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Harry Potter und die verlorene Zeit

Buch 8
von

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Kapitel 2 Teil 2: Post und Pakete

Kapitel 2 Teil 2: Post und Pakete
 


 

Harry blieb drei Tage in seinem Zimmer. Er aß nichts und trank Wasser welches er sich herbeizauberte. Hin und wieder huschte er ins Badezimmer, wobei er es allerdings geflissentlich vermied in den Spiegel zu blicken. Er konnte seinen eigenen Anblick nicht ertragen.

Die Albträume wurden jede Nacht schlimmer. Zusätzlich zu den verstorbenen, mischten sich nun auch die überlebenden Freunde Harrys unter die Opfer Voldemorts. Sie warfen ihm vor, ihr Leben zerstört, ihre Jugend geraubt zu haben. Und er fühlte sich, als wenn sie damit recht hätten.

Ein zögerliches Klopfen ließ Harrys Kopf hochschnellen. Er saß auf dem Boden vor seinem Bett, den Kopf auf die Matratze gelehnt und versteckte sich vor der aufgegangenen Sonne und der ganzen Welt. Kreacher stand wieder vor seiner Tür, wie jeden Morgen, und versuchte ihn heraus zu argumentieren.

„Der Herr muss heraus kommen! Er muss etwas essen!", krächzte der Hauself und hörte sich dabei ernsthaft besorgt an. „Kreacher hat Frühstück gemacht. Bitte Meister!" Harry starrte weiter auf die schwere Holztür ohne jegliche Absicht aufzustehen. „Kreacher hat auch alle Briefe entsorgt die dieser dreckige Vogel angeschleppt hat. Es gibt keinen Grund nicht rauszukommen, Meister Potter, Kreacher hat alle Post verbrannt!"

Harry starrte in die großen, kugelförmigen Augen des Hauselfs. Er hatte die Tür so plötzlich geöffnet, dass Kreacher keine Zeit gehabt hatte sich vorzubereiten oder zurückzuweichen.

„Du hast was getan?" Harrys Stimme krächzte vor Anstrengung. Er hatte für sich allein kaum geredet, und wenn dann vor sich hin geflüstert. Aber jetzt schrie er Kreacher regelrecht ins Gesicht.

„Wie kannst du es wagen meine Briefe zu verbrennen?" Harry hörte sich nicht an wie er selbst. Das Kratzen der Stimmbänder ließ seine Stimme tiefer wirken und der ungewohnt wütende, herablassende Ton war noch fremdartiger. Als Kreacher sich vor ihm duckte und begann buckelnd zurückzuweichen bemerkte er seinen Fehler. Harry schluckte und wiederholte seine Frage ruhiger.

„Wieso hast du Briefe an mich verbrannt, Kreacher?" Der Hauself sah Harry nicht in die Augen und antwortete sehr leise und außergewöhnlich schüchtern. „Der Meister hat doch selbst die Briefe verbrannt und dann, und dann hat er mich mit dem stinkenden Vogel allein gelassen!" Kreachers Stimme begann wieder Halt zu finden. „Dieser garstige, unverschämte Vogel! Er bringt einfach Post ins Haus obwohl der Meister es verboten hat! Kreacher hat versucht ihn auszusperren, ihn zu verscheuchen Meister Potter, aber kommt immer wieder rein. Kreacher weiß nicht wie! Deshalb hat er gedacht, er verbrennt die Briefe, damit der Meister endlich wieder etwas isst! Wenn die Herrin eine solche Eule gehabt hätte" Kreacher blickte zu seinem Zimmer hinüber, „Dann hätte Kreacher den Vogel verbrannt und nicht die Post! Schöner, großer Eulenbraten wäre das, ein Festmahl für Kreacher und den Herrn. Die Herrin hätte eine solche Ungehorsamkeit nicht geduldet!" Kreacher machte ein unschönes, schmatzendes Geräusch aber Harry ging nicht weiter darauf ein, sondern unterbrach ihn schnell.

„Und von wem waren die Briefe?", fragte er plötzlich aufgeregt. „Hast du sie dir zumindest angesehen?" Kreacher schüttelte verwirrt den Kopf mit den großen, haarigen Ohren.

