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Ocarina of Time

von

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Kein Weiterkommen

Die Morgensonne breitete ihre Strahlen wie ein mit Silber- und Goldfäden durchwirktes Tuch über dem Tal aus, während Link und Navi langsam auf die Oase zusteuerten und sich aufmerksam umschauten.

„Ich hätte nicht gedacht, dass es mitten in der Wüste so schöne Orte geben könnte.“ Der junge Krieger betrachtete versonnen einen mit Mineralen durchsetzten Stein, der im Sonnenlicht funkelte wie ein zu Boden gestürzter Stern.

Seine Fee schnupperte an einer großen, weißen Blüte eines knollenförmigen Kaktusses und murmelte: „Die Gespensterwüste ist eine furchtbar unwirtliche Gegend, das stimmt.“

Sie lächelte zu ihrem Schützling herüber und dachte an den vergangenen Tag zurück. Link hatte sich trotz aller Schwierigkeiten wunderbar geschlagen. Von ihrem Herzen ausgehend breitete sich das warme Gefühl mütterlichen Stolzes aus und drückte von innen gegen ihre Rippen, so wie ein sich mit Luft füllender Ballon.

Um sich von ihrer plötzlich aufkommenden Rührung abzulenken, sprach sie weiter: „Doch die Schönheit, die unter derartigen Bedingungen überlebt, ist etwas ganz Besonderes – was sie nur noch bewundernswerter macht. Es ist in gewisser Weise wie mit Diamanten. Kohle ist schwarz und langweilig, aber der immense Druck der vielen Erdschichten macht aus ihr einen der kostbarsten Edelsteine.“

Der Herr der Zeiten zog eine Augenbraue in die Höhe und wunderte sich über das alchemistische Wissen seiner Begleiterin.

War dem tatsächlich so?

Konnte man mit genügend Druck ordinäre Kohle in Diamanten verwandeln?

Der junge Kämpfer hatte sich nie für derlei Themen interessiert und Alchemisten waren in seinen Augen allesamt arme Irre, die Kindermärchen für bare Münze nahmen und in dem Versuch, Exkremente in Gold zu verwandeln, allerhand obskure Experimente veranstalteten, bei denen sie nicht selten ihr Labor oder gar das ganze Haus in die Luft jagten.

Zudem erschien es ihm ziemlich unwahrscheinlich, dass derlei Wissen und Armut gleichzeitig existieren könnten.

Hätte nicht jeder aus seiner Brennkohle Diamanten gemacht, wenn man dazu nicht mehr als ein wenig Druck brauchte?

Andererseits war Navi sehr belesen und irrte sich in solchen Dingen eher selten…

Seine Grübeleien beiseite schiebend, neckte der Recke seine Freundin: „Bist du unter die Philosophen gegangen oder hast du letzte Nacht einfach zu wenig Schlaf bekommen?“ Als die Fee ihn daraufhin verständnislos anstarrte, hoben sich seine Mundwinkel zu einem amüsierten Grinsen: „Na, es muss doch einen Grund geben, dass du heute so viel Blödsinn redest…“

„Oh, du…!“ Navi warf ihm einen funkensprühenden, giftigen Blick zu. Doch bevor sie ihrem Schützling die Leviten lesen konnte, erwachte plötzlich der Kaktus zum Leben.

Unterarmlange, dicke Stacheln schossen aus seinem fleischigen Leib hervor und spießten die erschrocken aufkreischende Fee beinahe auf. Vor den schockgeweiteten Augen der beiden Abenteurer begann die Pflanze, sich um die eigene Achse zu drehen, so als wäre sie nicht durch Wurzeln im Erdreich verankert.

Der Herr der Zeiten handelte instinktiv. Noch bevor sein Bewusstsein verarbeitet hatte, was soeben passiert war, schnappte er sich seine Fee, machte auf dem Absatz kehrt und rannte wie von der Tarantel gestochen in Richtung Oase davon. Der feine Sand unter seinen Sohlen machte ihm das Rennen schwer, aber das Adrenalin in seinen Adern trieb ihn zu Höchstleistungen an.

„Oh nein! Link, beeil dich!“ Navi, die ihren Kopf zwischen den Fingern ihres Schützlings geschoben und einen Blick zurück geworfen hatte, erbleichte auf einmal und verzog das Gesicht zu einer Maske der Angst.

