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Ocarina of Time

von

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Ärger mit den Irrlichtschwestern

Schweigend schritt Link über die Lichtung. Seine Gedanken kreisten immer wieder um dieselben Fragen:

Warum waren die anderen Kokiri anscheinend nicht gealtert?

Hieß das, dass etwas mit ihm nicht stimmte?

Hatte er sich deswegen nie wirklich zugehörig gefühlt?

Oder hatte sein Alterungsprozess mit Verlassen des Waldes eingesetzt?

Oder durch das Master-Schwert?

Langsam näherte er sich dem Eingang zum Waldtempel, als sein Blick auf den Baumstumpf fiel, auf dem Salia bei ihrer letzten Begegnung gesessen hatte. Gedankenversunken kniete er sich neben den moosbewachsenen Stumpf und ließ seine Hand über die raue Oberfläche streichen, während Navi ihn nachdenklich beobachtete.

Ob Salia ihn überhaupt erkennen würde?

Würde sie sich vielleicht von ihm im Stich gelassen fühlen, weil er sich Jahre lang nicht gemeldet hatte?

Mit einem Stich in seinem Herzen dachte er an ihr letztes Gespräch, das so abrupt geendet hatte. Plötzlich wünschte er sich, er hätte damals doch gehört, was sie ihm noch hatte sagen wollen…

Bei dem Gedanken an die mögliche Enttäuschung seiner besten Freundin breitete sich ein bitterer Geschmack in seinem Mund aus und er richtete sich seufzend auf, als Navi plötzlich erschrocken keuchte.

Der Recke wirbelte herum, in Erwartung einen Wolf oder ein Monster zu sehen, doch stattdessen sah er sich Shiek gegenüber, der langsam aus der Hocke wieder aufstand und auf ihn zukam.

Seine Stimme klang als rezitiere er ein Gedichte, als er ohne jemand Bestimmtes anzusprechen sagte: „Der Fluss der Zeit ist grausam... Seine Geschwindigkeit scheint für jede Person vorbestimmt. Niemand hat die Möglichkeit, sie zu ändern. Doch etwas, das sich nie ändern wird, sind Erinnerungen an vergangene Tage.“

Dann legte der junge Shiekah Link eine Hand auf die Schulter und sah ihn mit einem fast liebevollen Ausdruck in seinem unverhüllten Auge an. „Ich kann mir vorstellen, wie einsam du dich fühlen musst, weil dich keiner deiner ehemaligen Freunde wiedererkennt. Doch versuche, deinen Geist davon zu befreien. Auf dich warten schwierige Aufgaben, die deine volle Konzentration erfordern.“

Mit einem seltsam leeren Gesichtsausdruck blickte Link zu dem anderen Mann herunter, der gute fünfzehn Zentimeter kleiner war. „Keine Angst. Ich werde mein Bestes geben. Es ist nicht so, dass ich besonders viele echte Freunde unter den Kokiri gehabt hätte. Eigentlich war Salia mein einziger Freund.“

„Sie und Prinzessin Zelda, nicht wahr?“, hakte Shiek nach und fixierte den Herrn der Zeiten mit einem forschenden Blick.

Sofort machte sich eine tiefrote Farbe auf Links Gesicht breit und er wandte verlegen den Blick ab. „Ja... Aber das ... äh... das tut eigentlich auch gar nichts zur Sache. Was wichtig ist, ist die Tatsache, dass meine beste Freundin da drin ist.“

Shieks Auge verengte sich kaum merklich, doch Link sprach weiter als hätte er es nicht bemerkt. „Ich werde sie retten. Ich werde nicht versagen.“

Der Shiekah nickte und wandte seinen Blick dann auf den Waldtempel. „Ich bin mir sicher, das wirst du, schließlich bist du der Herr der Zeiten. Vergiss das nie.“

Mit diesen Worten wandte Shiek sich um und deutete auf die seltsame Felsplatte am anderen Ende der Lichtung. „Siehst du das dort hinten? Das ist eine Teleportierplattform.“

Link zog die Augenbrauen zusammen und betrachtete den sechseckigen, flachen Stein. „Was soll das sein, eine ‚Teleportierplattform‘?“

„Ein magisches Artefakt, das vor Urzeiten von den sieben Weisen geschaffen worden ist. Es heißt, es gäbe insgesamt sechs davon. Doch leider sind die Lieder, die sie aktivieren, im Laufe der Jahre in Vergessenheit geraten und die Schriftrollen, auf denen sie aufgezeichnet sind, sind nur sehr schwer wiederzubeschaffen.“

Gleichgültig zuckte Link mit den Schultern und wandte sich wieder dem Waldtempel zu. „Das ist schade, diese Dinger wären sicherlich praktisch gewesen. Aber ich hab keine Zeit, um hier rumzustehen und mich deswegen zu bedauern.“

Unterdessen balancierte Navi auf dem abgebrochenen Treppenrest am Fuß des Waldtempels und blickte ungeduldig zu den beiden Männern herunter.

Shiek lachte dunkel in sich hinein. „Ich sehe ein, die Sehnsucht nach Salia macht dich ungeduldig, aber höre mir dennoch für einen weiteren kurzen Moment zu. Es ist zwar schwer, die Schriftrollen zu finden, doch nicht unmöglich. Ich bin im Besitz der Noten für das Menuett des Waldes, das diese Teleportierplattform aktiviert und dich augenblicklich hierherbringt – egal, wo du es spielst.“

Mit einer geschmeidigen Bewegung holte der Shiekah eine Lyra hervor, die er wohl unter dem ledernden Brustschutz versteckt hatte. „Vielleicht wirst du eines Tages so schnell wie nur irgendwie möglich hierher zurückkommen müssen. Also lausche dem Menuett des Waldes und präge es dir gut ein.“

Geschwind begann er ein paar Saiten zu zupfen und die Töne sprangen auf und ab, während Link aufmerksam lauschte. Dann summte er die Melodie fehlerfrei nach, während der Shiekah ihn weiterhin auf der Handharfe begleitete.