„Einer war dabei, der war von der Schlammblut Hexe.", entsann er sich aber plötzlich. Und ich gleichen Moment erinnerte er sich daran, dass er Harry versprochen hatte Niemanden mehr so zu nennen. Mit einer blitzartigen Bewegung krachte sein Kopf gegen den Türrahmen.

Harry wollte ihn aufhalten, allerdings war seine Wut noch immer so präsent, sodass er einen Moment zögerte. Stattdessen ging er an dem Hauselfen vorbei die Treppe hinunter. Er hörte wie Mrs. Black in Regulus' altem Zimmer schrie, wissen wollte woher der Lärm kam. Aber Harry ging einfach weiter, ohne überhaupt zu realisieren wohin er wollte. Erst als er in dem Salon am Ende des Eingangsbereiches stand, in dem er damals mit Sirius, Molly und seinen Freunden die Doxys aus den Vorhängen gesprüht hatte, hielt er inne. Augenblicklich fragte er sich wieso er sein Zimmer verlassen hatte, oder weshalb ihn die Tatsache, dass Kreacher seine Post verbrannt hatte so sehr aufregte. Er wollte auf dem Absatz kehrt machen und sich wieder einschließen gehen, da fiel sein Blick durch die, von Kreacher jetzt säuberlich geputzten Fenster.

Der Blick ging hinaus auf den Platz, auf das Stück Gras in der Mitte des Häuserrings. Eine Gestalt fing Harrys Aufmerksamkeit. Dort stand eine junge Frau, gekleidet in Schwarz, mit nicht mehr ganz so wilden Haaren und starrte hinauf zum Haus Nummer zwölf.

Nein, sie konnte die Nummer zwölf, ja nicht sehen, dachte Harry, aber sie sah genau auf die Stelle an der sie wusste dass das Haus sich befinden musste. Es war ja auch kein Wunder. Harry trat näher ans Fenster heran. Hermine war so oft mit ihm hier gewesen, damals als sie das Haus noch hatte sehen können. Unzählige Male waren sie unter dem Unsichtbarkeitsumhang auf die Türschwelle appariert, damit die Todesser sie nicht entdecken konnten.

Hermine hielt ein Paket in den Händen und ging zielstrebig auf die Stelle zu, an der sich die Treppe zum Haus befand. Sie schien ihre Schritte gewissenhaft zu bemessen und stoppte ganz genau am Treppenabsatz. Der Drang in Harry, das Fenster zu öffnen, ihr zu zurufen, mit ihr zu reden war enorm. Doch stattdessen stand er nur im Fenster und krallte seine Finger in den Rahmen. Hermine stand einen Moment einfach da. Sie schaute erneut zum Haus hinauf und traf genau Harrys Blick. Erschrocken schnellte er zur Seite, für einen Moment davon überzeugt, dass sie ihn gesehen hatte. Als er wieder vorsichtig um die Ecke lugte war sie fort. Er suchte mit den Augen den ganzen Platz ab, schaute in alle Hauseingänge und abgehenden Straßen, aber sie war weg. Grade als Harry sich mit dem Gefühl der Erleichterung und riesigen Enttäuschung umdrehte, erkannte er den Grund ihres Auftauchens auf seiner Türschwelle. Das Paket das sie getragen hatte stand nur Zentimeter von der untersten Stufe vor seiner Tür. Sie hatte ihm etwas da gelassen.

Ohne auch noch einmal darüber nachzudenken raste Harry den Flur herunter und riss die Eingangstüre auf. Da stand es. Die Schachtel war in grünes Packpapier gewickelt und wurde von einer Kordel zusammengehalten. Harry zögerte den einen Schritt die Stufe hinab auf das Paket zu zumachen. Es konnte immer noch eine Falle sein, jemand der sich nur als Hermine ausgab. Außerdem hatte er doch die letzten Monate alles dafür getan, jeglichen Kontakt mit der Außenwelt, mit seinen Freunden zu verhindern. Wer wusste was sie ihm jetzt zukommen ließen und ob er es sehen wollte. Die Julisonne wurde immer wärmer, je höher sie über die umstehenden Häuser stieg und Harry wurde bewusst, dass ein Päckchen, das mitten auf dem Platz lag, früher oder später von seinen Nachbarn gefunden werden musste. Aber er traute sich einfach nicht den Schutz des Fidelius-Zaubers zu verlassen.