Der Kaktus, dessen bedrohlich spitz wirkende Stacheln die Luft durchschnitten wie die schmalen Lederriemen einer neunschwänzigen Katze, löste sich aus dem Boden und trudelte in einem beeindruckenden Tempo hinter dem jungen Mann her. Als wäre dies noch nicht genug, schossen wie auf ein geheimes Zeichen hin überall weitere Kakteen aus dem Boden, die wie ausgehungerte Raubtiere auf Link zustürzten.

Der flüchtende Krieger riss sein Schwert aus der Scheide und schlitzte einen Angreifer der Länge nach auf, doch es dauerte nicht lange, bis dieser durch einen Artgenossen ersetzt wurde.

„Ich hab meine Meinung geändert!“ Link wurde von den merkwürdigen Pflanzen von seinem Kurs abgedrängt und rannte in der Hoffnung, seine Verfolger abschütteln zu können, Haken schlagend durchs Tal. „Es ist alles andere als schön hier!“

Navi nickte zustimmend, als ihre Feensinne plötzlich anschlugen. Aufgeregt packte sie den Daumen ihres Schützlings und rief: „Link! Hier in der Nähe ist eine große Fee! Wenn wir ihren Brunnen finden, bist du bestimmt erst mal in Sicherheit.“

Neuer Mut machte sich in dem müden Kämpfer breit und er mobilisierte seine letzten Kraftreserven. Von den Anweisungen seiner Fee geleitet, hastete Link durchs Tal.

Die Zahl der Kakteen wuchs stetig an, bis eine ganze Armee stachliger Verfolger hinter dem jungen Mann her war. Zu allem Überfluss flaute die Vorfreude auf einen Ausweg, die ihn zunächst beflügelt hatte, allmählich ab und bleierne Erschöpfung machte seine Beine schwer. Er stolperte immer wieder über die eigenen Füße, konnte den Sturz jedoch zum Glück jedes Mal abfangen.

Wenn nicht bald etwas passierte, würde er über kurz oder lang fallen und als Hackfleisch enden…

Als er die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, deutete Navi auf einen Felsspalt und rief: „Da! Da hinten!“ Mit letzter Kraft setzte der Herr der Zeiten zum Endspurt an und hastete auf die Höhle zu.

Doch nur wenige Meter vor der Sicherheit verheißenden Zuflucht passierte es.

Links Fuß verfing sich in einer vom Sand versteckten Palmenwurzel und er schlug hart auf dem Boden auf. Es dauerte lediglich Sekunden, bis die ersten Angreifer zur Stelle waren. Navi kreischte panisch auf und bewarf die Kakteen mit kleinen Steinchen, jedoch ohne Erfolg.

Wild um sich schlagend versuchte der gestürzte Recke, sich zu verteidigen. Grünes Chlorophyll und eine wasserähnliche Substanz spritzten aus den tiefen Schnitten und tränkten den verklumpenden Sand. Schweiß rann in breiten Bahnen über Links Stirn und brannte in seinen gereizten Augen.

Um ihn herum lagen bereits mehrere Dutzend toter Kreaturen, als ein Kaktus ein Loch in seiner Deckung ausnutzte und angriff.

Seine langen Stacheln schlugen hart auf Links Oberschenkel und schlitzten den Muskel bis hinunter zum Knochen auf. Der gellende Schrei des Herrn der Zeiten brach sich an den Felswänden der Gebirgsausläufer rundum und brachte das ganze Tal zum Beben.

Obwohl er sich am liebsten vor Schmerz gekrümmt hätte, riss Link sein Schwert hoch und streckte die nächste Welle Angreifer nieder. Scharlachrotes Blut quoll aus dem Schnitt an seinem Bein und bildete eine erschreckend große Lache am Boden, während Navi hilflos über der Wunde in der Luft schwebte und wider besseren Wissens versuchte, die auseinanderklaffenden Hautlappen mit ihren winzigen Händen zusammenzuhalten.

„Ich will hier nicht sterben… nicht so kurz vor der Erfüllung meiner Mission…“ Links Sicht wurde an den Rändern allmählich unscharf und er hatte das Gefühl, von einer nachtschwarzen Dunkelheit in die Tiefe gezogen zu werden. Dennoch bemühte er sich verzweifelt darum, wieder auf die Füße zu kommen, bis sich ein weiterer Kaktus in seinem toten Winkel näherte.

