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c'mon, just ONE drink!

von

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Part 4: Komm schon, man

Komm schon, man, hallten Kisames Worte in seinem Kopf wider. Kakuzu grunzte verachtend, während ihm Regen und Wind entgegen peitschten.

Es war unfassbar. Wie konnte Kisame ihm jetzt nur so kommen? Als wäre das Ganze keine große Sache. Als wäre nichts dabei, ihm erst bei der Scheiße, die er durchgemacht hatte, bei zu stehen, nur um sich dann später einfach mit dem Feind einzulassen. Kakuzu verstand es nicht. Es ging einfach nicht in seinen Kopf. Wer war denn bitte Schuld daran, dass er heute so verkorkst und emotional verkrüppelt war?! Ein Uchiha. Und man müsste meinen, dass Kisame das auch wissen müsste.
 

Aber anscheinend hatte das für ihn kein Gewicht.
 

Erneut entkam Kakuzu ein grunzender Laut, während er ziellos und mit finsterer Miene durch die Gassen schritt.

Es war kalt. Es war dunkel. Und es regnete. Natürlich tat es das, dachte er sich zynisch und grinste wie ein Bekloppter.
 

Toll.
 

Wäre ja auch zu einfach gewesen, wenn er einen Schirm dabei gehabt hätte.

Der Regen durchnässte seinen Mantel, prasselte unablässig von oben auf ihn herab, tränkte seine Haare und lief ihm die Stirn hinab in die Augen.
 

Fabelhaft.
 

Pfützen hatten sich auf der unebenen Straße gebildet. Kakuzu machte sich nicht mal die Mühe ihnen auszuweichen, stapfte sogar absichtlich in welche hinein. Denn der Tag heute war lang gewesen. Es war, als hätte er keine einzige Sekunde die Kontrolle über irgendetwas gehabt und wäre nur von hier nach da herumgeschubst worden. Deswegen war es nun ein befreiendes Gefühl jemandem zu zeigen wer hier der Boss war. Und dabei war es scheißegal, dass es sich hierbei nur um harmlose Pfützen handelte und er von außen wohl aussah wie ein Trottel, der grundlos in Dreckwasser trampelte.
 

Das war doch fucking wunderbar.
 

Sein Handy vibrierte plötzlich in seiner Hosentasche. Er ignorierte es zunächst, doch als der Anrufer auch nach dem zweiten Versuch nicht aufgab, unterbrach er seinen Irrsinn und holte er es knurrend hervor. Das Display zeigte Kisame an, doch für Kakuzu las es sich Hurensohn und so schaltete er das Gerät kurzerhand aus.
 

Als er irgendwann genug hatte, suchte er die nächstbeste Bar auf und versuchte Kummer und Wut weiter in Alkohol zu ersäufen. Was leider nicht mehr so gut gelang, wie er schon beim zweiten Glas Whiskey feststellen musste. Es war als würde der Alkohol nicht mehr richtig Wirkung zeigen. Sein Kopf schwirrte ihm zwar wieder, doch das Gesöff vermochte es irgendwie nicht mehr seine Stimmung zu heben. Weshalb er auch die Lust am Trinken verlor.
 

Es herrschte reges Treiben in der Bar – angeregte Gespräche und euphorisches Gejohle war in dieser Samstagnacht von allen Seiten her zu hören. Alle waren in Feierlaune. Doch Kakuzu, durchnässt bis auf die Knochen, starrte bloß mit leerem Blick auf sein Glas. Er beobachtete wie die Eiswürfel in der dunklen Flüssigkeit hin und her schwappten und fühlte sich, trotz inmitten so vieler Leute, einsam.
 

Er schob das halb leere Glas von sich weg und dachte an Hidan.
 

Er dachte an ihre gemeinsame Zeit zurück. Zweifelsohne hatten sie sich oft gestritten, es war kaum ein Tag ohne Spannungen vergangen. Doch das war okay und irgendwie hatte das zu ihrem Miteinander dazugehört. Außerdem hatte es auch harmonische Momente zwischen ihnen gegeben.
 

Einmal hatte er Hidan aufwecken wollen und hatte sich ein schmunzeln nicht verkneifen können, als er den Jüngeren wie ein Kleinkind daliegend vorgefunden hatte. Angeschmiegt an sein Kissen, das er mit allen vieren umklammert hielt.

Er dachte an das geordnete Chaos, das der Jüngere stets hinter sich zurückließ und das Kakuzu so manches mal auf die Palme brachte und trotzdem irgendwo seinen Charme hatte. Es war ihm bis heute ein Rätsel, wie sich der Silberhaarige nur darin zurechtfand.

Er dachte daran, wie Hidan ihm einmal aus einem Alltagsgespräch heraus, seine Pläne für die Zukunft geschildert hatte. Dabei war auch ein paar mal das Wort Wir gefallen. Wie selbstverständlich hatte Hidan ihn mit einbezogen, als wäre ihm gar nicht erst in den Sinn gekommen, dass sich ihre Wege irgendwann mal trennen könnten.
 

Er dachte an die vielen male zurück, wo Hidan irgendwelches Geschirr von ihm kaputt gemacht hatte. Und an seine stetig raffinierteren Versuche, das vor ihm geheim zu halten. Kakuzu hatte es noch jedes mal herausgefunden und fuck… er vermisste Hidans geschockte Fresse, wann immer er ihn damit konfrontierte.
 

Innerhalb von Sekunden traf Kakuzu eine Entscheidung und nur wenige Minuten später saß er im Taxi.
 

Es war dumm – das war Kakuzu klar. Und vielleicht schnitt er sich damit ins eigene Fleisch, aber… er wollte Hidan jetzt einfach sehen.
 

Und als Kakuzu schließlich vor Hidans Tür stand und auf die Klingel drückte, verbannte er jeglichen Gedanken, der ihren Streit erneut aufrollen könnte, aus seinem Kopf. Ihre gegenwärtigen Differenzen waren gerade bedeutungslos.
 