Nach Minuten des Zögerns und Grübelns fielen ihn siedend heiß Hagrids Worte wieder ein. Er musste unwillkürlich über seine Geistesabwesenheit schmunzeln.

„Du bist ein Zauberer Harry!", flüsterte er zu sich selbst und mit einem kurzen „Accio" flog die Schachtel in seine Arme.
 

Seit einer Stunde saß Harry in der Kellerküche des Hauses. Das Paket stand vor ihm auf dem Tisch, aber er hatte noch immer nicht den Mut gefunden es zu öffnen.

„Das ist lächerlich!", rief er laut. Es war niemand sonst in der Küche, aber Harry war es inzwischen fast gewohnt mit sich selbst zu sprechen. „Du bist derjenige der Voldemort besiegt hat. Du bist ihm so oft entkommen. Und jetzt hast du Angst vor einer Schachtel?" Harry sprang auf und stieß dabei den Stuhl um. Er wusste selbst, dass es nicht das Paket und auch nicht sein Inhalt waren, die ihm Angst machten. Es war vielmehr die Angst vor der Ablehnung seiner Freunde. Die Angst vor seiner Schuld und den Vorwürfen. Und auch die Angst vor den Ehrungen und Gratulationen, die er ganz und gar nicht verdient zu haben glaubte, die aber unweigerlich auf ihn zukamen. In den wenigen Zeitungsausschnitten die er gelesen hatte, als Rubo den Propheten Heim brachte, war sein Name viel zu häufig gefallen. Einmal hatte er sogar etwas von einem ‚Harry‑Potter‑Tag' gelesen, der an seinem Geburtstag gefeiert werden sollte. Diese Vorstellung gefiel ihm ganz und gar nicht.

Harry stand vor dem Tisch und blickte auf das grüne Papier. Jetzt erst sah er eine feine goldene Schrift, die sich über die Oberseite zog; „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!".

Harry wich schlagartig zurück und prallte gegen die Wand. Heute war sein Geburtstag! Es war der einunddreißigste Juli und er hatte es vollkommen vergessen. Es war zwar nicht so ungewöhnlich für ihn, seinem Geburtstag keine große Bedeutung zuzuschreiben, aber es irritierte ihn doch. Als er noch bei den Dursleys gelebt hatte, war er meist der einzige gewesen der ihn gefeiert hatte. Auch wenn das hieß, einen Kuchen auf ein staubiges Fleckchen Boden zu malen und sich selbst ein Geburtstagslied zu singen. Und in seinen Jahren in Hogwarts hatte er immer mehr die Geburtstagspost seiner Freunde zu schätzen gelernt, hatte gelernt seinen Geburtstag zu mögen. Wenn er an die gewaltige Schnatz‑Torte dachte, die Mrs. Weasley ihm letztes Jahr zu seiner Zauberer-Volljährigkeit gebacken hatte, stiegen ihm die Tränen in die Augen. Also war dieses Paket ein Geburtstagsgeschenk? Harry unterdrückte verzweifelt ein Schluchzen. Nach allem was er getan hatte, nach all dem Blut das an seinen Händen klebte, nach den Monaten in denen er sich isoliert hatte um seine Freunde nicht zu belasten und ihnen ein normales Leben zu ermöglichen, schickten sie ihm ein Geburtstagsgeschenk? Seine Hand zitterte als er an der Kordel zog, die das Paket zusammenhielt. Das Papier fiel auseinander und er nahm den Deckel der Schachtel ab.

Oben auf lag eine Karte.

Ein goldener Phönix stieg darauf mit jedem Flügelschlag höher um am Höhepunkt in Flammen aufzugehen und wieder herunter zu stürzen. Harry nahm die Karte in die Hand und beobachte die Wiedergeburt des Feuervogels, der seinen Kopf aus der Asche erhob, so wie Fawkes es getan hatte als Harry ihn an seinem Brandtag das erste Mal in Dumbledores Büro gesehen hatte. Harry vermisste plötzlich das Gefühl von Ruhe und Geborgenheit, welches ihm der Phönix so oft vermittelt hatte. Vor allem sein Gesang hatte immer geschafft Harry zu trösten, wenn er so aufgewühlt war wie in den letzten Monaten.

Er riss seinen Blick von dem Vogel fort und schlug die Karte auf.

Hermines feine Schrift zog sich golden, in graden Linien über die Karte.
 