Nachdem sie geendet hatten, bedachte Shiek ihn mit einem zufriedenen Blick. „Du bist wahrlich ein Mann mit vielen Talenten. Link, mein Lieber, wir werden uns wiedersehen.“ Mit diesen Worten warf der Shiekah wie erwartet eines seiner eigenartigen Säckchen und verschwand.

Ohne sich noch weiter Gedanken darum zu machen, wie der andere so schnell verschwinden konnte, ging Link auf Navi zu, die genervt mit den Augen rollte. „Na endlich! Ich hab schon gedacht, das würde heute gar nichts mehr. Wenn er uns wirklich helfen will, sollte er uns nicht so lange aufhalten. Lass uns endlich sehen, was wir in diesem Tempel finden.“
 

Link legte den Kopf in den Nacken und blickte zum Tempeleingang hinauf, während Navi es sich wie so oft auf seiner Schulter gemütlich machte.

„Ah, ich glaube, ich sehe, warum Shiek der Meinung war, dass ich ohne Fanghaken nicht in der Lage sein würde, den Tempel zu betreten.“ Er streckte sich und versuchte, den über ihm in der Luft schwebenden, abgebrochenen Treppenrest durch Springen zu erreichen.

„Nicht mal annähernd, kleiner Mann“, spottete Navi mit amüsiert funkelnden Augen. Link streckte ihr die Zunge heraus, wie er es schon als Kind oft getan hatte.

Zwar schien auch sein Geist rasend zu altern, bis er sich dem körperlichen Alter angepasst hatte, doch momentan steckte noch immer der kleine Junge in ihm.

Und wer weiß? Vielleicht würde das immer so bleiben.

Mit noch immer in den Nacken gelegtem Kopf ging Link ein paar Schritte rückwärts und hielt Ausschau nach einer Gelegenheit, seinen Fanghaken ins Spiel zu bringen. Ein in der Nähe stehender, toter Baum, dessen einziger verbliebener Ast über dem Tempeleingang hing, schien dafür wie geschaffen zu sein.

Schnell suchte er sich einen festen Stand, denn er hatte Angst, vom Rückstoß von den Füßen gestoßen zu werden. Dann zielte er sorgfältig und schoss die scharfkantige Spitze ab, die sich tief in das trockene Holz bohrte.

Er holte kräftig Luft und biss die Zähne aufeinander – so richtig überzeugt davon, dass dieses Unterfangen gelingen würde, war er nicht. „Din, Nayru, Farore... bitte lasst diesen Wahnsinn klappen, ohne dass ich mir irgendetwas breche.“ Er kniff ängstlich die Augen zusammen, tastete nach dem Haken für den Aufrollmechanismus und schob vorsichtig den Bolzen zur Seite.

Sofort spürte er einen heftigen Ruck, der ihm beinah die Schulter aus dem Gelenk riss, und schon im nächsten Moment verloren seine Füße die Bodenhaftung. Mit einem erschrockenen Aufschrei sauste er durch die Luft, bis er am Ast baumelnd zum Stehen kam.

Mit zitternden Fingern betätigte er den anderen Schalter, der die Kette zum Abrollen brachte und ließ sich langsam auf den Boden nieder, bevor er so kräftig er konnte an dem Fanghaken riss, um die Spitze aus dem Holz zu ziehen.

Navi ließ sich kichernd auf seiner Schulter nieder und neckte ihn liebevoll: „Na, das sah doch schon recht elegant aus. Wenn du jetzt noch beim nächsten Mal das Geschrei weglässt, ist es perfekt.”

Link ließ die Kette sich wieder aufwickeln und verstaute den Haken in seinem Lederbeutel. „Alles klar. Beim nächsten Mal kein Geschrei und beide Hände benutzen...“ Mit säuerlichem Gesichtsausdruck rieb er sich über die schmerzende Schulter und wandte sich dem Tempeleingang zu. „Auf geht’s.“
 

Das Innere des Tempels ließ Link staunen, denn es war vollkommen anders als er es sich vorgestellt hatte. Anstatt in einem kühlen, feuchtklammen Raum zu stehen, dessen graue Wandverputzung an manchen Stellen schon aufplatzte, fand er sich in einer Art Garten wieder.

Der steinerne Boden war dermaßen von Moos bewachsen, dass er wie eine Rasenfläche wirkte, die Decke war so hoch, dass selbst Bäume Platz in dieser seltsamen Halle fanden und der Putz der Wände war vor lauter Kletterpflanzen kaum zu sehen.

Alles in allem wirkte es, als hätte sich der Wald den Platz, den die Baumeister dieses Tempels ihm abgetrotzt hatten, nach jahrelangen Kämpfen mühsam wieder zurückerobert.

Der junge Mann hatte jedoch kaum Zeit, die morbide Schönheit um sich herum zu bewundern, denn kaum, dass er den Raum betreten hatte, wurde er auch schon von zwei laut heulenden Wölfen angegriffen.

Mit einer Drehung, auf die jeder Tänzer neidisch gewesen wäre, wand Link sich aus der Angriffslinie der Graupelze und beförderte sie durch leichtes Schubsen mit seinem Schild über die abgebrochene Treppenkante.

Die Tiere quiekten kurz auf, als sie hart auf dem Boden aufschlugen, und humpelten so schnell sie konnten davon. Zwar wandte eines von ihnen nach wenigen Metern noch einmal den Kopf und warf einen feindseligen Blick zum Tempel herauf, aber ein paar Sekunden später folgte es seinem Kumpan.