Was zwischen ihnen vorgefallen war… es spielte keine Rolle, es war egal und doch gar nicht so schlimm, er würde es schon verkraften, redete er sich ein. Er wiederholte es in seinem Kopf wie ein Mantra. So oft bis er sich sicher war, dass er Hidan sogar das Fremdpoppen verzeihen könnte.
 

Als die Tür endlich aufging und er den Jüngeren im Rahmen stehen sah, dünkte es Kakuzu, dass es sich noch nie so sehr gelohnt hatte, Geld für ein Taxi auszugeben.
 

Überrascht starrte Hidan ihn an. Dann riss er unvermittelt und beinahe schon schockiert die Augen auf und schlug die Tür mit einem lauten Knall einfach wieder zu. Kakuzu blinzelte irritiert. Eigentlich hatte er sich eine etwas andere Reaktion erhofft – auch wenn er zugeben musste, dass er nicht sonderlich darüber nachgedacht hatte, wie diese ausfallen könnte.
 

Er wartete. Und weigerte zu glauben, dass das alles gewesen sein soll.
 

Doch nichts geschah. Es blieb still und die Tür verschlossen. Und als er schon mit dem Gedanken spielte, härtere Geschütze aufzufahren und Hidan mit ein bisschen Nachdruck dazu zu bringen sich mit ihm zu befassen – er war schließlich nicht hergekommen, um so schnell wieder aufzugeben – wurde die Tür auf einmal schlagartig wieder aufgerissen.
 

«Fuck, w-was machst du denn hier?», stammelte Hidan mit gedämpfter Stimme, bevor er zu Kakuzu auf den Flur hinaus trat und die Tür leise hinter sich schloss.
 

Das war nun schon das zweite mal an diesem Abend dass Kakuzu so begrüßt wurde. Doch was viel wichtiger war – und ihm direkt ins Auge stach – Hidans Erscheinung. Mit gerunzelter Stirn musterte Kakuzu die Aufmachung des Jüngeren und fragte sich, ob er womöglich Hidans verloren geglaubtem Zwilling gegenüberstand.
 

Einem Zwilling der aus einem Modemagazin von perfekten Schwiegersöhnen entsprungen war.
 

Kakuzu wollte damit nicht sagen, dass Hidan keinen Geschmack hatte oder er seine übliche Kleiderwahl scheiße fand. Nur war der Kontrast von seiner Erscheinung gerade, zu wie Kakuzu ihn sonst zu Gesicht bekam, wie Tag und Nacht. In Hemd und Anzugshose hatte er den Jüngeren nun wirklich noch nie gesehen.

Er sah zweifelsohne schick aus. Aber irgendwie passte es nicht zu Hidan und seinem rebellischen Charakter. Kakuzu konnte sich nicht vorstellen, dass Hidan das freiwillig angezogen hatte, wo dieser doch sonst immer die Nase rümpfte über seine Bonzenaufmachung, wenn Kakuzu beruflich einen Gerichtstermin hatte und dementsprechend gekleidet war.
 

Das ergab für ihn einfach keinen Sinn.
 

«Das ist jetzt echt ein beschissener Zeitpunkt. Außerdem rede ich nicht mit dir, bis du mir meinen Briefkasten ersetzt hast. Und ne Entschuldigung wär' auch angebracht, findest du nicht? Schon krass, immer allen voll die korrekte Person vorspielen, und dann demolierst du einfach meinen scheiß Briefkasten. Das ist Sachbeschädigung, weisst du schon, ne? Ich könnte Sie anzeigen, Mr. oberkorrekter Anwalt. Und was geht eigentlich mit dir… siehst voll fertig aus. Hast du jemanden abgemurkst oder was ist das Rote da an deinem Kragen? Sieht aus wie Blut. Blut oder… nein, ach, vergiss es! Ich will es gar nicht wissen. Tze, als ob mich so was interessieren würde! Warum bist du–»
 

«Hidan», unterbrach Kakuzu ihn genervt und kontroverserweise mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

Kakuzu konnte es sich nicht erklären – oder vielleicht war er inzwischen einfach mental schon so zerpflückt – aber Hidans Gemecker machte ihn irgendwie glücklich. Es tat einfach gut den anderen zu sehen und reden zu hören.
 

Auch wenn es nervige Scheiße war.
 

«Warum bist du überhaupt hergekommen? Verpiss dich am besten gleich wieder. Na los! Das kannst du doch so gut. Hast es letztens auch wieder bewiesen. Das hast du echt drauf, hm? Wenn dir was nicht passt oder es schwierig wird, machst du dicht, nimmst die Beine in die Hand und tschüss.»
 

«Hidan.»
 

«Und mich dann einfach mit nem schlechten Gewissen sitzen lassen. Pfff! Obwohl die ganze Kacke ja auf deinen Mist gewachsen ist! Hättest danach ruhig was von dir hören lassen können… und auf meine scheiß Nachrichten antworten! ich dachte echt schon, dass du heimlich den Löffel abgegeben hast. Man, das ist echt so unfair, weil–»
 

«Hidan!»
 

Der Silberhaarige hielt endlich die Klappe und sah fragend zu ihm auf. Das gab Kakuzu die Chance seinem inneren Impuls zu folgen, Hidan ohne Vorwarnung zu packen und zu küssen. Die Berührung dauerte kaum eine Sekunde, da riss sich der Jüngere mit geweiteten Augen wieder von ihm los. Es klatschte einmal laut, als ihm Hidan tatsächlich auch noch eine knallte.
 

Kakuzus Miene blieb unbewegt – seine Wange brannte zwar und unter anderen Umständen hätte er Hidan dafür den Hals umgedreht – doch er war noch zu sehr in seinem Hochgefühl gefangen und so war die Sache binnen eines Wimpernschlags vergessen.