‚Lieber Harry,

zu Deinem Geburtstag wünschen wir Dir alles Liebe. '
 

Die Wünsche waren von allen Weasleys und Hermine unterschrieben.
 

‚Ich bin seit dieser Woche wieder im Fuchsbau. Ich musste ziemlich lange suchen bis ich meine Eltern gefunden habe. Wie es sich raustellte, waren sie zu einer Rundreise aufgebrochen und ich konnte ihren Wohnwagen am Fuße des Ayers Rock, oder wie die Eingeborenen ihn nennen„Uluru" aufspüren. Anschießend hat es weitere drei Wochen gedauert bis ich ihr Gedächtnis wieder soweit geklärt hatte, dass sie sich an mich erinnerten. Oh Harry, Ich will mich ja nicht selbst loben, aber diese Gedächtnis-Modifikation war wirklich ein Meisterwerk. Trotzdem wäre es vielleicht einfacher gewesen, sie einfach zu Oblivieren und sie jetzt in St. Mungos zu bringen. Vor allem weil es in den zwei Monaten die ich fort war, keiner geschafft hat, dich zu erreichen!

Harry! Warum versteckst du dich vor uns? Wir waren die ganze Zeit an deiner Seite. Wir haben mit dir gekämpft und alles durchgestanden.'
 

Harry schluckte. Hermine gab sich wie üblich selbst die Antwort auf Ihre Frage. Sie hatten so viel mit ihm durchmachen müssen, er hatte seine Freunde so oft in Gefahr gebracht.
 

‚Wir machen uns solche Sorgen um dich. Wir alle! Ron hat alle Orte abgesucht, an denen du dich versteckt halten könntest. Er war sogar im Haus deiner Tante. Die Dursleys sind inzwischen wieder zurück, ihnen ist nichts passiert. Er ist halb krank vor Sorge, sodass ich ihn auch nicht mit auf die Suche nach meinen Eltern nehmen konnte! Harry, du bedeutest uns allen so viel und wir wollen dich nicht schon wieder verlieren. Reicht es nicht, dass du einmal gestorben bist? Und jetzt bist du wieder da undversteckst dich vor uns!

Ich weiß du machst dir sicherlich viele Vorwürfe, aber dich trifft keine Schuld. Du hast diese Menschen nicht getötet, das war Voldemort. Und Sie wollten alle kämpfen, wir standen und stehen alle hinter dir!

Harry. Ohne dich wären wir alle tot. Dann gäbe es niemanden, der uns betrauern könnte.

Du hast uns gerettet, sodass wir lernen können wieder froh zu sein! Wir verdanken dir Alles!

Bitte komm bald nach Hause,

Hermine.'
 

„Komm nach Hause!" Harrys Blick blieb an diesen letzten Worten kleben. Er hatte kein zu Hause mehr. Er wusste, dass Hermine den Fuchsbau meinte, aber schließlich war er auch da ein Fremder. Mrs. Weasley konnte ihn doch nicht wieder wie einen Sohn aufnehmen, nicht nach alle dem! Und doch, Harry las erneut die Glückwünsche. Arthur und Molly waren die Ersten die unterschrieben hatten.

Unter der Karte hatten in der Schachtel noch andere Dinge gelegen und nun fielen sie Harry ins Auge. Er holte einen Beutel heraus und noch bevor er die Schnur gelöst hatte, wusste er, dass es die selbstgemachten Kekse waren, die Mrs. Weasley immer so gerne verschenkte. Der wundervolle Duft des frischen Gebäcks stieg im in die Nase und im selben Moment überkam ihn eine herzzerreißende Sehnsucht. Selbst Kreachers geballte Koch- und Backkunst konnte sich nicht mit diesen Plätzchen messen, die Molly Weasley mit Liebe und nur für ihn gebacken hatte. Er griff hinein und holte einen der Schokoladenkekse heraus. Es war ein Hirsch, überzogen mit weißem Zuckerguss. Harrys Augen wurden weit. So gern er in das köstliche Gebäck gebissen hätte, er konnte sich nicht überwinden und legte den Hirsch vorsichtig auf den Tisch. Er zog einen Keks nach dem anderen aus dem Säckchen und alle waren mit leuchtend weißem Zuckerguss verziert. Da waren ein kleiner Hund, ein Otter, ein Wiesel, ein Bär, ein Eichhörnchen, ein Fuchs, ein Kaninchen, ein Wolf, ein Pferd, eine Katze, eine Hirschkuh und ein Phönix. Sie lagen nun alle ausgebreitet vor Harry auf dem Küchentisch und leuchteten wie seine private, essbare Armee an Patroni. Und fast als hätte Harry wirklich seinen Hirsch-Patronus gerufen, fühlte er wie ein kleines Gefühl des Glücks sich in ihm ausbreitete. Es stahl sich sogar ein Grinsen in sein Gesicht, als er dem Eichhörnchen den buschigen Schwanz abbiss.

