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Die Weltenwandlerin

von

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Aufbruch

Irgendwann habe ich es mir abgewöhnt, anderen – egal wem – zu vertrauen. Folglich halte ich auch nicht besonders viel von Überraschungen und wo ich kann meide ich Situationen, die mir zu sehr die Kontrolle entziehen. Ich bin gern auf alles vorbereitet, was kommt – so langweilig und un-abenteuerlich das auch klingen mag. Für mich ist es eine Strategie, um besser zurechtzukommen, eine Strategie, um zu überleben.

Daher überrascht es mich kaum, dass ich von Thranduils Vorschlag, einen Ausflug zu machen, anfangs nicht recht begeistert bin. Kaum hat er die Worte ausgesprochen, hallt bereits ein klares, warnendes „Nein!“ durch meinen Geist – es ist, wie bereits erwähnt, antrainiert und zwar von mir selbst. Damit ich keine „Dummheiten“ begehe und mich in eine Situation begebe, der ich nicht gewachsen sein könnte. Etwas weit hergeholt, ich weiß.

Doch fast ebenso schnell ist mir klar, dass es so nicht weitergehen kann. Ich kann nicht mehr lange so weitermachen, ewig schon gar nicht. Deshalb beiße ich die Zähne zusammen, um meine inneren Plagegeister ruhigzustellen und nicke, wenn auch nicht besonders überzeugt oder überzeugend. Egal, Thranduil scheint zufrieden.

Der Elbenkönig lässt eine seiner Untertaninnen rufen, die er mit dem Auftrag versieht, mir ein paar entsprechende Kleidungsstücke zu besorgen. Während wir darauf warten, dass die Elbin zurückkehrt, rattert es in meinem Kopf wie verrückt: Längst hat sich mein Geist auf die neue Situation – dass ich nun doch am Ausflug teilnehme, auch wenn er mir entschieden davon abgeraten hat – eingestellt und will nun wieder die Kontrolle übernehmen. Dementsprechend bombardiert er mich mit gefühlt tausend Fragen: Wohin geht der Ausflug? Wie lange dauert er? Werden wir genug zu essen haben? Ja, wohin geht denn der Ausflug? Kann es sein, dass noch jemand mitkommt? Was, wenn diese Personen mir unbekannt sind? Wohin geht denn nun dieser Ausflug???

Es ist echt anstrengend. Verbissen versuche ich, die Stimmen zu überhören und sie mir egal sein zu lassen, während Thranduil sich im Nebenraum bereits umzieht.

Nach einer Weile steckt er den Kopf durch die Tür und meint amüsiert: „Ich kann dich bis hierher denken hören…“

Ich weiß, dass er das nicht sagt, um sich über mich lustig zu machen, dennoch läuft mein Gesicht rot an. „Ich…äh…ja… diese verrückten Stimmen in meinem Kopf…“ Ich atme hörbar aus; es tut gut, endlich mal die Wahrheit auszusprechen. „… sie lassen mir einfach keine Ruhe…“

Jetzt scheint Thranduil nicht mehr amüsiert, sondern wieder besorgt. Er kommt zu mir und legt mir eine kühle Hand auf meine heiße Stirn; auch ihm ist die Nachdenklichkeit in diesem Moment anzusehen. „Ich weiß, du hältst nicht viel von Versprechen, Ithil…“, flüstert er, „aber bitte glaube mir, wenn ich dir sage: Ich werde tun was ich kann, damit es besser wird. Es soll dir bald wieder bessergehen, mein kleiner Mondschein…“

Wieder höre ich aus seinen Worten eine Aufrichtigkeit heraus und eine inbrünstige Hingebung, die mir wie das Allerschönste aller Welten erscheinen. Ist es nicht genau das, was ich mir immer gewünscht habe? Dass mich jemand ernst nimmt; dass sich jemand auf mich konzentriert und sich „echte“ Gedanken um mich macht?

Ich fühle mich sprachlos angesichts solcher unerwarteter Güte und strecke meine Hände nach Thranduils Hemd aus, an dem ich mich festhalte. Einatmen, ausatmen. Alles wird gut.
 

Da klopft es an der Tür. Die Elbin ist mit den gewünschten Kleidungsstücken zurückgekehrt. Rasch ziehe auch ich mich um, während Thranduil noch irgendwelche letzten Vorbereitungen zu treffen hat.

Auf dem Weg zu den Stallungen treffen wir auf Legolas, der mich fast ebenso besorgt mustert wie sein Vater. „Wie geht es dir?“

„Danke, geht schon…“ Näher an die Wahrheit komme ich im Moment nicht heran; auch, da ich nicht umhin kann mich zu schämen, dass mich Legolas nach dem Abendessen in einem so schwachen Moment gesehen hat.

„Ich hoffe, es geht dir bald besser…“ Auch er zeigt ein mich erstaunendes ernsthaftes Interesse an mir und meinem Wohlbefinden. Ich nicke stumm, momentan außerstande, meiner Dankbarkeit anders Ausdruck zu verleihen.