Der Jüngere hingegen wurde ganz blass und schien mehr erschrocken über seine eigene Tat als Kakuzu es war. Konfus stammelte er erst noch etwas Unverständliches vor sich hin, ehe er sich dann doch seiner Wut hingab.
 

«Hat's dir ins Hirn geschissen oder was?!», setzte er mit seiner lieblichen Stimme an. «Nach all der Scheiße kommst du mir jetzt plötzlich so an und–»
 

Die restlichen Worte gingen in einem weiteren Kuss unter.
 

Mit festem Griff umfasste Kakuzu den Kiefer des Jüngeren, damit dieser sich nicht gleich wieder von ihm lösen konnte. Hidans Lippen bebten leicht, während Kakuzu ihn harsch und begierig versuchte zum Mitmachen zu animieren.

Hidan schmeckte gut. So gut. Kakuzu war bisher gar nie richtig bewusst gewesen, wie gut es sich anfühlte ihn zu küssen. Hidan durfte sich nicht schon wieder losreißen. Er sollte stillhalten. Er sollte mitmachen. Er sollte es auch wollen. Er sollte sein sein.
 

Kakuzu wollte ihn die ganze Nacht einfach nur küssen.
 

Hidan wehrte sich erst noch gegen ihn – wenn auch eher halbherzig – ehe er sich ihm schließlich ergab. Kakuzu lockerte seinen Griff daraufhin etwas, auf Erwiderung hoffte er jedoch vergebens. Wie eine Puppe ließ der Jüngere es über sich ergehen und das verpasste Kakuzus angeschwollene Leidenschaft einen ziemlichen Dämpfer. Der so süße Geschmack in seinem Mund verblasste zu einer fahlen Note.
 

Langsam löste er den Kuss, nur um Hidans Gesicht mit beiden Händen zu umschließen. Mit den Fingern der rechten fuhr er Hidans Kiefer entlang nach hinten in dessen Nacken und streichelte dort über die feinen Babyhärchen am Ansatz.
 

Kakuzu hätte zu gerne gewusst, was Hidan gerade dachte. Dieser wirkte unschlüssig. Als würde er einen inneren Kampf ausfechten, so zerknirscht wie er Kakuzus Blick auswich, stattdessen an ihm vorbei ins Leere starrte und dabei auf seiner Unterlippe herum kaute.
 

Kakuzu wollte etwas sagen, doch er wusste einfach nicht was.
 

Also zog er den Jüngeren an sich heran und schloss ihn in seine Arme. Hidan versteifte sich leicht, worauf Kakuzu ihn noch etwas fester an seinen Körper drückte. Er strich ihm sachte übers Haar und schmiegte sich an ihn, genoss das Gefühl den Kleinen bei sich zu haben in dieser kalten, elendigen Nacht. Die direkte Nähe des Jüngeren beruhigte sein aufgewühltes Gemüt und spendete ihm auch irgendwie Trost.

Er spürte Hidans Atem an seiner Halsbeuge und wie sich der andere auch allmählich in seinen Armen entspannte. Leicht lehnte der Jüngere sich gegen ihn und erwiderte nun auch zögerlich die Umarmung.
 

Kakuzu atmete erleichtert aus. Noch ein Rückschlag heute Nacht hätte er gerade nur schwer verkraftet.
 

Kurz verweilten sie so, ehe sich Kakuzu ein Stück löste, um Blickkontakt suchen zu können. Hidan vermied ihn dieses mal nicht, begegnete ihm mit undeutbarer Miene.
 

Kakuzu legte eine Hand auf seine Wange und vereinte erneut ihre Lippen miteinander. Doch dieses mal sanft und behutsam. Kakuzu küsste ihn auf die Wange, das Kinn, die Stirn, ehe er ihm erneut einen federleichten Kuss auf die Lippen hauchte, ihm mit den Daumen über die Wange strich.

Auch der leicht verdutzte Blick des Jüngeren brachte Kakuzu nicht davon ab, ihn weiter mit Küssen zu bedecken.
 

«Was tust du…?»
 

«Ich küsse dich», flüsterte er gegen die Lippen des anderen, ehe er Hidan erneut küsste.
 

«Ist was passiert? Weil... so bist du sonst nie. Das macht mir fast schon Angst.»
 

Kakuzu ließ das unbeantwortet und fuhr einfach mit seinen Berührungen fort. Er küsste Hidan auf den Mundwinkel, schmiegte seine eigene Wange an Hidans und strich ihm die störenden Haare weg, die dem Jüngeren vorne ins Gesicht fielen. Aus welchem Grund auch immer – Hidan hatte heute davon abgesehen, sie sich mit Gel zurück zu kämmen.
 

«Du hast getrunken», stellte der Jüngere nüchtern fest.
 

Kakuzu zögerte nur kurz.

«Ja.»
 

Er wollte zwar nicht, dass Hidan dachte, dass er nur hier wäre weil er getrunken hatte. Doch das war wohl leider ein Fakt – in nüchternem Zustand würde er nicht hier stehen. Er wäre noch immer zu gekränkt gewesen und zu stolz, um auch nur einen Schritt auf Hidan zuzugehen.
 

Hidan atmete hörbar aus und biss sich auf die Lippe.
 

«Es ist kein Blut, oder?»
 

Kakuzu spürte ein Zupfen an seinem Kragen und zögerte erneut mit seiner Antwort.

Hidan war nicht dumm und ahnte bestimmt schon was es war, wenn kein Blut. Am liebsten hätte Kakuzu ja gelogen, nur… so war er nunmal nicht.
 

«…nein.»
 

Die folgende Stille war unangenehm lang.
 

Hidan senkte halb die Lider, während ein dunkler Schatten über sein Gesicht huschte. Er versuchte sich Kakuzu zu entziehen, doch dieser ließ ihn nicht.
 