Als Link die scharfen Stacheln bemerkte, war es bereits zu spät.

Nur noch wenige Zentimeter trennten die bedrohlichen Spitzen von seiner Brust und seinem Herzen. Plötzlich war es als liefe die Zeit langsamer, so wie kalter Honig, der zäh an einem Stab hinunterrinnt.

„Neeeeeeeeiiiiiiin!“ Navis schriller Schrei klingelte in den Ohren des Kämpfers, aber das nahm er nur noch am Rande wahr. Müde und resigniert ließ der geschlagene Herr der Zeiten sein Schwert sinken, schloss die Augen und wartete ergeben auf den alles beendenden Stich, den letzten Schmerz und die ewigwährende Dunkelheit.

Zu seiner Überraschung jedoch erklang ein lautes, metallisch klingendes Quietschen und kurz darauf ein überraschtes Keuchen Navis.

Link blinzelte vorsichtig unter halbgeöffneten Lidern hervor, nur um die Augen im nächsten Moment irritiert aufzureißen. Um ihn herum hatte sich die Luft bläulich verfärbt und waberte umher wie von der prallen Mittagssonne aufgeheizt.

Seine Fee blickte sich verwundert um und flüsterte: „Was ist das?“ Bevor Link etwas antworten konnte, erklang hinter ihm eine vertraut klingende Stimme: „Hierher, Herr der Zeiten. Schnell! Die Wirkung des Zaubers hält nicht ewig an.“

Überrascht rissen die beiden Abenteurer ihre Köpfe herum und entdeckten im Inneren der Höhle die gesuchte Feenkönigin, die über ihrem Brunnen schwebte und sie zu sich heranwinkte.
 

Die Zähne zusammenbeißend, rappelte Link sich von einem tief aus der Brust kommenden Stöhnen begleitet auf und schleppte sich humpelnd auf den Felsspalt zu.

Die Kakteen drängten ihm hinterher, aber ihre Stacheln konnten die merkwürdige Lichtbarriere nicht durchdringen. Stattdessen rutschten sie an der schemenhaften Wand ab und brachen mit einem lauten Krachen.

Kaum, dass sich die beiden Abenteurer durch den engen Durchgang gezwängt hatten, hob die große Fee ihren Arm und die Felsen zogen sich augenblicklich zusammen.

Link, dessen Gesicht vor Schmerz und Blutverlust bereits leichenblass war, schwankte wie ein Betrunkener. Navi lehnte sich abstützend gegen seine Stirn, obwohl sie genau wusste, dass ihr Schützling viel zu schwer für sie war und sie ihn niemals würde halten können. Doch untätig daneben zu stehen, brach ihr das Herz.

„Kommt her, Herr der Zeiten. Ich werde Eure Verletzungen heilen.“ Die Feenkönigin lächelte dem Verwundeten zu und machte eine auffordernde Geste.

„Du schaffst das, Link.“ Navi nickte ihrem Begleiter aufmunternd zu, während sie das Gefühl hatte, der Anblick seiner geschundenen Gestalt bohre Eislanzen in ihren Magen. Wankend wie ein Seemann beim Landgang humpelte der Recke auf den weißen Marmorbrunnen zu, der von grünbrennenden Fackeln gesäumt wurde.

Als er auf den niedrigen Stufen zusammenbrach, stieß Navi einen leisen Schluchzer aus. Sie wusste, dass die Feenkönigin ihren Schützling heilen würde, doch das Bewusstsein darüber, wie knapp es dieses Mal gewesen war, machte sie fertig.

Es war lediglich Glück, dass Link dem Sensenmann wieder einmal entkommen war.

Dunkles Blut tropfte von seinem Bein auf den Marmor und befleckte das golden eingeprägte Triforce-Emblem. Die Feenkönigin streckte die Arme nach dem Krieger aus, legte ihre Hände auf seine Schultern und sagte in mildem Tonfall: „Ihr habt es geschafft, Herr der Zeiten. Nun haltet still. Es wird euch sogleich besser gehen.“

Sofort breitete sich eine wohlige Wärme in Links Körper aus und er fühlte sich so leicht wie eine Feder. Am liebsten hätte er sich völlig diesem Gefühl von Geborgenheit hingegeben und geschlafen, aber stattdessen blinzelte er gegen seine bleiernen Lider an und betrachtete die eigentümlich glitzernde Wand.

