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Every me and every you

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leser und Leserinnen,

ich freue mich, dass ihr euch für meine kleine Fanfiction interessiert.
Natürlich würde ich mich über eure Meinung, Verbesserungsvorschläge, Kritik oder vielleicht auch Lob freuen.

Aber nun viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Liebe Leser und Leserinnen,

herzlich willkommen zum zweiten Kapitel. Ich freue mich über euer Interesse und würde mich auch über etwas Feedback freuen.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen! Komplett anzeigen

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Coming home

Kapitel 1 – Coming home

 

„Was mache ich nur, wenn du nicht mehr hier bist?“ Mirai räkelt sich neben mir und verzieht das Gesicht zu einem leichten Schmollmund. Ihr welliges, hellbraunes Haar liegt über ihren nackten Brüsten. Das Licht des Vollmonds erhellt als einziges das mir vertraute Schlafzimmer. Dies war bei weitem nicht die erste Nacht, die ich hier verbracht habe. Nicht das erste Mal, dass ich mich Mirai hingab.

Auf einmal schnippst es vor meinen Augen. „Bist du noch da oder träumst du schon wieder mit offenen Augen?“ Fragend sieht sie mich an, den Kopf auf einer Hand abgestützt. Unwillkürlich schleicht sich ein Lächeln auf meine Lippen. „Wenn ich mit dir zusammen bin, brauche ich doch gar nicht zu träumen.“ Langsam strecke ich eine Hand nach ihr aus. Mit den Fingerspitzen umfahre ich ihre Brust, streiche ihre Locken beiseite. Mirai ergreift meine Hand. Vertraute Berührung. Sie führt meine Hand an ihr Gesicht, küsst sanft meine Fingerspitzen. Mich ansehend haucht sie: „Du bist so eine Charmeurin geworden. Nichts im Vergleich zu dem Mädchen, was ich damals aufgegabelt habe.“ Leise kichert sie, ihre Augen sehen mich herausfordernd an. „Du wirst doch nicht etwa rot, Chiaki-chan?“

Schnell sehe ich weg, ich spüre wie meine Wangen glühen. Mit dieser Geschichte bekommt Mirai mich jedes Mal aufs Neue. Es ist mir bis heute ziemlich unangenehm, wie leicht sie es damals mit mir hatte. Ich war neu in Tokio, verunsichert von der großen Stadt, fernab der Heimat. Todesmutig hatte ich mich in diese Frauenbar gewagt, an der ich bereits diverse Male am selben Abend vorbei gegangen war, nur, um mich jedes Mal aufs Neue nicht hinein zu trauen. Doch irgendwann habe ich mich doch getraut. Hilfesuchend stand ich mitten in dieser Bar, hielt mich an meinem Bier fest und versuchte nicht sonderlich aufzufallen, während ich all die neuen Eindrücke in mich aufsog. Ich war tatsächlich hier. Genau wie Mirai, die mich natürlich bemerkte. Sie nahm mich unter ihre Fittiche…in vielerlei Hinsicht.

„Du sollst mich damit doch nicht aufziehen“, murre ich leise. „Ich war neu in der Bar und du hast dich eiskalt an mich ran gemacht.“ In gespielter Entrüstung verschränke ich die Arme vor der Brust.

„Da du dich gerade hier in meinem Bett befindest, kann es nicht so schlimm gewesen sein.“ Ich brauche nicht hinzusehen, um zu wissen, dass sie schmunzelt. Ihre Lippen sind ganz nah an meinem Ohr, ihre Worte nur ein Raunen. Ein Schauer läuft mir über den Rücken.

„Du siehst ja, dass ich diese Situation so wenig aushalte, dass ich direkt die Stadt verlasse!“ Übermut blitzt in mir auf, gepaart mit einem leichten Gefühl des Triumphs gegenüber Mirai, als diese sich enttäuscht von mir zurückzieht und sich bäuchlings hinlegt. Dieses Spiel zwischen uns ist nicht neu, wir spielen es häufig. Wer kontert besser, wer gewinnt die Oberhand. Dabei schenken wir uns beide nichts. Wir haben aufgehört zu zählen, wer wie oft gewonnen oder verloren hat. Stattdessen genießen wir einfach beide dieses Spiel, das Herausfordern, das Wissen darum, dass kein vermeintlich böses Wort ernst gemeint ist. Letztlich wissen wir beide, dass wir stets füreinander da sind. Es ist entspannt, wir sind gute Freunde und hin und wieder…nun ja, hin und wieder genießen wir gern die ein oder andere intensivere Stunde miteinander.

