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Daemon 2

Akte Holland
von

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Kapitel 6

[JUSTIFY]„Wo zur Hölle sind die beiden!“, fauchte ich und humpelte durch das Büro.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Licht flutete durch die Schlitze der Jalousien. Sam warf mir, nachdem sie einige Schlucke des Kaffees hinuntergewürgt und mir anschließend ihre angefangene Tasse hingeschoben hatte, einen tadelnden Blick zu. „Wo sollen sie schon sein? Sicher hat Andrew nach deiner kleinen Ansprache gestern, die ich übrigens zu gern live miterlebt hätte, sein gebrochenes Herz beruhigen wollen, ist alleine spazieren gegangen und Ida ist ihm gefolgt, um ihn zu trösten.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ida hat sich gestern merkwürdig verhalten“, sagte ich und ließ mich neben Sam auf die Couch fallen. Henny war unterwegs um die Zugtickets zu besorgen und Tom war damit beauftragt, Proviant für die Fahrt zu kaufen. „Vielleicht hätte ich sofort mit ihr sprechen sollen? Sie macht sich Vorwürfe, weil sie Eugenie so angegriffen hat, das spüre ich. Dann noch die ganze Sache mit Isaac und Regina … Gott!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Coon, ruhig Blut.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich trank einen Schluck Kaffee und ließ die Tasse härter als nötig auf den Tisch knallen. „Manchmal vergesse ich, dass sie erst sieben ist. Ich hätte ihr nicht diese Einträge vorlesen sollen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Das Klingeln der Haustür ließ mich den Kopf heben. Sam war bereits aufgesprungen und riss die Tür auf. Hennys Augen trafen für einen kurzen Moment meine. Die Gläser ihrer Brille ließen sie unnatürlich groß für ihr Gesicht wirken. Ich wusste nicht genau, was es war, aber etwas in ihrem Blick ließ mich leichter atmen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Hast du schon nach einer Nachricht gesucht?“, fragte sie und begann damit, die leeren Kaffeetassen vom Tisch zu räumen. „Vielleicht hat Andrew dir eine dagelassen, bevor er gegangen ist.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Unsicher sah ich mich um, stand jedoch schließlich auf und ging zum Schreibtisch. Aber der Tisch war genauso unaufgeräumt wie ich ihn gestern verlassen hatte. „Nichts“, sagte ich frustriert.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich glaube, hier steht etwas auf der Rückseite“, verkündete Sam plötzlich. Ich war sofort an ihrer Seite. In der Hand hielt sie das Bild von Tom. Wie sie sagte, war eine Nachricht auf die unbemalte Seite gekritzelt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY] [/JUSTIFY]
 

Andrew ist in unserer Gewalt. Sie wissen, wo Sie uns finden.
 