«Warum bist du hier, Kakuzu?», fragte Hidan nun mit deutlicher Kälte in der Stimme.
 

«Ich wollte dich sehen.»
 

Hidans Brauen zogen sich zusammen.

«Das ist leider der falsche Zeitpunkt.»
 

«Es ist nicht so wie du denkst. Es war nichts... Richtiges», rutschte es Kakuzu raus, auch wenn er wusste, dass das unangenehm für ihn werde könnte, sollte Hidan Einzelheiten verlangen.
 

«Das soll ich dir glauben?», meinte Hidan schroff und schaffte es nun doch sich Kakuzu zu entziehen. «Und was soll das überhaupt heißen nichts Richtiges
 

«Sie war ein Niemand. Und mir ist mittendrin klar geworden, dass ich sie gar nicht will. Verstehst du?»
 

«Nicht ganz. Was genau–»
 

«Ist das wichtig?»
 

Als Hidan daraufhin inne hielt, jedoch skeptisch die Lider senkte, fuhr Kakuzu schnell fort: «Wichtig ist doch nur dass ich hier bin. Bei dir. Und bei niemand anderem. Obwohl ich gewusst habe, dass ich es mir damit nicht einfach mache. Sagt das nicht genug aus? Ich hätte den Abend auch unkompliziert verbringen können. Trotzdem bin ich hier, weil...»
 

«Weil?»
 

«Du mir gefehlt hast.»
 

Gott, das hörte sich schlimm an…
 

Dennoch war es Kakuzu leichter über die Lippen gekommen, als er es für möglich gehalten hätte. Der Alkohol leistete einen erheblichen Beitrag daran, dass er gerade so offen sprechen konnte. Und vielleicht hatte das auch etwas Gutes.

Kakuzu hoffte nur, dass Hidan im klaren darüber war, wie sehr er sich emotional preisgab und wie weit er sich damit gerade aus dem Fenster lehnte. Für die Meisten war das bestimmt nicht der Rede wert. Aber was für die Meisten ein hundert Meter Spaziergang war, war für Kakuzu ein fünf Kilometer Sprint. Und genauso raste auch sein Puls.
 

«Du solltest gehen. Ich kann grad nicht.»
 

Wow.
 

«...»
 

Da war so ein seltsames Stechen in Kakuzus Brust. Hoffentlich nur eine Herzattacke. Denn er fühlte sich gerade als würde er einen elendigen Tod sterben.
 

«Verstehe», sagte Kakuzu tonlos.
 

Er trat von Hidan weg, wandte sich zum Gehen und schluckte den Schmerz und den aufkommenden Selbsthass mit Gewalt runter, bis er sich innerlich nur noch taub anfühlte.
 

«Warte!»
 

Kakuzu war schon an der Tür angelangt, drehte sich jedoch noch mal zu Hidan um.
 

«Du hast das falsch verstanden... ich... ich bin froh, dass du hier bist. Aber dafür ist der Zeitpunkt gerade unpassend, verstehst du? Fuck, ich kann jetzt gerade nicht. Lass uns das ein andermal klären. Ich schreib dir, ok?»
 

Kakuzus Erleichterung währte nur kurz. Was hatte Hidan denn so wichtiges zu tun, dass er ihn dafür fortschickte? Um diese Uhrzeit?

Ein ungutes Gefühl machte sich in Kakuzu breit. Dann bemerkte er das nervöse Zucken Hidans Mundwinkel und wie dieser nicht zum ersten mal verstohlen zur verschlossenen Wohnungstür rüber linste.
 

Und da ging ihm alles auf.
 

«Er ist bei dir, hab ich recht?»
 

Hidans Reaktion als er ihm die Tür aufmachte. Warum er ihn nicht reingebeten hatte. Seine untypische Aufmachung…
 

«Was?! NEIN!»
 

Kakuzu glaubte ihm nicht.
 

Der Jüngere hatte sich so schick angezogen um jemanden zu beeindrucken. Für Kakuzu hatte er das nie getan. Und er wollte sich nicht ausdenken, bei was er die beiden womöglich gerade störte.
 

Das war zu viel.
 

In diesem Moment klinkte sich in Kakuzus Kopf etwas aus. Sein Puls beschleunigte sich und sein Atem ging plötzlich ganz schwer, als er binnen weniger Sekunden so sehr von Hass erfüllt war, dass er denjenigen – wer auch immer sich in Hidans Wohnung befand – umbringen würde.
 

«Was hast du vor?», fragte Hidan alarmiert, als Kakuzu auf die Wohnungstür zuhielt.
 

Der Jüngere warf sich dazwischen, gerade als Kakuzu die Tür aufreißen wollte. Er versperrte ihm den Zugang zur Wohnung, stemmte sich gegen das dunkle Holz, so dass Kakuzu diese nicht mehr aufbekam.
 

«Geh da nicht rein!», schrie Hidan. Wütend. Entsetzt. Der Panik nahe.
 

Kakuzu packte ihn grob am Oberarm, quetschte ihn schraubstockartig in seinem Griff, ehe er Hidan brutal zur Seite schleuderte. Er war bereits in die Wohnung verschwunden, als der Jüngere gegen die Wand knallte und schmerzerfüllt aufkeuchte.
 

Etwas ging krachend zu Boden, als Kakuzu den Flur entlang polterte, während seine Augen alles abscannten. Hidans Wohnung war nicht groß. Das Wohnzimmer und die Küche waren leer, also blieb nur noch ein Raum übrig.
 

Das Schlafzimmer.
 

Adrenalin jagte durch Kakuzus Venen und sein ganzer Körper bebte aus purer Anspannung. Was würde er gleich vorfinden? Seine Hand lag bereits auf der Klinke und mit einem schnellen Ruck zog er die Tür zum Schlafzimmer auf. Im Inneren empfing ihn jedoch nur gähnende Leere – von Hidans normalem Chaos mal abgesehen. Hier war niemand. Auf den ersten Blick jedenfalls. Doch ihn konnte man nicht verarschen. Womöglich hatte man ihm im Flur gehört und sich irgendwo Deckung gesucht?
 