„So weit hättest du nun wirklich nicht gehen müssen, das war gemein.“ Schmollend drückt Mirai ihr Gesicht ins Kissen.

Neckend stupse ich ihr mit einem Finger in die Wange. „Du wolltest es so.“ Statt zu antworten wendet sie mir wieder ihr Gesicht zu und beißt mir leicht in den Finger. „Du bist ganz schön frech geworden, Fräulein.“

Seufzend lächle ich sie an, zwinkere zur Untermauerung meiner Worte: „Ich habe ja auch von der Besten gelernt.“

Mirai schenkt mir einen sanften Blick, lässt diesen über meinen Körper wandern, ehe sie mir wieder ins Gesicht sieht. „Wird dir deine Heimat nicht furchtbar klein vorkommen, nachdem du Tokio erlebt hast?“

„Ich freue mich auf die Ruhe.“ Ich schließe die Augen, beinahe kann ich die Gerüche meiner Heimat wahrnehmen. Das Rascheln des Laubs unter den Füßen, die Vogelgesänge. Jenseits vom Trubel der Großstadt. „Ich habe dir immer gesagt, dass ich kein Mensch für die Großstadt bin. Ich brauche Natur und auch wenn du es kaum glauben magst, hin und wieder mal nicht mehrere Millionen Menschen um mich herum.“

„Reicht das nicht im Urlaub?“

„Mirai…“

Sie seufzt. „Schon gut, schon gut…“ Ein anderer Ausdruck mischt sich in ihren Blick. Ein Ausdruck, den ich in den letzten Jahren nur zu gut kennengelernt habe. Manches Mal habe ich ihn erkannt, mal bei einem Restaurantbesuch, ein anderes Mal beim Schwimmengehen, häufig in eben jenen Momenten wie jetzt. Nackt mit ihr im Bett, über das Leben philosophierend.

„Gerade habe ich das Gefühl, dass dir am meisten das hier fehlen wird.“ Genüsslich streichle ich langsam meinen Körper entlang, Mirai nicht aus den Augen lassend. Ihr Blick sagt mir nur zu deutlich, dass meine Geste ihre Wirkung nicht verfehlt.

„Ist mir das so zu verübeln? Außerdem könnte ich mir vorstellen, dass dir das hier auch fehlen wird.“ Herausfordernd legt sich Mirai auf den Rücken, streckt sich. Noch immer ist sie ins Mondlicht getaucht. Ihr Körper sieht wunderschön aus. Dies alles ist so wunderbar vertraut für mich. Es ist bequem und unkompliziert, gab mir Sicherheit in einer Zeit, als ich diese nirgends zu finden glaubte. Aber es wird Zeit für mich zu gehen. Außerdem war das immer mein Plan. Zurückzukehren.

Mich allmählich auf sie zu bewegend, wispere ich: „Noch haben wir Zeit.“ Ich stütze meine Arme rechts und links von ihr ab, beuge mich langsam zu ihr herunter. „Lass mich dir ein Abschiedsgeschenk machen.“ Bei den letzten Silben streifen meine Lippen ihr Ohr. Ein Schauer durchläuft Mirais Körper. Zärtlich beiße ich kurz in ihr Ohrläppchen, ehe ich meine Lippen ihren zuwende und sie küsse. Mirais Hände streichen meinen Rücken entlang bis hinunter zu meinem Po. Unser inniger Kuss wird nur hin und wieder von zufriedenen Seufzern unterbrochen. Begierig finden sich unsere Zungen, spielen miteinander, während sich unsere Körper aneinander reiben. Küssend wandere ich ihren Hals entlang, meine Hände streichen über ihre Brüste, ihre Knospen recken sich mir entgegen. Ich umspiele sie mit meinen Daumen und entlocke Mirai ein wohliges Seufzen. Neckend beiße ich ihr in den Hals. Ich weiß, was das in ihr auslöst. Wie zur Bestätigung krallt sie ihr Hand in mein kurzes Haar. Meine Lippen wandern weiter diesen schönen Körper entlang, der mir so vertraut ist. Während ich mit einer Hand weiter ihre linke Brust massiere, lege ich meine Lippen um ihre rechte Brustwarze, beginne leicht daran zu knabbern. All das mache ich mit Bedacht langsam. Ich genieße es, wie Mirais Körper sich unter meinen Berührungen windet. Immer wieder fahren ihre Hände durch mein Haar, was auch mir wohlige Schauer bereitet. Ihr stärker werdendes Stöhnen klingt wie Musik in meinen Ohren.