Er fragte sich, ob es sich bei den funkelnden Edelsteinen, die den Fels bedeckten, um eine Art Feenzauber handelte, oder warum sich die Höhlen der Feenköniginnen allesamt zum Verwechseln ähnlich sahen.

Plötzlich schoss ein stechender Schmerz durch seinen Fuß und der gepeinigte Kämpfer schrie auf. Er wollte sich bereits aufrappeln und davonkriechen, die große Fee beruhigte ihn jedoch: „Shht, Herr der Zeiten. Haltet still, ich bitte Euch. Es ist normal, dass es ein wenig schmerzt, wenn sich Eure Wunden zusammenziehen.“

„Ein wenig?! Das ist jawohl die Untertreibung des Jahrhunderts!“, schoss es Link augenblicklich durch den Kopf, doch er sprach es nicht aus. Stattdessen wartete er geduldig ab, bis das Stechen und Ziehen endlich wieder nachließ.

Navi hockte währenddessen auf dem Sockel einer Fackel und beobachtete den Heilprozess. Vielleicht, so sagte sie sich, konnte sie sich ein wenig von ihrer Königin abschauen. Es nervte sie furchtbar, dass sie keinen einzigen Heilzauber kannte und jedes Mal dazu verdammt war, tatenlos zuzusehen, wenn ihr Schützling verletzt war.

Nach nur wenigen Minuten nahm die große Fee ihre Hände von Link und forderte ihn auf: „Steht auf und schaut Euch an. Eure Wunden müssten geheilt sein.“ Ihr Gesicht wirkte ein wenig blasser als zuvor und ihre Züge wirkten abgespannt und ermattet, so als hätte der Heilzauber ihr Lebensenergie entzogen.

Link, der sich noch immer fühlte als flösse flüssiges Blei durch seine Adern, rappelte sich langsam auf und wagte einen Blick an sich herab.

In seiner Hose klaffte ein langer Schnitt, dessen rotgefärbten Ränder vor geronnenem Blut erstarrt waren, aber die Haut darunter war tatsächlich wieder zusammengewachsen und wirkte völlig unversehrt. Erst, als der junge Mann genauer hinsah, entdeckte er die dicke rötlichweiße Narbe, die als letzter Zeuge der Kakteenattacke zurückgeblieben war.

Testweise machte er ein paar Schritte vor und zurück, um die Belastbarkeit seines Beines zu erforschen. Zu seiner großen Freude war nicht nur sein Oberschenkel gänzlich schmerzlos, auch sein Fuß tat endlich nicht mehr weh.

Neugierig zog Link seinen Stiefel aus, riss Socke und Verband herunter und betrachtete seine Fußsohle eingehend. Das klaffende Loch, das der Wassertempel-Seeigel in den Fußballen gebohrt hatte, war verschwunden und hatte nicht mehr als ein rundes, blasses Mal zurückgelassen.

Navi hatte unterdessen die lange Zipfelmütze ihres Schützlings, die als notdürftiger Verbandsersatz fungiert hatte, aufgehoben und auseinandergefaltet. Der grüne Stoff war über und über mit Blut, Eiter und Wundsekret besudelt, was die junge Fee angewidert das Gesicht verziehen ließ. „Die kannst du so aber nicht wieder aufsetzen…“

Link, der gerade dabei war, seinen Stiefel wieder anzuziehen, grinste. „Wieso das traurige Gesicht? Du magst es doch sowieso nicht, wenn ich sie trage.“ „Hier in der Wüste wäre sie aber ganz praktisch. Ich will nicht, dass du einen Sonnenstich bekommst.“ „Ich kann sie ja in der Oase waschen.“

Der Herr der Zeiten sprang auf die Füße und wandte sich der Feenkönigin zu. So langsam kehrte das Leben in seine müden Muskeln zurück und vertrieb das lähmende Gefühl der Erschöpfung. „Apropos Oase beziehungsweise Wüste: Danke für meine Rettung. Ohne Euch wäre ich wirklich verloren gewesen.“

Die große Fee schüttelte den Kopf und lächelte. „Ihr braucht mir nicht zu danken. Wir alle sind darauf angewiesen, dass Ihr Erfolg habt. Es ist unsere Pflicht, Euch so gut wie möglich zu unterstützen. Deswegen möchte ich Euch das hier geben.“ Sie streckte eine Hand aus und überreichte Link einen Gegenstand, der ihm wage vertraut vorkam.