Navi sah Link ein wenig verwirrt an, doch er zuckte nur die Schultern. „Was? Ich mag Wölfe nun mal und möchte sie nicht unnötig verletzen.“

Mit langen Schritten durchquerte er den Raum, als seine Fee plötzlich neben ihm erschauderte. Besorgt warf er ihr einen Seitenblick zu. „Was hast du?“

Stumm deutete Navi auf eine der Pflanzen, die sich in Richtung Decke rankten, und brachte Link zum Schmunzeln – Spinnen!

Am anderen Ende des Raumes schien ein zweiter Eingang zu sein, ganz so als hätte diese Halle tatsächlich einmal als eine Art Vorraum oder Vorgarten gedient.

Als Link an dem Türknopf drehte, quietschte dieser bedenklich und eine Prise Rost rieselte herab, doch die Tür ließ sich ohne weitere Anstrengungen öffnen.

Der Korridor dahinter war lang und schlecht beleuchtet, aber Navi brachte auch in die dunkelste Hütte Glanz.

Sie grinste Link triumphierend an und verkündete mit ihrer windspielgleichen Stimme: „Während du außer Gefecht warst, hab ich fleißig geübt. Mir war klar, dass wir das Feenlicht noch öfter würden gebrauchen können.“

Vorsichtig strich Link ein paar trockene, von der Decke hängende Kletterpflanzen zur Seite, als er in der Ferne vier verschiedenfarbige Lichter entdeckte.

Wie hypnotisiert eilte er darauf zu und wurde fast von einer unglaublich großen Spinne überrumpelt, die sich aus einer dunklen Ecke auf ihn stürzte. Navi stieß ein ersticktes Keuchen aus, doch Link schaffte es gerade noch rechtzeitig, das Master-Schwert nach oben zu reißen.

Mit einem leicht angewiderten Gesichtsausdruck wischte er den gelblichen Lebenssaft der Angreiferin von seiner Klinge und trat in die vor ihm liegende Halle. In der Mitte des riesigen, runden Raumes befand sich eine Art hölzerner Fahrstuhl, der von den bunten Flammen, die in goldenen Fackeln brannten, gesäumt war.

Während die beiden Abenteurer noch die Schönheit der bunten Lichter bewunderten, tauchten plötzlich vier Geister auf. Navi stieß einen knurrenden Laut aus und Link, der an seine Begegnung mit Boris’ Geist denken musste, begann merklich zu zittern. „Nicht schon wieder Geister...“

Mit einem noch immer angespannt wirkenden Unterton in der Stimme flüsterte die Fee zurück: „Das sind keine Geister, sondern Irrlichter – die vier Irrlichtschwestern Etti, Betti, Netti und Hetti, um genau zu sein.“ „Macht das einen Unterschied?“

Navi nickte grimmig. „Oh ja. Irrlichter mögen sich durch ihre Verbindungen mit Dämonen zwar gewisse Eigenschaften von Geistern erschlichen haben, doch ihr Körper ist und bleibt materiell. Das heißt, sie sind nicht nur verwundbar, sondern auch sterblich. Ich sage dir: Sei froh, dass diese Vier da keine echten Geister sind. Sie sind so schon boshaft genug. Ich will gar nicht wissen, wie viel grausamer sie wären, wären sie unsterblich.“

„Ich würde mal sagen, dann räum ich da unten ganz geschwind auf.“ Link wollte gerade die Treppe heruntereilen, die zum Fahrstuhl führte, als die Irrlichtschwestern begannen, einen eigenartigen Tanz rund um die Fackeln aufzuführen.

Irritiert blieb der junge Held stehen und beobachtete wie die Flammen zu flackern begannen, bis sie sich für einen kurzen Augenblick ganz auflösten, nur um dann in den Laternen der Schwestern wieder aufzutauchen.

Die vier Irrlichter, deren Kleidung dieselben Farben hatten wie die gestohlenen Feuer – rot, blau, grün und violett – drehten sich in Links Richtung und grinsten diabolisch, bevor sie mit einem gruseligen Lachen in alle vier Himmelsrichtungen verschwanden.

Entsetzt bemerkte Link wie sich der Fahrstuhl senkte und im Loch stecken blieb, sodass der Weg nach unten blockiert war.

Navi gesellte sich mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck zu ihm und durchbohrte ihn mit wütenden Blicken. „Sauber aufgeräumt, Herr der Zeiten...“
 

Ein wenig verlegen schob Link eine Hand unter den Saum seiner Mütze und kratzte sich am Hinterkopf, während er mit einem entschuldigenden Gesichtsausdruck zu seiner Fee hochsah. „Woher hätte ich denn wissen sollen, dass sie es auf die Lichter abgesehen hatten?“

Navi rollte die Augen und schüttelte leicht den Kopf. „Ungebildeter Dummkopf...“

„Hey!“ Verärgert schob Link die Augenbrauen zusammen und stupste seine Fee mit dem Zeigefinger an. „Sei nicht immer so frech.“

Doch Navi wandte sich einfach mit einem noch immer wütenden Gesichtsausdruck ab und deutete auf eine der Türen, die aus dem Raum hinausführten. „Wir sollten uns beeilen und diese Irrlichter einfangen.“ Ihre Stimme war vor lauter Gereiztheit rau wie Schmirgelpapier und Link hatte das Gefühl, gleich um mehrere Zentimeter zu schrumpfen.

Mit trotzig vorgerecktem Kinn öffnete er die Tür, auf die Navi gedeutet hatte, und betrat einen riesigen Garten, der von so hohen Mauern gesäumt war, dass man den Himmel kaum sehen konnte.