Noch immer ihre Brustwarzen liebkosend, richte ich meinen Blick zu ihr hinauf. Unsere Blicke treffen sich. Ihre Augen sprechen Bände, von ihrem Körper ganz zu schweigend. Sie hat ihre Beine um mich geschlungen und ich spüre nur zu deutlich, was sie will. Doch ich möchte dieses Spiel noch etwas auskosten. Noch nicht jetzt, wir haben noch Zeit.

Als ich meine Küsse weiter wandern lasse, erkenne ich den Hoffnungsschimmer in ihren Augen. Doch kurz bevor ich ihren Schoß erreiche, biege ich ab. Intensiv widme ich mich ihren Schenkeln. Vom Knie beginnend, küsse ich mich nach oben, lasse meine Zunge immer wieder über die zarte Haut gleiten. Ihre Atmung wird schneller, je mehr ich mich ihrem Schoß nähere. Jedoch beginne ich erneut das Spiel mit ihrem anderen Bein. Zentimeter um Zentimeter taste ich mich hervor. „Warum quälst du mich so?“, höre ich Mirai fragen. Ich kenne ihren Körper, er schreit nach Berührung, ist komplett angespannt.

Kurz bevor ich erneut ihren Schoß erreicht habe, wispere ich: „Damit du mich nicht so schnell vergisst.“ Erneut betrachte ich Mirais Körper. Dann erlöse ich sie endlich von ihrer Qual. Meine Lippen berühren ihren Venushügel. Ein wohliger Seufzer entfährt ihr, als ich meine Zunge weiter hinab wandern lasse, ihren Kitzler umspiele, immer wieder mit meiner Zunge in sie hinein gleite. Mirais Stöhnen wird intensiver, ich merke, wie sie ihre Beine weiter spreizt. Während meine Zunge weiter ihre Klitoris liebkost, dringe ich mit zwei Fingern in sie ein.

Ich genieße diesen Moment, Mirais Geschmack, ihr Stöhnen in meinem Ohr, ihre Lust, die ihr ganzer Körper ausdrückt. Immer schneller werden meine Bewegungen, Mirais Stöhnen wird lauter. Mir ist allzu deutlich bewusst, dass sie nicht mehr lange braucht. Kurz bevor sie den Punkt erreicht hat, halte ich inne. „Bitte hör jetzt nicht auf“, bettelt Mirai. Ihre Augen sind vor Genuss geschlossen, ihr ganzer Körper glüht vor Ekstase. Mit meinen Fingern in ihr verharrend, lege ich meinen Körper auf ihren. Ich weiß, was das Gefühl meiner Brüste an den ihren bei ihr auslöst. Gerade als ich das Gefühl habe, Mirai habe sich wieder etwas beruhigt, beginne ich meine Finger wieder in ihr zu bewegen. Unsere Brüste reiben aneinander, ich übersähe Mirais Hals mit Küssen. Immer lauter wird Mirais Stöhnen, ich weiß sie ist so weit. Endlich gewähre ich Mirai Erlösung, ich beiße ihr in den Hals, während sie kommt und sich dicht an meinen Körper presst.

Still ist es im Schlafzimmer. Mirais Körper pulsiert an meiner Hand, die schützend über ihrem Schoß liegt. Noch immer berauscht, wendet sie sich mir zu. Ihre Lippen gleiten über meine, sanft, dankbar. „Solche Abschiedsgeschenke hätte ich gern öfter.“ Ich spüre ihr Lächeln auf meinem. „Siehst du, ist es doch gar nicht so schlecht, dass ich gehe.“, erwidere ich.

„Dummkopf…“, wispert Mirai. Die Müdigkeit übermannt sie genauso wie mich. Wir haben eine lange Nacht hinter uns und ich habe morgen einen langen Tag vor mir. Aneinander geschmiegt schlafen wir ein. Diese letzte Nacht in meinem alten Leben, bevor ich morgen mein neues und doch altes Leben starte.

 

Die Sonne scheint durchs Fenster. Sie trifft auf meine Haut, ist angenehm mild. Es war ein langer Tag. Viel zu lang, um sich jetzt noch diesen unerträglichen Hausaufgaben zu widmen. Ich fühle mich hier so wunderbar wohl. Allein hier zu sein schafft es, mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Ich spüre es und ich kann nichts dagegen tun. Warum sollte ich auch? Alles ist gut, ich bin glücklich, zufrieden, sicher. Es könnte ewig so weitergehen.