[JUSTIFY] [/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ein klammes Gefühl machte sich in meiner Brust breit und meine Kehle schnürte sich zu, als Sam sich zu mir umdrehte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Holland“, sagte ich. Mein Gehirn fügte alle Puzzleteile zusammen. „Isaac ist nach meinem Test zu seinem Vater ins Büro. Wo Andrew auch war, wegen dem Job. Und Andrew meinte gestern, gottverdammte Scheiße, Sam, er hat von einem Test geredet!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sam sah mich entsetzt an. „Du glaubst doch nicht —“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Er hat sich von Isaac besitzen lassen. Oder Isaac hat ihn besessen, ohne dass Andrew es gemerkt hat. Er war die ganze Zeit dabei, als ich ihm von Holland erzählt habe. Und als ich geschlafen habe, hat er die Kontrolle übernommen, die Nachricht geschrieben und Andrew entführt.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Henny sah zu uns. „Aber was ist mit Ida? Warum weckt sie dich nicht, wenn sie merkt, dass Andrew weggeht?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich weiß nicht“, murmelte ich und biss mir auf die Lippen. Ich wollte das Bild in meiner Hand zerknüllen, aber stattdessen legte ich es auf den Tisch. „Vielleicht dachte sie, er wäre wegen meiner Abfuhr traurig und wollte ihn trösten, wie Sam sagte. Und jetzt folgt sie ihm.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ohne ein Wort zu sagen, stand ich auf, schnappte meinen Schlüssel und humpelte zur Tür. Sam und Henny folgten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Mein rechtes Bein hinter mir herschleppend, ging ich die drei Stufen vor meiner Haustür hinunter und sah mich auf der Straßenkreuzung um. Dank der Uhrzeit war noch nicht viel los und die Sonne hing hinter trüben Wolkenschwaden, die alles in Halbschatten warfen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Coon, warte!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Was?“, fauchte ich.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wenn du Recht hast, tappen wir genau in seine Falle. Was willst du tun, wenn wir dort ankommen?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Keine Ahnung“, sagte ich. „Mit Holland mitspielen, so tun, als würde ich seine Forderungen akzeptieren. Ida ist dort, Sam. Ist mir egal, wie riskant es ist, ich lasse weder sie noch Andrew bei diesen Psychopathen!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Wahrheit war, dass ich mir ein Leben ohne Ida nicht mehr vorstellen konnte. Sie war meine Partnerin, aber sie war mehr als das. Sie war meine Freundin. Meine engste Vertraute. Meine kleine Schwester. An irgendeinem Punkt unseres Zusammenseins war sie genauso mein Anker geworden wie ich für sie.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich konnte sie nicht zurücklassen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Es war in dem Moment, dass Tom auftauchte. Er winkte uns aus der Ferne zu und holte im Laufschritt auf, als er merkte, dass wir nicht langsamer wurden. Ich war zu aufgewühlt, um seine komplizierteren Gesten zu verstehen und überließ Sam die Interpretation. Sie war immer schneller darin gewesen, Gebärdensprache von ihm aufzuschnappen. Henny drückte mir unterdessen den Gehstock in die Hand, den ich in meiner Eile komplett vergessen hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich lächelte ihr dankbar zu und sie klopfte mir auf die Schulter.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wir finden sie. Mach dir keine Sorgen.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und verschwand in die andere Richtung. Wir wussten nicht, inwieweit die Autoritäten in Hollands Machenschaften eingeweiht waren, aber wenn jemand die Situation überprüfen konnte, dann war es Henrietta Glory, jüngste Juristin in der Geschichte von Distrikt 16.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Tom, Sam und ich machten uns unterdessen auf den Weg zu Hollands Anwesen. Ich war nicht sicher, was uns dort erwarten würde, aber an Umkehren war nicht zu denken.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Als mein Handy klingelte, blieb mir fast das Herz stehen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Fluchend kramte ich das kleine Gerät aus meiner Hosentasche und nahm den anonymen Anruf an. Ich musste nicht lange nachdenken, um zu wissen, wer mich anrief.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Holland“, begrüßte ich den alten Mann und beschleunigte meine leicht hinkenden Schritte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ah, Ms. Thynlee, ich wusste, dass wir noch einmal sprechen würden.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Dann sprechen Sie.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das werde ich, keine Sorge.“ Mein Griff um den Gehstock wurde schmerzfast fest, als ich mir sein selbstzufriedenes Grinsen vorstellte. „Aber solch delikate Angelegenheiten sollten nicht über das Telefon abgehandelt werden, finden Sie nicht auch?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Und warum sollte ich zu Ihnen kommen?“, fragte ich, obwohl ich die Antwort natürlich schon kannte. Es fühlte sich an, als hätte jemand einen Eimer Eiswasser in meine Lunge gekippt.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ihr gestriger Begleiter, Mr. Adams, kam heute Morgen zu mir. Er hat mich gestern um einen Job gebeten, wissen Sie? So viel Ehrgeiz und Aufopferungsbereitschaft sollte belohnt werden, finde ich.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wenn Sie ihm etwas angetan haben —“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ihm ist nichts geschehen. Noch nicht. Allerdings …“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Er machte eine Pause und ich schluckte das Gefühl der Hilflosigkeit hinunter, das mich bei dem Gedanken daran, in welchem Zustand wir Andrew vorfinden würden, packte. Sam legte sanft eine Hand auf meinen Rücken, stille Unterstützung.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Allerdings?“, hakte ich nach, als klar wurde, dass Holland nicht von alleine weitersprechen würde.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Allerdings ist er derzeit nicht ganz Herr seines Körpers.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Meine Gedanken schweiften zu Ida in Eugenies Körper, zu ihren willenlosen Gliedmaßen, den Erinnerungen, die Ida aus ihr hervorgelockt hatte. Ich wusste genau, was er meinte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich bin unterwegs“, sagte ich und legte auf. Meine Hand drückte das Handy so fest, dass ich überrascht war, als es nicht in meiner Faust zerbrach.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sam drückte meine Schulter fester. Tom nickte stumm und formte eine sehr farbenfrohe Beleidigung mit seinen Händen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wir holen ihn zurück“, versprach sie. „Ihn und Ida. Und wir beenden seine Machenschaften ein für alle Mal.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wenn er ihnen etwas angetan hat“, sagte ich und beschleunigte meine Schritte, „bringe ich ihn eigenhändig um.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Den Rest des Weges schwiegen wir. Ich konnte den Gedanken an Andrew nicht ertragen und versuchte stattdessen, mich auf die Schmerzen in meinem Bein zu konzentrieren.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Dank Sams Essigbandagen und den Schmerztabletten beliefen sie sich nur auf ein dumpfes Pochen. Ich hoffte, dass die betäubende Wirkung noch einige Stunden anhalten würde. Was immer uns auf Hollands Anwesen erwartete, ich wollte so fit wie möglich sein.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Straßen waren wie leergefegt, bis auf Autos, die hier und da vor den hohen Wohnungshäusern parkten. Wir waren nur noch zwei Kreuzungen von der Grenze entfernt, als ich plötzlich ein schwarzes Schemen ausmachte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich blieb abrupt stehen, woraufhin Sam geradewegs in mich hineinlief. „Was ist?“, fragte sie.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich dachte, ich hätte Isaac gesehen“, sagte ich. Vorsichtig setzte ich mich wieder in Bewegung. Hatte ich mir die schwarze Gestalt nur eingebildet?[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Nein. Wenn ich einem meiner Sinne vollkommen vertraute, dann war es meinen Augen. Schwarz ohne gelben Schimmer bedeutete Dae. Entweder war uns also Isaac entgegengekommen, oder …[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich hatte keine Zeit, den Gedanken zu Ende zu denken, denn da schoss Ida um die Ecke. Ihre schwarzen Füße trommelten stumm über den Asphalt, und je näher sie uns kam, desto heller wurde sie, bis sie plötzlich vom Boden abhob und in meine Arme flog. Ohne nachzudenken ließ ich meinen Gehstock los und fing sie auf. Sie sackte einige Zentimeter in mich hinein, aber ich drückte sie nur noch fester an mich, konnte sie nicht nah genug haben.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Sie war wieder da.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ida war wieder da.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>Coon, es tut mir so leid! Ich habe alles versucht, aber—[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Shh“, flüsterte ich und warf Sam über Idas buschiges Haar hinweg einen erleichterten Blick zu. „Alles wird gut“, beruhigte ich Ida, ohne sie loszulassen. „Wir holen ihn zurück. Versprochen.“ Ida nickte und presste sich fester gegen meine Halskuhle. Wo sie mich berührte, kribbelte meine Haut mit Kälte. Meine Hände und Schultern wurden taub.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich sie nie wieder losgelassen.[/JUSTIFY]