Thranduil wechselt mit seinem Sohn ein paar Worte auf Elbisch. Statt mich durch meine Unkenntnis dieser Sprache ausgeschlossen oder unwohl zu fühlen, schaffe ich es, den Klang der fremden und doch so vertraut klingenden Worte zu genießen. Sie haben, in Kombination mit Thranduils Stimme, eine durchaus beruhigende Wirkung auf mich und versetzen mich in einen Zustand, der sich nach angenehmem Behütet-Sein anfühlt.

Nach dem Gespräch verabschiedet Legolas sich von seinem Vater und wirft mir einen Blick zu, der Vieles heißen kann – damit treibt er unabsichtlich meine Gedankengänge weiter an. „Bis bald…“, ist alles, was der junge Elbenprinz zu mir sagt, bevor er umkehrt und um die nächste Ecke verschwindet. Die Stimmen in meinem Kopf rasen um die Wette.
 

Wir erreichen die Stallungen. Vor einer der vielen Boxen macht Thranduil halt und öffnet das Tor. Dahinter erblicke ich einen Hengst, der schwarz ist wie die Nacht.

„Darf ich vorstellen? Ithil, das ist Dúath. Sein Name bedeutet Nachtschatten oder Dunkelheit. Der Grund dafür dürfte wohl klar sein…“

Die Prise Sarkasmus lässt mein Herz leichter schlagen. Ich lege dem Tier, das mich aus seinen Nüstern leicht anschnaubt, vorsichtig eine Hand auf den Nasenrücken; es hält dabei überraschend still, fast so, als wüsste es um meine Unsicherheiten.

„Hallo Dúath…“ Ich streiche dem Pferd über den Hals und fühle mich allein dadurch schon etwas mutiger. Zu Thranduil sage ich: „Er ist wunderschön…“

Der Elb nickt zustimmend. „Dann ist es für dich in Ordnung, wenn wir ihn uns teilen? Oder hättest du lieber ein eigenes Reittier? Ich habe jede Menge zur Auswahl…“ Er deutet auf die umliegenden Boxen.

Ich schüttele den Kopf. „Nein, danke. So bewandert bin ich im Reiten nicht… Aber bist du sicher, dass das nicht zu schwer ist für ihn? Uns beide zu tragen?“

Thranduil sieht mich mit einer Mischung aus Belustigung und Zuneigung an. „Selbst um ihn machst du dir in deinem eigenen Kummer noch Gedanken… Du weißt gar nicht, wie erstaunlich du bist, Ithil… Mach dir keine Sorgen um Dúath; er ist jung und kräftig und außerdem wiegst du ja sowieso nicht besonders viel.“

Mit diesen Worten zäumt er das Pferd auf und hilft mir hinauf, bevor er sich hinter mich auf den Rücken des schwarzen Riesens schwingt. Seine Nähe jagt mir einen Schauer über den Rücken. Er merkt es, natürlich.

„Ich weiß, es ist viel verlangt“, sagt er, „aber ich bitte dich, mir zu vertrauen, Ithil. Ich werde mein Bestes geben, um dich zu beschützen, alles, was dazu nötig ist. Du entscheidest. Ich werde mich an deine Grenzen halten. Wenn du sagst, es reicht, dann reicht es.“

Nach kurzer Pause fügt er hinzu: „Mir ist klar, dass du deinem Gefühl nicht vertraust. Aber eigentlich weißt du, dass ich es ernst meine; du weißt, dass du mir glauben kannst.“

Ich schlucke meinen inneren Widerstand hinunter. Ich will, dass das funktioniert, ganz egal, was die Stimmen sagen.

„Okay…“, flüstere ich.

„Ist es in Ordnung, wenn ich…?“ Thranduil gibt mir zu verstehen, dass er mich links und rechts mit seinen Armen einschließen muss, um an die Zügel zu gelangen. Als er sieht, dass ich zögere, schlägt er vor: „Du könntest auch hinter mir sitzen…“

Ich schüttele den Kopf. „Nein, nein, lass es uns versuchen…“ Meine Stimme zittert, aber ich bin so fest entschlossen wie es nur geht.

Thranduil legt die Arme um mich und greift nach den Zügeln. Er lässt mir einige Momente Zeit, um mich an das Gefühl zu gewöhnen und es mir eventuell anders zu überlegen. Ich komme dabei ganz schön ins Schwitzen; mit Nähe komme ich nicht besonders gut klar.

„Atme, Ithil“, raunt Thranduil an meinem Ohr. „Atme und lass los. Ich bin hier; du kannst dich fallen lassen.“

Mein Herz rast; die inneren Alarmglocken schrillen. Ich versuche, mich dennoch zu entspannen. Thranduil hat recht. Ein leises, kaum wahrnehmbares Gefühl sagt mir, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Auch wenn die Zweifel groß sind. Ich habe mich schon so oft geirrt.

Ich atme tief ein und aus. „Okay…“

Thranduil treibt das Pferd an. Rücksichtsvoll wie er ist lässt er das Tier uns schön langsam Richtung Reichsgrenzen tragen. Bald haben wir alles hinter uns zurückgelassen, alles außer meinen Ängsten.



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