Die Frage war nur: Wo versteckte sich die kleine Made?
 

Kakuzu ging zum Kleiderschrank und öffnete die Schiebetür. Er wühlte sich durch den chaotischen Berg an Kleidung – der ihm beinahe entgegen fiel – und schob die paar wenigen Jacken und Hemden zur Seite, die auf einem Bügel aufgehängt worden waren. Er suchte. Nach einem Körper. Einem, den er gleich in Stücke reißen würde, sollte er ihn in die Finger bekommen.
 

Grollend bretterte er die Schranktür zu, drehte sich mit finsterer Miene um und lauschte wie ein Raubtier, das seine Beute durch das kleinste Geräusch aufzuspüren versuchte. Er sah in jede Ecke des Zimmers, in die sich jemand hätte verstecken können. Er schaute sogar unter dem scheiß Bett nach.
 

«Wo ist er?!», brüllte Kakuzu außer sich, nachdem er das ganze Zimmer abgesucht hatte.
 

Er wandte sich um, als er im Augenwinkel Hidan wahrnahm. Der Jüngere stand im Rahmen und starrte ihn mit aufgerissenen Augen an. Blut lief ihm aus einer Platzwunde die Schläfe hinab.

Als Hidan nichts erwiderte ging Kakuzu langsam auf ihn zu.
 

«Ich habe gefragt wo er ist. Antworte!»
 

Nur langsam taute Hidan aus seiner Schockstarre auf, als müsste er das Geschehene erst noch erfassen. Dann zogen sich seine Brauen zornig zusammen, ehe er entschieden den Kopf schüttelte.
 

«Verlass sofort meine Wohnung, bevor du noch mehr Schaden anrichtest. Du hast sie ja nicht mehr alle!»
 

Daraufhin packte Kakuzu den Jüngeren grob am Kragen seines ach so schicken Hemdes und zog ihn gefährlich nah zu sich heran.
 

«Sag mir wo er ist. Ich werde erst gehen, nachdem sich der Feigling gezeigt hat. Warum traut er sich nicht raus, hm? Und warum versteckst du ihn vor mir? Liegt dir was an ihm?»
 

«Es ist nicht so wie du denkst du verdammter Bastard!», meinte Hidan energisch, aber immer noch in gedämpfter Lautstärke. Er versuchte sich aus Kakuzus Griff herauszuwinden – ohne Erfolg. «Jetzt glaub mir doch mal. Ich kann dir das erklären, aber nicht jetzt! Auch wenn ich dir eigentlich nichts schuldig bin, erst recht nicht wenn du so abdrehst. Du musst jetzt gehen, und zwar sofort!»
 

Kakuzu schnaubte verachtend, während sich sein Griff an Hidans Kragen noch etwas festigte.
 

Der Jüngere konnte sich da herausreden so viel er wollte, es änderte nichts daran, dass Kakuzu ihm nicht glaubte. Sein Kopf hatte schon lange vorher auf Durchzug geschaltet. Außerdem hatte er mittlerweile ein Level erreicht, in dem verbales Zutun ihn nicht mehr erreichen würde.
 

Seine Knöchel traten schon weiß hervor, so sehr krampfte sich seine Hand in den Stoff von Hidans Hemd. Dieser schaute ihn trotzig aber auch bittend an. Wie heuchlerisch. Kakuzu hätte kotzen können. Hidan war nicht so unschuldig wie er vorgab zu sein. Die Sache würde sich nicht aufklären lassen, es war kein Missverständnis wie der Jüngere ihn glauben lassen wollte. Kakuzu hatte die Panik in seinen Augen gesehen – und das hatte ausgereicht. Er brauchte keine fragwürdige Erklärung, keine fantasiereiche Ausrede.
 

Hidan hatte sich doch schon lange von ihm losgesagt. Er vögelte lieber mit anderen rum. Wer weiß, vielleicht war er schon längst mit einem anderen zusammen. Und schonte Kakuzu aus Mitleid. Er hielt ihn noch ein wenig hin, bis er diese Trennung besser verkraften würde. Bis sich diese Liebschaft im Sande verlaufen und somit ein unscheinbares Ende finden würde.
 

Oh, wie edelmütig von dir, Hidan.
 

Es gab keine Worte die beschreiben konnten wie dumm sich Kakuzu vorkam, Hidan nur Minuten zuvor noch sein scheiß Herz ausgeschüttet zu haben.
 

Er ließ vom Jüngeren ab und lächelte.
 

«Wo ist er?», fragte er, scheinbar die Ruhe selbst. Doch eine Antwort wartete er gar nicht erst ab.
 

Denn im nächsten Augenblick schoss seine Hand vor und umschloss Hidans Kehle. Fest und unnachgiebig drückte er zu. Der Jüngere riss erschrocken die Augen auf, als Kakuzu ihn – von Kräften erfüllt die irgendwo in ihm geschlummert hatten – an der Kehle anhob. Hidan keuchte und streckte sich, musste auf die Zehenspitzen gehen, um sich so wenigstens noch am Boden abstützen zu können. Er krallte sich in Kakuzus Hand, versuchte diese von seinem Hals wegzubekommen.
 

Kakuzu schüttelte ihn einmal kräftig durch und schmetterte den Jüngeren mit dem Rücken voran gegen das dunkle Holz. Wie eine Puppe war Hidan nun an die Wand genagelt.
 

«Ich wiederhole mich nur sehr ungern», raunte Kakuzu ungeduldig.
 