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[JUSTIFY]Nachdem Ida sich beruhigt und auch Sam um den Hals geworfen hatte, gingen wir weiter. Jetzt, wo zumindest einer der beiden in Sicherheit war, fiel es mir leichter zu atmen. Ida sprach leise mit Tom, während Tom ihr leise und stotternd antwortete, ohne zu weit von meiner Seite zu weichen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich hoffe, Henny geht es gut“, unterbrach Sam mein Gedankengewirr. Ich sah zu ihr. Ihre Stimme klang dünn und ihre Lippen waren zusammengepresst. Vielleicht hatte sie nur mit sich selbst gesprochen, aber jetzt, da ich sie gehört hatte, wuschelte ich ihr durch ihre blonden Locken.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Sie wird in dem Laden ordentlich aufräumen“, sagte ich grinsend. Sam warf mir einen schiefen Blick zu, ließ sich aber zu einem Lächeln hinreißen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„D-d-dort?“, fragte Tom plötzlich. Meine Augen folgten seiner ausgestreckten Hand.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die steingraue Fassade des Holland-Anwesens hob sich nur unmerklich gegen die Grenzmauer ab, die gut fünf Meter über dem flachen Dach emporragte und den trüben Himmel in der Mitte zu durchschneiden schien.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Das eiserne Tor stand offen.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Wir näherten uns vorsichtig, als sei es der Schlund eines riesigen Monsters und nicht der Eingang zu dem Gelände einer Villa.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich trat als erstes ein, dicht gefolgt von Sam, Ida und Tom. Mein Blick huschte über den weiten Kiesplatz. Am Fuß der Treppe, etwa fünfzig Meter entfernt, stand Arnold Holland, Eugenie dicht an seiner Seite wie ein gut gekleideter Schatten. Selbst aus der Ferne konnte ich die Feindseligkeit spüren, die wie Hitze von einem zu heißen Ofen von ihr abstrahlte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Und zwei Meter entfernt, mit leerem Blick, stand Andrew.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Gottverdammte Scheiße“, murmelte ich, als ich Isaac nirgendwo entdeckte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich musste meinen Gehstock tief in den Kies drücken, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während wir den Platz vor dem Anwesen überquerten und einige Meter von Holland entfernt zum Stillstand kamen. Aus der Ferne war es mir nicht aufgefallen, aber jetzt sah ich, dass sowohl Andrew als auch Eugenie ein Messer in ihrer Hand hielten. Andrews hing lose in seinen Fingern, die Butlerin hielt ihre Waffe mit der Sicherheit einer Frau, die es schon viele Male genutzt hatte.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Es war ein merkwürdiges Gefühl, sie so hasserfüllt vor mir stehen zu sehen, wo ich ihren schluchzenden Körper doch erst gestern in meinen Armen gehalten hatte. Meine Nackenhaare stellten sich auf.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ms. Thynlee.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich zwang mich, zu Holland zu sehen, dessen honigtriefende Stimme mir das Bedürfnis gab, mich auf seine feinpolierten Lederschuhe zu übergeben. „Was wollen Sie?“, fragte ich grimmig. „Andrew hat nichts mit der Sache zu tun, also lassen Sie ihn gehen.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Das würde ich, meine Liebe“, sagte er lächelnd, „wenn ich nicht befürchten müsste, dass Sie sofort den Distrikt verlassen würden. Sie haben gestern einige unglückliche Entscheidungen getroffen und Ihre Nase in Angelegenheiten gesteckt, die nicht die Ihren sind.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ihre Massenmorde?“, fragte ich wütend. „Inwiefern geht es mich nichts an, wenn Sie mein Leben auf's Spiel setzen und nebenbei darauf spekulieren, Ida Ihrem Dae als Dessert zu servieren?“ Neben mir zuckte Ida bei der Wortwahl zusammen, aber ich war zu aufgebracht, um Rücksicht zu nehmen. Ich konnte meine Augen nicht von Holland nehmen, der so unerträglich ruhig und selbstgefällig dastand, als gehöre ihm die Welt, als habe er sich nie in seinem Leben etwas zu Schulden kommen lassen. Ich schmeckte meine Abneigung gegen ihn förmlich auf meiner Zunge, Galle und gekaute Zigaretten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Massenmorde?