Das nächste Geschenk in dem Paket war ein Buch. Auf den ersten Blick hätte Harry geschworen, dass es ein Geschenk von Hermine sein musste, doch als er das schlecht verklebte Geschenkpapier herunter riss, fiel ihm eine Notiz von Ron entgegen.
 

‚Hey Harry! Ich hoffe Hermine hat recht und du bekommst dieses Geschenk.

Du musst dringend nach Hause kommen, Kumpel. Die Frauen drehen völlig ab vor Sorge und Dad und Ich sind hier hilflos in der Unterzahl!

Komm her und entschuldige dich einfach dafür dass du dich solange verkrochen hast.

Ich hab dir dein Buch geschickt, du hattest es in Hermines Tasche vergessen. Ich bezweifle dass du je reingeschaut hast, dabei ist es so praktisch!

Bis ganz bald

Ron'
 

Harry schmunzelte. Rons Besorgnis über die sorgenvollen Frauen und Hermines Aussage über Ron der „halb krank vor Sorge" wäre, waren so widersprüchlich wie Harry es von den Beiden gewohnt war. Er besah sich das Buch, welches Ron ihm geschickt hatte und erkannte darin sein Geburtstagsgeschenk vom letzten Jahr, ‚Zwölf narrensichere Methoden, Hexen zu bezaubern'. Ron hatte für Harry ein großes rot-goldenes Lesezeichen im vorderen Drittel des Buches eingesteckt. Harry schlug die markierten Seiten auf und las die Kapitelüberschrift:

‚Wie Mann sich richtig entschuldigt - Zu Kreuze kriechen ohne im Staub zu liegen! '

Jetzt lachte Harry laut und es war das erste Mal seit Tagen, wenn nicht gar Wochen, seitdem er so ehrlich fröhlich gewesen war. Er erinnerte sich an Rons hohe Meinung von den Tipps in diesem Buch. Schnell schlug er das Inhaltsverzeichnis auf und fand tatsächlich seinen Verdacht vom letzten Sommer bestätigt. Bereits das allererste Kapitel trug den Titel:

‚Wie Mann eine Hexe bezaubert- Mit Komplimenten direkt in ihr Herz! '

Da hatte Ron also seine Sprüche und Taktiken her, mit denen er Hermine das ganze Jahr umworben hatte. Wobei, da war Harry sich recht sicher, all dies im Fall der Beiden nicht nötig gewesen war. Ron war doch mindestens schon seit dem fünften Schuljahr in Hermine verliebt gewesen und Sie wahrscheinlich andersrum noch früher. Aber Harry hatte sich nie eingemischt. Ihm war sein eigenes Schicksal immer so viel wichtiger und bedeutsamer vorgekommen. Was war denn auch das Glück seiner beiden besten Freunde, im Vergleich zur Rückkehr von Voldemort, oder dem Tod seines Paten.

Aber er war nicht mehr der egoistische fünfzehnjährige Junge. Er hatte erst sterben müssen um zu verstehen was Dumbledore ihm immer wieder zu erklären versucht hatte. Die Liebe war die stärkste Kraft und aus Liebe war man bereit die gefährlichsten und selbstlosesten und auch verrücktesten Dinge zu tun. Harry wollte glauben, dass sein Rückzug auch so ein Akt der Liebe war, dass er seine Freunde freigab um ihr Leben ohne die Belastung zu führen, die er für sie darstellte. Aber scheinbar sahen diese es nicht so. Es waren schon über zwei Monate vergangen, seit der Schlacht von Hogwarts und Ron und Hermine hatten ihn noch nicht losgelassen. Sie hatten ihr gemeinsames Glück noch nicht gefunden, und das wieder wegen ihm?