Mein Kopf ist wie benebelt. Ich döse vor mich hin. Wie aus der Ferne höre ich das gleichmäßige Geräusch eines Stiftes, der auf Papier trifft. Innerlich warte ich. Ich weiß, was als nächstes passieren wird, wenn ich hier gegen das Bett gelehnt vor mich hin döse. Fast schon ist es eine Art Ritual. Ein Ritual, dass ich liebe und doch hinauszögern möchte. Denn es läutet stets das Ende unserer Treffen ein. Und trotzdem…dieses wunderbare zarte Gefühl für den Bruchteil einer Sekunde, ich bin süchtig danach.

Wie aus weiter Ferne vernehme ich ein Rascheln. Bestimmt bist du gerade aufgestanden. Ich spüre, wie du dich neben mich setzt.

„Chi-chan, schläfst du schon wieder?“ Deine Hand streift über meinen Arm, ich reagiere nicht. Ich weiß genau, dass du da bist. Aber ich warte auf etwas anderes. Manchmal frage ich mich, ob du insgeheim weißt, dass ich wach bin und nur darauf wartest, dass ich einmal anders reagiere. Und was dann?

„Nun wach schon auf, Schlafmütze, es ist Zeit zu gehen.“ Nun ist es so weit. Dein Atem streift meine Wange. Ich kann dein Shampoo riechen. Es riecht frisch und leicht, ein bisschen wie der gereinigte Duft nach einem Sommerregen. „Aufstehen, Chi-chan.“ Zärtlich berühren deine Lippen meine Wange…

 

„Biep biep. Biep biep. Biep biep.“

Der Wecker reißt mich aus den Träumen. Unwillig ertaste ich ihn auf dem Nachttisch. Mit Reflexen, die ein Faultier vor Neid erblassen lassen würde, schaffe ich es nach gefühlten Stunden endlich das Mistding auszuschalten. Übermüdet setze ich mich auf. Viel Schlaf hatte ich die Nacht wirklich nicht. Trotz allem huscht mir bei der Erinnerung daran ein Lächeln über die Lippen.

Als ich den Blick auf die andere Betthälfte richte, ist diese leer. Mirai ist bereits weg. Auf ihrer Betthälfte finde ich einen Zettel:

 

Hey Schlafmütze, ich hab dir den Wecker gestellt, damit du nicht verschläfst. ;) Du weißt, ich hasse große Abschiede, deshalb rechne nicht mit mir am Bahnhof. Du kommst bestimmt eh schneller wieder zurück, als mir lieb ist. :P Melde dich sobald wie möglich!

Xoxo Mirai

PS: Vergiss nicht, du bist hier stets willkommen!

 

Irgendwie süß diese Geste von Mirai. Es ist schön zu wissen, eine Freundin wie sie zu haben. Sollte mir doch die Decke in meiner heimischen Kleinstadt auf den Kopf fallen, habe ich hier immer einen Zufluchtsort.

Nachdem ich mich im Bad frisch gemacht und mir ein kleines Frühstück gegönnt habe, sehe ich mich ein letztes Mal in dieser Wohnung um. Wie viele Stunden habe ich hier verbracht. Mirai und ich mit unserem undefinierten, unkomplizierten Verhältnis. Hier haben wir gelacht, geweint, die Frauen verflucht und verehrt und so manche wilde Nacht miteinander verbracht. Okay, wenn ich ehrlich bin, vielleicht auch manchen wilden Tag. Ich ertappe mich bei der Frage, wann ich hier wohl das nächste Mal sein werde. Die Zeit wird es zeigen.

„Bis bald“, sage ich in Mirais Wohnung hinein. Sie war so nett mich die letzten paar Nächte bei ihr unterkommen zu lassen. Mehr oder weniger hatte sie mich fast dazu genötigt, mit der Begründung, sie könne mich doch nicht in einer leeren Wohnung, nur mit einer Matratze ausgestattet, sitzen lassen. Ich bin ihr dankbar dafür.

Meine Möbel befinden sich bereits in meiner neuen Wohnung. Vermutlich werden mich meine Eltern heute bereits so euphorisch begrüßen, dass ich es erst zum Schlafen in meine Wohnung schaffen werde. Sie waren völlig aus dem Häuschen als ich ihnen erzählte, dass ich eine Anstellung als Lehrerin in meiner Heimat erhalten habe.