Doch von Hidan kam nichts. Nur zischende, keuchende Laute. Finster starrte Kakuzu den Jüngeren an, der zappelnd und eingeschüchtert – ja beinahe ängstlich – in seinem Griff hing und kein Wort herausbrachte. Dann war da plötzlich ein Geräusch, ein Rauschen, dessen Ursprung rechts von ihnen lag. Wie in Trance drehte Kakuzu seinen Kopf in Richtung Flur, sein Blick haftete sich auf die Tür die zur Toilette führte, der Raum gegenüber Hidans Schlafzimmer. Der einzige Ort den er nicht abgesucht hatte.
 

Die Spülung. Jemand hatte soeben die Spülung betätigt. Nur Sekunden danach ging die Tür auf. Doch zum Vorschein kam nicht das, was Kakuzu erwartet hatte.
 

«Was geht hier vor sich, Hidan? Was hat dieser Lärm–»
 

Die Person hielt abrupt inne, als ihr Blick auf sie beide fiel. Irritiert starrte sie Kakuzu an, der genauso blöd zurück glotzte. Unbewusst lockerte er seinen Griff um Hidans Kehle ein wenig, wodurch der Jüngere etwas besser atmen konnte und sogleich nach Luft schnappte. Kakuzus Wut und Frustration war ins Stocken geraten und zurück blieb nur Verwirrung.
 

Eine Frau.
 

Eine… alte Frau. Relativ. Er schätzte sie auf Anfang, Mitte Vierzig. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters hatte sie sich gut gehalten, die Blondine mit den kurzen, schulterlangen Haaren war attraktiv. Nur der strenge Zug um ihre Mundwinkel tat dem einen kleinen Abbruch. Auch modisch schien sie mit der heutigen Zeit mitgehalten zu haben. Sie trug eine Bluse mit dunkelblauem Stiftrock, dazu cremefarbene Strümpfe. Ihr Erscheinungsbild war selbstbewusst, elegant und dennoch irgendwie hart. Sie war wie aus dem Ei gepellt und von der Kleidung her so perfekt auf Hidan abgestimmt, dass Kakuzu beinahe würgen musste.
 

«Ich glaub es nicht», brachte Kakuzu nur tonlos hervor. «Du vögelst ne Milf?»
 

Was sollte er denn jetzt tun? Er schlug keine Frauen. Auch wenn er es gerade nur zu gerne tun würde. Einfach nur, um sich irgendwie abzureagieren.
 

«Wie bitte?», kam es entrüstet von der namenlosen Hure.
 

Doch Kakuzu ignorierte es. Die Alte hatte hier gar nichts zu melden. Stattdessen wandte er sich wieder Hidan zu. Diesem war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen, während sich ein verzweifelter Ausdruck in seine Züge geschlichen hatte.
 

«Was ist das für ne perverse Scheiße?», spie Kakuzu angewidert aus. «Was ist sie? So was wie ne Domina? Eine, die dir den Arsch versohlt? Ich war dir nicht mehr genug, huh? Konnte dich nicht mehr richtig befriedigen. Musstest dir wen anderes suchen, der deine kranken Spiele mitmacht! Nimmt sie dich auch schön hart ran? Sag es mir, Hidan, ich muss es aus deinem Mund hören!»
 

Verbissen starrte er den Jüngeren an, wartete ungeduldig auf eine Antwort. Die er wohl nicht so schnell bekommen sollte, denn Hidan war mit jedem weiteren Wort, das gefallen war, mehr und mehr in sich zusammengesunken. Der Blick des Jüngeren lag zwar direkt auf ihm, doch er schien ihn gar nicht wahrzunehmen. Als hätte sich sein Geist aus seinem Körper gelöst und wäre so aus der Situation entflohen.
 

Tränen sammelten sich in Hidans Augen, die Kakuzu jedoch nicht erweichen konnten.
 

Er konnte es noch immer nicht glauben. Eine Frau. Eine Milf. Hidan hatte sich tatsächlich eine scheiß Domina angeschafft. Wenn man dem heutzutage denn noch so sagte.
 

Wow. Das war so… erniedrigend.
 

War er in Hidans Augen denn so lasch geworden? So lasch, dass er sich dem eigentlich starken Geschlecht abwandte? Und ihn durch eine Frau ersetzte? Kakuzu fühlte sich in seiner Männlichkeit angegriffen. Nun wünschte er sich doch, dass er einen anderen Mann – und keine scheiß Oma – vorgefunden hätte. Das wäre erträglicher gewesen.
 

Schon länger hatte Kakuzu ja die Befürchtung gehabt, dass irgendwann mal der Zeitpunkt kommen könnte, dass er Hidan nicht mehr ausreichte. Dass er dem Jüngeren nicht mehr das geben konnte was dieser brauchte. Dabei war er doch immer offen geblieben – seine Toleranzgrenze hatte sich Stück für Stück hochgeschraubt. Doch dann hatte der Jüngere mit seinen Wünschen und Ideen, die immer wilder wurden, des öfteren seine Grenze überschritten. Hidan hatte einen Weg eingeschlagen, auf dem Kakuzu ihm nicht folgen konnte.
 

Und nun stand er vor dem unvermeidbaren Ergebnis dessen.
 

«Verdammte Scheiße, ich dachte du seist schwul!», fuhr Kakuzu auf, da er es immer noch nicht fassen konnte.
 

«Ich glaube ich muss mich setzen», kam es von der Tante, die sich am Türrahmen festhielt, als wäre ihr schwindelig.
 

Hidan rührte sich noch immer nicht. Gequält hatte er die Brauen zusammengezogen, während sich die ersten stummen Tränen ihren Weg über seine Wangen bahnten.
 

«Sag was!», herrschte Kakuzu ihn an.
 

Noch immer kochend vor Wut festigte Kakuzu den Griff um Hidans Kehle ein Stück, schüttelte den Jüngeren ein wenig, was diesen aufschluchzen ließ. Warum sagte Hidan nichts? Warum gab man ihm keine verfluchte Antwort?!
 