„Ein Zauber der Göttinnen!“ Der junge Krieger drehte das gläsern wirkende Objekt geradezu ehrfürchtig in den Händen. Es sah genauso aus wie die anderen beiden Zauber, die er bereits von anderen Feenköniginnen erhalten hatte. Der einzige Unterschied war, dass das Innere dieses Gebildes von einem pulsierenden, blauen Licht erfüllt war, anstatt Flammen oder grünliche Blitze zu beinhalten.

Navi flog vor ihren Schützling und betrachtete das Geschenk interessiert, während Link seinen Blick wieder auf die große Fee richtete. Diese nickte und erklärte: „Stimmt, dies ist der letzte der drei Göttinnen-Zauber. Man nennt ihn ‚Nayrus Umarmung‘.“

„Was bewirkt er?“ Navi legte eine Hand auf die Oberfläche der merkwürdigen Skulptur und warf der Feenkönigin einen Seitenblick zu.

Diese erklärte: „Es ist ein Verteidigungszauber. Ihr habt seine Wirkung bereits gesehen.“ Plötzliche Erkenntnis erhellte Navis Gesicht, als sie ausrief: „Damit habt Ihr Link vor den Monstern gerettet!“

Die Königin verzog ihre grellgeschminkten Lippen zu einem erfreuten Lächeln und lobte: „Du bist sehr klug, junge Navi.“ Als die geflügelte Frau daraufhin tief errötete, spielte der Herr der Zeiten kurz mit dem Gedanken, seine Fee zu necken, verwarf die Idee jedoch schnell wieder.

„Damit solltet Ihr keine Schwierigkeiten haben, das Tal der Göttin zu durchqueren und zum Tempel zu gelangen. Doch denkt daran: Der Einsatz des Zaubers ist anstrengend und seine Wirkung hält nicht ewig an, also trödelt nicht zu sehr.“ Die Feenkönigin nickte dem Krieger ein letztes Mal zu, dann verschwand sie von einem schrillen Lachen begleitet in ihrem Brunnen.

Fast zeitgleich ertönte ein schleifendes Geräusch und der Felsspalt öffnete sich wieder. Für einen Moment fürchtete Link, erneut von den Kakteen angegriffen zu werden, doch durch den Spalt war nichts anderes als goldgelber Sand zu sehen. Offenbar hatten sich die Pflanzenmonster vorerst zurückgezogen.

Der junge Kämpfer legte den Kopf schief und warf seiner Fee, die noch immer verlegen wirkte, einen schelmischen Blick zu. „Dann wollen wir uns mal wieder nach draußen wagen und diesen Kakteen zeigen, was eine Harke ist. Bist du dabei?“

Navis Lippen verzogen sich augenblicklich zu einem hämischen Grinsen. „Auf jeden Fall!“
 

Dank Nayrus Umarmung war es ein Kinderspiel, durchs Tal zu kommen. Die Kakteen-Monster griffen zwar unablässig an, aber ihre Stacheln zerbrachen wie Zahnstocher an der Lichtbarriere des Zaubers.

Während Link entspannt zur Oase marschierte, um seine Wasservorräte aufzufüllen und seine Mütze zu waschen, saß Navi auf seiner Schulter und schnitt gruselige Grimassen in Richtung der Angreifer.