Obwohl es inzwischen später Nachmittag sein musste, schwebte ein sanfter Nebel über dem grasbewachsenen Boden und umspielte den steinernen Überbau eines sich in der Nähe befindlichen Brunnens. Auf der ihm gegenübergelegenen Seite entdeckte Link hinter einem leise gurgelnden Fluss ein paar nackt dastehende Säulen, so als hätte dort einst eine Art Pavillon entstehen sollen, der nie beendet worden war.

Langsam schlich Link um eine in der Nähe schlafende Dekuranha herum und ging auf eine mit Ranken bewachsene Wand zu, vor der Navi schon ungeduldig mit den Flügeln schlagend wartete. Als er an sie herantrat, deutete sie wortlos auf ein breites Loch über sich und sauste nach oben.

Link seufzte und holte seine Schleuder aus dem Lederbeutel, um die in den Pflanzen krabbelnden Spinnen abzuschießen.

Doch leider musste er feststellen, dass seine Hände für die zierliche Waffe viel zu groß und kräftig geworden waren.

Umständlich fasste er um den Griff herum und begann wie gewohnt mit voller Kraft am Gummiband zu ziehen, als zwei Dinge fast gleichzeitig passierten: Das Holz der Schleuder brach laut krachend kurz über dem Griff und das Gummi löste sich auf einer Seite aus seiner Befestigung.

Mit einem zischenden Laut sauste es durch die Luft und traf Link genau unter dem rechten Auge. Mit einem Schmerzensschrei ließ er die ruinierte Waffe fallen und hielt sich das Gesicht.

Navi eilte mit einer panischen Miene zu ihm, ihr Ärger schien schlagartig verflogen zu sein. „Alles okay?“

Link stöhnte noch immer, zog aber langsam die Hand weg, damit seine Fee das Ausmaß der Verletzung in Augenschein nehmen konnte.

Mit einem besorgten Glänzen in den Iriden studierte sie sein Gesicht, doch als sie die sich langsam von Rot zu Dunkelblau verfärbende Schwellung unter seinem Auge sah, stahl sich ein Grinsen auf ihre Lippen. „Held Null, Schleuder Eins.“

„Vielen Dank fürs Mitleid.“ Mit einem knurrenden Geräusch holte Link seinen Bumerang aus dem Beutel, doch auch dieser war für seine erwachsenen Männerhände zu klein und ließ sich nicht mehr zielgenau werfen. Frustriert steckte Link ihn zurück und blickte zu den Spinnen hinauf. „Und nun?“

Nachdem er mehrere Herzschläge lang auf den Knochenpanzer der am weitesten unten krabbelnden Spinne gestarrt hatte, kam ihm plötzlich die Erleuchtung.

Geschwind zog er den Fanghaken aus dem Beutel und zielte. Der Haken sauste durch die Luft und durchschlug mit einem lauten, splitternden Geräusch den weißlichen Panzer.

Schnell zog Link die Spitze aus der toten Spinne und holte auch die anderen auf die gleiche Weise hinab. Doch um die Letzte zu erreichen, war die Kette des Fanghakens zu kurz.

Grübelnd kaute der junge Mann auf der Unterlippe, nur um wenige Sekunden später mit den Schultern zu zucken. „Wahrscheinlich erreich ich das Loch, bevor sie mich da oben bemerkt... zumindest hoffe ich das...“

Mit diesen Worten ergriff er die sich rau anfühlenden Pflanzen und kletterte an der Wand empor, während Navi vor der Spinne in der Luft schwebte und sie mit bösartig wirkenden Grimassen ablenkte.
 

Langsam ging Link durch die schummerigen, lediglich von Navis silbernem Licht erhellten Räume, die von geisterhaften Wesen nur so wimmelten. Besonders die in ein blaues Feuer gehüllten Totenköpfe jagten dem jungen Helden immer wieder aufs Neue eiskalte Schauer über den Rücken.

Als sie an einen Gang gelangten, dessen Decke und Boden in einer langen Spirale gegeneinander verdreht waren, schaute Navi sich mit besorgter Miene um. „Es fängt bereits an. Die Ordnung des Tempels gerät völlig aus den Fugen. Verfluchte Schwestern!“

Link blickte sie fragend an in der Hoffnung, sie würde erklären wie Korridor und Irrlichter zusammenhingen, aber seine Fee ignorierte ihn. Resigniert zuckte er die Schultern und ging stumm neben ihr her, bis sie an einen Raum gelangten, dessen Treppen mehrere Stockwerke hinabführten.

„Hey, sieh mal. Da hinten hängt ein Bild von einer der Schwestern.“ Mit einem ausgestreckten Arm deutete Link auf ein Gemälde vor ihnen, das mit Öl gemalt zu sein schien und die rot gewandete Irrlichtschwester zeigte. Ihr feuerrotes Kleid und die orangerot leuchtende Fackel in ihren Händen stachen vor dem schwarzen Hintergrund deutlich hervor, fast als kämen sie aus dem Bild heraus.

Navi betrachtete das blonde Haar, den kleinen, grünen Hut aus Bast und das fiese Grinsen, das selbst die schmalen Augen erfasst hatte. „Das ist Hetti, eine der beiden Zwillinge. Ein fürchterliches Weib...“

Link ging näher an das Gemälde heran, um es genauer betrachten zu können, doch plötzlich löste sich das Irrlicht darauf mit einem gespenstischen Lachen auf. Zurück blieb lediglich der goldgerahmte, schwarze Hintergrund.

Erschrocken riss Link, der alle Farbe im Gesicht verloren hatte, weswegen das Hämatom unter seinem rechten Auge noch deutlicher hervortrat, den Kopf herum und starrte Navi an, die genauso verblüfft wirkte, ihre Fassung aber schneller wieder erlangte. „Offensichtlich war das kein Bild von Hetti. Das war sie höchstpersönlich.“

Die Fee ließ ihren Blick schweifen und deutete auf den rückwärtigen Absatz der ersten Treppe, wo ein weiteres, identisches Gemälde hing. Doch auch dieses Mal verschwand Hetti, als einer der Beiden ihr zu nahe kam.