“, entgegnete Holland ungerührt. „Ich bitte Sie. Seit zwei Jahrzehnten beschütze ich meinen Distrikt, die gesamte Menschheit, vor der Gefahr, die unkontrollierte Dae und ihre Ankerpunkte darstellen. Können Sie sich die Katastrophe vorstellen, wenn ein zu starker Dae in der Innenstadt mit ansehen muss, wie sein Partner von einem Auto überfahren wird, oder einen Herzinfarkt erleidet, oder anderweitig verstirbt? Er wird zu einem Daemon, dem gefährlichsten von allen. Rachsüchtig, unerwartet, stärker als jeder herkömmlicher Daemon. Es gibt einen Grund, warum wir diese Mauern bauen, Ms. Thynlee. Sie beschützen uns vor dem Grauen, das dort draußen auf uns wartet.“ Plötzlich lächelt er versöhnlich. „Isaac und ich, wir entscheiden nicht wahllos über Leben und Tod. Wir überprüfen lediglich, ob die Partner der Dae auch ohne ihre Hilfe einen Kampf überleben könnten. Es ist eine reine Sicherheitsmaßnahme. Diejenigen, die es nicht schaffen, sind nun kein Risiko mehr für die Menschheit, und der Rest kann weiterhin seinen Kampf gegen Daemonen fortsetzen und seine Dae stärken, bis sie mit uns in den Krieg ziehen können.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wovon redet er da?“, murmelte Sam tonlos neben mir. Ich schüttelte unmerklich den Kopf. Ich wusste es selbst nicht genau. Hollands Logik biss sich in den eigenen Schwanz.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wenn starke Dae so ein Risiko sind“, begann ich, „was ist dann mit Isaac? Er frisst sein fast zwanzig Jahren Daemonen und Dae. Wieso ist er kein Risiko?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Isaac ist zu mächtig, um einfach zu mutieren“, entgegnete Holland abfällig. Andrew-Isaac drehte leicht den Kopf in seine Richtung, das einzige Zeichen, dass der Dae seinem Vater zuhörte. „Er hat seine Emotionen vor vielen Jahren aufgegeben. Er ist die ultimative Waffe für den kommenden Krieg.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Welchen Krieg?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Den Krieg gegen die Daemonen!“, schrie Holland. Einen Moment zuvor war er noch ruhig gewesen, jetzt flogen Speicheltröpfen aus seinem Mund, als er lautstark fortfuhr und sein Gesicht nahm eine ungesunde rote Farbe an. „Die Menschheit wird an den Rand ihrer Existenz getrieben! Alle paar Jahre verlieren wir ein weiteres Gebiet an die Daemonen, ziehen unsere Mauern enger. Wenn es so weitergeht, wird die Menschheit zusammengepfercht wie Schweine und unsere Rasse wird ausgelöscht werden. Isaac ist der erste Soldat einer Armee aus gemästeten Dae, die Daemonenkönige eigenhändig besiegen und das Ödland für uns zurückgewinnen werden!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Der erste?“, fragte ich. „Gibt es noch andere?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Holland sah mich verächtlich an. „Natürlich gibt es die. Ich bin nicht der Einzige, der das Potential der Dae erkannt hat, auch wenn außer mir niemand die Züchtung so stark vorantreibt.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Menschen umbringt, meinen Sie.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Es ist ein notwendiges Übel, dass ich auf mich nehme!“, donnerte Holland und zog mit einer Gewandtheit, die ich ihm nie im Leben zugetraut hätte, eine Pistole unter seinem Jackett hervor.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]>COON![/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ida warf sich vor mich, als würde ihr Körper in der Lage sein, eine Kugel abzufangen, und breitete die Arme aus. Im nächsten Moment schoss sie jedoch los und auf Holland zu, offensichtlich in der Absicht, durch ihn hindurch zu fliegen oder ihn zu besitzen, aber Andrew hob blitzschnell die Hand mit dem Messer und presste die Klinge so fest gegen seine Kehle, das einige Blutstropfen seinen blassen Hals herunterliefen. Ida hielt inne und sah hilflos zu mir zurück. Ich schüttelte den Kopf und gab ihr mit einem Nicken zu verstehen, dass sie zur Seite fliegen sollte. Vorsichtig hob ich meine freie Hand, um Holland zu beruhigen, doch die Adern an seiner Stirn pochten nur noch stärker auf.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ich wollte Ihnen das Angebot unterbreiten, sich mir anzuschließen, Ms. Thynlee“, sagte er, dieses Mal in normaler Lautstärke, aber noch immer mit der kaum gezügelten Wut hinter seinen Worten. Mir lief der Schweiß über den Rücken. „Sie sind eine geborene Hunterin und ihr Dae hat sich bereits als äußerst geschickt bewiesen. Gemeinsam hätten wir die Menschheit beschützen können. Aber da Sie sich so von meinen Methoden abgeneigt sehen …“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Vater?