„Lass das, du machst sie noch wütend.“ Trotz der tadelnden Worte klang Links Stimme warm und herzlich. Seine Fee zuckte elegant mit den Schultern und mutmaßte: „Ich glaube nicht, dass sie mich überhaupt wahrnehmen. Besonders clever sind diese Biester ja ganz offensichtlich nicht. Ich würde jedenfalls nicht versuchen, mit dem Kopf durch die Mauer zu kommen.“

Mit den Schultern zuckend, schnappte der Recke sich einen kleinen Stein und begann, Wundsekret aus dem Stoff seiner Mütze zu schrubben. „Sei nicht so streng. Es sind immerhin nur Pflanzen.“

Sobald er seine Kopfbedeckung gereinigt hatte, setzte er sie noch nass auf. Irgendwie war es ein komisches Gefühl, nach dieser langen Zeit wieder eine Mütze zu tragen. Einerseits war das gegen den Nacken Schlagen des Zipfels noch immer vertraut, andererseits hatte der Herr der Zeiten sich inzwischen an das fehlende Gewicht gewöhnt.

Ein leichtes Unwohlsein beiseite schiebend, machte Link sich auf den Weg zum Tempel. Bald schon, da war er sich sicher, würde die Mütze für ihn wieder wie ein zusätzlicher Körperteil sein. Außerdem brachte das Wasser zwischen den Stoffmaschen eine angenehme Kühle.

Minuten später stieg Link das erste Mal die Treppen zum Tempeleingang hinauf. Aus dem Inneren schlug den beiden Abenteurern muffige, abgestandene Luft entgegen, doch sie marschierten unbeirrt weiter und traten schließlich über die Schwelle.

Draußen war jeder Sonnenstrahl vom Sand reflektiert worden, was das Tal in ein grellhelles Licht getaucht hatte, aber im Tempel herrschten schummrige Lichtverhältnisse. Die große Eingangshalle war lediglich von zwei großen Fackeln, deren Flammen in einem Luftzug hin und her züngelten, erhellt.

Während seine Augen sich an die neuen Umstände anpassten, fragte Link sich, wer wohl dafür sorgte, dass in jedem Tempel Lichter brannten.

Ob Monster wohl Angst im Dunkeln hatten?

„Link! Achtung!“ Noch bevor der Recke wieder klar sehen konnte, warf sich Navi plötzlich mit ihrem vollen Gewicht gegen die Wange ihres Schützlings, der aus Überraschung tatsächlich zur Seite taumelte.

Nur Sekunden später krachte ein massiver Tonkrug neben Link an die Wand. Hätte er nicht einen Schritt nach links gemacht, wäre der Topf mit voller Wucht gegen seinen Kopf geknallt.

„Woa! Was ist das?!“ Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte der junge Krieger auf die scharfkantigen Scherben neben ihm.

Auch seine Fee sah ein wenig blass um die Nase aus, als sie laut überlegte: „Kann es sein, dass es eine Art Abwehrzauber der Twinrova ist?“

„Keine Ahnung… Aber was immer es ist, ich sollte mich in diesem Tempel wohl vor allem in Acht nehmen.“ Mit diesen Worten strafte der Herr der Zeiten die Schultern und wandte sich wieder der Halle vor sich zu.

Neben einer breiten Treppe, die zu einer Art Zwischenstockwerk führte, standen zwei riesige Kobrastatuen, in deren Nackenschilder bronzene Schrifttafeln eingelassen waren. Als Navi diese genauer unter die Lupe nehmen wollte, erhob sich ein weiterer Tonkrug und sauste durch die Luft auf die vor Schreck erstarrte Fee zu.

Ohne zu überlegen riss Link seinen Hylia-Schild nach vorn und warf sich vor den Krug. Der Aufprall schob den Recken einen guten Meter nach hinten, bevor das Tongefäß schließlich zerbrach.

Navi atmete erleichtert auf und schloss für einen Moment die Augen. In der letzten Zeit war dermaßen viel passiert, dass ihre Nerven so dünn und leicht zu zerreißen waren wie Spinnenfäden.

Link schüttelte seinen Schildarm aus und warf ihr einen prüfenden Blick zu. „Alles in Ordnung?“ Obwohl ihr noch immer die Knie schlotterten, nickte die Fee. „Ja, sicher. Ich schau mir mal diese Schrifttafeln an.“

Während Navi die eingravierten Schriftzeichen begutachtete, sah ihr Schützling sich im weiteren Raum um. Da er unten nichts weiter entdecken konnte, stieg er die Stufen zur Zwischenetage hinauf. Hier oben war der Boden mit einem dünnen, roten Filzteppich ausgelegt und zwei dekorative Statuen von schwerbewaffneten Gerudo-Kriegerinnen flankierten die Treppe.