Harry legte das Buch zur Seite. Wie sollte er sich auch jemals für alles entschuldigen können, was er ihnen allen angetan hatte.

Sein Herz setzte einen Schlag aus, als er das nächste Geschenk aus der Schachtel zog. Es war ein silberner Umschlag, mit einer feinen Handschrift beschrieben. Die Schrift war nicht so gleichmäßig und akkurat wie Hermines, bei weitem nicht so grade, dafür aber elegant geschwungen und ausdrucksvoll. Es standen nur zwei Worte drauf ‚Für Harry', aber Harry wusste sofort, dass der Brief von Ginny kam. Das silberne Umschlagpapier fühlte sich glatt und kühl an, es schimmerte in Harrys zitternden Händen. Aber er schaffte es nicht, den Brief zu öffnen. Unter all den Briefen die Rubo in den letzten Wochen unerlaubt mitgebracht hatte, hatte Harry nie einen mit Ginnys Schrift gesehen. Auch wenn er die Briefe nicht öffnen wollte, so hatte er doch jedes Mal registriert, wer die Absender waren, zumeist Ron und Hagrid. Jetzt wusste er, dass Hermine noch in Australien gewesen war und deswegen wohl das Schreiben an Ron delegiert hatte. Aber Ginny hatte ihm nicht geschrieben und das hatte ihn zwar geschmerzt, aber er hatte gehofft, dass sie ihn nun hassen würde und es ihr dadurch leichter fiel ihn loszulassen. Sie sollte jemand besseren finden. Dieser Brief von ihr in seiner Hand fühlte sich aber nicht nach Hass an. Die feinen, sauberen Linien, auf dem besonderen Papier, das alles schrie nach Liebe und Harry schmerzte das Herz vor Sehnen. Wenn er die Augen schloss konnte er noch immer ihr schönes, feuriges Haar sehen, fast riechen. Der blumige Duft stieg ihm in die Nase, fast als wäre der Umschlag parfümiert. Er legte den Brief in Rons Buch, um sicher zu gehen dass Kreacher ihn nicht wegwarf und um ihn aus dem Blick zu haben.

In der Schachtel war nun nur noch ein kleines Päckchen. Es war nicht verpackt, nur ein kleiner brauner Karton. Zum Vorschein kam eine Art Spieluhr. Es gab eine Öffnung zum Aufziehen, aber keinen Schlüssel. Nach ein wenig überlegen zog Harry seinen Zauberstab heraus und drehte ihn ein Mal in dem Schloss. Sofort begann das Kästchen zu vibrieren und Harry stellte es schnell in die Mitte des Tisches.

Langsam öffnete sich die Klappe einen kleinen Spalt und ein hoher Ton erklang. Erst dachte Harry es wäre nur Krach, doch grade als er die Hand danach ausstreckte, begann die Melodie. Es war eben der Klang, an den er beim Anblick von Hermines Karte gedacht hatte. Die Spieluhr gab das Lied des Phönix' wieder und Harry spürte die Ruhe und Freunde in seinem Inneren. Es war als würde die Küche auf ein Mal wärmer und freundlicher und das ganze Haus mehr ein zu Hause.

Harry hörte wie Kreacher die Treppe zur Küche herunter polterte. Allem Anschein war auch Rubo wieder da, denn er hörte das Schimpfen der Beiden. Doch selbst das schien im Hintergrund des Liedes harmonischer und weniger aggressiv zu wirken. Der erfüllende Klang zog beide Gefährten Harrys an aber grade als Kreacher die Tür öffnete und in die Küche trat, veränderte sich der Klang. Dafür stoben nun plötzlich Blasen aus der offenen Spieldose, die groß und massiv wie Medizinbälle wirkten, aber wie leichte Seifenblasen dahinschwebten. Rubo flatterte auf den Buffetschrank und betrachtete fasziniert eine große gelbe Kugel die auf ihn zu schwebte. Mit einer schnellen Bewegung hieb sein Schnabel nach vorn und brachte die Blase zum Platzen. Eine gewaltige Explosion brachte das Geschirr im Schrank zum erzittern und traf Rubo mit voller Wucht. Er kippte vom Buffetschrank und drehte zerzaust seinen riesigen Kopf, wie um zu begreifen warum er plötzlich auf dem Boden lag. Bevor Harry auch nur aufspringen konnte um zu sehen dass es dem Uhu gut ging, begann Kreacher schallend und schadenfroh zu lachen. Rubo schuhute ihn verteidigend an und im selben Moment wurde Kreacher ebenfalls von der Explosion einer Blase von den Füßen gerissen. Jetzt erkannte Harry den Scherzartikel aus Fred und Georges Laden in der Spieluhr. Er war sich sicher, dass niemand durch die Explosionen ernsthaft zu Schaden kommen würde, dennoch wollte er das Risiko nicht eingehen.

