unterlippe kauend wiegte Link den Kopf hin und her und versuchte, sich einen Reim auf seinen Fund zu machen. Wenn man genau hinsah, konnte man mehrere Schläuche entdecken, die bis zur Spitze des Turms zu führen schienen.

Ob das merkwürdige Tablett irgendwie mit dem Kraftfeld in Verbindung stand?

Da er die Untätigkeit nicht mehr aushielt, begann der Krieger grübelnd in der Halle auf und ab zu laufen, bis sein Blick wieder auf eine der farbigen Türen fiel.

„Moment mal“, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf, „sechs Vertiefungen, sechs Türen… Ich fress eine Dekuranha, wenn es da keinen Zusammenhang gibt!“

Sofort wirbelte Link herum und strebte auf die blau gestrichene Tür zu.
 

Etwa zeitgleich erreichte Navi die in der Nähe gelegene Feenquelle und erlitt einen schweren Schock: dort, wo sieben Jahre zuvor noch der Eingang zum Brunnen der Feenkönigin gewesen war, lag nun ein riesiger Felsbrocken und versperrte den Zugang zur Quelle.

„Nein… das darf einfach nicht wahr sein!“ Navi hatte sofort wieder den grauenhaften Anblick von Links verbrannten Arm vor Augen und tastete fieberhaft die Ritzen zwischen Fels und Wand ab.

Es musste einen Schlitz geben, der groß genug war, dass sie sich hindurch zwängen konnte!

Es musste einfach…

Doch nach Minuten fieberhaften Suchens musste die Fee sich eingestehen, dass sie die Feenkönigin nicht erreichen konnte.

Was sollte sie jetzt bloß tun?

Mit den Tränen kämpfend ließ Navi sich auf den verhängnisvollen Felsbrocken nieder und mahnte sich zu Selbstbeherrschung: „Reiß dich zusammen, Navi. Du hilfst Link nicht, wenn du dich jetzt selbst bedauerst und heulst wie eine unerfahrene Baby-Fee! Denk nach… denk nach… Was kannst du jetzt noch tun?“

Die wildesten Gedanken zuckten wie Blitze in einem Sommergewitter durch ihren Geist, aber nichts davon schien sie irgendwie voran zu bringen.

Link konnte die Festung nicht verlassen und die nächsten Feenquellen, von denen Navi wusste, waren in der Gerudo-Wüste, auf dem Todesberg und im Kokiri-Wald – und waren damit viel zu weit weg, um dort nach Hilfe zu fragen.

Trotzdem schwang sich die Fee einer Ahnung folgend wieder in die Lüfte und sauste in Richtung Nordosten davon.
 

Die Kälte schlug Link entgegen wie eine massive Wand und der Herr der Zeiten wich überrascht einen Schritt zurück, den Türknauf noch immer in der Hand. Wirklich perfekt wurde seine Überraschung allerdings erst, als er den Raum hinter der blauen Tür genauer in Augenschein nahm.

Der Boden des Zimmers war komplett mit einer weißen Masse bedeckt, die wie Schnee aussah, und hier und da hingen riesige Eiszapfen von der Decke. Der ganze Raum sah aus als entstammte er der Höhle des blauen Feuers in der Nähe von Zoras Reich.

Vorsichtig wagte Link sich in die seltsame Kammer hinein, wobei seine Schritte das typische, knarzende Geräusch machten als bewegte er sich tatsächlich durch Neuschnee. Die beißende Kälte brannte wie tausende Nadelstiche in seinem verletzten Arm und er hinterließ eine Spur aus kleinen purpurnen Punkten, wohin er auch ging.

Auf den ersten Blick erschien der Raum bis auf die merkwürdige Winterlandschaft nichts zu enthalten, doch dann entdeckte Link in einer Nische ein kleines Podest, das vollkommen von rotem Eis überzogen war. Der junge Krieger bemühte sich redlich, zu erkennen was unter der magischen Eisschicht verborgen war, konnte jedoch nichts weiter als ein blaues, tellerartig aussehendes Irgendetwas erkennen.