Insgesamt waren im Raum drei Bilderrahmen verteilt zwischen denen das Irrlicht hin und her sprang.

Eine Zeit lang hetzte Link wie ein Wahnsinniger umher und versuchte, schneller als Hetti zu sein, bis ihm der Schweiß in den Augen brannte und er entnervt aufgab. „Wie soll ich sie treffen, wenn ich nicht nah genug an sie heran komme?! Selbst die Kette des Fanghakens ist zu kurz.“

Navi deutete auf eine Tür, die tiefer in den Tempel hineinführte. „Vielleicht finden wir ja noch etwas, das uns weiter helfen kann.“
 

Ein wenig demotiviert öffnete Link die Tür und trat in einen großen, runden Raum mit einem riesigen Loch in der Mitte, um das, wie es aussah, sämtliche Einzelteile eines Skelettes verteilt lagen.

Vorsichtig näherte sich der junge Held dem Abgrund, um hinabzusehen, als die Knochen sich plötzlich rührten. Mit einem leisen Klappern rutschten sie über den Boden und fügten sich wieder zusammen, bis ein erschreckend großer Skelettkrieger vor Link stand.

Mit einem schaurigen Lachen nahm er einen alten, verbeulten Rundschild und ein rostig aussehendes, gezacktes Schwert aus ihrer Wandhalterung und wandte sich dem jungen Herrn der Zeiten zu.

Dieser wich schwer schluckend ein paar Schritte zurück und konnte gerade noch rechtzeitig sein Schwert ziehen, um eine Attacke zu parieren.

Immer und immer wieder krachte die imposante Waffe des Skelettkriegers auf den jungen Mann nieder, während er sich zurückweichend verteidigte. Navi umkreiste den Angreifer und klopfte hier und da an ein paar Knochen, was dieser gar nicht zu bemerken schien.

Link schwang unablässig seine heilige Klinge, doch sie rutschte an den glatten Knochen immer wieder ab. Hilfesuchend blickte er zu seiner Fee empor, die ein zufriedenes Gesicht machte.

Als sie seinen flehenden Blick sah, grinste sie leicht und deutete auf das Skelett. „Der dritte Halswirbel von oben ist seine Schwachstelle.“

Reflexartig schaute Link zu dem genannten Knochen hinauf und peilte ihn an. Mit einer schwungvollen Wirbelattacke durchschlug er dem Krieger sein Genick, das mit einem lauten Knirschen brach.

Der Körper des Angreifers fiel klappernd in sich zusammen, während der Schädel im hohen Bogen durch den Raum sauste, um anschließend an einer Wand zu zerschellen, wo er einen fast unsichtbaren Schalter hineindrückte.

Sofort begann die Decke zu wackeln und eine an armdicken Ketten befestigte Plattform wurde heruntergelassen.

Zwar passte sie genau in das klaffende Bodenloch, doch leider brachte sie neben einer verlockend aussehenden Holztruhe auch zwei weitere bewaffnete Skelettkrieger mit. Schnell stürzte Link sich in den Kampf, aber gegen zwei von dieser Sorte zu bestehen, gestaltete sich ungleich schwieriger.

Wann immer er einem von Beiden den Schädel von den Schultern schlagen wollte, schickte der andere sich an, ihn anzugreifen und er musste die eigene Attacke zu Gunsten seiner Abwehr abbrechen.

Irgendwann gelang es ihm jedoch endlich auch diese zwei Skelettkrieger zu besiegen.

Mit säuerlicher Miene rieb er sich den schmerzenden Schildarm und blickte zu Navi, die neugierig die Truhe fixiert hatte. „Für Wesen, denen sämtliche Muskelmasse fehlt, sind diese Skelette ganz schön stark“, murrte der junge Held, ohne dass seine Fee ihn beachtete. Dann holte er tief Luft, versuchte, seinen rasenden Atem unter Kontrolle zu bekommen und ging langsam auf die Kiste zu.

Vorsichtig hob Link den unverschlossenen Deckel an und grinste breit, als er den auf roter Seide liegenden Schatz sah.

Im Inneren der Holztruhe lagen ein mit Schafsfell ausgekleideter Lederköcher und ein polierter Eibenholzbogen mit einer daneben liegenden, goldglänzenden Sehne aus echtem Byssus. Die dreißig Pfeile, die in dem Köcher steckten, waren ebenfalls aus glattem Eibenholz geschnitzt und hatten kunstvoll geschmiedete Silberspitzen und reinweiße Gänsefedern.

Geradezu ehrfürchtig nahm Link den edlen Bogen in die Hand und bestaunte ihn genau wie die Pfeile von allen Seiten. Dann blickte er zu Navi hinauf, deren Gesicht ein fast furchteinflößendes Grinsen zierte, als sie mit einem grausam klingenden Unterton in der Stimme sagte: „Ich glaube, ich weiß, wie wir dieses Irrlichtmiststück in seinen Bildern festnageln.“
 

„Argh!“

Schon seit mehreren Minuten bemühte Link sich vergebens, den Bogen zu bespannen, doch die schlüpfrige Sehne rutschte immer wieder ab. Navi beobachtete ihn amüsiert und fragte sich, ob sie ihm einen Tipp geben sollte oder ob er alleine auf des Rätsels Lösung kommen würde.

Schließlich zuckte sie die Schultern und deutete auf seinen Lederbeutel. „Warum lässt du die Sehne nicht von Mächten aufziehen, die etwas davon verstehen?“

Irritiert blickte er sie unter einer dicken Haarsträhne hinweg an. „Was meinst du?“ „Steck ihn in deinen Beutel, stell ihn dir bespannt vor und staune.“

Link tat wie ihm geheißen und riss tatsächlich überrascht die Augen auf.