„Evanesco!", sagte er und mit der kurzen Bewegung des Stabs waren die restlichen Blasen verschwunden. Kreacher nutzte die Gelegenheit und türmte aus der Küche, denn augenblicklich fing die Spieluhr an, neue Blasen auszuspucken. Diese sahen anders aus. Sie waren nicht massiv und knallig gefärbt, sondern glitzernd, filigran und sanft schimmernd. Trotzdem hielt Harry den Zauberstab im Anschlag und zog sich so weit wie möglich vom Tisch zurück. Doch als diese Blasen platzten gab es keine Explosionen. Die schimmernden Kugeln barsten und gaben Stimmen frei. Und diese Stimmen sangen und lachten. Je mehr Blasen platzten desto deutlicher wurde der Gesang und Harry hörte das sie ‚Happy Birthday' sagen. Je genauer er hinhörte, umso mehr einzelne Stimmen erkannte er. Es schienen alle da zu sein. Er hörte Molly Weasley wie sie ein wenig zu hoch und zu inbrünstig sang, und auch Arthur und seine Söhne Bill und Charlie. Fleur konnte Harry leicht an ihrem noch immer vorhandenen Akzent erkennen, sie sang 'appy birthday. Da war Hermines Stimme, klar und hell und Percy Weasley, wie immer ein wenig zu steif. Harry hörte George lachen und johlen, im Versuch die anderen zu übertönen. Ihm schlug das Herz in den Hals. Wie konnte George fröhlich sein, ihm ein Geburtstagsgeschenk machen, wenn er doch einen so großen Verlust davongetragen hatte. Sie alle! Molly und Arthur hatten vor zwei Monaten ihren Sohn beerdigen müssen. Eine Trauerfeier zu der Harry nicht gegangen war. Er hatte nicht gedacht, dass jemand der Familie Weasley ihn jemals wieder sehen wollte. Und doch sangen sie jetzt für ihn. Sie hatten sich so viele Umstände gemacht, damit er sie an seinem Geburtstag bei sich hatte. Musste es ihnen nicht viel schlechter gehen als Harry? Und statt sie zu unterstützen spielte er den Märtyrer? Wenn sie lachen konnten und sich freuen, sollte er nicht auch versuchen weiterzumachen?

Eine letzte, goldene Blase stieg aus der Spieluhr. Größer und funkelnder als alle vorhergegangenen.

„Wir vermissen dich Harry! Komm nach Hause!", erschallte der Stimmenchor vereint und Harry hörte jetzt deutlich Ginny heraus. Der Schmerz ihrer Stimme ließ ihn erstarren. Sein Herz brach und er sackte auf seinen Stuhl zurück. Erst jetzt bemerkte er dass er weinte.


Nachwort zu diesem Kapitel:
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So! Das war das zweite Kapitel :)
Ich hoffe Harrys düstere Stimmung hat nicht auf euch abgefärbt und wenn doch, dann denkt einfach an das Lied des Phönix. Alles wird ganz bald wieder gut werden. Ich versprechs. ;)

Ich hoffe meine Geschichte gefällt euch bis hier hin schonmal, mit den anderen Charakteren wird auch noch viel passieren und irgendwann wird Harry hoffentlich auch das Haus verlassen, aber Eins nach dem Anderen.