„Macht nichts, das haben wir gleich“, dachte der Herr der Zeiten bei sich und holte seinen Wunderbeutel hervor. Zunächst wollte er gewohnheitsgemäß seine linke Hand hineinstecken, zog diese jedoch schnell wieder zurück als bei der Berührung seines rohen Fleisches mit dem Leder des Beutels ein stechender Schmerz seinen Arm hinauffuhr.

Nachdem sich seine Nervenbahnen wieder beruhigt hatten und er nicht mehr das Gefühl hatte, jeden Moment ohnmächtig zu werden, schob Link seine rechte Hand in den verzauberten Wunderbeutel und stellte sich eine bis zum Rand mit blauem Feuer gefüllte Glasflasche vor. Wider Erwarten blieb seine Hand jedoch leer anstatt auf magische Weise plötzlich das erwünschte Objekt zwischen den Fingern zu halten.

Irritiert zog der junge Mann die Stirn kraus und konzentrierte sich noch stärker – jedoch ohne Erfolg. Noch immer hatte sich keine Flasche mit blauem Feuer in seiner Hand materialisiert.

War etwa der Wunderbeutel kaputt?!

Nein, beruhigte Link sich selbst, wahrscheinlicher war, dass er bei seinem letzten Besuch in Zoras Reich alles blaue Feuer, das er gesammelt hatte, auch verbraucht hatte.

Doch was jetzt?

Sich um die eigene Achse drehend sah sich der Herr der Zeiten fragend im Raum um. Wenn diese Kammer tatsächlich der Höhle des blauen Feuers nachempfunden war, dann musste es hier auch etwas von der namensgebenden magischen Flamme geben.

Und tatsächlich!

Etwas über Kopfhöhe entdeckte Link eine weitere Nische, in der ein verräterisches blaues Licht flackerte.

Aber wie sollte er nur dort hinaufgelangen?

Zum Springen war es jedenfalls viel zu hoch und ans Klettern wollte Link mit seinem verletzten Arm nicht einmal denken…

„Vielleicht können mir diese Eiszapfen irgendwie behilflich sein…“, überlegte der Abenteurer, während er im Geist abzuschätzen versuchte, ob die Eissäule, die der Nische mit dem blauen Feuer am nächsten war, im richtigen Winkel auf den Boden auftreffen würde, wenn er sie zum Fallen brachte.

Doch wie sollte er den gewaltigen Eiszapfen überhaupt von der Decke kriegen?

Da ihm auf die Schnelle keine Möglichkeit einfallen wollte, kümmerte sich Link zunächst um etwas Dringlicheres: mit flinken Bewegungen holte er seine grüne Zipfelmütze sowie eine seiner Kindertuniken hervor. Dann füllte er die Mütze mit der weißen Substanz auf dem Boden, von der er inzwischen annahm, dass es sich dabei tatsächlich um Schnee handelte. Anschließend legte er sich die Mütze auf den verletzten Arm und band sie mit der in Streifen gerissenen Tunika notdürftig fest.

Im ersten Moment war der Schmerz kaum auszuhalten, doch die Kälte des Schnees half ein wenig die überreizten Nerven zu beruhigen und auf diese Weise kam weniger Dreck in die offene Wunde.

Leider wusste er noch immer nicht, wie er an das blaue Feuer gelangen sollte…

Genervt trat Link gegen eine Eissäule, die sich vom Boden Richtung Decke erhob, und fluchte leise vor sich hin, als die Spitze abbrach und ihm auf den Fuß fiel. „Verdammter Dreck…“

Sich die schmerzende Fußspitze haltend starrte Link missmutig auf den abgebrochenen Eisstalagmit, als ihm eine Idee kam. „Vielleicht, wenn ich eine Bombe an einen Pfeil binde…? Nein, das würde womöglich den ganzen Eiszapfen zerstören…“

Link lief grübelnd auf und ab, wobei er sein Ziel keine Sekunde aus den Augen ließ. Dann blieb er plötzlich stehen und sagte zu sich selbst: „Ja, das könnte funktionieren!“

Ohne auch nur eine weitere Sekunde zu verlieren, holte der Herr der Zeiten seinen Bogen und einen Pfeil aus dem Wunderbeutel hervor. Den Pfeil entzündete er an einer in der Nähe brennenden Fackel und legte dann an, um ihn so Richtung Decke zu schießen, dass er neben dem Eiszapfen im Gestein stecken blieb.