Als er den Bogen wieder hinauszog, saß die Sehne perfekt und schimmerte angriffslustig im Feenlicht. „Dieser Zauber verblüfft mich wirklich immer wieder. Ich bin schwer beeindruckt.“
 

Leise, so als könnte er Hetti überraschen, schlich Link auf die Gemälde zu. Kaum, dass das Irrlicht in Sichtweite kam, holte er einen Pfeil aus seinem Beutel und legte an.

„Wohl bekommt’s!“ Mit einem schadenfreudigen Grinsen ließ der junge Mann die Sehne los und der Pfeil sauste zischend durch die Luft.

Anders als erwartet hielt das Geschoss das geisterhafte Wesen jedoch nicht in dem Bilderrahmen fest. Stattdessen konnte man Hettis schauriges Lachen vernehmen und das Gemälde ging in Flammen auf.

„Eins weg, bleiben zwei“, knurrte Link, der sich von der kleinen Irritation nicht beeindrucken ließ. Unbeirrt schoss er weitere Pfeile in die beiden anderen Bilder und jubelte triumphierend, als Hetti nach der Zerstörung ihres dritten Verstecks mit einem wütenden Fauchen erschien.

Sofort begann sie sich in einer atemberaubenden Geschwindigkeit um die eigene Achse zu drehen und griff Link an.

Das orangerote Feuer in ihrer Laterne flackerte gefährlich und drohte den jungen Helden zu verbrennen, doch er verteidigte sich geschickt mit dem metallenen Schild und schubste das Irrlicht von sich weg.

Nach einiger Zeit kam Hetti ins Trudeln und musste ihre wahnwitzigen Drehungen für ein paar Momente aussetzen. Link reagierte sofort und durchbohrte ihren leicht kugelförmigen Körper mit dem Master-Schwert, sodass die Klinge auf der anderen Seite wieder herausguckte.

Das Irrlicht stieß einen spitzen Schrei aus und versuchte, ihrem Mörder das Gesicht zu zerkratzen, doch sie löste sich bereits in dicke, schwarze Rauchschwaden auf.

Ihre Laterne fiel klappernd zu Boden, wo ihr Glas klirrend zersplitterte.

Navi schlug sich die Hände vor den Mund und beobachtete nervös, wie die rote Flamme kreiselnd durch die Luft tanzte, bis sie sich in einer in der Nähe stehenden, goldenen Fackel wieder vollständig entzündete.

Link runzelte nachdenklich die Stirn und fragte sich, weshalb seine Fee sich so viele Gedanken um ein seltsam leuchtendes Feuer machte, als er hinter sich ein leises Wispern vernahm, das wie rauschende Blätter im Wind klang: „Ich danke dir, Herr der Zeiten, dass du mich befreit hast. Rette bitte auch die anderen.“

Erschrocken riss der junge Mann die Augen auf und starrte die Fackel an. „W-W-Was ist das?“ „Nicht was, du Depp, sondern wer!“

Verwirrt blinzelte er Navi an, die genervt mit den Augen rollte. „Du hast echt keine Ahnung, oder?“ Zaghaft schüttelte er mit dem Kopf und betrachtete rätselnd das seltsame Feuer.

Das sollte ein Wer sein?

„Diese Lichter aus der Haupthalle, die die Irrlichtschwestern gestohlen haben, sind die Seelen der Schutzgeister dieser Wälder.“

„Schutzgeister?“ Link blinzelte seine Fee irritiert an. Von was redete sie?

Der junge Mann kratzte sich nachdenklich an der Stirn, während er sich dunkel an das letzte Gespräch mit Salia erinnerte. Hatte sie damals nicht auch die Schutzgeister der Wälder erwähnt?

Unterdessen atmete Navi tief durch und rieb sich über die Stirn. „Wie lange hast du im Kokiri-Wald gelebt? Elf Jahre? Und die ganze Zeit hast du nicht gewusst, wer über diese Wälder wacht?“

Betreten schaute Link auf seine Stiefelspitzen. „Ich hab halt gedacht, das macht der Deku-Baum...“

Theatralisch seufzend legte die Fee den Kopf schief. „Der Deku-Baum war doch nur der Wächter über das Kokiri-Dorf und Beschützer von Farores Kettenanhänger. Die eigentlichen Wälder rund um das Dorf beschützen diese vier Geister. Also beweg deinen Hintern und befrei sie alle!“
 

Eiligen Schrittes hastete Link durch den runden Raum, in dem er den Bogen gefunden hatte. Auf der anderen Seite hatte er noch eine Tür gesehen, die aus der Halle herausführte, und da er weiter vorne schon alles untersucht hatte, wollte er seinen Weg tiefer in den Tempel dort fortsetzen.

Die aufwändig gearbeitete Holztür führte in ein weiteres Treppenhaus, ähnlich dem, wo Hetti ihr Unwesen getrieben hatte.

Immer zwei Stufen auf einmal nehmend stieg Link die Treppen hinauf, als er an der Wand gegenüber ein Ölgemälde entdeckte, das die blaugewandete Irrlichtschwester zeigte.

Navi betrachtete es schaudernd und bleckte mit einem stechenden Blick die Zähne. „Das ist Netti, der zweite Zwilling. Aber lass dich von dem Namen nicht täuschen. Nett ist sie bestimmt nicht.“

Link grinste ob der intensiven, offenen Feindseligkeit seiner Fee ein wenig in sich hinein und legte einen Pfeil an. Der linke Arm zitterte leicht, als er den Bogen spannte, doch das Geschoss fand dennoch treffsicher sein Ziel und brachte das Gemälde dazu, in blauen Flammen aufzugehen.