“ Holland drehte den Kopf, genau wie Eugenie, und auch ich lehnte mich zur Seite, um an den beiden vorbei zur Eingangstür der Villa zu sehen. Daniel stand, mit zerzaustem Haar und einem Morgenmantel um die Schultern, in der Tür und starrte unsere Versammlung an. Dann fiel sein Blick auf Hollands Pistole und wanderte hinüber zu Andrew-Isaac, der noch immer das Messer an seine Kehle presste.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Die Zeit schien still zu stehen. Tom schluckte. Ida wimmerte. Ich ließ meine Hand sinken. Eugenie presste die Lippen aufeinander. Holland sah Dan ausdruckslos an. „Geh wieder hinein, Sohn“, sagte er. „Es gab ein Missverständnis, nichts weiter.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du zielst mit einer Waffe auf Raccoon“, sagte Dan. „Mit der Waffe, von der du Mama versprochen hattest, dass du sie nie wieder anfasst.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Deine Mutter hat damit nichts zu tun“, knurrte Holland und wandte sich etwas mehr seinem Sohn zu. „Geh in den Salon und warte dort, wir sprechen später.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Nein.“ Ich hatte noch nie erlebt, dass ein Wort so viel Kraft haben konnte. Dan machte einen Schritt die Treppe hinunter. „Isaac, was machst du da?“, fragte er in Andrews Richtung. „Warum bist du immer noch in Andrew? Der Test ist längst vorbei.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Daniel.“ Hollands Stimme bebte. „Geh. Sofort.“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Dan dachte nicht daran. Er nahm die letzten Treppenstufen und stellte sich ungerührt zwischen den Pistolenlauf und mich. Ich konnte seine Miene nicht sehen, aber seine Stimme nahm einen finsteren Unterton an. „Was zur Hölle geht hier vor sich?“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Also hatte Dan doch nichts gewusst. Das ließ mich dankbar aufatmen, auch wenn sich mein Herz jetzt bei dem Gedanken zusammenzog, dass Dan im Falle einer abgefeuerten Waffe derjenige sein würde, dessen Innereien auf dem Kies landeten.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Dein Vater lässt seit fast zwanzig Jahren regelmäßig Menschen in eurem Keller sterben, damit Isaac ihre mutierten Dae fressen kann“, erklärte ich. „Ich wäre dort unten fast von einem Daemon gebissen worden und Isaac hat nichts unternommen, um mich zu retten. Ida und ich haben die Tagebücher deiner Mutter gefunden, ich wette, wenn du dort unten suchst, wirst du —“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„GENUG!“, schrie Holland und ich zuckte zusammen. Dan drehte sich wie in Zeitlupe zu mir um.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Ist das wahr?“, fragte er, schüttelte jedoch sofort den Kopf. „Das kann nicht sein, Isaac würde nie … er könnte nicht …“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Wir haben es für dich getan, du undankbarer Junge!“, knurrte Holland und zog damit die Aufmerksamkeit seines Sohnes wieder auf sich. „Dein Bruder ist gestorben, um dich vor einem wilden Daemon zu beschützen und hat sich danach weiter für dich aufgeopfert, damit du in einer sicheren Welt leben kannst und damit er stark genug ist, dich immer zu beschützen! Du musst verstehen, dass wir all das nur für dich getan haben!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Für mich?“, fragte Dan heiser. „Ihr habt gemordet und es in meinem Namen gerechtfertigt?“ Er machte einen Schritt vor. „Nein, da ist noch mehr. Mama ist dahintergekommen, oder? Deshalb ging es ihr so schlecht. Deshalb hast du sie geschlagen und —“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Regina hat nicht verstanden, wofür wir arbeiten, was auf dem Spiel steht —“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]„Du hast unsere ganze Familie zerrissen! Wegen dir ist Isaac so kalt geworden, wegen dir ist Mama …“ Er verschluckte sich halb an seinen Worten, so schnell sprudelten die Anschuldigungen aus ihm heraus. „Du hast sie geschlagen und in den Selbstmord getrieben, du verdammtes Arschloch!“[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Der Schuss fiel, bevor ich richtig verstand, was geschah.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Ich sah regungslos dabei zu, wie Holland schweratmend auf seine Hand starrte, so als könne er nicht glauben, dass sie ihn verraten hatte. Die Waffe glitt aus seinen Fingern. Ich sah Eugenie, die eine Hand vor ihren Mund presste. Sah Ida, die pechschwarz wurde und zu Boden sank.[/JUSTIFY]