Bei den ersten Versuchen fand die eiserne Spitze des Pfeils jedoch keinen Halt in dem harten Mauerwerk und das Geschoss fiel jedes Mal wieder herunter in den Schnee, wo es erlosch.

Doch Link ließ sich nicht entmutigen und versuchte es wieder und wieder, bis seine Ausdauer endlich von Erfolg gekrönt war: Nach dem zwölften Schuss blieb der Pfeil endlich neben dem Eiszapfen stecken!

Die Flammen, die von dem Pfeil ausgingen, entwickelten genug Hitze, um eine Kerbe in den Fuß des Eisstalagmits zu tauen. Jedoch war der Pfeil verbrannt, bevor die Kerbe groß genug war, dass es Link irgendwie vorangebracht hätte.

Also wiederholte der Herr der Zeiten die Prozedur einige Male, bis der Eiszapfen schließlich durch sein eigenes Gewicht abbrach und zu Boden fiel. Beim Aufprall splitterten große Teile der Spitze ab und die Eissäule brach in der Mitte, doch das größte der übrig gebliebenen Stücke reichte zum Glück aus, dass Link sich von dort aus in die Nische mit dem blauen Feuer ziehen konnte.

Sein verletzter Arm protestierte aufs Heftigste, aber der Krieger biss tapfer die Zähne zusammen. So schnell er konnte schöpfte er etwas blaues Feuer in eine leere Flasche und trug es zu dem Podest auf der anderen Seite des Raums.
 

Kaum, dass das blaue Feuer das rote Eis berührt hatte, schmolz es von lautem Knacken und Zischen begleitet. Darunter zum Vorschein kam etwas, das entfernt an einen reich verzierten Notenständer erinnerte – bloß, dass dieser Ständer keine Notenblätter hielt, sondern eine blaue Scheibe, die schimmerte als wäre sie aus Kristall gefertigt.

Link nahm das sonderbare Objekt vorsichtig in die Hand und staunte nicht schlecht, als er entdeckte, dass auf der Oberseite das Zeichen des Weisens des Wassers eingraviert war.

Was hatte das zu bedeuten?

Bevor sich der Herr der Zeiten einen Reim darauf machen konnte, ertönte plötzlich Rutos Stimme in seinem Geist: „Das ist das Medaillon des Wassers.“

Links Körper versteifte sich augenblicklich, da er an die unerfreuliche Begegnung mit den Weisen auf der Regenbogenbrücke zurückdenken musste.

Wie viel Zeit war seitdem vergangen?

Eine Stunde?

Zwei?

Link wusste es nicht. Seit er Ganondorfs Festung betreten hatte, schien er sämtliches Gefühl für Zeitabstände verloren zu haben.

Ruto schien von seinem Unbehagen jedoch keine Notiz zu nehmen und fuhr unbeirrt fort: „In diesem Medaillon ist die Macht früherer Wasser-Weisen eingeschlossen. Einst wurde es dazu benutzt, um dem Herrn der Zeiten Macht über das nasse Element zu verleihen, aber Ganondorf hat es zusammen mit den Medaillons der anderen Weisen gestohlen, als er auch das Triforce-Fragment der Kraft in seinen Besitz gebracht hat.“

„Dann… dann kann ich jetzt das Wasser kontrollieren?“, fragte Link verblüfft. „Leider nicht.“ Ruto seufzte leise auf. „Ich weiß nicht, was Ganondorf mit den Medaillons gemacht hat, aber seine Magie hat sie irgendwie korrumpiert. Wir hatten gehofft, wir würden die Kontrolle über sie zurückerlangen, wenn du die Siegel auf ihnen löst, aber ich habe noch immer keinen Zugang zu der Macht des Wasser-Medaillons.“

„Hm…“ Link machte ein grübelndes Gesicht und drehte das Medaillon zwischen den Fingern. „Ich wüsste zu gerne, wozu Ganondorf die Medaillons braucht.“ „Das kann ich dir leider nicht sagen.“ Ruto klang ehrlich bedauernd, bevor sie in nachdenklichem Ton anfügte: „Aber er entzieht ihnen auf jeden Fall viel Energie. Das spüren wir.“

„Energie… Energie…“ Der Herr der Zeiten zog die Unterlippe zwischen die Zähne, als sich ein verschwommenes Bild vor sein inneres Auge schob.