«Na hören Sie mal!», kam es scharf von der Frau, die sich wohl einigermaßen gefangen hatte. «Ich weiß zwar nicht wer Sie sind und es ist mir auch gleich. Aber lassen Sie augenblicklich meinen Sohn los oder ich rufe die Polizei.»
 

Kakuzu hatte der Schlampe sagen wollen, dass sie gefälligst die Fresse halten sollte und sie das nichts anginge. Doch dann sickerten die Worte und dessen Bedeutung in seinen Schädel. Langsam. Und unwiderruflich. Erst glaubte Kakuzu noch er hätte sich verhört. Dann an einen schlechten Scherz. Bis ihm schließlich das Herz in die Hosen rutschte und in seinem Kopf nur noch ein einziges Wort vorherrschte:
 

Was?
 

Es war als würden sich eisige Hände durch seine Gedärme wühlen, kalter Schweiß klebte ihm im Nacken, während sich sein Mund staubtrocken anfühlte. Wie in Trance drehte er seinen Kopf zu Hidan, der seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, am liebsten gerade ganz wo anders sein wollte.

Kakuzu spürte wie Hidans Körper bebte. Er gab ihn frei und machte einen Schritt von ihm weg. Der Jüngere schien sich stark zusammenzureißen, sich nicht dem Heulkrampf hinzugeben, der sich gerade anbahnte.
 

Was?!
 

«Sie ist deine Mutter?», fragte Kakuzu im Flüsterton.
 

Gottverdammt! Das durfte einfach nicht wahr sein.
 

Er wollte Hidan ja nichts vorwerfen, weil der Jüngere gerade echt einen mitleidserregenden Anblick abgab und Kakuzu auch bewusst war, dass das Ganze hier eigentlich seine Schuld war. Doch warum zum Teufel hatte der Jüngere nicht vorher was gesagt? Ihn wenigstens irgendwie vorgewarnt oder so? Hätte ja nur ein kurzes, kack Wort sein können!
 

Himmel, er hatte Hidans Mutter eine Milf genannt.
 

«Hidan», krächzte die Blondine. «Sag mir bitte, dass es dafür eine rationale Erklärung gibt.»
 

Hidans Blick richtete sich beschämt zu Boden. Der Jüngere blieb stumm, versuchte nicht mal sich zu verteidigen und schien alles Weitere still leidend ertragen zu wollen. Er hatte hatte schon vor einer Weile aufgegeben.

Es versetzte Kakuzu einen Stich – der Jüngere wirkte wie ein geschlagener Hund. Seine sonst kämpferische, großmaulige Natur war wie vom Erdboden verschluckt. Was war da los? Er ließ sich doch sonst auch nicht so schnell unterkriegen. War die Gegenwart seiner Mutter Grund für sein passives, ja fast schon unterwürfiges Verhalten? Wo war nur Hidans Temperament hin?
 

«Warum behauptet dieser Mann diese Dinge über dich?»
 

Für die Alte schien eine Welt zusammenzubrechen, was Kakuzu etwas übertrieben fand. Klar, er hatte hier ein bisschen Krach veranstaltet und Hidan etwas grob angepackt, sie eine Milf genannt und dann noch was über das Sexleben ihres Sohnes ausgeplaudert. Etwas, das bestimmt keine Mutter von ihrem Sohn wissen wollte. Aber hey, das sollte doch nach dem anfänglichen Schock nicht mehr ganz so schlimm sein, oder?
 

«Dass du... dass du mit… mit Männern–», sie schnappte nach Luft. «…verkehren würdest? Und diese anderen... Abartigkeiten. So habe ich dich nicht erzogen. Wenn das dein Vater erfährt, wird es ihm das Herz brechen.»
 

Oh.
 

Kakuzu schluckte hart, als ihm so langsam aufging, was das Problem war. Hidan hatte sich vor seiner Familie noch gar nicht geoutet.

Hidan ging doch immer so offen mit seiner Sexualität um, da wäre es Kakuzu niemals in den Sinn gekommen, dass er sein Outing noch nicht gehabt hatte. Doch nach der Reaktion der Blondine hatte Kakuzu so eine Ahnung, warum Hidan seiner Familie bisher verschwiegen hatte, dass er schwul war. Von Toleranz und Akzeptanz war hier kein Fünkchen zu spüren. Die Äußerungen seiner Mutter grenzten ja schon fast an Homophobie.
 

Kakuzu überlegte was er nur tun konnte, um die Situation zu entschärfen, am besten so, dass Hidan ihn nachher nicht hasste. Doch da haute die Alte schon den nächsten Bänger raus.
 

«Du bist eine Schande für die Familie.»
 

Hidans Ausdruck wurde noch eine Spur leidender und Kakuzu fehlten einfach nur noch die Worte. Das alles tat ihm leid. Was hatte er nur angerichtet?
 

«Ich... ich brauch einen Drink», sagte Hidans Mutter mehr zu sich selbst, ehe sie das Zimmer verließ und Richtung Küche verschwand.
 

Betretene Stille blieb zurück, die nur einmal durch ein kurzes Schniefen durchbrochen wurde.
 

Kakuzu fühlte sich in dieser, nun doch eher familiären Angelegenheit, fehl am Platz. Aber einfach zu verschwinden konnte er nicht bringen. Schließlich war er für diese Misere hier verantwortlich und da konnte er Hidan nun nicht einfach im stich lassen. Auch wenn er sich sehr gut vorstellen konnte, dass Hidans Mutter ihn hier nicht haben wollte.
 

Und was Hidan selbst anging...
 

«Hidan, ich... das...», fing er an und machte einen Schritt auf den Jüngeren zu.
 

Dieser schniefte erneut, hob den Blick und sah ihn an. Seine Augen waren gerötet, die Tränen jedoch mittlerweile versiegt.