[JUSTIFY]Und ich sah Dan, der leblos vor mir zu Boden stürzte und das Blut, das den grauen Kies rot färbte.[/JUSTIFY]



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Lady_Ocean
2017-10-02T04:27:50+00:00 02.10.2017 06:27
Er hatte es tatsächlich nicht gewusst. Nach allem, was in diesem Irrenhaus seit so vielen Jahren geschah, hätte ich nicht gedacht, dass Daniel es nicht wissen konnte. Dass sein Vater ihm tatsächlich über unzählige Male hinweg weismachen konnte, da liefen nur harmlose Tests in seinem Keller und die Tode der Hunter und Daes hätten nichts mit ihm und Isaac zu tun. Das letzte unschuldige Mitglied dieser Familie ist soeben gestorben. Und das hat jetzt wahrscheinlich eine dämonische Atombombe gezündet. Daniel war doch der Anker von Isaac. Holland meinte zwar, er ist zu mächtig um unkontrolliert zu mutieren, aber ich fürchte, da steckt ein Stück weit Wunschdenken dahinter. Mit ansehen zu müssen, wie sein Anker ermordet wird, noch dazu von seinem eigenen Vater, ist nichts, was man mit Kontrolle und Emotionslosigkeit einfach so verarbeiten könnte. Hilfe, das wird übel ...
Antwort von:  yazumi-chan
08.10.2017 23:01
Nicht alle Hunter/Menschen, die Daniel vorbei bringt, sterben zum Glück. Einige, wie Coon, bestehen den Test, und bei denen, die sich auf jeden Fall nicht wehren können (wie Tobias, von dem Regina berichtet), lenkt Holland Daniel ab, bis er so tun kann, als seien die Gäste bereits "abgereist". Aber Dan hat sich leider auch einfach nie gefragt, ob hinter der Apathie seines Bruders vielleicht mehr steckt, als dass er nur älter wird und das für Dae normal ist.
Antwort von:  Lady_Ocean
10.10.2017 05:57
Ein Stück weit verstehe ich auch, dass Daniel das Verhalten seines Bruders nie weiter hinterfragt hat. Ich nehme an, er kennt zwar viele andere Hunter-Dae-Paare flüchtig, aber niemanden genauer und wusste demnach auch nicht, ob Daes auch über längere Zeit ihre Menschlichkeit behalten können oder nicht.
Von:  Kerstin-san
2017-09-29T14:32:31+00:00 29.09.2017 16:32
Hallo,
 