Er war sich sicher, dass er so etwas Ähnliches wie dieses Medaillon schon einmal gesehen hatte…

Dann fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen und er hätte sich am liebsten die flache Hand vor die Stirn gehauen: die Vertiefungen in dem seltsamen Tablett hinter dem Turm hatten genau dieselbe Form und Größe wie dieses Medaillon.

Das konnte kein Zufall sein!

So schnell er konnte, hastete Link zurück zu der merkwürdigen Vorrichtung, die er zuvor entdeckt hatte und besah sich die Vertiefungen noch einmal genauer.

Tatsächlich!

Wenn man ganz genau hinsah, konnte man sogar erkennen, dass in jede Einkerbung das Zeichen eines Weisen eingraviert war!

Einer inneren Eingebung folgend fügte Link das Medaillon des Wassers in die dazugehörige Vertiefung ein und wartete bis zu den Haarwurzeln angespannt ab.

Zunächst passierte überhaupt nichts, dann leuchtete plötzlich das den Turm einschließende Kraftfeld in den Farben der Weisen auf. Die blauen Farbstränge flackerten wild und erloschen schließlich ganz, was Link ein verschlagenes Grinsen auf die Lippen zauberte.

Endlich schien er einen Weg gefunden zu haben, das Kraftfeld zum Einsturz bringen zu können!

Auch Ruto, die die Verbindung zu ihm die ganze Zeit aufrechterhalten hatte, gratulierte anerkennend: „Das war hervorragend kombiniert! Aber ich habe von dem Mann, den ich als meinen Gemahl auserwählt habe, auch nichts anderes erwartet. Los, beeil dich und löse auch die Siegel, die auf den restlichen Medaillons liegen!“

Dann wurde es still und Link dachte bereits, Ruto habe ihn wieder verlassen, bis sie plötzlich doch noch in sanftem Ton anfügte: „Und groll nicht zu lange mit Salia. Sie liebt dich und hat dir nie etwas Böses gewollt. Es ist für sie – genau wie für uns andere auch – nicht leicht, sich in ihre Rolle als Weise hineinzufinden. Sie wollte dich niemals im Stich lassen, sie war nur von ihren neuen Aufgaben zu sehr vereinnahmt, um zu merken, dass du sie gebraucht hättest.“

Mit diesen Worten zog Ruto sich endgültig zurück und überließ Link seinem schmerzenden Herzen.

War er tatsächlich unfair Salia gegenüber gewesen?

Ja, befand er, ja, das war er gewesen.

Salia hatte stets zu ihm gehalten – selbst damals schon als er nicht mehr gewesen war als ein ungeliebter Außenseiter. Sie hatte ihn stets unterstützt und sogar den eigenen Schmerz heruntergeschluckt, um es ihm leichter zu machen, in die Welt hinauszuziehen und sein Schicksal zu erfüllen.

Er musste sich so schnell wie möglich bei ihr entschuldigen!

Mit langen Schritten hielt er deswegen auf die grün gestrichene Tür zu, hinter der er das Medaillon des Waldes vermutete.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  obelix
2017-12-22T13:44:03+00:00 22.12.2017 14:44
hi labrynna

Das Kapitel ist gut zu lesen. Das Wut nichts gut tut weis jeder aber wenn man wüten ist kann man dumme worte oder Sachen machen und da hat der link mal in schwarze getroffen. Aber schön das er sich langsam sich beruhigt hat und sich mit den weisen sich versöhnen will. Ich hoffe mal das Navi es rechtzeitig Schaft für link Hilfe zu holen.

mfg Obi
Antwort von:  Labrynna
23.12.2017 14:32
Ja, das stimmt, in der Wut sagt und tut man leicht Dinge, die man eigentlich gar nicht so meint und die einem hinterher leid tun.


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