Bereits mit den Gedanken in der Heimat führt mich mein Weg zum Bahnhof. Als wäre es ein ganz gewöhnlicher Tag, steige ich in den Zug. Aber es ist kein gewöhnlicher Tag. Heute kehre ich zurück und beginne doch neu. Vertrautes wird auf Fremdes treffen und ich bin gespannt, wie es mir ergehen wird. Die Landschaft zieht an mir vorbei. Ich scheine noch gar nicht lange im Zug zu sitzen, da erkenne ich die vertrauten Ansichten meiner Kindheit. Die Natur scheint mich begrüßen zu wollen, mit ihrem Frühlingsgrün und dem strahlenden Blau des Himmels.

 

Mein Herz macht einen Sprung als ich die Ansage höre, dass wir gleich meinen Heimatbahnhof erreichen werden. Ich schultere meinen Rucksack, nähere mich der Tür. Wie oft habe ich mir früher vorgestellt, eine Zeit lang von hier weg zu kommen. Die vielen Passagiere beobachtet, die die Züge betraten und verließen. Habe versucht mir auszumalen, wohin sie ihre Reise wohl führte. Der Zug hält. Ich steige aus, sehe mich um.

„Ich bin zurück…“

Old Friends

Kapitel 2 – Old Friends
 

„Chiaki-chan, wie schön, dich wieder hier zu haben!“ Euphorisch stürmt mir meine Mutter entgegen, nimmt mich fest in die Arme als hätte sie mich Ewigkeiten nicht mehr gesehen.

„Schon gut, Mama, du erdrückst mich ja.“

„Lass unserer Tochter doch etwas Luft zum Atmen“, erklingt die Stimme meines Vaters. Stolz lächelt er mich an. Auch wenn er es nicht so zeigen will, spüre ich auch seine Freude über unser Wiedersehen. Für meine Eltern war es schwer als ich nach Tokio gegangen bin. Doch sie waren auch stolz auf mich.

Im Haus riecht es nach Essen, meine Mutter hat mein Lieblingsgericht für mich gekocht. Gemeinsam lassen wir es uns schmecken. In ihrer Aufregung plappert mich meine Mutter voll. Lächelnd nehme ich es hin. Sie freut sich so, dass ich wieder da bin. Entspannt lehne ich mich zurück. Schließe kurz die Augen. Ich bin wieder zu Hause.

„Hast du eigentlich schon gehört, dass Misaki-chan auch an eurer alten Schule Arbeit gefunden hat? Ich habe unlängst ihre Mutter getroffen, sie hat es mir erzählt.“ Mutter strahlt mich an. Innerlich zucke ich zusammen. Die ganze Zeit hatte ich es mir nicht erlaubt an sie zu denken. Dabei hätte ich es besser wissen müssen, dass ich ihr nicht ewig aus dem Weg gehen könnte.

„Chiaki-chan, ist alles gut? Du siehst blass aus.“ Besorgt blicken mich meine Eltern an. Tatsächlich schwirrt mir der Kopf. Doch meine Eltern sollen sich nicht unnötig sorgen.

Ich winke ab. „Nein, nein. Keine Sorge. Die Fahrt war wohl nur etwas anstrengend.“ Trotzdem stehe ich auf, entschuldige mich kurz, um ins Bad zu gehen. Im Badspiegel entdecke ich eine erschrockene junge Frau. Mit kaltem Wasser versuche ich mich wieder ins Hier und Jetzt zu befördern. Keine Panik, alles ist gut. Mir wird nichts passieren. Und doch bleibt da die Sorge vor dem nächsten Tag…vor einer Begegnung, der ich werde nicht lange ausweichen können.
 

Wie erwartet, habe ich viel Zeit an diesem Tag mit meinen Eltern verbracht. Es ist spät als ich endlich in meiner Wohnung lande. Ungeachtet der Tatsache, dass ich am nächsten Morgen fit sein muss, lasse ich mir ein Bad ein. Als mich das warme Wasser umgibt, komme ich endlich etwas zur Ruhe. Gerade habe ich die Augen geschlossen als mein Handy klingelt. Mirais Foto leuchtet mir auf dem Display entgegen.

„Na schöne Frau, wie ist es im selbstgewählten Exil?“ Mirais Stimme ist vertraut. Ihr samtiger Klang hüllt mich ein.