Ich freue mich über ganz viele Bewertungen und Kommentare von euch!
Falls sich einer dazu berufen fühlt den Lektor zu spielen, sind mir Vorschläge immer willkommen. Für etwaige Rechtschreibfehler entschuldige ich mich schonmal, irgendwie schleichen die sich immer ein :)

Ach ja! Die Geschichte hat jetzt auch eine eigene Facebook-Seite :D da poste ich alles über Updates oder bitte wohl auch das ein oder andere Mal um Hilfe. Schaut mal rein :)
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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Andreana
2018-05-17T19:48:30+00:00 17.05.2018 21:48
Kläglich gescheitert bei dem versuch nicht zu heulen
Antwort von:  Hermine_Weasley
17.05.2018 23:43
Ich dachte zuerst das schlimmste
... 🙈 Aber ich hoffe du findest es nicht schlimm, dass ich dich zum heulen gebracht habe
Von:  ougonbeatrice
2018-05-08T09:04:21+00:00 08.05.2018 11:04
Die emotionale Achterbahn in diesem Kapitel hat mir sehr gut gefallen. Harry geht es nicht gut und ich finde es auf seltsame Weise sogar logisch, dass er seine Briefe verbrennen würde, gleichzeitig aber völlig sauer wird, dass Krracher dasselbe getan hat. Krracher gefällt mir überhaupt sehr gut. Manchmal erinnert er mich an Golum, vor allem wenn der den Vogel essen möchte, aber auch das passt zu ihm uns zu seinem Wesen. Du stellst Harrys Depression sehr gut und logisch dar, Daumen hoch.
Das Geschenk hat mich wirklich berührt, besonders die Kekse. Ich kann mir richtig vorstellen, wie Molly in der Küche stand und jeden einzelnen mit Liebe gebacken hat, mit den Patroni Tieren als Vorlage. Es ist Ihre Art zu sagen, dass Harry zu Ihnen gehört, und das finde ich wirklich schön.
Antwort von:  Hermine_Weasley
08.05.2018 11:30
Ougonbeatrice ich find dich toll! Du bist bisher die erste, die diese Details kommentiert hat und erkannt hat. Die stelle wo kreacher rubo essen will ich 100% bei gollum angelehnt! Ich mag gollum! :)
Und die patronuskekse gehören für mich auch zu meinen Favoriten! Vorallem weil es sogar noch schokokekse sind! 💛
Von:  Blue_StormShad0w
2017-09-12T18:07:50+00:00 12.09.2017 20:07
Guten Abend.
Also, dass war bis jetzt ein schönes Kapitel - besser gesagt, als er sein Paket geöffnet hatte. (^ ^)
Aber erst mal zum Anfang.
Das die Albträume noch schlimmer geworden sind, als sie es vorher schon waren, hatte Harry ja noch mehr fertig gemacht. Wenn ihm schon seine eigene Stimme fremd klang.
Kreacher will aus Rubo ... Eulenbraten machen?!?!?! Ich glaub' mir wird schlecht ... (-_-) Aber ich glaub' kaum, dass der Hauself dazu kommen wird. Immerhin schafft er es nicht mal, Rubo aus den Haus fernzuhalten. (^^)
Oh, und die Tatsache, dass man einen Harry-Potter-Tag an seinen Geburtstag veranstaltet will, ist mir unbegreiflich? Erst mal, hat Harry Voldemort nicht an seinen Geburtstag besiegt und außerdem glaube ich kaum, dass Harry sowas - wie man auch bei seiner Reaktion festellte - gutheißen wird.
Na, Harry war bestimmt sehr überrascht Hermine vor seinen verborgenen Haus zu sehen. Schön war's zu lesen, dass sie ihre Eltern wiedergefunden hat.
Und nun zum allerschönsten Teil. (^^)
Das ihn seine Freunde und die Weasley so ein Geschenk gemacht haben, zeigt, dass er ihnen alles andere als egal sind und ihn Wiedersehen wollen. Und ich glaub', mit der Spieluhr und den Stimmen darin, wird Harry endlich wieder den Kontakt zu ihnen wieder aufnehmen, wobei ich denke, dass es wohl noch etwas dauern wird, bis er über seinen Schatten springt.
So, also dann, wünsch' noch einen schönen Abend, ciao! (^-^)/

Antwort von:  Hermine_Weasley
13.09.2017 12:33
Ja den harry potter tag findet er alles andere als toll. Ich denke auch nicht das die das durchkriegen, aber du kennst doch die kimmkorn und ihre Übertreibungen!
Kreacher und rubo, das ist so ne Sache. Kreacher hasst ihn einfach. Die Gründe dafür werden später noch etwas deutlicher, aber es ist auch einfach witzig ;)
Ich hoffe dir haben auch die anderen Geschenke gefallen nicht nur die spieluhr. Wobei die Natürlich der emotionale Knackpunkt war. Bis jetzt.


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