Als Kakuzu vorsichtig die Hand nach ihm ausstreckte, um ihn an der Schulter zu berühren, ihn zu trösten, ihn vielleicht auch in den Arm zu nehmen, wurde seine Hand vom Jüngeren zornig weggeschlagen.
 

«Es tut mir leid, Hidan. Ich hatte keine Ahnung.»
 

Hidan schnaubte nur verachtend, wischte sich wütend mit dem Handrücken über die Augen.
 

«Woher hätte ich das wissen sollen? Du hast mich ja auch nicht aufgeklärt. Ein Wort hätte vermutlich schon gereicht.»
 

Kakuzu erkannte seinen Fehler erst, als es schon zu spät war.
 

«Ist das dein Ernst? Jetzt versuchst du die Schuld auf mich abzuwälzen?!», fuhr Hidan fassungslos auf. «Du bist so ein egoistischer, ignoranter Bastard. Du denkst nur an dich und trampelst auf allem und jedem rum, ohne dabei auch nur ein einziges mal an andere zu denken. So lange du bekommst was du willst, spielt es für dich keine Rolle wie es anderen geht, oder?»
 

«Ich sagte doch, dass es mir leid tut. Es lag nicht im meiner Absicht dir zu schaden.»
 

Langsam schüttelte Hidan den Kopf, als würde er damit verdeutlichen, dass Kakuzu noch immer nicht verstand, worum es ihm ging.
 

«Ach ja?», fragte er dann, bevor er sich wie zum Beweis an die blutende Schläfe fasste.
 

Kakuzu verstand den Wink, realisierte nun erst, was er getan hatte. Scham kam in ihm auf – er hatte die Kontrolle verloren und war durchgedreht. Wie ein wildgewordener Gorilla hatte er sich aufgeführt. Blind und taub für alles um sich herum, gefangen in seiner eigenen, falschen Wirklichkeit.

Für ihn war es so unumstritten klar gewesen, dass er in Hidans Wohnung auf dessen neuen Liebhaber treffen würde. Obwohl es dafür in Wahrheit nur Indizien gegeben hatte und keine Beweise, hatte er sich so sehr darauf eingeschossen, dass etwas anderes – fernab von seiner Realität – gar nicht erst in Frage gekommen war.
 

«Weißt du was? Es reicht mir… ich hab genug. Auf so nen Tyrann wie dich kann ich verdammt noch mal verzichten!»
 

Er hatte Hidan nicht nur übergangen, ihm nicht geglaubt, sondern auch unfreiwillig geoutet. Er hatte ihm emotionalen Stress ausgesetzt, hatte in seine Familienangelegenheiten hinein gegrätscht und ihn auch noch körperlich verletzt.
 

Kakuzu bekam dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf. Wie Hidan in seinem Griff hing und ihn ansah. Der Jüngere hatte Angst gehabt. Vor ihm. Er hatte sich vor ihm gefürchtet.
 

Hidan lachte freudlos auf.
 

«Ich kann mir echt nicht erklären woher deine Eifersucht kommt. Vermutlich bilde ich mir das nur ein, denn für dich bin ich doch nur ein Stück Fleisch, in das du nach belieben deinen Schwanz reinstecken kannst. Und wenn es mal aufmuckt oder nicht mitspielt wie du es gerne hättest, schaltest du sofort um und gaukelst mir wieder was vor. Mit Brotkrumen lockst du mich weit genug, bis die Falle wieder zuschnappt! Das ist so widerlich, ich könnte kotzen! Und ich Vollidiot fall auch noch immer wieder drauf rein! Du bist ein berechnendes Monster und schlimmer als Gift.»
 

Mit starrem Blick sah er Hidan an, welcher ihn zornig anfunkelte. Kakuzu fehlten die Worte. Natürlich war Hidan wütend auf ihn, drehte vielleicht auch grade ein wenig ab. Vollkommen verständlich. Und nach Kakuzus eigenem Verhalten vorhin – er hatte sich ja auch nicht grad vorbildlich benommen – hatte der Jüngere auch alles Recht dazu. Er sollte Hidans Äußerungen nicht für bare Münze nehmen, doch irgendwie blieben die Zweifel hartnäckig. Was wenn Hidan ihn tatsächlich so sah wie eben beschrieben?
 

«Das meinst du nicht so.»
 

Eine Weile blieb es still, während Hidan nur emotionslos in die Luft starrte. Dann atmete er einmal tief ein und aus.
 

«Ich will nicht mehr. Ich bin müde. Bitte geh jetzt und… lass mich einfach zufrieden.»
 

Damit schien alles gesagt zu sein. Der Jüngere würdigte ihm daraufhin keines Blickes mehr und schien nur darauf zu warten, dass er die Wohnung verließ.
 

Wenn Kakuzu dachte, dass er davor schon seinen emotionalen Tiefpunkt erreicht hatte, hatte er falsch gelegen. Er fühlte gerade gar nichts mehr. Und vielleicht war es tatsächlich besser wenn er ging.
 

Seine Beine trugen ihn wie betäubt aus dem Zimmer, dann aus der Wohnung und schließlich aus dem Haus. Draußen erwartete ihn Regen und Kälte. Einen Moment stand er auf der gepflasterten Straße, wurde erneut durchnässt. Dann machte er einen Schritt, dann noch einen und noch einen, folgte dem Licht der Straßenlaternen, das ihn hoffentlich irgendwo anders hinbringen würde.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  kleines-sama
2022-03-22T17:19:17+00:00 22.03.2022 18:19
Ich freue mich wahnsinnig, dass es mit der FF weitergeht :)
Das Kappi hat mir natürlich gut gefallen! Die Konfrontation zwischen Kakuzu und Hidan war wirklich sehr heftig. Oh Mann, Hidan tut mir richtig leid. Hoffentlich lässt sich das irgendwie geradebiegen ;)


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