„Bislang als wäre ich nie weg gewesen. Meine Eltern haben mich kaum gehen lassen wollen. Wahrscheinlich können sie immer noch nicht fassen, dass ich wirklich hier bleibe.“ Ich bemühe mich darum, meine Stimme leicht und unbedarft klingen zu lassen.

„Aber?“ Wie hatte ich darauf pokern können, meine Freundin würde meinen Klang nicht deuten können?

„Nichts aber…“, versuche ich es halbherzig.

„Chikane-chan, spiel mir nichts vor. Ich kenne dich.“ Der aufgesetzte Zorn soll Mirais Sorge um mich überspielen. Wieder das alte Spiel.

„Erinnerst du dich an meine Kindheitsfreundin…Misaki?“, beginne ich zögerlich. Am anderen Ende der Leitung herrscht Schweigen. Also erzähle ich einfach weiter. „Heute hat mir meine Mutter eröffnet, dass sie auch an unserer alten Schule arbeitet…Darauf war ich irgendwie nicht vorbereitet…“ Meine Stimme zittert leicht. Innere Unruhe erschüttert mich.

„Was hast du jetzt vor?“ Mirai kennt die Geschichte von Misaki und mir. Auch ihr vorläufiges Ende.

„Ich weiß es nicht…“ Tief atme ich ein und aus. Versuche mich zu beruhigen. Ich höre, dass Mirai sich um mich sorgt. Ein schönes Gefühl, zu wissen, dass sie für mich da ist. Genauso wie sie mir immer wieder hilft, die Dinge zu sehen, wie sie sind und manchmal auch einfach zu akzeptieren.

„Dann zerbrich dir erstmal nicht den Kopf darüber. Lass es auf dich zukommen und wenn es so weit ist, dann höre einfach auf deinen Bauch. Das funktioniert meistens.“ Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: „Und du weißt, du bist stets in Tokio willkommen.“

Bequem strecke ich mich in der Wanne. Gerade möchte ich nicht über meine wirren Gedanken reden und nutze nur zu gern diesen Aufhänger, um das Thema zu wechseln. „Vermisst du mich etwa jetzt schon so sehr, dass du willst, dass ich zurückkomme?“ Unbewusst ändert sich der Klang meiner Stimme, ich nehme es nur am Rande wahr. Nur zu genau weiß ich, dass das in solchen Situationen geschieht. Meine Flirt-Stimme.

„Das hättest du wohl gern.“ Da ist es wieder, dieses Schmunzeln auf ihren Lippen. Ich höre es bis hier her. Wohlige Vertrautheit.

„Vielleicht ist das ja wirklich so…“ Uneindeutige Antworten mit Interpretationsbedarf. Nur nicht zu weit hinaus wagen. Ein Gefühl benebelt meine Sinne, gemeinsam mit dem warmen Wasser um mich herum. Es ist ein Gefühl als würde ich allein in dem vertrauten Klang ihrer Stimme versinken. Doch etwas scheint anders zu sein als sonst. In mir breitet sich das Gefühl aus, dass Mirai nicht der Stimmung zu sein scheint, meine lockeren Avancen zu erwidern. Für meinen Geschmack schweigt sie einen Moment zu lang. Etwas steht im Raum, will ausgesprochen werden.

Keine von uns wagt es, auch wenn es nahezu greifbar zu sein schein.

Nachdem wir eine Weile nur das Atmen der anderen gehört haben, ergreift Mirai letztlich wieder das Wort. „Mach heute nicht mehr zu lange, für den morgigen Tag muss du fit sein, Watanabe-sensei.“ Ihre letzten Worte sind mehr ein Hauchen. Wie so oft schafft sie es mit dieser kleinen Geste mir einen Schauer über den Rücken zu jagen.
 

„Ich begrüße alle Schüler und Schülerinnen der Shosetsu Oberschule.“

Mein erster Tag als Lehrerin an meiner alten Schule beginnt. Hunderte Schüler und Schülerinnen haben sich in der Aula versammelt und lauschen mehr oder weniger aufmerksam der Ansprache des Direktors. Aufgeregt auf den neuen Schulabschnitt sehe ich die Erstklässler in den vordersten Reihen sitze. Ihre Augen strahlen, ihre Unruhe ist förmlich greifbar. Nur zu gut erinnere ich mich daran, wie ich einst selbst in diesen Reihen gesessen hatte, selbst aufgeregt darüber, was mich erwarten würde und dankbar ein vertrautes Gesicht an meiner Seite zu haben.