Auf der linken Seite entdeckte Link einen schmalen Schacht, der tiefer in den Tempel führte, doch egal wie sehr er sich bemühte – er war zu groß um hindurchkriechen zu können.

Eine Zeit lang stand er grübelnd vor dem Loch, aber dann wandte er sich schulterzuckend um und betrachtete die gegenüberliegende Wand. Hier ragte ein massiver, schwarzer Steinklotz in den Raum hinein.

Link warf sich sofort gegen den Quader und schob, jedoch ohne Erfolg. Der Stein bewegte sich keinen Millimeter.

„Vielleicht, wenn ich die Eisenstiefel anziehe? Dann habe ich mehr Halt und rutsche nicht mehr so schnell weg“, überlegte der Krieger. Doch was in der Theorie erfolgversprechend klang, erwies sich in der Praxis als absoluter Fehlschlag.

Frustriert stieg Link wieder die Treppe herab, setzte sich ein schmollendes Gesicht ziehend auf die unterste Stufe und schaute resigniert zu Navi herüber. „Sieht aus als ginge es hier nicht weiter. Hast wenigstens du etwas herausgefunden?“

Die Fee nickte und wandte sich von der Schrifttafel ab, die sie gerade gelesen hatte. „Sieht so aus als müsstest du eine kleine Zeitreise machen.“ „Hm?“ Navi deutete auf die Tafel. „Hier steht: ‚Wer die Kraft des Silbers sucht, braucht das reine Herz eines Kindes‘.“

„Die Kraft des Silbers?“ Link schob irritiert die Augenbrauen zusammen, doch seine Fee zuckte ahnungslos mit den Schultern. „Ich kann dir nicht sagen, was es damit auf sich hat. Ich nehme an, es handelt sich um eine Art Artefakt oder so. Dort drüben“, sie deutete auf die andere Tafel, „steht, dass du die Kraft des Silbers brauchst, um die Göttin zu treffen.“

Der Herr der Zeiten zog grübelnd die Unterlippe zwischen die Zähne.

Wie sollte er als Kind hierher gelangen?

Selbst wenn es ihm gelingen würde, die Gerudo zu überlisten, müsste er erneut die Gespensterwüste durchqueren. Er glaubte kaum, dass er als Kind stark genug war, um den schweren Enterhaken zu benutzen. Den brauchte er jedoch, um über den Treibsandgraben zu kommen.

Er hatte also keine andere Wahl, er musste es versuchen…

„Also gut, Navi. Lass uns eine Zeitreise machen!“ Gerade, als Link seine Okarina aus dem Wunderbeutel holen wollte, tauchte im Tempeleingang eine vertraut wirkende Silhouette auf. Der Recke kniff die Augen zusammen, um besser erkennen zu können, wer auf ihn zukam, jedoch ohne Erfolg.

Doch als der Fremde zu sprechen begann, fiel es Link wie Schuppen von den Augen – Shiek!

„Sieht aus als säßest du hier fest, mein Freund“, stellte der Shiekah mit einem amüsierten Unterton in der Stimme fest.

Navi verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Obwohl sie Shiek wesentlich wohlgesonnener – ja, direkt befreundet – war, seit er ihr bei Links Rettung aus dem Gerudo-Gefängnis geholfen hatte, empfand sie es noch immer als merkwürdig, dass er immer genau dann auftauchte, wenn sie und ihr Schützling in der Patsche saßen.

Es war fast so als würde er sie die ganze Zeit über beobachten…

Link hingegen nickte nur traurig und bestätigte: „Stimmt. Hier gibt es kein Weiterkommen. Sieht aus als müsste ich als Kind hierher zurückkommen. Es ist also mal wieder an der Zeit für eine Reise in die Vergangenheit. Aber was treibt dich hierher?“

Anstatt direkt zu antworten, legte Shiek den Kopf schief und murmelte: „Vergangenheit… Gegenwart… Zukunft… Sie wirken wie Fremde, nicht wahr? Dabei sind sie doch ein und dasselbe…“

Der leicht getrübte Ausdruck in seinem unverdeckten Auge sowie sein verträumter Tonfall ließen vermuten, dass der Shiekah mit den Gedanken weit weg war, vielleicht in seiner eigenen Vergangenheit.