Schnell waren auch die anderen zwei Bilderrahmen entdeckt und Netti, die der junge Mann in einem nur kurzen Kampf niederstreckte, aus ihrem Versteck gelockt.

„Irgendwie hätte mir klar sein müssen, dass sie dieselbe Strategie anwendet wie ihre Zwillingsschwester“, murmelte Navi, während sie Link beobachtete, der hustend in den blauschwarzen Rauchschwaden stand und sein Schwert zurück in die Scheide steckte.

Die wasserblaue Flamme, die in Nettis Laterne gefangen gewesen war, wirbelte durch die Luft und fand eine weitere goldverkleidete Fackel. Unsicher verneigte Link sich vor dem Feuer, so wie er es bei Navi sah, und beeilte sich dann, weiter voranzuschreiten.

Der Gedanke, dass diese Lichter in Wirklichkeit Schutzgeister sein sollten, war ihm nicht geheuer. Ob sie ihn verzaubern könnten, wenn er sie versehentlich beleidigen würde?
 

Einige Zeit wanderte er stumm neben Navi her, die in Gedanken versunken zu sein schien, und beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Irgendwie wirkte sie angespannt und gereizt, seit die Irrlichtschwestern aufgetaucht waren.

Ob alles in Ordnung mit ihr war?

Zögerlich befeuchtete er seine trockenen Lippen mit der Zunge und holte tief Luft. „Was ist eigentlich mit dir los?“

Die Fee warf ihm einen schnellen Seitenblick zu und blinzelte irritiert. „Nichts, alles bestens.“

Mit einem schnaubenden Geräusch stieß Link Luft aus der Nase aus. „Das kannst du mir nicht erzählen. Denk dran, ich kenn dich jetzt schon eine Weile. Und ich sehe dir an deinem zierlichen Stupsnäschen an, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist. Etwas, das mit den Irrlichtschwestern zusammenhängt, nicht wahr?“

Ein paar Minuten lang sagte Navi kein Wort und kaute stattdessen mit in Falten gelegter Stirn auf ihrer Unterlippe herum. Als sie wieder zu sprechen begann, war ihre Stimme rau und belegt. „Vor einigen Jahren – noch bevor du und ich uns getroffen haben – gab es einen heftigen Streit zwischen dem Irrlichterclan und uns Feen. Es schaukelte sich immer mehr hoch und irgendwann kam es zu tätlichen Übergriffen. Aber dass wir Feen keine Kämpfer sind, weißt du selbst. Ich war an dem Tag unterwegs, etwas für den Deku-Baum erledigen, doch als ich zurückkam, merkte ich gleich, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich rief nach meinen Eltern, aber ich bekam keine Antwort... nie mehr... weder von meinen Eltern noch von meinen beiden jüngeren Schwestern…“

Links Augen wurden groß, während er ihr zuhörte, und ein trauriger Ausdruck legte sich auf sein Gesicht. „Oh, Navi, das tut mir so leid.“

Die Fee wehrte seine Beileidsbekundungen mit einer unwirschen Handbewegung ab. „Nicht! Es ist... Ich... Davon, dass ich mich selbst bemitleide wird es nicht besser. Außerdem ist es lange her. Ich bin drüber weg... glaub ich. Aber wenn ich daran denke, dass diese vermaledeiten Miststücke jetzt auch noch gewagt haben, die Waldgeister zu entführen... Ich will sie einfach nur noch sterben sehen.“

Mit hart aufeinander gepressten Lippen starrte Navi in die Ferne und Link zuckte angesichts ihres Hasses ein wenig zusammen. Zwar konnte er ihr Gefühl nachvollziehen, doch die Intensität ihrer Zerstörungswut, die sie wie eine unsichtbare Wolke umwehte, erschreckte ihn.
 

Gerade, als er zu der Frage ansetzen wollte, ob sie nicht der Meinung sei, ein wenig überzureagieren, drang ein dumpfes Krachen an seine Ohren. Schnell wechselte er einen Blick mit Navi und hastete los, auf der Suche nach dem Ursprung des Geräusches.

In dem fraglichen Raum angekommen, staunten die Beiden nicht schlecht: Das Krachen stammte von der Decke des länglichen Ganges, die immer wieder herunterfiel und von einem offensichtlich defekten Mechanismus wieder hochgezogen wurde, bevor sie wieder hinabsauste, anstatt oben einzuhaken.

Grübelnd stand Link in der Eingangstür und fragte sich, wie er den Raum durchqueren sollte. Der Ausgang war zu weit weg, selbst wenn er rannte als wäre ihm Ganondorf persönlich auf den Fersen, würde er ihn nicht rechtzeitig erreichen, bevor er von der Decke zerquetscht würde.

Gerade, als er überlegte, ob er einen anderen Weg suchen sollte, stieß Navi ihn leicht an. „Sieh mal, da sind Löcher in der Decke. Wenn du von Loch zu Loch flitzt, solltest du die Tür dort hinten erreichen können. Ich fliege vor und zeige dir, wo sich die Löcher befinden.“

Bevor Link protestieren konnte, das sei viel zu gefährlich, schoss sie schon davon.

Mit ihrer Hilfe schaffte er es, den eigenartigen Raum zu durchqueren. Dennoch war er froh, als er ihn hinter sich lassen konnte.
 

Erleichtert drehte er den Türknopf herum und trat in einen großen, viereckigen Raum, der bis auf ein Gemälde an der Wand vollkommen leer zu sein schien. Navi deutete auf das grüne Irrlicht, das auf dem Bild zu sehen war. „Das ist Etti, die Jüngste und wahrscheinlich Harmloseste der Vier.“

Etti hatte genau wie Netti die Kapuze ihres Gewands bis in die Stirn gezogen, nur dass ihres nicht blau, sondern grasgrün war. Der Ausdruck in ihren runden, gelben Augen hatte etwas Unschuldiges, doch Link zückte dennoch Pfeil und Bogen, denn die Schutzgeister des Kokiri-Waldes brauchten ihn.