„In diesem Schuljahr dürfen wir eine neue Lehrkraft in unseren Reihen begrüßen.“ Das ist mein Stichwort. Ruhigen Schrittes stehe ich auf, spüre die Blicke der Schülerschaft auf mir.

„Guten Morgen, ich heiße Watanabe Chiaki und werde euch ab sofort in Japanisch und Sport unterrichten. Auf gute Zusammenarbeit.“ Leicht verbeuge ich mich, begebe mich danach wieder auf meinen Platz, der Rede des Direktors mehr oder weniger aufmerksam lauschend.

„Ich wünsche euch allen für das neue Schuljahr viel Erfolg. Begebt euch nun in eure Klassenzimmer.“ Allgemeine Unruhe entsteht. Die ganze Aula scheint in Bewegung. Ruhig beobachte ich die Szene. Dies ist nun mein neuer Arbeitsplatz. Gerade als ich mich in Bewegung setzen möchte, kommt der Schuldirektor Yamamoto-san auf mich zu. Freundlich lächelt er mich an, er ist alt geworden. „Watanabe-san, es freut mich eine ehemalige Schülerin als Kollegin begrüßen zu dürfen. Ich wünsche Ihnen persönlich nochmal viel Erfolg für Ihre Arbeit. Falls Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich ruhig an mich.“

Höflich verbeuge ich mich vor ihm. „Vielen Dank, Yamamoto-san. Es ist mir eine Ehre, hier arbeiten zu dürfen. Ich werde mein Bestes geben, um Sie nicht zu enttäuschen.“ Irgendwie fühlt es sich seltsam an, von diesem Mann als Kollegin bezeichnet zu werden. Dieser Mann kennt mich noch als Schülerin. Seltsam unwirklich kommt mir das Ganze gerade vor.

Mein Weg führt mich durch die vertrauten Gänge des alten Schulgebäudes. Es herrscht die typische Unruhe des ersten Schultages. Freude darüber mit alten Freundin in einer Klasse gelandet zu sein, Unsicherheit, wenn man erst einmal ohne Bekanntschaften da steht. Langsam leeren sich die Flure, der Gong zum Stundenbeginn ertönt. Unterwegs zu meiner Klasse komme ich am Krankenzimmer vorbei. Die Tür ist einen Spalt geöffnet. Nur einen Augenblick halte ich inne. Für den Bruchteil einer Sekunde stelle ich mir die Frage, ob sie sich gerade hinter dieser Tür befinden könnte. Doch für solche Ideen ist nun keine Zeit. Ich muss arbeiten und ohne mich weiter in dem Gedanken zu verlieren, setze ich meinen Weg fort, erreiche den passenden Raum. Noch ein letztes Mal atme ich tief durch, dann betrete ich mit einem Lächeln auf den Lippen das Klassenzimmer.

Am Lehrertisch angekommen, stelle ich mich erneut vor. „Guten Morgen, wie ihr bereits erfahren habt, heiße ich Watanabe Chiaki. Von heute an bin ich eure Klassenlehrerin.“ Die Klasse erwidert der Morgengruß. Kurz lasse ich den Blick durch das Zimmer schweifen. Anders als in Tokio ist die Klasse hier kleiner und überschaubarer. Ich beginne damit, die Klassenliste durchzugehen, einen jeden Schüler aufzurufen, die Anwesenheit zu prüfen. Danach erfolgt die obligatorische Wahl des Klassensprechers und dessen Stellvertreters. Dieser erste Schultag verläuft ruhig, ist voller organisatorischer Mitteilungen, ehe der Unterricht am nächsten Tag richtig beginnen wird. So vieles ist zu klären, dass die Zeit für mich regelrecht verfliegt. Der Schulbeginn vergeht noch viel schneller als ich erwartet hätte.
 

So schnell endet ein Tag. Als ich das Schulhaus verlasse, scheint die Sonne. Bewusst entscheide ich mich gegen den Bus und laufe stattdessen nach Hause. Es tut gut, sich zu bewegen. Die Luft ist bereits mild, die Vögel zwitschern in den Bäumen. Ich spüre, wie mir der Wind leicht durchs Haar fährt.