oh man, zu früh gefreut. Andrew wurde entführt und Ida ist wie vom Erdboden verschluckt. Aber echt raffiniert, dass Issac von ihm Besitz ergriffen hat. Scheint so, als wäre Andrew ein leichteres Opfer als Eugenie (oder Isaac ist bedeutend stärker als Ida). Egal, welche Variante zutrifft, die sind beide verdammt beunruhigend.
 
Immerhin ist Coon nicht auf sich allein gestellt, in ihrem angeschlagenen Zustand könnte das ganz übel ausgehen. Ich warte eh noch drauf, dass sich ihr Bein ganz bitter rächt, weil es keine Ruhe bekommt und Coon einfach mal zusammenklappt.
 
Ohh und Daniel ist wohl doch nicht so böse, wie ich befürchtet hatte. Allerdings ist es mir schleierhaft, wie er so gar nichts von den Machenschaften seines Vaters und Bruders mitbekommen haben will? Aber, dass er stirbt, will ich trotzdem nicht :(
 
Kleiner Fehler noch: "Ida und ich haben Videos gefunden" Waren nur Tagebücher, oder?
 
Liebe Grüße
Kerstin
Antwort von:  yazumi-chan
29.09.2017 18:05
Da hast du ein Relikt aus der Überarbeitungsphase ausgegraben xD Ist korrigiert.
Du wirst gemerkt haben, dass Holland Dan gleich zu sich ins Büro beordert hat, damit er gegebenenfalls sagen kann, Raccoon sei ohne sein Wissen abgereist, falls sie den Test nicht überlebt. Und längst nicht alle, die Dan dort hinbringt, sterben ja. Aber ein bisschen fragen muss man sich schon, wie so viel ohne sein Wissen vorgehen konnte xD


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