Außerdem wollte er Navi bei ihrer Rache helfen, auch wenn er sich nicht sicher war, ob dies tatsächlich der richtige Weg war.

Anders als erwartet, ging das Gemälde jedoch nicht in Flammen auf, als der Pfeil es durchbohrte. Stattdessen fielen fünf große, bemalte Blöcke von der Decke.

Link blickte fragend zu Navi, die sich das Ganze von einem höheren Standpunkt aus ansah. „Das ist ein Puzzle. Ich schätze mal, du musst das Bild von Etti zusammensetzen. Der Klotz rechts neben dir gehört allerdings zu einem Bild von Netti, den kannst du vernachlässigen.“

Der junge Mann nickte und machte sich an die anstrengende Arbeit.

„Nein, noch ein Stückchen nach links... Links sagte ich, links! .... Das andere Links! ... Und jetzt noch ein Stück nach vorne und du hast es.“ Mit Navis Hilfe schaffte Link es, alle Blöcke richtig zusammenzuschieben.

Kaum, dass die letzte Kante richtig angelegt war, lösten sich die Klötze mit einem leisen „Puff!“ auf und Etti erschien.

Zunächst schien sie ein wenig zögerlich, aber dann stürzte sie sich genau wie ihre Schwestern auf Link, der mit einem beherzten Sprung zur Seite sprang und seinerseits zu einer Attacke ansetzte, die das junge Irrlicht sein Leben kostete.

Für einen Moment sah Navi ein wenig bedrückt aus, doch dann deutete sie mit grimmiger Entschlossenheit auf eine Tür neben der goldenen Fackel, in der nun das apfelgrüne Feuer aus Ettis Laterne brannte. „Da drüben geht es weiter.“
 

Link trat durch die Tür und stellte fest, dass er sich erneut in der großen Haupthalle befand, in der drei der Fackeln wieder brannten – die Blaue, die Grüne und die Rote.

Auf der Stelle, wo der Fahrstuhl in den Boden versunken war, saß ein kleines, lila gekleidetes Häufchen Elend und weinte bitterlich.

Navi stieß einen verächtlichen Laut aus. „Ja, heul ruhig, Betti. Jetzt weißt du, wie es sich anfühlt, wenn man diejenigen verliert, die man liebt...“

Ihre Stimme war ein scharfes Zischen und Link warf ihr einen erschrockenen Seitenblick zu, aber er hatte keine Zeit irgendetwas zu sagen, denn die Älteste der Irrlichtschwestern hatte ihn entdeckt und durchbohrte ihn mit Augen, die vor lauter Feindseligkeit geradezu Funken versprühten. Link rechnete damit, dass sie ihn jeden Augenblick angreifen würde, und zog sein Schwert.

Doch anstatt sich Hals über Kopf in einen Kampf zu stürzen, stieß Betti einen langgezogenen Schrei aus und vervierfachte sich plötzlich. Überrascht riss Link die Augen auf und beobachte mit sich langsam ausbreitender Gänsehaut auf Armen und Beinen wie die vier Bettis ihn einkreisten.

Schnell machte er einen Ausfallschritt nach vorn und ließ das Master-Schwert, dessen Klinge in dem dreifarbigen Licht, das die Halle erhellte, bunt schillerte, auf eines der Wesen hinabsausen, jedoch ohne Erfolg.

Die scharfe Schneide schnitt durch die Illusion wie durch Luft.

Panisch ließ Link seinen Blick zwischen den Bettis hin und her huschen. Welche war bloß die Echte? Alle Vier sahen absolut identisch aus!

Plötzlich sah er Navi, die sich mit einem Pfeil in ihren kleinen Händen und einer hassverzerrten Fratze einer der Bettis von hinten näherte. Sofort holte er aus und schlug dem Irrlicht den Kopf von den Schultern.

Während der dicke, schwarze Rauch sie einhüllte und die violette Flamme zurück zu ihrer Fackel tanzte, blickte Link seine Fee wütend an. „Was zum Henker glaubst du da zu tun?“

„Ich... ich...“ „Hast du wirklich geglaubt, dir ginge es besser, wenn du sie selbst umbrächtest?“ Betreten sah Navi zu Boden. „Ich weiß es nicht.“

Der Fahrstuhl fuhr quietschend wieder nach oben, sodass Link ihn hätte besteigen können, aber der junge Mann ignorierte ihn. „Dann lass es mich für dich beantworten: Nein, hättest du nicht. Du hast keine Ahnung, wie es sich anfühlt, eine andere Kreatur mit eigenen Händen zu töten – und das ist gut so. Mach so etwas nie wieder, hörst du? Ich kann deinen Hass ja verstehen, aber...“

Er schüttelte den Kopf und setzte neu an: „Bring dich bitte einfach nie wieder so in Gefahr und lass mich die Drecksarbeit machen. Okay? Dafür sind Helden schließlich da. Und jetzt lass uns sehen, was uns dort unten erwartet.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  obelix
2017-11-15T15:29:54+00:00 15.11.2017 16:29
Hi labrynna

Das ist sehr interessant wie du denn Wald Tempel und die irrlichter und das mit navi Vergangenheit beschrieben hast.

MfG obi
Antwort von:  Labrynna
15.11.2017 18:18
Freut mich, dass es dir gefallen hat. :)

Ich weiß noch, dass ich für dieses Kapitel stundenlang gegoogelt habe, aus welchen Materialien mittelalterliche Bögen bestanden haben. :D


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