Mein Weg führt mich altvertraute Pfade entlang. Entspannt schlendere ich den Fluss entlang. Oft habe ich hier früher mit Freunden gesessen, die Sonne genossen, an warmen Sommertagen das erfrischende Nass genutzt. Fast kann ich uns noch sitzen sehen, damals, in Schuluniform, unbedarfte Mädchen. Noch ein bisschen möchte ich dem sanften Gefühl der Nostalgie nachhängen. Ohne lange zu überlegen, setze ich mich auf die Wiese, schließe die Augen, lasse den Moment einfach auf mich wirken. Es mag pathetisch klingen, aber mir ist, als hätte ich gestern erst hier gesessen und muss mir regelrecht ins Gedächtnis rufen, dass dieser Schulalltag fast schon zehn Jahre hinter mir liegt.
 

„Glaubst du, wir werden hier auch noch als Erwachsene zusammensitzen und an diese Zeit zurückdenken?“ Du lächelst mich liebevoll an. Sanft spielt der Wind mit deinem Haar. Ich mag es, wenn dir einzelne Strähnen so ins Gesicht fallen, das wellige Haar dein Gesicht umrahmt. Mein Herz schlägt viel zu wild während ich dich so ansehe.

Also lasse ich mich zurück ins Gras fallen. Verschränke die Arme hinter dem Kopf. „Natürlich werden wir das. Unsere Freundschaft kann doch nicht einfach aufhören. Wir gehören zusammen!“

Worte eines Mädchens, das die Tücken und Stolpersteine des Lebens noch nicht kennt.

Ich höre es neben mir rascheln. Ein Schatten legt sich über mein Gesicht. Nur zu intensiv nehme ich deinen mir vertrauten Duft wahr. Du beugst dich über mich. Ich blinzle dich an. Wenn du mich so ansiehst, muss ich mich nur noch mehr beherrschen. Dieses Gefühl treibt mich nochmal in den Wahnsinn. Stumm sehe ich dich einfach an. Es erscheint mir sehr lang, wie wir uns so in die Augen blicken. Wahrscheinlich sind es gerade mal Sekunden.

„Versprichst du es mir?“

Kurz muss ich überlegen, worauf du hinaus willst. Deine Augen haben mich zu sehr in ihren Bann gezogen. Einen klaren Gedanken zu fassen, fällt mir schwer. Du siehst es mir mal wieder an, schmunzelst. „Du hast doch nicht etwa schon wieder mit offenen Augen geträumt, obwohl ich mit dir geredet habe?“

Zu meinem Leidwesen, doch vielleicht auch meinem Glück, rückst du ein kleines Stück von mir ab, setzt dich wieder neben mich. „Lass uns auch als Erwachsene noch so beieinander sitzen. Die Sonnenstrahlen genießen, lachen und manchmal auch einfach nur träumen. Lass uns für immer so zusammenbleiben. Versprichst du mir das, Chi-chan?“
 

Chi-chan…
 

„Chi-chan?“ Träume ich noch immer? Ganz klar klingt dieses Wort in meinen Ohren. Das kann nicht sein. Wann werde ich endlich erwachsen genug und verliere mich nicht mehr in diesen Tagträumen.

„Chi-chan, bist das wirklich du?“ Ich schrecke auf. Kein Traum, das ist real. Ich bin definitiv wach. Diese Stimme bilde ich mir nicht ein. Mit einem Mal schlägt mein Herz wild in meiner Brust. Mein eigener Herzschlag erscheint mir so lauf, als müsste ihn die ganze Welt hören. Diese Stimme…

Rascheln im Gras, Schritte, die sich mir nähern. Wenn ich meinen Blick jetzt zur Seite wende, werde ich sie sehen. Tief durchatmen, das ist gerade einfach nur ein Wiedersehen.

Langsam hebe ich meinen Blick. Da steht sie einfach vor mir. „Du bist es!“ Erleichterung, Verunsicherung, in ihrer Stimme liegen deutlich diese Emotionen. Vielleicht sogar ein kleiner Hauch Angst, der auch mich nahezu paralysiert. Ungelenk stehe ich auf. Meine Arme hängen an mir herunter, nutzlos. Leer scheint mein Kopf zu sein, aller Worte beraubt.

Jahre haben wir uns nicht mehr gesehen, nicht mehr miteinander gesprochen. Zaghaft tasten meine Augen dich ab. Alles ist noch da und doch alles fremd. Eindeutig sehe ich noch das Mädchen von damals und trotzdem wird sie überdeckt von einer erwachsenen Frau, die mir gegenübersteht. Wie siehst du mich gerade? Findest du es genauso merkwürdig, dass dir eine vertraute Fremde begegnet? Warum begegnen wir uns gerade jetzt?

Nur langsam werde ich meiner Sprache wieder mächtig. „Misaki-chan“, wispere ich.



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