Als Link nichts erwiderte, fuhr Shiek nach einer kurzen Pause fort: „Ich habe dich gesucht.“

Der Herr der Zeiten hob überrascht den Kopf und sah sein Gegenüber aus großen Augen an, während Navi sich auf seine Schulter setzte. Von hier aus konnte sie den Shiekah besser im Auge behalten als aus dem schrägen Winkel vor der Schrifttafel heraus.

„Du erinnerst dich daran, dass ich in der Gerudo-Festung nach einer Schriftrolle gesucht habe?“ Shiek warf Link einen fragenden Blick zu, der sich in ein erfreutes Strahlen verwandelte, als der Hylianer nickte. „Dinah – von der ich dich übrigens herzlich grüßen soll – und ich haben sie in den Archiven tatsächlich gefunden.“

„Du kommst den ganzen Weg hierher, um uns das zu erzählen?!“ Während Navi fast ein wenig anklagend klang, blinzelte ihr Schützling lediglich irritiert, bevor er gratulierte: „Ähm… das freut mich für dich?“

Der Shiekah stieß ein kleines Lachen aus und mutmaßte: „Du hast vergessen, wonach ich in der Gerudo-Festung gesucht habe, richtig?“

Augenblicklich lief Link rot an und nickte stumm, was Shiek erneut eines seiner glockenhellen Lachen entlockte, bevor er erklärte: „Die Schriftrolle, die ich gesucht – und dank Dinah auch gefunden – habe, enthält die Aufzeichnung über das letzte Teleportierlied.“

Der mysteriöse Mann schien hinter seiner Vermummung noch immer breit zu lächeln, als anfügte: „Das Requiem der Geister bringt dich jederzeit zu einer Plattform im Tal der Göttin. Damit wird es ein Leichtes für dich sein, als Kind hierher zurückzukehren.“

Link atmete erleichtert auf und auch Navi schenkte dem Shiekah ein erfreutes Lächeln, das dieser jedoch nicht beachtete. Stattdessen holte er seine Lyra hervor und spielte dem Herrn der Zeiten das Requiem so lange vor, bis dieser sich sicher war, es sich eingeprägt zu haben.

„Dann sollten wir wohl schleunigst zur Zitadelle der Zeit zurückkehren.“ Link schwang sich auf die Füße und ging langsam auf sein Gegenüber zu.

„Begleitest du uns?“ Lächelnd streckte er eine Hand nach seinem Freund aus, aber dieser duckte sich mit einer eleganten Drehung unter der Berührung weg.

Als der Recke daraufhin ein betrübtes Gesicht zog, seufzte Shiek auf: „Es tut mir leid, aber ich habe noch etwas zu erledigen.“ Mit diesen Worten machte er auf dem Absatz kehrt und hastete ohne einen Blick zurück aus dem Tempel.

Obwohl Link ihm fast augenblicklich hinterher stürzte, um sich wenigstens verabschieden zu können, konnte er den anderen Mann nicht mehr entdecken. Es war fast als wäre der Shiekah von einer Sandwolke verschluckt worden.

Ein paar Herzschläge lang starrte der irritierte Kämpfer stumm zum Tal der Göttin herab und murmelte: „Ich wollte dich doch noch fragen, ob du etwas über die Kraft des Silbers weißt…“

Dann schüttelte er resigniert den Kopf und holte seine Okarina hervor, während Navi leise über das unhöfliche Verhalten des Shiekah vor sich hin nörgelte.

Kaum, dass die letzte Note des Requiems der Geister verklungen war, lösten sich die Körper von Kämpfer und Fee in orangefarbene Lichtkugeln auf und schwebten in Richtung Horizont davon.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  obelix
2017-12-09T15:56:24+00:00 09.12.2017 16:56
HI labrynna

Das Kapitel ist wie eine Oase. Da hat link wieder mal ein riesen glück das wieder eine Fee Königin in der nähe war.
Mal sehen wie es im Geister Tempel so abgeht wenn link wieder ein kleines Kind ist.

mfg obi
Antwort von:  Labrynna
09.12.2017 17:47
Aww, das ist ein liebes Kompliment. Ich danke dir. :)
Antwort von:  obelix
09.12.2017 19:58
Bitte gern geschehen ;)


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